1900 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Richter, Julius Wilhelm Otto
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Die übrigen Staaten in Mittel- und Norddeutschland. 457
Der Verkehr an diesem Platze ist freilich infolge der vermehrten Eisenbahnverbiu-
düngen in letzter Zeit nicht unerheblich zurückgegangen. Von den Steinkohlen werden
etwa 74 Proz. ausgeführt; sehr stark ist auch die Einfuhr, beziehentlich Durchfuhr
böhmischer Braunkohlen. Abgesehen von Steinkohlen, sowie von andern Produkten
des Bergbaues, gelangen besonders Gewebestoffe und Holzwaren zur Ausfuhr, teil-
weise in die fernsten Gegenden, während Rohstoffe für die Industrie (Wolle, Baum-
wolle, Flachs :e.), Kolonialwaren und Getreide eingeführt werden. Handels- und
Gewerbekammern sind in den wichtigsten Handelsplätzen (Zittau, Dresden, Chemnitz,
Plauen, Leipzig); auch das Bank- und Kreditwesen findet geeignete Vertretung. Die
Reichsbank hat eine Hauptstelle in Leipzig und Nebenstellen in mehreren bedeuten-
deren Plätzen. An sonstigen Bankinstituten find zu nennen: die Leipziger Bank, die
Allgemeine Deutsche Kreditanstalt, der Leipziger Kassenverein, die Leipziger Vereins-
bank (sämtlich in Leipzig); die Sächsische Bank, die Dresdener Bank, die Sächsische
Lombard- und die Sächsische Kreditbank (in Dresden), die Stadtbank (in Chemnitz),
die Landständische Bank (in Bautzen) :c. • Auch das Sparkassenwesen ist hoch ent-
wickelt. In Leipzig ist die Zahl der buchhändlerischen Firmen 1833—1883 von 92
auf 523 gestiegen; außerdem waren 1883 in Leipzig noch 5574 auswärtige Firmen
vertreten, von denen etwa '/z in Leipzig stehendes Lager hatten; 1882 wurden hier
2628 Werke publiziert.
Das Verkehrswesen ist der Bedeutung des sächsischen Handels ange-
messen. Als Wasserweg dient die Elbe; die Landstraßen sind zahlreich und
in gutem Zustande, das Eisenbahnwesen besitzt ein sehr verzweigtes System
und auch Post und Telegraphie haben eine entsprechende Entwickelung erhalten.
In Schandau gingen 1888 zu Thal 8015 beladene Schiffe mit einer Ladung
von 2175500 Tonnen und 305 800 Tonnen Floßholz, und zu Berg >177 beladene
und 6363 unbeladene Schiffe mit 199200 Tonnen Ladung durch. Es verkehren
einige 20 Personen- und ebensoviel Schleppdampfer, beziehentlich Kettendampfer und
Güterdampfer. Im Eisenbahnwesen ist, wie in Preußen, das System der Staats-
bahnen zum Durchbruche gekommen. Im Jahre 1888/89 waren 2135 km Eisen-
bahnen (sämtlich unter Staatsverwaltung) vorhanden. Im Personenverkehr ist die
Strecke Dresden-Potschappel, im Güterverkehr (wegen der Kohlenabfuhr) die Strecke
Eainsdorf-Zwickau-Werdau die freqnenteste. Die' Staatsstraßen haben eine Länge
von ca. 3800 km, wovon rund 2800 km kunstmäßig ausgebaut sind. — Das sächsische
Postwesen ist am l. Jan. 1868 auf den Norddeutschen Bund, 1872 auf das Deutsche
Reich übergegangen; es sind Oberpostdirektionen zu Dresden und Leipzig vorhanden.
Bei dem, wie erwähnt, durchschnittlich recht guten Boden wird ziemlich
viel Getreide erzeugt, doch erfordert die zahlreiche Jndustriebevölkerung fast
ein Drittel mehr Getreide als geerntet wird. Die Viehzucht ist sehr be-
deutend; namentlich stark ist der Bestand an Rindvieh, demnächst an Pferden
und Schweinen, verhältnismäßig am schwächsten der an Schafen, doch ist die
Rasse derselben noch immer sehr gut.
Im Jahre 1882 (5. Juni) gab es landwirtschaftliche Betriebe überhaupt
192921, davon nur auf eigenem Lande 121433 (Gesamtfläche: 994714 ha), auf
eigenem und gepachtetem 51508 und nur auf gepachtetem 19880 (Gesamtfläche des
Pachtlandes: 139482 ha). Am verbreitetften sind die mittleren Betriebe (von
l0 100 ha), welche 57,„ Proz. betragen, kleine Betriebe (von 1 — 10 ha) gibt es
25.7 Proz-, große Betriebe (von über 100 ha) 14., Proz. Im Jahre 1888 waren
bestellt mit Roggen 212104 (Ernteertrag: 289126 Tonnen), mit Weizen 50500
^Ernteertrag: 97 796 Tonnen), mit Gerste 32 652 (Ernteertrag: 49 349 Tonnen), mit
Kartoffeln 118846 (Ernteertrag: 1218748 Tonnen), mit Hafer 183233 (Ernteertrag:
285672 Tonnen) und mit Wiesenbau 276 984 ha (Ernteertrag: 453359 Tonnen). —
Der Zuckerrübenbau ist verhältnismäßig gering; im Jahre 1888/89 wurden von drei
Zuckerfabriken 70 669 Tonnen Rüben zu 8829 Tounen Rohzucker und 1925 Tonnen
Melasse verarbeitet. In demselben Verwaltnngsjahre waren 592 Brennereien im
Gange, von denen 116000 Tonnen Kartoffeln, 12400 Tonnen Getreide und 5000
sonnen andre Stoffe verarbeitet wurden. — Bei den Forsten überwiegen die
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- Autor: Thomas, Louis
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- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
