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Zollwesen im Mittelalter. 43
Handen war, auf den Uferstrecken durch Menschen oder Tiere fortziehen zu lassen, was auf allen Flüssen bei der Bergfahrt notwendig war. Das Thorgeld war ein Durchgangszoll bei Wasserklausen und Wasserthoren, die zur Befestigung der Städte und Burgen an vorbei- oder durchfließenden Flüssen oft errichtet wurden. Ein Thorgeld wurde auch zu Lande erhoben, und ebenso konnte das Brückengeld zu Lande und zu Wasser verlangt werden. Schiffe, welche unter der Brücke hindurchfahren, bestimmt ein Kapitnlare, zahlen keinen Zoll, nur wo der Durchlaß der Brücke für das Schiff geöffnet werden muß, ist die Abgabe zu entrichten. Übrigens baute man, wie aus Verboten einzelner Kapitulare hervorgeht, um Zölle unter dem Scheine des Rechtes von den Frachtzügen erheben zu können, Brücken auf offenem Felde oder über Wasser, die Wagen und Wanderern kein Hindernis entgegen stellten. Als einen neuen und ungesetzlichen Zoll bezeichnet ein Kapitulare von 805 das Erheben von Abgaben an Stellen, wo man den Fluß durch ein Seil gesperrt hatte. Dieses Seilspannen ward noch in späteren Jahrhunderten angewendet, um Schiffen einen Zoll abzupressen. Für Abnutzung der Straße erhob man ein Wagengeld, ferner gab es ein Lastengeld, dessen Größe sich nach der Größe der Last richtete; man unterschied Tier- und Menschenlasten; auch ein Viehzoll ward erhoben. Durch eine bestimmte Abgabe erkaufte sich der Reisende das Recht, sein schadhaftes Fahrzeug (Deichfelu, Ruderstangen n. dgl.) aus dem nächsten Walde ausbessern zu dürfen, fein Roß in dem am Wege liegenden Felde sich fatt freffen zu lafsen und zur Stillung des eigenen Hungers üon den Baumfrüchten eine bestimmte Anzahl zu nehmen, von Nüssen z. B. einen Handschuh voll.
Marktzoll wurde erhoben, wenn eine Ware behufs des Wiederverkaufs aus einer Hand in die andere überging. Wer für eigenen Bedarf einkaufte, zahlte keinen Zoll. Der Marktzoll war an den Grundherrn des Marktplatzes zu entrichten, und seine Höhe war gewöhnlich in der Marktverleihungsurkunde gesetzlich festgestellt. Dafür hatte der Grundherr des Marktes oder der, welcher an Königs Statt dort richtete, die Verpflichtung, den Marktfrieden innerhalb der festgesetzten Marktzeit und bestimmter räumlicher Grenzen aufrecht zu erhalten.
Hatten die Merowinger und die ersten Karolinger das Zollrecht als ein Königsrecht behauptet und es nur durch eine aus Vorsicht und Sparsamkeit ausgeübte Verleihung an Stifter und Klöster schwächen lassen, so konnte dagegen unter der Regierung der letzten Karolinger nicht verhindert werden, daß auch auf diesem Gebiete der später ausgebildete Begriff der Landesherrlichkeit sich schon mit Erfolg geltend machte, daß mehr durch Mißbrauch und Raub als durch Verleihung und Recht überall ein besonderes Zollrecht noch neben dem königlichen oder dem vom Könige übertragenen ausgeübt wurde.
