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Da fragte Lottchen: „Liebe Mutter, kann man denn
nicht immer jung bleiben?"
„Siehe", versetzte diese mit Lächeln, „auf der Erde
giebt es nichts Bleibendes, nichts Beständiges. Der
Wechsel, die Veränderung ist allen Dingen angeboren.
Das Wasser, das eben den Fluß vor uns anfüllt, ist im
Augenblicke dahin; es strömt dem Meere unaufhaltsam
zu, und an seine Stelle ist anderes getreten, das eben so
schnell wieder verdrängt wird, und so ins Unendliche fort.
Die Blüthe schmückt den Baum nur kurze Zeit; dann bil-
det sie sich zur Frucht um. Der Frühling, die Jugend
des Jahres, weicht dem Sommer, nichts mag ihn aushal-
ten, noch, wenn er einmal vorüber ist, zurückrufen. So
ist cs auch mit dem Menschen. Seine Jugend verblühet
schnell, wie die Blume des Gartens, und kehrt nicht wie-
der, ob er auch Tag und Nacht verlangend darnach rie-
fe, itnb sein Leben fähret dahin, wie ein Blitz. Nichts
als Erinnerungen bleiben ihm von der süßen Zeit übrig!
Wenn diese aber lieblich sind, und sich keine quälenden
darunter mischen, so mag er seinen Geist wohl, obschvn
der Leib altert und zuletzt zerfällt, dadurch jugendlich er-
halten, bis daß er in das schöne Land ewiger Jugend
aufgenommen wird."
„So kann man also doch in gewisser Hinsicht immer
jung bleiben?" fragte Marie.
„Allerdings!" antwortete der Vater. „Ist dir das
denn noch nie in den Sinn gekommen, wenn du in der
Gesellschaft unsers würdigen Pfarrers Gvtthold warst?
Sein Haar hat das Alter weiß gefärbt, seine Stirn ist
runzlig und sein Schritt unsicher; aber wie jugendlich ist
noch sein Geist, sein Herz! Wenn man ihn sprechen hör-
te und nicht zugleich sähe, würde mau einen Jüngling
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— 41 —
sechs Kindlein, denen der Herr früher die bleibende Stät-
te gab, als mir. Meine Jugendgenossen sind alle drü-
den, und ich würde hier, wie in einer fremden Gegend
stehen, wenn das indeß herangewachsene Geschlecht mir
nicht so viele, ja wahrhaft kindliche Liebe geschenkt hatte.
Doch meines Bleibens ist nicht langer; cs ziehet mich
hinüber in das große Reich der Geister mit unwidersteh-
licher Sehnsucht, und ich folge freudig, und dankbar für
den Segen eines langen Lebens! — Jetzt schloß er die
Rügen ein wenig, und als er sie wieder öffnete, rief er
bewegt aus: Ja wohl! ein langes Leben und ein schönes
Leben! Die Leiden stehen fern wie ausgeblitzte Wetter;
nur die genossenen Freuden werfen ihre Strahlen, wie
eine goldene Verklärung um deu späten Abend. Es ist
mir wohl und leicht um's Herz, als sollt' ich heute noch
im Paradiese seyn! Ich höre die Wachter der Gvttcs-
stadt; ihr Gesang macht mir das Herz vor Freude sprin-
gen. Und, Herr Pfarrer, noch eine Bitte: die beiden al-
ten schönen Lieder „Wachet ans! ruft uns die Stimme"
und „Jerusalem, du hochgcbaute Stadt," die lassen Sie
mir an meinem Grabe singen! Diese Lieder haben mich
immer so durch's ganze Herz erquickt, lind ich möchte gern
unter ihren Klängen in die Erde versenkt seyn. Ich muß-
te sie meiner seligen Marie noch bei ihrem Ende sin-
gen, und die Kinder hörten sie auch gern. Seitdem habe
ich sie oft wiederholt in schonen Stcrnennächtcn, wenn die
Sehnsucht nach meinen Lieben in der Heimath wach ward,
und die himmlischen Freuden mein Herz bewegten. Das
Plätzchen neben meiner Marie ans dem Gottesacker hat
man mir frei gelassen: da wünschte ich zu ruhen. Wir
waren im Leben so gern beieinander; unsere Gräber sollen
auch nicht getrennt seyn. Das ist mein. letzter Wille.