92 Die Engländer in Ostindien.
gesamten Genossenschaft, in gewisser Beziehung sogar als Vertreter des
Landes in Rücksicht ans die auswärtigen Angelegenheiten desselben, indem
sie, so oft sich eine günstige Gelegenheit darbot, nicht allein Verträge mit
asiatischen Herrschern abschlössen, sondern ihre Waffen auch zur Verteidigung
oder zum Angriff gegen Holländer, Portugiesen und Türken sowie gegen
diejenigen Fremden gebrauchten, mit denen sie infolge des Handelsverkehrs
feindlich zusammenstießen.
Trotz aller offenen und heimlichen Feindseligkeiten der Portugiesen und
Holländer gelang es dem Kapitän Thomas Best, welcher die zehnte Unter-
nehmung geleitet und den Portugiesen in zwei Treffen empfindliche Ver-
luste beigebracht hatte, im Jahre 1613 vom Großmogul einen Freibrief
auszuwirken, welcher die Kompanie zur Errichtung von Faktoreien in
Surate, Ahmedabad, Cambay und Gogo ermächtigte, ihr Sicherheit ihres
Eigentums gegen Zahlung einer Einfuhrabgabe von 3^2 verbürgte und
endlich dem englischen Handel Schutz gegen die Portugiesen und andre
Feinde verhieß. — In demselben Jahre war es auch dem Kapitän Sarris
gelungen, wertvolle Privilegien vom Kaiser von Japan zu erlangen.
Die Agentender Kompanie und späterhin königliche Abgesandte hatten
nicht unterlassen, genaue Auskunft über die verschiedenen Märkte und die
geeignetste Art des indischen Handelsbetriebes einzuziehen. Sie rieten, bei
Einfuhr der Waren den dort herrschenden Geschmack ins Auge zu fassen
und statt kostspieliger Gesandten lieber eine Anzahl ständiger Agenten zu
unterhalten. Weiterhin ward erwähnt, daß Surate der beste Markt zum
Einkauf der indischen Baumwollenzeuge wäre, daß dort jedoch nur chinesische
Waren, Gewürze und Gold als Tauschmittel gang und gäbe seien; jene
Baumwolleufabrikate ließen sich gegen Gold, Kampfer und Benzoe in
Atschin und Dschambi auf Sumatra, gegen Pfeffer in Bantam und Dfcha-
katra vorteilhaft verwerten; Siam kaufe dergleichen für Gold, Silber und
Felle, welche letztere in Japan gesucht seien; nicht minder englische Tuche,
Seidenwaren und Blei, wofür man Silber, Kupfer und Eisen erlange.
Reis in vorzüglicher Qualität liefere Makafsar aus Celebes und nehme
dafür Baumwollenstoffe entgegen. Alle die genannten Waren fänden auf
den Banda-Jnseln gegen Muskatblüten und Muskatnüsse Absatz, wenn nur
erst die von den europäischen Nebenbuhlern in den Weg gelegten Hinder-
nisfe aus dem Wege geräumt würden.
Man dachte nun allen Ernstes daran, die gemachten Beobachtungen
und Erfahrungen möglichst nützlich zu verwerten und die etwaigen Hinder-
nifse zu beseitigen. Da bis jetzt die meisten Fahrten nach Indien auf
Kosten und Gefahr von nur einzelnen Gesellschaftsmitgliedern unternommen
worden waren, so faßte man im Jahre 1612 den Beschluß, von nun an
sämtliche Unternehmungen auf Rechnung der Gesamtheit auszuführen,
und verwandelte die Handelsgesellschaft in eine Kompanie mit gemein-
schaftlichem Stammkapital, welches damals 413 691 Pfd. Sterl. betrug.
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- Geschlecht (WdK): koedukativ
224 Erstes Kapitel.
Über den Handel des preußischen Staates mögen folgende Bemerkungen
genügen: Die Ausfuhr in Jndnstrieartikeln ist doppelt so groß als die Ein-
fuhr, dagegen stellt sich die Einfuhr von Rohprodukten aller Art weit höher
als deren Ausfuhr.