Die dadurch entstandene unerträgliche Bedrückung des Handels hatte zur Folge, daß die weltlichen und geistlichen landbesitzenden Herren des Gebietes, das damals in Bezug aus Handelsbetrieb das bedeutendste in
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Deutscher Handel am Ausgang des Mittelalters. 53
Weine, Spezereien und Leinwand ein. Nach Lissabon verluden die Schiffe Holz, Mehl, Bier und getrocknete Fische und brachten Salz, Kork, Öl, Feigen, Rosinen, Orangen und feine Weine zurück. Von der portugiesischen Regierung wurden die Kaufleute besonders zur Einführung von Schiffbauholz durch Begünstigungen ermuntert. Gleich rege war ihr Verkehr mit der Westküste Frankreichs, vornehmlich mit Baie, einem Hascnplatz südlich von Nantes, von wo sie außer anderen Waren das berühmte Baiensalz einführten. Im Jahre 1474 suchten 72 Danziger Schiffe jene Gegend anf, und einundfünfzig derselben trafen auf einmal in Weichselmünde ein. Der Verkehr mit England bestand hauptsächlich in dem Austausch von Getreide und Holz aus den Weichsellündern gegen englische Wollenfabrikate und bildete den wichtigsten Zweig des Danziger Handels. Häufig sandte die Stadt jährlich sechs- bis siebenhundert Schiffe mit Getreide nach England. Aus Schottland führten die Danziger Wolle und Pelzwerk ein. Nach Flandern brachten sie die verschiedensten Holzarten und Getreide und holten von dort, insbesondere aus Brügge, dem Sammelpunkte aller Nationen, die mannigfachsten Erzeugnisse des Gewerbsteißes. Wie großartig der Verkehr mit Holland war, läßt sich daraus ersehen, daß allein im Jahre 1481 nicht weniger als elfhundert Schiffe „groß und klein", mit Korn beladen, dorthin ausliefen, und die Holländer in Danzig vom September 1441 bis Mai 1447 mehr als zwölf Millionen Thaler Pfnndgeld entrichteten, nach jetzigem Geldwert also etwa 360 Millionen Mark. Die Schiffe waren zu Flotten von je dreißig bis vierzig Fahrzeugen vereinigt, und jeder dieser Flotten wurden in der Regel von der Stadt bewaffnete Schiffe, Orlogfchiffe oder Friedenskoggen genannt, zum Schutze beigegeben.
Auf den hanseatischen Schiffen herrschte straffes Regiment. War ein Schiff ausgelaufen und hatte es einen halben Seeweg zurückgelegt, so versammelte nach altem Brauch der „Schiffer", der die oberste Leitung hatte, sämtliche Schiffslente und Reifende und hielt eine Anrede: „Wir find Gott und Wind und Wellen übergeben, darum soll jetzt einer dem andern gleich sein. Und da wir von schnellen Sturmwinden, ungeheuren Wogen, Seeraub und anderen Gefahren umringt sind, kann unsere Reise ohne strenge Ordnung nicht vollbracht werden. Deshalb beginnen wir mit Gebet und Gesang um guten Wind und glückliche Ausfahrt und besetzen nach Seerecht die Schöffenstellen, damit ehrliches Gericht sei." Dann wurden unter Beistimmung der Anwesenden ein Vogt, vier Schöffen, ein Meistermann zur Vollstreckung der Strafurteile und sonstige Beamte ernannt, und darauf wurde das Seerecht mit seinen Strafen verkündet: Niemand soll fluchen bei Gottes Namen, niemand den Teufel nennen, nicht das Gebet verschlafen, nicht mit Lichtern umgehen, nicht die Lebensrnittel verwüsten, nicht dem Zapfer in fein Amt greifen, nicht nach Sonnenuntergang mit Würfeln oder Karten spielen, nicht den Koch ärgern und nicht die Schiffslente hindern, bei Geldstrafe. Harte leibliche Strafen wnrden verhängt über die, welche auf der Wache schliefen, an Bord Lärm anrichteten, ihre Waffen
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Extrahierte Personennamen: Meistermann
Extrahierte Ortsnamen: Lissabon Frankreichs Nantes Weichselmünde England England Schottland Holland Danzig Gottes
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Kleinhandel und Märkte im Mittelalter. 33
stätigung, Vorrechte, Zollbefreiungen gewannen, und zuletzt mußte jeder, der als Kaufherr oder Krämer auf den Jahrmärkten im eigenen Stand Handel treiben wollte, einer solchen Gilde als Mitglied angehören. Selbst kleinere Handelsstädte, wie Höxter an der Weser, hatten ihre Gilde und ihre Krämerstraße. Diese Gilden spalteten sich wieder nach den verschiedenen Handelszweigen, in den Seestädten auch nach den Handelsrichtungen, in Zweiggilden. So gab es Gilden der Tuchhändler, Seidenhändler, Geldwechsler, Gewürzkrämer :c., der Bergen-, Island-, Nowgorodfahrer :c. Auch die Handwerker, die am Kleinhandel durch Feilbietung der Erzeugnisse ihrer Arbeit den lebhaftesten Anteil nahmen, hatten sich auf dieselbe Weise nach dem Handwerke in Zünfte geschieden. Jede Gilde und Zunft bewohnte ihre eigene Gasse, jeder Warenzweig hatte eigene, ihm allein bestimmte Markträume. Der Großhandel liebte es, in den meisten Städten sich in großen, stattlichen Kaufhäusern zu zeigen, welche die Warenvorräte der Kaufherren enthielten, soweit sie im eigenen Hause nicht untergebracht werden konnten. Anfangs standen diese Kaufhäuser auf herrschaftlichem Grund und Boden und zahlten an den Eigentümer den Grundzins; später wurden sie Eigentum der Städte, und Lagerherr und Verkäufer entrichteten dann der Stadt die Miete.