Weiter hab' ich auf Erden nichts zu bestellen! — Eine
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— 85 —
Schälchen, Hülsen, Bälge und dergleichen mehr, die
man, wie die Samen selbst in völlig reifem Anstande
einsammelte.
Viele Schwierigkeiten verursachten Früchte, Pilze
und Schwämme unsern Sammlern. Alle Früchte sind
vvn kurzer Dauer, und lassen sich nur in Weingeist kost-
spielig aufbewahren. Bei den äußerst schnell vergäng-
lichen Pilzen ist an ein Trocknen nicht zu denken, und die
Schwämme schrumpfen unkenntlich zusammen! Am besten
werden ihre Formen und Farben in Wachs dargestellt,
und mit diesem Verfahren machte Herr Neinherz seine
Zöglinge bekannt.
Sollen Früchte, Pilze und Schwämme in Wachs
nachgeahmt werden, so muß man sie zuerst in Gyps ab-
gießen, um alle Erhabenheiten, Vertiefungen, Narben
und sonstige Eigenschaften in treuer Darstellung zu er-
halten. Man wählt das feinste weiße Gypsmehl dazu,
das weder der Feuchtigkeit ausgesetzt gewesen, noch zu
alt seyn darf-
Will man nun eine Frucht, z. B. einen Apfel, in
Gyps abformen, so setzt man ihn mit dem breiten Theile,
an welchem der Stiel, der vorher abgenommen wird,
sich befand, auf einen % Zoll breiten Ring von gut ver-
arbeitetem feuchten Töpferthon, und zwar so, daß der
Apfel an dem weitesten Theile seines Umfanges, genau
schließend, von ihm umfaßt wird. Diesen, auf der Ober-
fläche gehörig geebneten Ring versieht man mit zwei Ein-
drücken, welche mit einem abgerundeten Hölzchen gemacht
werden. Jetzt legt man um den Thonring eine Wand,
welche die Höhe des Apfels einen halben Zoll überschrei-
tet und allenthalben gut an die ringförmige Thonlage
schließt, über dem Ringe aber einen freien Raum gestat-
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— 93 —
Auch die körperlichen Kräfte der Kinder wurden
wahrend der Regenzeit nicht ganz außer Thätigkeit ge-
set)t. Frau Oswald gab den Knaben und Mädchen dann
täglich eine Stunde Tanzunterricht. Zhr Augenmerk
gicng dabei mehr auf eine freie, anständige Haltung des
Körpers, ans Beweglichkeit und Geschmeidigkeit der
Glieder, auf einen leichten Gang, auf Gefälligkeit in
Wendungen und dergleichen, als auf das eigentliche
Tanzen, das sie in mancher Hinsicht, besonders wenn
cs in Tanzsucht ausartet, für höchst verderblich hielt,
und wenigstens nicht in den Kreis der Kinderjahre ge-
zogen sehen mochte.
Den beiden Knaben war eine Werkstätte eingerich-
tet worden, wo sie nach Belieben drechseln, schreinern
und zimmern konnten. Auch begleitete Eduard, der äl-
teste der Knaben, seinen Lehrer durch Sturm »ud Re-
gen, wenn dieser einer Pstanze, einem Infekt auf Wie-
sen und Aeckern, in Wäldern und auf Bergen nach-
spürte.
^Menschlich keil gegen Thiere.
Der weise Schöpfer, dessen Ruf
Am Anfang rief: „Es werde!"
Und aller Welt Bewohner schuf.
Der gab den Kreis der Erde
Nicht Menschen nur zur Wohnung ein;
Auch Thiere sollten, groß und klein.
Sich hier des Lebens freuen.
„Send fruchtbar und vermehret euch!"
So sprach er auch zu ihnen;
Die Erd' an seinen Gütern reich.
Sie sollt' auch ihnen dienen.
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136 —
D rot und Salz segnet Gott.