Eingeführt werden besonders: Getreide, Reis, Wein, Kaffee, Gewürze, Tabak
und Zigarren, Raps, Leinsaat, Obst, Südfrüchte, Pferde, Kühe, Schweine, gesalzenes
und getrocknetes Fleisch und Fische, Käse, Guano, Kreide, Porzellanerde, Eisen-,
Blei-, Zink- und Nickelerze, Dachschiefer, Tafelglas, Roheisen, Rohkupfer, Quecksilber,
Eisen- und Stahlbleche, Soda, Schwefel, Ammoniak, Salmiak, Salpeter, Knochen-
kohle, Galläpfel, Gerberlohe, Farbhölzer, Droguen, Harze aller Art, Hanf, Flachs,
Jute, Baumwolle, Garne, Packleinwand, Wachstuch, Balken, Bretter und sonstige
Hölzer und Holzwaren, Thran, Talg, Öle aller Art, Petroleum, Bettfedern,
Lumpen, Häute und Felle, Dampfkessel, Maschinen und Schiffe. — Zur Ausfuhr
gelangen besonders folgende Gegenstände: Kartoffeln, Bier, Spirituosen, Essig, Hopfen,
Rind- und Schafvieh, Butter, künstliche Dungmittel, Ölkuchen, Steinkohlen, Tors,
Schwefelkies, behauene Steine, Schiefertafeln, feine Steine und Steinwaren, Ziegel-
steine, Töpferwaren, Porzellan, Hohlglas, Blei, Zink, Eisenbahnschienen, Eisen- und
Stahlwaren, Mineralwasser, Kupfervitriol, Schießpulver, Blei- und Zinkweiß, Farben,
Chemikalien, Parfümerien, allerhand Zeugstoffe, Kleider, Wäsche und Posamentier-
waren, Kautschukwaren, Papier, Tapeten, Dachpappen, Möbel und feine Holz- und
Korbwaren, Kutsch- und Eisenbahnwagen, Pianinos und andre musikalische Jnftru-
mente, astronomische, chirurgische, mathematische und physikalische Instrumente, Ge-
wehre, Schmuck- und Kunstgegenstände aller Art, Bücher, Stiche und Spielkarten.
Im Jahre 1882 waren 349556 Handelsbetriebe mit 489063 erwerbstätigen und
im ganzen 1356099 zugehörigen Personen vorhanden.
Zur Förderung des Handels und der Gewerbe sind Kreditinstitute in
hinreichender Zahl vorhanden, und zwar kommen zunächst vou deu im Jahre 1888
vorhaudeueu 16 deutscheu Notenbanken außer der Reichsbank sechs Institute auf
Preußen; die Reichsbank aber hatte im März 1887 195 Niederlassungen, von
denen der größte Teil, und zwar allein elf Hauptstelleu, auf Preußen kamen.
Außerdem sind zahlreiche Geldinstitute und Geldgeschäfte, namentlich Spar-
und Vorschußkassen, Volksbanken und Sparkassen vorhanden. Im März 1887 waren
in Preußen 147 Aktiengeldinstitute mit einem Kapital von 844710000 Mark, darunter
jene sechs Zettelbanken, sowie 34 Staats- und Kommunalinstitute vorhanden. Das
Versicherungswesen hat durch zahlreiche Gesellschaften die verschiedensten Jnter-
essen zu umfassen gesucht (Lebens-, Feuer-, Hagel-, Vieh-, Transport-, Glas-, Hypo-
theken- und Rückversicherungsgesellschaften). — Zur Förderung von Industrie, Handel
und Verkehr dienen ferner auch 81 Handelskammern und kaufmännische Korpo-
rationen sowie zahlreiche polytechnische, technische und Gewerbevereine, industrielle,
Handwerker- und Fortbildungsvereine, ferner kaufmännische, Handels- und nautische
Vereine. Zu größeren Unternehmen bringen vielfach Aktienunternehmungen die
Gelder auf, namentlich im Gebiete der Industrie.
Daß die materielle Wohlfahrt des preußischen Volkes im erfreulichen
Fortschreiten begriffen ist, ergibt sich nicht nur ans dem stark wachsenden Ver-
brauch feinerer Nahrungs-, Geuuß- und Bekleidungsgegenstände, sondern auch
aus dem Zunehmen der Einkommensteuerpflichtigen sowie ihrer Steuerbeträge.
Das Gesuudheitsweseu, welches iu dem „Reichsgesundheitsamte" ein ge-
meinsames Organ besitzt, wird in Preußen durch eiue besondere Abteilung des
Kultusministeriums, iu allen Provinzen durch Mediziualkollegien, durch Orgaue
der Bezirksregieruugeu sowie durch eine große Anzahl von Ärzten vertreten.
Von den 15824 Ärzten des Deutschen Reiches (1887) kommen etwa 60 Pro;.,
von den 3113 Tierärzten fast die Hälfte auf Preußen, Apotheken sind etwa 2800,
Heilanstalten der verschiedensten Art etwa 1700 vorhanden.
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648 Drittes Kapitel.
säure; wozu noch in geringeren Mengen Kupfer-, Silber-, Mangan-, Kobalt-und Wis-
muterze traten. Außerdem kommen Marmor, Gips, Porzellanerde und Graphit vor.
Reich ist das Land an Mineralquellen; die bedeutendsten derselben sind die Thermen
in Baden und Badenweiler, die Eisen- und Stahlquellen zu Antogast, Griesbach, Peters-
thal und Rippoldsan, sowie die Schwefelquellen zu Langenbrücken und Freiersbach.
Der Handel wird durch die schiffbaren Gewässer in hohem Maße be-
günstigt; namentlich ist der Zwischenhandel bedeutend. Seewärts nimmt der
Handel naturgemäß seinen Weg nach den an den Rheinmündungen gelegenen
holländischen Häfen; die wichtigste Handelsstadt des Landes ist Mannheim.