Die Krämer, Geldhändler, Handwerker und Verkäufer von Lebensmitteln hatten entweder Markträume angewiesen, wo sie in bedeckten oder unbedeckten Ständen die Kaufwaren ausboten, oder hatten Gewölbe in ihren Häusern. Auch die Marktplätze waren ursprünglich Eigentum des Landesherrn, der dafür Miet- und Standgeld zu erheben hatte, und gingen erst allmählich an die Städte über. Oft waren diese Plätze vor und neben der Hofburg des Landesherrn und mußten wohl anderswohin verlegt werden, solange der Fürst anwesend war. Bänke und Hallen waren in zusammenhängenden Reihen rings um die Marktplätze angelegt. Die einzelnen Buden wurden nach und nach Eigentum der einzelnen Krämer- und Handwerkerfamilien und waren deshalb in späteren Zeiten äußerst schwer zu entfernen. Die Verkaufslüden in den Häusern waren oft sogenannte Lauben. Sie entstanden in den meisten Städten durch Überbau, indem das zweite Geschoß der Wohnhäuser oft um ein sehr Beträchtliches über das Erdgeschoß in die Straße hereingebaut und dann mit steinernen Pfeilern oder Stützbalken unterzogen wurde. Den so gewonnenen bedeckten Raum benutzte entweder der Hauseigentümer für den eigenen Warenverkauf, oder er vermietete ihn einem Mitbürger oder Fremden. Indem sich Haus an Haus nach derselben Weise gebaut an einander reihte, entstanden bedeckte Gänge, die Arkaden. Diese Gewohnheit des Überbaues führte allmählich zu großen Mißbräuchen, indem oft in den engeren Gassen die zweiten Geschosse der Häuser so nahe an einander gerückt wurden, daß das Sonnenlicht die ganz bedeckte Straße kaum erreichen konnte. Es war deshalb eine Hauptsorge der späteren städtischen Baupolizei, den Überbau ganz zu entfernen oder doch auf ein gewisses Maß zu beschränken.
Richter, Bilder a. d. dtsch. Kulturgesch. Ii. 3
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Fahrende Schüler. m
bedienen sie sich nun der deutschen Sprache. Sie nähern sich daher in ihrem Wesen immer mehr und mehr den wandernden Spielleuten. Etliche ergreifen die Fiedel, andere lernen deutsche Lieder und Sagen; auch Kunststücke zu erlernen verschmähten manche nicht, als Zauberer und Heilkünstler führten sich viele bei dem Landvolke ein, dessen Unwissenheit und Leichtgläubigkeit ausbeutend.
Allerdings traten all diese Züge nicht erst im vierzehnten Jahrhundert als neue hervor. Einzelne unter den Vaganten hatten schon früher auf solche Weise ihren Unterhalt erworben, aber in dem genannten Jahrhunderte werden diese Züge allgemein. Schon Cäsarius von Heisterbach berichtet in seinem Dialogus (Vii, 16.), daß die Bauern sich in Krankheitsfällen an fahrende Schüler wendeten, und Hugo von Trimberg klagt um das Jahr 1300 in seinem Renner, „daß viele Schüler ihr Hab und Gut auf der Schule verthäten und dann als Spielleute und Gaukler ein Lotterleben führten, daß sie nur in die Schule sähen, um eine Fiedel, Harfe oder Zither daselbst zu finden, daß die Herren sich kein Gewissen daraus machten, solche junge Leute an sich zu ziehen, um mit ihnen um Wein zu würfeln und sich deutsche Sachen von ihnen vortragen zu lassen, wie denn überhaupt die lateinische Sprache in Mißachtung geraten sei und es wohl bestellt wäre, wenn die Pfaffen ebensosehr das Latein liebten, wie den Wein."
Sehr gern führten sich fahrende Schüler bei den Landlenten unter dem Vorgeben ein, sie kämen ans dem Vennsberge. In einem Schwanke des Hans Sachs, vom Jahre 1556, der von einem abergläubischen Bauer Claus Ott zu Langenau im Schwabenlande handelt, kommt folgende Stelle vor:
Eins tags an einem pfinztag spat Ein fahrend schüler zu im eintrat,
Wie sie denn urnbgiengen vor jarn
Und lauter banrenbtrieger warn.