Es ist ein gemeiner Brauch unter uns Deutschen,
daß der, welcher eine Gasterei halt, nach der Mahlzeit
sagt: „Es ist nicht viel zum Besten gewesen, nehmt \o
verlieb."
Nun trug es sich zu, daß ein Fürst ans der Jagd
war, einem Wild nacheilte, und so von seinen Dienern
abkam, also daß er einen Tag und eine Nacht im Walde
herumirrte. Endlich gelangte er zu einer Köhlerhüttc,
und der Eigenthümer stand an der Thüre. Da sprach der
Fürst, weil ihn hungerte: „Glück zu, Mann! was hast
du zum Besten"" Der Köhler antwortete: „Ich habe
Gott und allewege genug." — „Sv gieb her, was du
hast," sprach der Fürst. Da gicng der Köhler, und
brachte in der einen Hand ein Stück Brot, in der andern
einen Teller mit Salz; das nahm der Fürst und aß, denn
er war hungrig. Er wollte gern dankbar seyn; aber er
hatte kein Geld bei sich; darum löste er den Steigbügel
ab, der von Silber war, und gab ihn dem Köhler; dann
bat er ihn, er mochte ihn wieder ans den rechten Weg
bringen, was auch geschah.
Als der Fürst heim gekommen war, sandte er Die-
ner ans, die mußten diesen Köhler holen. Der Köhler
kam, und brachte den geschenkten Steigbügel mit; der
Fürst hieß ihn willkommen und zu Tische sitzen, auch ge»
tröst seyn; cs sollt ihm kein Leid widerfahren. Unter
dem Esten fragte der Fürst: „Alter, es ist dieser Tage
ein Mann bei dir gewesen; sieh, herum, ist derselbe hier
mit über der Tafel?" Der Köhler antwortete: „Mich
däucht, Ihr seyd es wohl selber;" zog damit den Steig-
bügel hervor, und sprach weiter: „Wollt Ihr das Ding
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— 143 —
damals in vielen tausend armen Hütten, legten sich auch
in der armen Hütte der guten, stillen Bergmannsfamilie
Stellern und Kinder an den meisten Abenden hungernd
und nach Brote weinend, und doch auch immer wieder
gestärkt und aufrecht erhalten durchs gemeinschaftliche
Gebet und Vertrauen zu Gott, auf ihr armes Lager.
Die Noth gab damals den armen Menschen gar viele
vorher nie versuchte Mittel, sich zu sättigen, an die
Hand, wovon manche wohl sehr traurig waren. Einige
bucken sich eine Speise aus Kartoffelschelvcu und andern,
als unbrauchbar für die Küche weggeworfenen Abgängen,
die sie vor den Häusern der etwas wohlhabenderen Bau-
ern und Bürger aus dem Staube auflasen; Andere such-
ten wohl, so lange sie noch Kräfte zum Gehen oder auch
nur fortkriechen konnten, ihre Speise an noch traurigern
Orten. Je mehr die Theurung zunahm, desto seltener
wurde auch die Gelegenheit, etwas zu verdienen, denn
in einigen Gegenden wollten die meisten Bauern und
Bürger keine Tagelöhner und Handarbeiter mehr dingen,
weil sie nicht im Stande waren, ihnen Brot zu geben.
Der Winter von 1770 auf 1771 war wohl recht
jammervoll. Die Noth nahm immer zu, überall wo man
hin sah traurige, bleiche Gesichter, die einander gegen-
seitig den Muth nur noch mehr benahmen, statt zu stär-
ken; ans der Gasse sah man abgezehrte, oder auch krank-
haft geschwollene, hungernde Kinder, die nicht, wie
sonst, muthig kindlich herum liefen, sondern schlichen,
und ganz stille waren; dazu war auch in dem traurigen
Winter der Himmel fast immer trübe und neblicht, eine
fast beständige feuchte Kälte. Am Abend brannte wohl
in den Oefen der armen Hütten das Feuer, wie sonst,
aber es war nichts, gar nichts da, was die Mutter an's
Feuer setzen konnte; die kleinern Kinder zogen den Tisch-
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— 145 —
Backofens, während sie auf's Tagctohn gicng, stnnden-
lang sitzen, damit er den nahrhaften Dampf des frischen
Brodes einalhme. Die mitleidige, aber selber arme und
an Kindern reiche Bäckersfrau gab dann den Kleinen zu-
weilen auch einige Bissen. Co wurde der Knabe jenen
Winter hindurch, wo so unzählig viele arme Kinder von
seinem zarten Alter siarben, beim Leben erhalten.