Im Jahre 1888 kamen an in Mannheim zu Thal 951 beladene und 149 uu-
beladene Frachtschiffe mit 29800 Tonnen Ladung, dagegen zu Berg 3650 beladene
und 545 unbeladene Schiffe mit 1553 700 Tonnen Ladung. Hieraus ergibt sich, daß
der Rheinverkehr hauptsächlich nur rheiuabwärts bis Mannheim geht. Andre Han-
delsplätze Badens sind Konstanz, Lahr, Pforzheim, Freiburg und Wertheim, wozu
neuerdings auch Maxau als Rheinhafen für Karlsruhe tritt. Ausgeführt werden
aus Baden besonders Getreide, Hanf, Wein, Hopfen, Tabak, Schlachtvieh, Bauholz,
Bijouterien, Glas, Uhren, Papier, Strohgeflechte, Maschinen, Rübenzucker, Wollen-
und Baumwollenwaren; die Einfuhr hingegen erstreckt sich auf Kolonialwaren, Süd-
früchte, Pferde, Metalle, Seide und Seidenstoffe, Petroleum, Baumwolle, feine
Tücher, Weine und Steinkohlen. — Auf dem Bodenfee laufen außer einer Anzahl
von Segelschiffen 10 badische Dampfschiffe. — Für den Geldverkehr sorgen außer
zahlreichen Vorschußvereinen. Kreditbanken und Sparkassen eine Reichsbankhauptftelle
(in Mannheim) mehrere Reichsbankstellen und Reichsbanknebenftellen, sowie folgende
größere Institute: die Badische Bank, die Rheinische Kreditbank, die Rheinische
Hypothekenbank und die Deutsche Unionsbank in Mannheim, der Pforzheimer
Bankverein und die Kreis-Hypothekenbank in Lörrach.
Für Verkehrswege ist trefflich gesorgt. Abgesehen von den erwähnten
trefflichen Wasserwegen finden sich zahlreiche treffliche Landstraßen sowie ein
starkverzweigtes und gut verwaltetes Eisenbahn- und Telegraphennetz vor.
Die das Land durchschneidenden Staatsstraßen haben eine Länge von etwa
3700 km, wozu noch an chanssierten Gemeindewegen 6000 km kommen. Die Eisen-
bahnen hatten 1888/89 eine Länge, von 1402 km, von denen nur 34,8 km Privat-,
die ganze übrige Strecke Staatsbahnen waren. Die Hauptbahnen führen von
Norden nach Süden und von Basel ostwärts nach Konstanz. Hierzu kommen mehrere
wichtige Bahnen, welche das Land in der Richtung von Westen nach Osten, bezüglich
Nordwesten nach Südosten durchqueren; von denselben ist die Bahn, welche von
Offenburg über Hausach, Triberg, Villingen nach Donaueschingen und von hier nach
dem Bodensee geht, am wichtigsten; sie durchquert den Schwarzwald an interessanten
Punkten. Andre wichtige Bahnen führen von Maxan-Karlsruhe über Durlach nach
der Enz (Pforzheim), von Germersheim über Bruchsal zum Neckar, von Mannheim
über Heidelberg, Mosbach und Königshofen nach Würzburg. Die wichtigsten Eisen-
bahnknotenpnnkte sind Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe, Offenburg, Freiburg,
Bruchsal. — Das Postwesen war bis 1811 in den Händen des Fürsten von Thurn
und Taxis, dann ging es in die Verwaltung des Landes über und wurde 1871 Reichs-
augelegenheit. Es bestehen jetzt Oberpostdirektionen in Karlsruhe und Konstanz.
Nach der Verfassungsurkunde vom 22. August 1818 ist Baden eine erb-
liche konstitutionelle Monarchie. Die Ständeversammlung, welche alle zwei
Jahre zu einer ordentlichen Sitzung berufen wird, zerfällt in zwei Kammern.
Die erste Kammer besteht aus den großherzoglicheu Prinzen, den Häuptern
der staudesherrlichen Familien, dem katholischen Landesbischos, einem evan-
gelischen Prälaten, acht vom Großherzog aus allen Ständen zu berufenden
Mitgliedern, acht auf acht Jahre zu erwählenden Abgeordneten des gruudherr-
lichen Adels (der ehemaligen Reichsritterschaft) und zwei Abgeordneten der
Landesuniversitäten. Die zweite Kammer besteht ans 63 Abgeordneten, nämlich
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Die wirtschaftlichen Verhältnisse. 99
die Ostsee, neuerdings nicht ganz ohne Erfolg betrieben. Jedenfalls steht Deutsch-
land auch hier weit mehr zurück, als es gut ist; werden doch in den Vereinigten
Staaten jährlich 11200 Mill. Austern gefangen, von der Chesapeakebncht (Penn-
sylvanien) jährlich 11 Mill. Fäßchen und Büchsen versendet und in England an-
geblich 2500 Mill. Austern zum Verkauf gestellt; selbst Frankreich, Belgien, Holland
und namentlich Portugal stehen weit voraus.