Der sagt her große Wunderwerk Wie er fern aus dem Vennsberg Wer ein meifter der schwarzen Kunst,
Macht den banren ein plaben (blauen) dunst.
Ähnlich spricht sich Heinrich Bebel, der Tübinger Professor der Beredsamkeit, aus in seinem Gedichte „Triumphus Veneris“, einem Gedichte in
lateinischen Hexametern, in welchem nach und nach alle geistlichen und welt-
lichen Stände als Verehrer der Venus auftreten. Im zweiten Buche treten auch auf die fahrenden Scholastiker, „welche die Studien verlassen und in erbärmlichem Aufzuge durch Länder und Städte ziehen. Sie machen sich eine eigene Sprache, damit das Volk ihre Lügen und Betrügereien und die Zuchtlosigkeiten, die sie verüben, nicht bemerke. Sie verstehen kaum drei Worte Latein, können keinen Anspruch auf irgend eine Ehre machen, dennoch lügen sie die einfältigen Bauern an, als feien sie Kleriker, die aber ans Armut die Weihen noch nicht hätten empfangen können, es fehle ihnen t>ac- Geld, womit wir die Heiligtümer, Rom, Altäre und selbst den Himmel
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Extrahierte Personennamen: Hugo_von_Trimberg Hans_Sachs Claus_Ott Heinrich_Bebel Heinrich
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118 Fahrende Schüler.
er sich dann gewendet, schleunig verlassen, als er hörte, sein Vetter sei da. „Ter war mir achtzehn Meilen nachgezogen, sagt Platter, denn er hatte eine gute Pfründe an mir verloren, da ich ihn etliche Jahre ernährt."
Platter flieht nun nach Zürich, von da nach Straßburg und Schlett-stadt. In letzterer Stadt genoß er den Unterricht des Johannes Sapidns. Den besten Teil seiner Bildung erlangte er aber endlich in Zürich, wohin während seiner Anwesenheit der gelehrte Myconins als Schulmeister berufen ward. Hier mußte Platter, um seinen Lebensunterhalt zu gewinnen, das Seilerhandwerk erlernen. Er studierte in der Nacht, und als ihm der Drucker Andreas Kratander zu Basel einen Plantus geschenkt hatte, befestigte er die einzelnen Bogen mit einer Holzgabel an dem Stricke, den er drehte und las während der Arbeit. Später wurde er Korrektor, dann Bürger und Buchdrucker, endlich Rektor der lateinischen Schule zu Basel. Schon in Zürich war er durch Zwingli und Myconius ein begeisterter Anhänger der Reformation geworden.
Das Treiben der fahrenden Schüler, wie es in den vorausgehenden Beispielen geschildert ist, war nur möglich in einer Zeit, die von Polizei-Ordnungen noch nicht viel wußte, in einer Zeit, die sich durch eine kaum glaubliche Duldsamkeit gegen die Bettelei auszeichnet und in der der Bettel fast wie ein Gewerbe betrachtet wurde, in der die städtischen Behörden Verordnungen zumeist zu Gunsten der Bettler erließen und in der die Wohlthätigkeit besondere Stiftungen für Bettler machte. Im Spital zu Eßlingen erhielten die fremden armen Schüler täglich zweimal Brot und was vom Gesinde-Essen übrig blieb. Um dies in Empfang zu nehmen, trug jeder ein hölzernes Geschirr am Gürtel, wovon sie den Namen „Häfleinsbnben" erhielten. Im Tübinger Spital reichte man jedem wöchentlich einen Laib Brot. Auch Geldunterstützungen wurden den fahrenden Schülern an manchen Orten gewährt. So finden sich in den Rechnungen der Klosterschule zu Jlsenburg Eintragungen wie folgende: „1573: 3 Gr. vier armen schulern geben. 17. März 1620: Frembden Schulern propter deurn 1 Gr. 6 Pf. "25. Novbr. fünf Schulern propter cleum 1 Gr. 6 Pf." In Ulm ward das Schulgeld für fremde Schüler auf die Hälfte (8 Schilling statt 16 Schilling jährlich) herabgesetzt. Dafür aber mußten jede Woche abwechselnd zwei von ihnen die Schule fegen, einheizen und Ruten holen, „ohne der einheimischen Knaben Bekümmernis." In Nürnberg wurden fahrende Schüler nicht länger als je drei Tage geduldet, falls sie nicht die Schule regelmäßig besuchten und sich vorschriftsmäßig betrugen. Doch war durch die Nürnberger Bettlerordnung von 1478 ebenso wie durch die Würzburger von 1490 geradezu ausgesprochen, daß einem fahrenden Schüler, wenn er nur die Schule fleißig besuche, erlaubt sei Almosen zu betteln.