Da nun der Frühling 1771 wieder kam, und die
Wiesen wurden wieder munter, faßten die Armen auch
wieder Muth und Hoffnung. Die Aeltern der Berg-
mannssamilie giengen nach Tagelohn, die größeren Kin-
der mit ihnen, die kleineren wurden angewiesen, außen
auf den Wiesen Primeln, ausknospcnde Suabioscn und
andere Kräuter zusammen zu lesen, die sie dann in der
Apotheke verkaufen sollten. Da war einmal der kleine,
noch nicht dreijährige Johann Gottlob ganz allein auf
der Wiese, und suchte Suabiosen. Die Sonne verbarg
sich schon hinter dem Berge, ihn hungerte sehr, er woll-
te so gerne nach Hause zur Mutter, und doch kam kei-
nes seiner Geschwister, ihn abzuholen. Da sieht er einen
Postboten vorbei gehen. Er glaubt, cs sey der nämliche
Mann mit gelbem Rock und zinnernem Brustschild, der
beinahe täglich von S. aus durch Obcr-S. und dann bei
seiner Aeltern Hause vorbeigieng, und hinter dem er
wohl öfters schon ans kindischer Freude an dem-gelben
Rocke und zinnernen Brustschild ein Stückchen Weges
darein gelaufen war. Der Kleine läuft auch jetzt hinter
dem Manne im gelben Rocke kindlich arglos drein, und
glaubt, der soll ihn an das Haus seiner Aeltern fuhren.
Er bemerkt es nicht, daß der Postbote einen ganz andern
Weg geht, statt im Thal hinunter, den Berg hinaus,
statt gegen Osten nach Westen.
Der kl. d. Jugendfreund.
7
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Der zarte Knabe läuft, so gut er kann, mit dem
Postboten, der nach der Art dieser guten, wortlosen Men-
schen kein Wort zu ihm spricht, bis zur Abenddämme-
rung. Da geht der Postbote in ein Wirthshaus hinein,
und ißt etwas. Der Kleine seht sich, jenem sehnsüchtig
zusehend, ihm gegenüber. Da reicht ihm der Postbote
ein gutes Stück von seinem Vrvt und Käse, und fragt
ihn, wo er hin wolle? Der Kleine sagt: nach Ober-S.
Da bist du, sagt jener, weit davon, von da nach S. ist's
zwei Stunden, dn bist ja hinter mir drein immer gerade
von Ober-S. weggelaufen, statt hin. Darüber fängt
nun der kleine Junge bitterlich an zu weinen, der Post-
bote nimmt sein Felleisen und sagt zu ihm: Jetzt bleib'
nur da, bis ich morgen wieder komme, dann will ich dich
wieder mit nach S. nehmen.
Der arme Junge, der sich in der Wirthsstube un-
ter lauter fremden Gesichtern sieht, weint den ganzen
Albend nach der Mutter, lind schläft endlich auf der Ofen-
bank ein. Am andern Morgen, da Niemand auf das
Kind achtet, läuft es, seine welken, für die Mutter ge-
pflückten Suabivsen noch immer fest in der Hand haltend,
fort. Am Mittag speist und erquickt ihn eine mitleidige
Bauernfamilie reichlich, am Abend wieder, und da er
immer noch nach seinem S. fragt und immer hört, es sey
ein Paar Stunden dahin, läßt er fl'ch'6 endlich in kindli-
cher Unüberlegtheit gefallen, so den Tag über zwischen
den grünen Feldern und blühenden Bäumen herum zu
laufen, und am Mittag und Abend doch immer seine
Mahlzeit bei mitleidigen Menschen zu finden; er wirft die
welken Suabivsen aus der Hand, und weint nur noch am
Abend, wenn er zuweilen in Häusern ist, wo ihn die Leu-
te nicht so freundlich ansehen, nach der Mutter.