Wenn die Aalfischerei in Italien (Lagune von Comacchio), an der schwedischen,
norwegischen und dänischen Küste ungeheure Erträge liefert, so kann man sich nur
darüber wundern, daß in Deutschland dieselbe noch nicht recht in Aufnahme kommen
kann. Störe und Hausen, deren Laich zur Kaviarbereitung benutzt und deren
Fleisch gegessen wird, steigen auch in die deutschen Ströme zur Laichzeit aufwärts,
doch werdeu an der Elb- und Wesermündung jährlich nur einige Tausend Störe
gefangen und die deutsche Kaviarbereitung kommt für den Außenhandel so gut wie
gar nicht in Betracht.
Das deutsche Zollgebiet empfing 1882 an Kaviar und Kaviarsurrogaten noch
281200 kg im Werte von 2109000 Mark, während die Ausfuhr nur 9600 kg im
Werte von 36000 Mark betrug. Die Astrachaner Fischereien dagegen liefern jähr-
lich ca. 2 Mill. Stück verschiedener Störarten (300000 Störe, 100000 Hausen und
1v2 Mill. Ssewrugen), von denen die größten 8 m lang und 1,5 Tonnen schwer
sind; der Ertrag der russischen Kaviarbereitung hatte 1883 die Höhe von 4101148 kg
im Werte von 24606888 Mark.
Wie viet namentlich auch die Binnengewässer in der Versorgung des Landes
mit nahrhafter Fischspeise zu leisten vermöchten, wenn allenthalben die nötige Für-
sorge waltete, ergibt sich aus den bedeutenden Erträgen der Seen und Teiche der
Lausitz an Karpfen:
Etwa 1000 ha Teiche liefern jährlich nach Kottbus bis zu 300000 Stück
Karpfen, refp. Hechte, Karanfchen, Schleien und Barsche im Gewichte von 400—500
Tonnen, und einige Züchter allein Karpfen im Gewichte bis zu 100 Tonnen. Die
Peitzer Teiche in der Niederlausitz, 76 an der Zahl und im Umfange von etwa
2000 ha, liefern jährlich 60—70000 Karpfen im durchschnittlichen Gewichte von
je 2 kg.
Perlmuttermuscheln werden gegenwärtig noch, wenngleich in geringem
Betrage, im bayrischen Main- und sächsischen Elstergebiete gefischt.
Im Mittelalter muß der Ertrag bedeutend gewesen sein, und noch jetzt be-
finden sich im Grünen Gewölbe zu Dresden Halsbänder von Elsterperlen, die einen
hohen Wert haben. Trotz oer gegenwärtigen Schonung (schlagweise erfolgt die Ab-
fischung nur alle zehn Jahre) ist Ausbeute und Wert meist nicht groß; von 1819—79
sollen in der Elster nur 22732 Stück im Werte von etwa 30000 Mark gefangen
worden sein; 1878 allerdings auch zwei kostbare Exemplare im Werte von 200,
bez. 192 Mark.
§ 8. Die Waldkultur.
Wie in andern Ländern Europas, ist auch in Deutschland durch gewaltige
Überschwemmungen und überhaupt durch Unregelmäßigkeiten der Niederschläge
die Regierung auf die unverantwortlichen Waldverwüstungen und auf die Not-
wendigkeit hingelenkt worden, denselben Einhalt zu thun, ja womöglich durch
Wiederaufsorstung entwaldeter Gegenden eine bessere Verteilung der Nieder-
schlüge herbeizuführen. Namentlich kam die landesherrliche Forstfläche nach
den politischen Umwälzungen am Anfange unsres Jahrhunderts sehr in Gefahr.
Bei der Mediatisierung der vielen kleinen Fürsten wurden von diesen ihre bis-
herigen Kammerforsten als Privateigentum reklamiert; überall hatte der Staat
eine bedeutende Schuldeulast zu tilgen und in vielen Fällen wurde auf die
Forsten als den letzten Notpfennig hingewiesen. Nachdem dann eine ziemlich
starke Strömung sogar den Verkauf aller Domänen und Forsten angestrebt
hatte, kam man endlich zu der richtigen Erkenntnis und erklärte fast allgemein
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140 Sechstes Kapitel.
Bein, Bernstein, von Fortepianos, Musikinstrumenten aller Art und
Spielwaren.
Möbelwaren und Hauseinrichtuugcn werden besonders in Berlin, Hamburg,
Stuttgart, Dresden, Leipzig, Breslau :c. angefertigt, in Drechslerwaren nehmen
Berlin und die Bezirke Mittelfranken (namentlich Nürnberg, Fürth), Zwickau, Dresden,
in Bernsteinwaren Danzig, in Knöpfen Waltershausen, Frankenhausen, Nürnberg,
Fürth, Worms, Freiburg i. Br. 2e., in Schnitzwaren aus Holz und Bein die Gegenden
von Ammergau und Berchtesgaden (Bayern) sowie einige Gegenden in Württemberg
und Sachsen (Freiberg, Flöha) eine bedeutende Stellung ein; Spielwaren werden in
Mittelfranken (Nürnberg), in Sonneberg in Thüringen und in Württemberg fabriziert.