Wie es bei den fahrenden Schülern um die Schuldisziplin gestanden haben mag, läßt sich leicht denken. Wenn Bacchanten gegen den heranrückenden Schulmeister die Thüre verteidigen und die Schützen vom Dache ans mit Steinen werfen, so kann die Achtung vor der Person des Lehrers
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Fahrende Schüler. 119
nicht groß sein. In der Eßlinger Schulordnung von 1548 mußte den Schülern der dortigen Schule das Tragen von Weidmessern und Dolchen untersagt werden, und in der Stadt Überlingen mußte sich 1456 die Behörde dem Schulrektor gegenüber verpflichten, die der Strafe sich widersetzenden Schüler aus der Stadt zu treiben, eine Maßregel, die doch nur gegen fremde Schüler gerichtet sein konnte.
Wenige der fahrenden Schüler brachten es später durch eisernen Fleiß und Beharrlichkeit fo weit, wie Johannes Butzbach, dessen im Kloster verfaßte Schriften von großer Gelehrsamkeit Zeugnis ablegen, oder wie Thomas Platter, dem das Baseler Schulwesen ganz wesentliche Förderung verdankt. Mancher Mutter Kind, das mit einem Bacchanten in die Welt gelaufen war, verdarb hinter Zäunen und Hecken, manches auch ward weiter in den Strudel der Unsittlichkeit hinabgerissen und endete wie zwei Mitschüler Butzbachs in der Schule zu Kaadeu, von denen Butzbach später in Erfahrung brachte, daß sie wegen Diebstahls durch den Strang hingerichtet worden waren.
Wo ein fahrender Schüler, wie es zuweilen geschah, an einem Orte als Loeat oder Unterlehrer sich eine Zeitlang festhalten ließ, da war es um die Schule meist fchlecht genug bestellt. Oft blieb ein Bacchant nur während des Winters, wo es sich schlecht reiste, als Lehrer an einem Orte. „Sobald der Schnee abgeht", heißt es in einer Schilderung solcher fahrender Scholasten, „blasen sie ihr Federlein auf und sehen, wo sie das hinweifet, etwan in ein Land, wo sie gute Herren finden, die ihnen viel zu essen und wenig zu thun geben und lassen sie viel schlafen. Es schlagen sich wohl ihrer mehre zusammen, lernen etliche Stücklein fertig singen und brauchen das darnach in den Städten und Dörfern, wenn man's ihnen nur vergönnt; oder nehmen ein Evangeliumbüchlein und lesen die Evangelia vor der Bauern Thüren. Will man ihnen nichts geben, nehmen sie es heimlich weg und lernen so nach und nach stehlen."
Selbst wenn die Schüler in einer Stadt festsaßen, stand es um das Lernen oft übel. War ja doch z. B. Plätters Hauptbeschäftigung in München das Ascheeinkanfen und Seifesieden.
Über den Unterricht in der Elisabethschule zu Breslau sagt Platter: „In der Schule zu St. Elisabeth lasen zugleich zu einer Stunde in einer Stube neun Baccalaurei; die griechische Sprache war aber noch nirgend im Land. Desgleichen hatte noch niemand gedruckte Bücher, der Präceptor allein hatte einen gedruckten Terenz. Was man las, mußte man erst diktieren, dann distinguieren, dann konstruieren, zuletzt exponieren, sodaß die Bacchanten große Scharteken mit sich heim zu tragen hatten, wenn sie hinweg zogen."
Als die erste gute Schule, die Platter angetroffen, nennt er die des Sapibus zu Schlettstadt. „Das war die erste Schule, da mich beuchte, daß es recht zuginge. Sapibus hatte zugleich 900 discipulos, etliche fein gelehrte Gesellen. Da war bazumal Dr. Hieronymus Gemnsäus, Dr. Johannes Huber und sonst viele anbere, die später Doctores und berühmte
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146 Schulwesen im Reformationszeitalter.
zucker für schwindsüchtige Leute, zugerichtet aus etlichen Trosttropfen des 39. Psalmen. Ich will berichten: 1) Was alle Gott liebenden Herzen bei allen Krankheiten und demnach auch bei der Schwindsucht sollen wissen und bedenken. 2) Wie sich ein frommes christliches Herz bei der Schwindsucht löblich soll verhalten, damit es Gott nicht erzürne, fondern desto mehr seiner Gnade sich zu trösten habe. Der Schluß der Predigt lautet: „Suchet Herfür die Kräuselein und Näglein eures Gedächtnisses, ich als ein geistlicher Apotheker will mit Gottes Hilfe und Beistand eure Herzen füllen, daß sie von Lehr und Trost unten und oben voll fein sollen. Amen." Ein andermal predigt Herberger über „die blutsaure Bauersarbeit unsers Heilands Jesu Christi, des allerarbeitsamsten Bauers des geistlichen Kirchenackers der werten Christenheit."
Im 17. Jahrhundert finden wir auch die Moralpredigten, die einzelne Sünden und Laster strafen, wie die des Mag. Andreas Schuppius (1605) „von der Menschen Haaren Ursprung, rechten Gebrauch und Mißbrauch" und vom „Tabakrauchen", worin er behauptet, daß der Tabak ein verfluchtes Unkraut, dadurch jetziger Zeit die größte Abgötterei geschieht, daß die Tabaksbrüder und Tabaksschwestern alle, ja alle vom Teufel betrogen sind. „Und erschrecklich", sagt er, „ist's, daß sich auch die Herren Geistlichen und andere, die geistlich sein wollen, vom Satan durch dies Unkraut betrügen lassen und so zu sagen Tag und Nacht daran saugen und davon schnupfen, ja wohl, wenn sie ins Bett gehen und frühe wieder aufstehen, die Pfeife anzünden und anstatt des Morgen- und Abendsegens ihrem Gott zu Ehren (dem Teufel mein’ ich) ein Opfer dadurch bringen."
20. Schulwesen im Reformationszeitalter.
(Nach: Dr. H. Heppe, Geschichte des deutschen Volksschulwesens. Gotha. 1858. Bd. I. S. 1—38. Dr. H. Gräfe, Deutsche Volksschule. 3. Aufl. Jena. 1879. Bd. Iii.
S. 215 — 259.)
Rillen Nachrichten nach stand es zu Anfange des 16. Jahrhunderts um das Schulwesen in Deutschland nicht gut. Die allerdings zahlreichen Kloster-, Dom- und lateinischen Stadtschulen waren großenteils heruntergekommen, ohne rechte Aufsicht, mit unwissenden, trägen, wohl gar sittenlosen Lehrern besetzt. Der Unterricht war geistlos, ohne Anregung, fast nur Forrnenwefen und Wortkram. Die Jugend der unteren Klaffen des Bürgerstandes und der Bauern blieb fast ganz ohne Unterricht. Selbst die dürftige kirchliche Belehrung, die ihr nach zahlreichen Beschlüssen und Verordnungen gebührte, wurde ihr durch die Unwissenheit und Trägheit der Geistlichen verkümmert.
Diesen Zustand des Schulwesens hat Luther in mehreren Stellen seiner Schriften in ergreifender Weise geschildert. So schreibt er z. B. in feiner
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Bäuerliche Zustände im Reformationszeitalter. 193
Der fünfte Teil umfaßt die Eingriffe der Herrschaften in die Rechte und Kontrakte der Bauern, und lautet: „Es ist unsere harte Beschwerung der Dienste halb, welche von Tag zu Tag gemehret werden und täglich zunehmen. Wir begehren, daß man darin ein ziemlich Einsehen thue und uns dermaßen nicht so hart beschwere, sondern uns gnädig hierin ansehe, wie unsere Eltern gedient haben. Wir wollen uns von einer Herrschaft nicht weiter beschweren lassen, sondern wie es eine Herrschaft ziemlicherweise einem verleiht, alfo soll er es besitzen, laut der Vereinigung des Herrn und des Baueru. Der Herr soll ihn nicht weiter zwingen und dringen, nicht mehr Dienste noch anderes von ihm umsonst begehren. Wir sind beschwert, und deren sind viele, so Güter innehaben, indem diese Güter die Gült nicht ertragen können und die Bauern das Ihrige darauf einbüßen und verderben."
Zum Schluß wird noch im zwölften Artikel hinzugefügt: „Welcher Artikel nicht dem Worte Gottes gemäß sei, von dem wollen wir sogleich oder zu jeder Zeit, wenn er aus der Heiligen Schrift als unrecht erwiesen wird, abstehen."
Der Ausgang des Bauernkrieges war für die Bauern ein unglücklicher. Der Mangel einheitlicher Leitung war eine der Hauptursachen des Mißlingens, eine andere der Verrat, da die Mönche besonders durch die Weiber alle Verabredungen erfuhren und den Gegnern hinterbrachten. Dem in langer Knechtung verdnmpften, hungernden, zur Rachelust gepeinigten Volke fehlte es auch an der Kraft der Mäßigung. Solange es noch Kloster-keller auszuräumen, Fleischkammern zu plündern, Fischteiche abzulassen gab, waren die Leute nicht in Reih und Glied zu bringen. Ohne Kriegszucht, ohne geübte Führer iu Hausen von 5000 bis 6000 Mann vereinzelt, wurde dem stärkeren, besser bewasfueteu Fürstenheere die Zersprengung leicht. Bald herrschte Ruhe überall in Deutschland; aber es war die Ruhe eines Kirchhofes. Schauerlich blickten geschwärzte Burgruinen in die Thäler hinab, die Glocken der Klöster waren verstummt, und in ihren kahlen Höfen spielte der Wind mit den Fetzen des Wertvollsten, das der Fleiß aus grauer Vorzeit für die Wissenschaft erhalten hatte. Der arme Bauer aber, welchem von seinen Führern das goldene Zeitalter versprochen worden war, sah thränenden Auges die Trümmer, die einst sein Haus gewesen, die zerstampften, vernichteten Felder, und in Verzweiflung rang er die Hände, denn er sollte von dieser zu Grunde gerichteten Wirtschaft nicht nur die alten Dienste und Abgaben leisten, sondern auch noch die ihm auferlegte Kriegssteuer bezahlen. Und so konnte Sebastian Münster zwanzig Jahre nach dem Bauernkriege in seiner 1545 erschienenen „Kosmographie" den Bauernstand in folgender Weise schildern: „Der vierte Stand ist der Menschen, die auf dem Felde sitzen und in Dörfern, Höfen und Weilern wohnen und werben genannt Bauern, darum daß sie das Feld bauen und zur Frucht bereiten. Diese führen gar ein schlecht und niebertmchtig Leben. Es ist ein jeber von dem andern abgeschieben und lebt für sich selbst mit
Richter, Bilder a. d. dtsch. Kulturgesch. Ii. [3
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
156 Buchdruck und Buchhandel im Zeitalter der Reformation.
Mit einer wahren Gier warf sich bei der steigenden Erregnng der Gemüter die schon längst geweckte Neignng znr Lektüre namentlich ans die polemische und Flugblatt-Litteratur, sowie ans die agitatorischen Schriften, welche die Reformationszeit hervorrief. Sich vielfach der popnlärsten Form befleißigend und dem Geschmacke der Massen sich anpassend, z. B. durch die halbdramatische Gesprächsform, wurden sie zunächst die eigentliche Volkslitteratur, verdrängten zum Teil die schon gewohnte und vertraute. Massenhaft wurden die kleineren und epochemachenden refonnatorischen Schriften, namentlich die Schriften Luthers, nachgedruckt, zum großen Schaden der Wittenberger Original-Verleger, felbst mit deren Firma. Ja, es wird fogar darüber geklagt, daß, um nur die Nachdrucke schnell genug bringen zu können, die sogenannten Aushängebogen der neuen Schriften in den Wittenberger Druckereien gestohlen wurden.
Massenhaft wurden die refonnatorischen Schriften verbreitet und gelesen, oft wurde die Kenntnis ihres Inhaltes auch durch Vorlesen im engeren oderweiteren Kreise, selbst auf offenem Markte, wie in Nürnberg vor dem Rat-hanfe, vermittelt. Das Interesse an ihnen drängte zeitweise sogar dasjenige für ernstere Lektüre und für Studium zum Schaden derjenigen Buchhändler fast völlig in den Hintergrund, welche sich auf wissenschaftlichen Verlag beschränkten. Alte berühmte Buchhändlerfirmen, welche sich wie die der Koburger in Nürnberg für die Neuzeit völlig abschlössen und den alten Anschauungen und Geschäftsweisen anhingen, verschwanden vom geschäftlichen Schauplatz, während junge Firmen, die sich der neuen Richtung Hingaben, ausblühten.
Am drastischsten schildert Cochläns jenes alles überwältigende Interesse an den litterarischen Erzeugnissen der neuen Geistesbewegung bezüglich der Ausnahme, welche Luthers Übersetzung des Neuen Testaments bei ihrem Erscheinen im Herbste 1522 fand. Alle Welt läse es, sagte er, ja könne es infolge wiederholten Lesens fast auswendig; selbst Schuster und Frauen disputierten über das Evangelium und trügen das Neue Testament im Mantel mit sich herum.
Den Vertrieb dieser gesamten Litteratur besorgten die Buchführer, die sich von den eigentlichen, mit dem Verlage und Vertriebe gewichtigerer Litteratur befassenden Buchhändlern unterschieden. Der Hausierverkehr ans Messen und Jahrmärkten, ja von Haus zu Haus, war ihr vorwiegendes Geschästsgebiet. Luthers Neues Testament wurde z. B. im Jahre 1522 in Leipzig von einer Frau für 15 Groschen feilgetragen, in Meißen wurde es vor dem Freiberger Keller auf dem Domplatz für 20 Grofchen verkauft. Zur Schaustellung ihres vielfach wohl nur kleinen Büchervorrates — manchmal handelte es sich nur um den Vertrieb eines einzelnen Schristchens durch besondere Agenten — wählten sie natürlich die besuchtesten Stellen der Städte: die Plätze, die Stände unter den Rathäusern, die Ktrchthüren, in Leipzig auch die Eingänge der Kollegien und Bursen, achtsamen Auges aus die Diener des Rates, die ihre Büchervorräte von Zeit zu Zeit, oft
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274 Altdeutsches Badewesen.
Gesuchet seyn mit Fleiß die Ruh,
Kein Sorg, kein Angst nit taugt darzu.
In täglicher Speis und auch im Trank Kein Uebermaß soll gehn im Schwank.
Kalbfleisch wird dem Badenden angeraten:
Das Kalbfleisch gut und nähret Wohl Billig der Bäder solchs essen soll.
Vom Schweinefleisch heißt es:
Das schweinen ärger als das Lammfleisch ist,
Manns g'nossen wird zu jeder Frist Ohn Wein, wenn aber der ist darbet,
So glaub, daß es eiu gut Arznei sei.
Die Dauer einer Badekur im Wildbade war in der Regel auf 14 Tage festgesetzt. Eine so schnelle Beendigung der Badekur ermöglichte man dadurch, daß man an jedem Tage möglichst lange badete. Hottinger in seiner: „Eigentlichen Beschreibung des herrlichen im Aargau gelegenen warmen Bads zu baden" (1702) sagt: „Vor Zeiten war einem erlaubt, vier, fünf und mehr Stunden auf einmal und den ganzen Tag sieben, neun und mehr Stunden zu baden, so daß die ganze Kur, bestehend in 135 Stunden, in fünfzehn Tagen abgemacht war." Er selbst rät, nicht mehr als eine !bis drei Stunden auf einmal und des Tages im ganzen nicht über fünf Stunden zu baden, übrigens aber nicht auf einmal, fondern allmählich steigend zu diesem Zeitmaß zu gelangen.
Derselbe Badeschriftsteller könnte manchem neueren seiner Kollegen als Muster dienen in dem, was er über die Wirkung des von ihm beschriebenen Bades sagt. Er schließt nämlich sein Buch mit dem Spruche:
Badeu
Heilt nicht jeden Schaden.
Ebenso offenherzig war im Jahre 1647 Melchior Sebiz in feiner „Beschreibung etlicher Mißbräuche in dem Gebrauche des Sauerbrunnen", wenn er sagt: „Manchem, der Glück hat, dem gerath es, Andern aber bekompt es, tote dem Hund das Graß."
Kräftiger stieß in die Lobposaune David Theodosius Lehmann in seiner Beschreibung des Wiesenbades bei Annaberg. Die betreffende Stelle lautet:
„Nun will ich kürzlich zeigen die Gebrechen an Für welche man im Bad Hülffsmittel finden kan Wenn Jemand an dem Haupt hätt üble Schwulst und Beulen Die lassen sich allhier allmehlig wieder heilen.
Der Schuppen Ungemach und all' Unsauberkeit Wird durch des Bronnen Krafft curirt tu kurzer Zeit.
Das wilde Augenweh, auch wolkichte Gesichte Und rothe Gerstenkorn, die werden bald zu Nichte,
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Extrahierte Personennamen: Hottinger Melchior_Sebiz David_Theodosius_Lehmann David