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— 119 —
ehe das alles wiederkommt, und ich werde mich oftmals,
wenn Schnee vom Himmel herabfällt, trübe Wolken in
der Lust hangen und stürmischkalte Winde wehen — o dann
werde ich mich oftmals nach dem frischen Grün und der
erfreulichen Himmelsbläue sehnen, und mich klarer, mil-
der Tage erinnern, und schmerzlich ans ihre Wiederkunft
harren. tzlber die Sehnsucht und die Hoffnung, beide
sind süß und täuschen nicht, und ehe man es sich versteht,
zeigen die sprießenden Keime des neuen Lebens sich, und
die Klänge des Frühlings fallen in das lauschende Ohr,
und erwecken im Herzen den schlummernden Frühling mit
seinen Blüthen und Tönen!“
Herlistlied.
Wie reich an Freud', an Glück und Segen
Ist, Schöpfer, deine schöne Welt!
2m Sturm, im Sonnenschein und Regen
Wirkt fort die Kraft, die uns erhält.
Die, nie veraltend, stets erneut.
Uns benedeiet und erfreut.
Uns gieng ans der Verwesung Hülle
Das Samenkorn gedeihend auf;
2n Scheuern liegt der Felder Fülle,
Deiv Vaterauge ruhte d'eanf;
Im Segen stoß des Landmanns Schweiß,
Und reiche Zinsen trug sein Fleiß.
Du lenktest, Herr, der Winde Flügel,
Des Regens und der Ströme Fluth;
Du hreltest, Gott, des Blitzes Zügel,
Der Elemente wilde Wuth;
Schufst selbst die Schrecken der Natur
Zu Zeugen deiner Güte nur.
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— 161 —
diese so weinen sah, mit schönen Trost sprächen aus dev
heiligen Schrift, die sie in der Schule gehört hatte, oder
mit Versen ans guten christlichen Liedern, z. B. mit dem
Vers aus dem kinderfrvmmen Liede des Hans Sachs:
„Warum betrübst du dich, mein Herz," mit dem Vers:
„Ach Gvtt, du bist noch heut so reich, als du gewesen
ewiglich; mein Vertrauen steht ganz zu dir," und mit
dem Vers aus Paul Gerhards Liede: „Schickt uns Gott
ein Kreuz zu tragen, dringt herein Angst und Pein, sollt
ich drum verzagen?" Oder sie sagte zu der sorgenden
Mutter: „Liebe Mutter, weinet nur nicht, wir wollen
recht beten und arbeiten; wenn ich aus der Schule kom-
me, will ich fleißig Strohhüte flechten, der liebe Gott
wird uns nicht -verlassen."
So vergicng fast ein Jahr nach des Vaters Tode;
die Wittlve hielt mit ihrem einigen Kinde sparsam und
treulich Haus, und beide hatten durch Gottes Segen
keinen Mangel. Das Mägdlein gieng fleißig zur Schule,
flocht nach der Schule eben so fleißig Stroh zu Hüten;
seine einzige äußerliche Unterhaltung und Freude war
eine Henne, die sich die kleine Waise vom Küchlein auf-
erzogen und mit dcit abgespartcu Brotkrumen ernährt
hatte. Eines Tages in der Acrndtezeit geht die Mutter
zu einem Bauer in dem nächsten Dorfe, um bei diesem
Hafer rechen zu helfen, das Mägdlein aber geht nach
seiner Gewohnheit in die Schule, und seht sieh, sobald
cs nach Haufe gekommen, vor die Thüre seiner Hütte
hin, um Stroh zu Hüten zu flechten. Da kommt ein
Nachbarmädchen von zwölf Jahren, ein Kind von sehr
wilder Art, und will Nvsinen nöthigen, mit ihr herum
zu springen und Muthwilkeu zu treiben. Die kleine
fromme Waise will das nicht. Hierüber erzürnt, reißt
sie das stärkere Nachbarmädchen zu Boden und kniet ihr
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