Es wurden an einfach bearbeiteten Holz- und Schnitzwaren 1888 im ganzen
importiert 985655 Tonnen im Werte von 65212000 Mark und exportiert 182871
Tonnen im Werte von 15824000 Mark. Von fertigen Fabrikaten betrug die Ein-
fnhr 17 915 Tonnen im Werte von 14343000 Mark, die Ausfuhr 36935 Tonnen
im Werte von 52345000 Mark. Obenan stehen in der Ausfuhr Möbel aller Art;
es kommen hinzu Böttcher- und Spielwaren. An Flecht- und Bürstenbinderarbeiten?c.
betrug die Einfuhr 2856 Tonnen im Werte von 10017000 Mark und die Ausfuhr
6086 Tonnen im Werte von 14620000 Mark.
Außerordentlich bedeutend ist auch die Fabrikation von Fortepianos, Pianinos
und Klaviaturen, in denen 1888 eine Ausfuhr von 7192 Tonnen im Werte von
16542000 Mark erfolgte, während die Einfuhr nicht nennenswert war. Hauptplätze
für solche Instrumente sind Berlin, Leipzig, Dresden, Liegnitz, Breslau, Zeitz,
Barmen, Kassel, Stuttgart, Braunschweig und Hamburg. Hierzu kommen die Hanno-
ninms von Dresden, Baireuth und Ulm. Für diesen Industriezweig wurden 1882
1030 Hauptbetriebe mit 10426 Arbeitern gezählt. Auch andre Musikinstrumente
werden in größerem Maßstabe und vortrefflicher Beschaffenheit fabriziert, fo Harmo-
niken in Berlin und Gera, Streich- und Blasinstrumente sowie Akkordions im
sächsischen Vogtlande, ebenfalls Streichinstrumente in Oberbayern (Mittenwald),
mechanische Musikwerke (Spieluhren, Orchestrions, Flötenwerke ?c.) im badischen
Schwarzwalde (Gegend von Tribnrg). Für alle diese Musikwerke (außer Pianofortes)
gab es 1882 4489 Hauptbetriebe mit 11165 Arbeitern und 1888 fand ein Export von
4252 Tonnen im Werte von 20866000 Mark statt (Import ganz unbedeutend).
An feinen Holzwaren betrug 1888 die Ausfuhr (einschließlich Holzbronze) 10724
Tonnen im Werte von 26274000 Mark; die Einfuhr war nicht nennenswert. An
Spielzeug wurden in demselben Jahre nur 136 Tonnen im Werte von 193000 Mark
ein-, dagegen 16552 Tonnen im Werte von 24306000 Mark ausgeführt.
An Elfenbein gelangten im Jahre 1883 143 Tonnen im Werte von 3110000
Mark zur Einfuhr, wovon nur 24 Tonnen im Werte von 401000 Mark wieder
ausgeführt wurden. Esjvurden sonach Elfenbeinschnitzereien besonders nur für das
Inland angefertigt. — Ähnlich ist das Verhältnis bei den Hornwaren. Während
an Horn und Hornspitzen 1882 5137 Tonnen im Werte von 5033000 Mark, an
Hornplatten und rohen Knochenplatten 112 Tonnen im Werte von 101000 Mark
eingesührt wurden, gelangten an elfteren nur 1096 Tonnen im Werte von 790000
Mark, an letzteren 90 Tonnen im Werte von 8000 Mark zur Ausfuhr. — Die Ver-
arbeitung von Perlmutter läßt sich aus der Thatsache beurteilen, daß 1883 im
deutschen Zollgebiete 400,6 Tonnen für 801000 Mark Perlmutter ein-, dagegen nur
4,3 Tonnen dieser Schalen wieder ausgeführt wurden. — Die früher erwähnte be-
deutende Bernsteinfischerei an der preußischen Ostseeküste bedingt eine umfangreiche
Bearbeitung dieses Fossils, so daß eine Ausfuhr von Bernstein, größtenteils Waren,
nämlich Schmucksachen, Zigarrenspitzen ?c., von 185 Tonnen im Werte von 7 942000
Mark stattfinden konnte (1888).
In Korbwaren ist das Deutsche Reich neben Frankreich das wichtigste Pro-
duktionsgebiet. Zu den im Jnlande produzierten Korbweiden wird noch eine nicht
unerhebliche Einfuhr erfordert, so daß der Wert der verarbeiteten Weiden 16 Mill.
Mark betragen mag. An Weidenpflanzungen besaßen zu Anfang der achtziger Jahre
allein die Kreise Erkelenz, Geilenkirchen, Heinsberg und Jülich 57000 ha, welche
einen Jahresertrag von 390 Mark pro Hektar lieferten. An anderm Flechtmaterial
wird besonders spanisches Rohr verarbeitet, von welchem 1883 circa 6800 Tonnen
1885 -
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- Autor: Köppen, Fedor von, Lehmann, F. W. Otto, Klöden, Gustav Adolf von
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- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
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- Geschlecht (WdK): koedukativ
An der Börse. . 43
Angebot, dort Nachfrage; hier sind es Schätze beider Indien, dort des Großen
Ozeans, welche Gegenstand der Unterhandlung bilden. Nicht nur Kaffee, Zucker,
Thee, Gewürze. Getreide, Holz, Seiden- und Wollenstoffe, Kunstgegenstände u. f. w.
aus aller Herren Ländern werden Handelsobjekt, sondern selbst Gold und Papiere
werden zu Waren, mit denen Handel getrieben wird, und zwar ist die Spekula-
tion in letzteren keineswegs untergeordnet. Die Makler find besonders rührig
und in steter Bewegung; hastig, meist stehenden Fußes machen sie ihre Notizen
oder schreiben ihre Kurszettel und Schlußscheine. Hier suchen sie zu überreden,
dort Differenzen auszugleichen, sind aller Aufträge gewärtig und haben auf
alle in ihr Fach schlagende Fragen eine Antwort.
Börse und Bank am Adolfsplatz.
Wie ausgebreitet und gewichtig diese Branche ist und wie mannigfaltig
ihr Geschäft, dürfte daraus einleuchten, daß das Hamburger Adreßbuch an 60
verschiedene Arten von Makler aufweist, die nicht bloß die Geschäfte andrer
vermitteln, sondern auch auf eigne Rechnung abschließen.
Es ist höchst interessant, dem Treiben der Geschäftswelt zuzusehen. Steigen
wir daher zu den Ballonen empor. Schon bevor wir die Treppe ganz erstiegen
haben, trifft ein Summen und Brausen unser Ohr, das, je mehr wir uns der
Brüstung nähern, desto lauter wird. Es ist das vom Echo durcheinander ge-
worfene Stimmengewirr, das sich gleich dem fernen Tofen des Meeres ver-
nehmen läßt. Blicken wir hinab, so bieten sich uns die verschiedensten Szenen
dar. Der ruhigen Würde des durch redlichen Fleiß Reichgewordenen, der stolzen
Sicherheit des Millionärs, der über große Summen verfügt, als hätte er bloß
1881 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Steinbach, Josef, Köppen, Fedor von, Finger, Friedrich August, Klöden, Gustav Adolf von, Mehlis, Christian, Hocker, Nikolaus
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
90 Der Rheingau.
sodann Sylvaner (Oesterreicher); „brav Oesterreicher giebt brav Wein" ist ein
rheinisches Winzersprüchwort. Orleans (namentlich in Rüdesheim), Traminer,
endlich als einzige Rothweintraube blauer Clcivner (Klebroth, schwarzer Bur-
gunder). Eine eigenthümliche Erziehung der Weinstöcke an niedrigen Pfählen
mit kurzen Schenkeln, und Bogenreben, welche derart mit dem Boden parallel
angeheftet hängen, gehört dem Rheingau an. Das Weinbergsareal des eigent-
lichen Rheingaues — die Aemter Rüdesheim und Eltville in 20 Gemarkungen —
beträgt nur 1783,25 ha = 7133 Morgen), wovon 1366,75 ha= 5467 Morgen
in Ertrag. Davon sind bepflanzt 49,7 % mit Elbling, 9,z mit Sylvaner.
Die Gesamtproduktion schwankte im Zeiträume von 40 Jahren (1830—1869)
von 88 Stück — in dem schlechtesten Jahre: 1830 — bis zu 5086 Stück
(ä 1200 1) in dem besten: 1868. Von diesen 40 Jahren haben 25 weniger
als eine halbe, nur eines, 1868, eine volle Ernte geliefert. Die besten rhein-
gauer Weine, die sogenannten Hochgewächse, sind in der ganzen Welt gesucht.
Auch die mittleren Weine des Rheingaues sinden noch weithin Abnahme; die
kleineren werden an Ort und Stelle selbst oder in der Umgegend konsumirt,
und zwar sehr stark. Es ist ein Jrrthum, wenn man glaubt, der Rheingau
erzeuge immer nur gute, wenigstens trinkbare Weine. In schlechten Jahrgängen
liefern besonders die Rieslinge ein sehr geringes, faures Produkt, das noch
unter dem sogenannten „Kutscher" steht, nichtsdestoweniger aber getrunken wird.
Der Volkswitz ist unerschöpflich, bezeichnende Spitznamen dafür zu erfinden,
wie „Rambaß", „Saurach", „Flöhpeter", „Rachenputzer", „Garibaldi",,,Schipka-
paß" u. s. w. Letzterer Name ist jetzt am allgemeinsten üblich für saureu Krätzer.
Der Wein des Rheingaues, durchweg weiß mit wenigen Ausnahmen,
zeichnet sich aus durch goldhelle Färbung und trockenen, pikanten Geschmack,
welcher ihn derart charakterisirt, daß er Anfangs dem nicht daran Gewöhnten
leicht die Empfindung von Säure auf der Zunge niacht, weshalb auch Ausländer,
besonders des Südens, gewöhnlich von den Rheinweinen nichts wissen wollen.
Allein selbst bei den leichtesten Weinen des Rheingaues vereinigt sich diese Säure
mit so viel Aroma, Lieblichkeit und Feinheit, daß sie ein vortreffliches gesundes
Tafelgetränk bilden, welches niemals Beschwerden oder Ueberdruß erregt. Je
edler die Weiue, um so minderen Säuregehalt haben sie; die Hochgewüchfe
besitzen alle Bestaudtheile in so harmonischer Zusammeustimmuug, daß ihr
Geschmack völlig undefiuirbar wird, einen Begriff davon kann nur Der erlangen,
der sie selber kostet. Das besondere Vorrecht der rheiugauer Weine ist aber
ihr köstliches, unvergleichbares Bouquet; bei reifen Edelweinen muß dasselbe
das Zimmer erfülle«, wenn eine Flasche geöffnet wird; kein anderer Wein der
Welt hat es in dieser Fülle und Wirkuug; selbst Weine, welche sonst keines-
ivegs zu deu ausgezeichneten gehören, besitzen dies Bouquet oft in hohem Grade.
An Haltbarkeit können sich nur wenige Weine dem rheingauer vergleichen; bei
richtiger Behandlung hält er sich Jahrhunderte laug, ohne krank zu werden,
oder sich zu zerfetzeu. Im Allgemeinen find die edlen Weine des Rheingaues
schwer, sie bringen aber, wie man zu sagen pflegt, nur „einen gnten Rausch",
ohne üble Nachweheu — vollkommene Reinheit natürlich vorausgesetzt. Mäßig
getrunken, übertrifft ihre diätische Wirkung, namentlich bei alteu Leuten, diejenige
aller bekannten Weine. Im Range stehen die Rheinweine an der Spitze der
deutschen und neben den edelsten Weinen des Auslandes; die Juri) der Londoner
1881 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Steinbach, Josef, Köppen, Fedor von, Finger, Friedrich August, Klöden, Gustav Adolf von, Mehlis, Christian, Hocker, Nikolaus
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Rheinbleicharte. 193
am Ausfluß der Nahe gegenüber, abwärts bis Capellen bei Koblenz, nimmt
dann auf dem rechten Rheinufer preußischen Gebiets seinen Anfang bei Hochheim
und hört auf bei Bonn. Sein Gebiet umfaßt ca. 3000 ha, das Klima ist hier
dem der Mosel gleich, der Boden Thonschiefer, hin und wieder Lehm, auch Basalt-
gerölle. Letzteres liefert besonders schwere, feurige Weine, so die von Königswinter,
Linz, Erpeler Lay und Dattenberg (der Menderberg). In reinen Lehmboden bauen:
Rhein-bergen, Hönningen, Erpel, Unkel, Honnef, Bonn, Gilsdorf, Oedekoren.
Kreuzberg.
Der Rebsatz auf der linken Rheinseite besteht vorzugsweise aus weißen, auf der
rechten aus rothen Reben, doch kommen auch Ausnahmen vor. So wird in
der Gegeud von Oberwesel sowie bei Boppard (in Hamm) in einzelnen Lagen
rother Wein, bei Leutersdorf, Niederhammerstein, Oberhammerstein weißer Wein
gewonnen. Der gebräuchlichste weiße Rebsatz ist Riesling, Elben, Traminer,
Ruländer, Oesterreicher, und Ortlieber; die vier letzten seltener.
Für rothen Rebsatz wählt man Clävner und Spätburgunder, neuerdings
für die Lehmböden Frühburguuder. Pfaffendorf bei Koblenz kultivirt die Horn-
tranbe, auch den Färber stndet man. Die unterrheinischen Weine, deren rothe
Sorten „Rheiubleicharte" genannt werden, find theilweise gut, stark, feurig und
wohlschmeckend, haben aber häufig Erdgeschmack und zu wenig Bouquet, dagegen
in nicht günstigen Jahrgängen viele Säure. In früheren Zeiten waren einzelne
von ihnen berühmter als die Rheingauer; Jedermann kennt das Sprüchwort:
Deutsches Land und Volk. Iv. 1z
1881 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Steinbach, Josef, Köppen, Fedor von, Finger, Friedrich August, Klöden, Gustav Adolf von, Mehlis, Christian, Hocker, Nikolaus
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Ahrweiler.
Die Weine unti dee Ahr und uam Unterrhein.
Beim heiligen Petrus zu Walporzheim
Am rauschenden Bette der Ahr,
Da schenkt man nicht Bier, nicht Honigseim,
Da schenkt man Wein so klar.
Alexander Kaufmann: „Unter den Reben".
Wir haben die Bedeutung der Weine im Rheingau betrachtet, die Gerechtig-
keit erfordert, daß wir auch diejenigen, die an der Ahr und am Unterrhein
wachsen, nicht veraessen. Wilhelm Hamm schreibt in seinem „Weinbuch" zu
diesem Kapitel Folgendes:
„Das Ahrthal öffnet sich auf dem linken Ufer des Rheins und zieht sich,
in eine Gabel sich spaltend, bis in die Mitte der Eifel. Der Boden ist meist Thon-
schiefer mit Lehm, dazwischen treten Basalt, Sandstein, Granwacke auf. Die
Ahrweinberge Produziren nur Rothweine von ganz eigentümlicher dnnkelblau-
rother Farbe, Süßigkeit und Blume; wer dieselben einmal gekostet hat, findet
ihren Geschmack, welcher manchmal etwas erdig ist, stets wieder heraus. Sie
haben viel Körper und eine, dem Burgunder ähnliche, sehr angenehme Milde.
Leider sind sie nicht besonders haltbar, daher auch zu weiteren Bersenduugen
nicht geeignet. Im Binnenhandel befinden sie sich unter dem Kollektivnamen: