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Hermann Schumacher
braucht Deutschland — keineswegs der stärkste Zuckerkonsument — heute
über ^/4 Millionen Tonnen Zucker im Jahre, so ist Europas ganzer Zucker-
verbrauch um 1700 erst auf 50 000 Tonnen geschätzt worden. Der gewaltige
Umschwung, der den Zucker immer mehr aus einem Genußmittel in ein
Nahrungsmittel wandelte, ist herbeigeführt worden vor allem durch eine
deutsche Erfindung. Der Lhemiker Marggraf in Berlin entdeckte {7^7,
daß in den Runkelrüben derselbe Stoff enthalten sei wie im Zuckerrohr. Sein
Schüler Achard gestaltete diese Entdeckung am Ende des ^8. Jahrhunderts
zu praktischer Bedeutung aus. welche Wichtigkeit man ihr zumaß, geht
daraus deutlich hervor, daß die Engländer aus Besorgnis für den einträg-
lichsten Zweig ihres amerikanischen Rolonialhandels Achard 200 000 Taler
angeboten haben, falls er in der Öffentlichkeit die praktische Aussichtslosigkeit
seiner Erfindung erklären wollte, wem: Achard, der dieses Ansinnen natürlich
entrüstet zurückwies, von den großen Erfolgen des Rübenzuckers persönlich auch
nicht sehr viel erlebt hat, so sollten sie doch nicht ausbleiben. Der neue Zucker-
Europas hat nicht nur Gleichberechtigung mit dem alten Zucker Amerikas,
Asiens und Afrikas sich errungen, sondern ihn so glänzend geschlagen, wie
es nicht oft in der Wirtschaftsgeschichte der Menschheit geschehen ist. Dieser
Sieg war ein Sieg der Hflanzenzüchtung. Anfänglich gab die Rübe auf der
gleichen Fläche geringere Erträge an Zucker als das Rohr. Aber unermüdliche
wissenschaftliche Forschertätigkeit, bei der die Deutschen stets die Führung
behalten haben, hat das Bild völlig verwandelt. Durch sie sind Züchtungs-
erfolge erzielt worden, wie sie in gleichem Maßstabe kein anderer großer
Produktionszweig aufzuweisen hat. Insbesondere ist es gelungen — auch
die Steuer- und Zollgesetzgebung hat zu diesen Fortschritten viel beigetragen
— immer zuckerreichere Rüben zu züchten. So wurde die Menge von Rüben,
die zur Herstellung eines Kilogramm Rohzucker durchschnittlich erforderlich
war, von \7 kg im Betriebsjahr ts-0/4t auf kg in \S70/7\, 6,7 kg
in und 6,08 kg in herabgedrückt. Da zu gleicher Zeit einer-
seits im Rübenanbau die Bodenbearbeitung und Düngung, anderseits
in der Zuckerfabrikation die Technik und chemische Betriebskontrolle be-
ständig verbessert worden sind, ist der durchschnittliche Ertrag an Rohzucker
auf der gleichen Anbaufläche außerordentlich gesteigert worden. Er betrug
für den Hektar zu Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts
2\ Doppelzentner und hat im Betriebsjahr t9m/N bisher seine höchste
Ziffer mit 52 Doppelzentnern: erreicht. So ist durch enge Verbindung von
Wissenschaft und Hraxis Deutschland zum größten Zuckerproduzenten der
Welt geworden. Es hat sich damit zugleich aus einem Zuckereinfuhrland
in ein Zuckerausfuhrland gewandelt. Insbesondere seit dem Ende der sieb-
ziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hat Deutschland eine Zuckerausfuhr
zu entwickeln begonnen. Sie hat zeitweise den eigenen Bedarf sogar über-
stiegen und hat im Betriebsjahr \y\2l\5 von der Gesamterzeugung von
mehr als 26 Millionen Doppelzentnern nahezu \2 Millionen Doppel-
zentner in Anspruch genommen.
Der weitaus größte Teil dieser Ausfuhr ist nach England gerichtet.
England, das unter allen Ländern den stärksten Verbrauch an Zucker auf
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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126
Clt}. Schuchart
Kaufmann übernommene Verpflichtungen pünktlich und vollständig zum
festgesetzten preis erledigen, wie kann er überhaupt als Lieferant und als
Kbnebmer seine Ansagen aus der Zeit vor Kriegsausbruch erfüllen, wenn
sich die wirtschaftlichen Voraussetzungen des Vertragsschlusses von Grund
auf geändert haben?
Die großen Gegensätze, die sich in den Abnehmer- und Lieferanten-
gruppen gegenüberstanden, veranlaßten das preußische Ministerium
für Pandel und Gewerbe zu Vorschlägen, die die in der Kriegszeit be-
sonders stark empfundenen pärten mildern oder beseitigen sollen, wenn
die Regierung auch nicht unmittelbar eingegriffen hat, so war die Wirkung
im ganzen doch günstig, insofern die widerstrebenden Interessen einander
angenähert wurden und sich in zahlreichen Fällen zu einem Ausgleiche ver-
ständigten. Besonders schwierig wurde die Lage der weiterverarbeitenden
Industrien, die auf Grund von Verträgen Rohstoffe und Halbfabrikate in
Mengen gekauft haben, die sie nun nach Kriegsausbruch nur zum geringen
Teil oder überhaupt nicht zu verarbeiten vermögen. Ilm hier einen Aus-
gleich anzubahnen, traten am ((. September die Vertreter der bedeutendsten
Rohstoffverbände der Eisen- und Kohleindustrie (das Rheinisch-Westfälische
Kohlens^ndikat, der Stablwerksverband, der Roheisenverband) mit denen
der Fernverarbeitung (Eisengießereien, Maschinenbauanstalten, Kleineisen-
industrie usw.) zusammen und verständigten sich über die Grundlagen für
die Weiterführung der Geschäfte in einer beide Teile befriedigenden weise.
Sie kamen dabei zu dem Ergebnis, daß die Lieferanten den Beziehern trotz
der zum Teil recht erheblich gestiegenen Erzeugungskosten bei Erfüllung
der Lieferverpflichtungen entgegenkommen müßten, da auch die Bezieher
wieder an Verträge gebunden waren. Ilm Streitigkeiten, die aus diesen
und ähnlichen Gründen entstanden sind, auszugleichen, wurden von vielen
Pandelskammern Einigungsämter gebildet, die von Fall zu Fall unter
Zuziehung Sachkundiger auf eine Verständigung zwischen den einander
hart gegenüberstehenden Interessen hinarbeiten. Aufgabe dieser Ämter ist
es auch, zwischen Gläubiger und Schuldner auf außergerichtlichem Wege
eine Vermittlung anzubahnen. Diese Unterstützung ist besonders dem Klein-
handel und dem pandwerk sehr zustatten gekommen. Irgendwelche Kosten
entstehen den streitenden Parteien bei den Ämtern in der Regel nicht.
Pier wie dort zeigt sich also deutlich, wie sehr die störungsfreie Aufrecht-
erhaltung des Wirtschaftsverlaufs das opferfreudige Entgegenkommen von
einzelnen wie von Interessengruppen gebieterisch verlangt. Nicht werte neu
zu schaffen, sondern die bestehenden zu s chern: das ist im Zeichen der Kriegs-
wirtschaft die erste staatsbürgerliche Aufgabe jedes Geschäftsmannes.
Iii. Die Deckung des militärischen Bedarfs und die
Volkswirtschaft.
Dem gewaltigen Ausfall an Ausfuhrlieferungen, zu dem sich der be-
deutende Ulinderbedarf im eignen Lande geteilt, steben als Ausgleichposten
neben dem sich mehrenden Liebesgabenbedarf die Aufträge der peeres-
verwaltung, die sogenannten Kriegslieferungen, gegenüber. Aus der
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TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit]]
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{22
Th. Schuchart
Trotz gelegentlicher Störungen sind für den nichtmilitärischen Bedarf
Roheisen und Kohle seit dem Kriegsausbruch stets verfügbar gewesen. Das
zeigt, wie außerordentlich bedeutend für das gesamte deutsche Wirtschafts-
leben die Tatsache ist, daß wir den Krieg am Niederrhein und in Gberschlesien
sofort in Feindesland tragen und so den Einbruch des Feindes in unsere
wirtschaftlich wichtigen Zentren verhindern konnten. Bedeutende Zweige
der Industrie und des von ihr abhängigen Handels wären durch mangelnde
Versorgung mit Eisen und Kohle in die größten Schwierigkeiten gekommen,
wenn es unsern Feinden gelungen wäre, z. B. den rheinisch-westfälischen
Industriebezirk zu besetzen. Za, es ist zu befürchten, daß nicht nur die
Erledigung der laufenden Aufträge der Industrie, bei denen Eisen und Kohle
verwandt werden, unausführbar gewesen wäre, sondern daß sogar die
militärischen Lieferungen unter Verwendung der anderweitig vorhandenen
Rohstoffvorräte sich nur unter außerordentlichen Schwierigkeiten hätten
ermöglichen lassen, so daß unsere militärische Leistungsfähigkeit in bedenk-
lichster weife bedroht worden wäre.
von der Einschränkung des Verkehrs, wie sie die Durchführung der
militärischen Maßnahmen forderte, wurde auch der in den letzten Zähren
überaus stark gewachsene Antomobilverkehr betroffen. Die Militär-
verwaltung beschlagnahmte sofort bei Kriegsausbruch die vorhandenen
Mengen an Benzin und entzog viele Fahrzeuge durch Ankauf zu militärischen
Zwecken der privatwirtschaftlichen Verwendung, fdost-, Fernsprecher- und
Telegraphenverkehr wurden durch die Mobilmachung ebenfalls sehr ein-
geschränkt. Infolge dieser allgemeinen Unterbindung des Verkehrs war
es unmöglich, bei Lieferungen für nichtmilitärische Zwecke die etwa zu-
gesagte Lieferzeit innezuhalten, wo wirtschaftliche Maßnahmen von der
Innehaltung der Lieferzeit abhängig waren, ergaben sich daher unabsehbare
Schwierigkeiten.
d. Die Erhöhung der preise und die Kreditverhältnisse.
Die vierte und letzte wirtschaftliche Folge des Übergangs zur Kriegs-
wirtschaft ist die Erhöhung der preise, die durch die veränderten Er-
zeugungs-, Verkehrs- und Kreditverhältnisse hervorgerufen wurde. Durch
die Einschränkungen der industriellen Betriebe, wie sie durch die Einziehung
männlicher Arbeiter notwendig geworden waren, wurde ihre Ausnutzung
heruntergesetzt, hierdurch mußten sich die Betriebskosten, auf die Einheit
des Erzeugnisses gerechnet, erhöhen; anderseits verteuerte sich die Betriebs-
führung durch die schwierige und vielfach ungeregelte Beschaffung von
Roh- und b^ilfsmaterialien, oder aber infolge des plötzlich eingetretenen
außerordentlichen Bedarfs der Militärverwaltung. Bei bestimmten Artikeln,
wie z. B. bei Teeröl, konnte das Ausgangserzeugnis, der Steinkohlenteer,
jetzt nicht in der sonst üblichen und wirtschaftlich einträglichen Meise ver-
feinert werden. Das mußte selbstverständlich das Vorprodukt, das jetzt
unter verzicht auf die Feinerzeugnisse auf den Markt gebracht wurde, ver-
teuern, und so stieg der Teerölpreis in kurzer Zeit um fast 50 v. £?. Bei
der umfassenden Verwendung des Teeröls in der Industrie ist dies eine
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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Vii. Krieg, Geld und Kredit
\B3
tritt die Verminderung der Umlaufsmittel automatisch ein, denn die Rück-
zahlung der Kredite erfolgt ebenfalls in Banknoten an die Notenbank.
Das An- und Abschwellen der Umlaufsmittelsummen wird also solchermaßen
ganz zwanglos durch die Notenbank reguliert.
19. In Deutschland bestehen noch von altersher vier Notenbanken,
und zwar die Bayerische Notenbank zu München, die sächsische Bank
zu Dresden, die Württembergische Notenbank zu Stuttgart und die
Badische Bank zu Mannheim. Aber deren Bedeutung ist gering gegenüber
der überragenden Stellung, die unser Zentralnoteninstitut, die Deutsche
Reichsbank in unserem gesamten Geld-, Kredit- und Währungswesen
einnimmt.
Die Reichsbank ist ein privatkapitalistisches Institut, das vom Reichs-
kanzler geleitet und von Beamten verwaltet wird. Das ist so zu verstehen,
daß das Kapital der Reichsbank, das zurzeit Im Millionen Mark beträgt,
durch Privatmittel aufgebracht ist. Das Kapital ist in Anteile von Z000 und
tooo M. geteilt, die sich im Besitz von Privatkapitalisten befinden. Diese
Privatkapitalisten erhalten einen Teil der Gewinne als Verzinsung für ihre
Anteile und haben ein Kontrollrecht insoweit, wie es sich um die Finanz-
gebarung des Instituts und um die Sicherheit ihrer Anteile handelt. Da-
gegen haben sie keinen Einspruch in die öffentlich-wirtschaftliche Gebarung der
Bank, bezüglich derer ihnen nur durch einen Ausschuß eine beratende Stimme
zusteht. Die Noten der Reichsbank, die in Abschnitten über je tooo, (oo,
50 und 20 M. ausgegeben werden, müssen von jederniann in Zahlung ge-
nommen werden (sind also gesetzliches Zahlungsmittel). Dagegen ist die
Reichsbank verpflichtet, jedem Vorzeiger die Noten in deutsche Reichs-
währung, d. h. also — da Scheidemünzen nur zu einen: winzigen Betrage
genommen zu werden brauchen — in Gold umzuwechseln.
Da das Reich einerseits die Bevölkerung zwingt, die Noten der Reichs-
bank wie Geld anzunehmen, da es aber auf der anderen Seite für die Reichs-
bank keinerlei Garantie leistet und da mithin nicht das Reich, sondern ledig-
lich das Vermögen der Bank den Inhabern der Noten haftet, so ist das Reich
gezwungen, indirekte Garantien für die Geschäftsführung der Reichsbank
zu gewähren und dadurch das Vertrauen herzustellen, das notwendig ist,
wenn die Verwendung von Reichsbanknoten als Geld nicht nur auf dem staat-
lichen Zwang, sondern auf der selbstverständlichen Dichtung vor der inneren
(Qualität der Banknote beruhen soll. Deshalb hat das Reich sowohl durch
das Bankgesetz vom t-. März 1875 (das verschiedentlich abgeändert worden
ist) als auch durch das Bankstatut die Geschäftstätigkeit der Bank im
allgemeinen auf ganz wenige sichere Geschäftszweige beschränkt. Die Bank
muß sich namentlich von allen spekulativen Geschäften vollkommen fern-
halten. Außerdem darf insbesondere die Bank nur für ganz bestimmte
Geschäfte Noten ausgeben. Die Notenausgabe ist ihr lediglich zum
Ankauf von wechseln, die besonderen Formvorschriften genügen,
gestattet. Eine Grundbestimmung des Bankgesetzes verlangt ferner, daß
mindestens ein Drittel desjenigen Betrags, den die Bank jeweils an Noten
umlaufen hat, als Barbestand in ihren Kassen liegen muß. Als Barbestand
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Dresden Stuttgart Mannheim
Vii. Krieg, Geld und Kredit
(85
Zwar kann in Zeiten der Uoi, wenn bereits viele Kredite gewährt
sind, die verlängert werden sollen, es sehr wohl vorkommen, daß auch die
höchsten Zinssätze die Kreditnehmer nicht abschrecken. Aber in normalen
Zeiten können durch allzu billige Festsetzung der Zinssätze weite Kreise zur
leichtfertigen Eingehung von Kreditverträgen angeregt werden. Das muß-
unter allen Umständen dadurch vermieden werden, daß die Reichsbank an-
gehalten wird, ihre Zinssätze (Diskontsätze) jederzeit, entsprechend der wirt-
schaftlichen Lage, auf einer vernünftigen Höhe zu halten.
Zn manchen Ländern wird aus solchen Erwägungen heraus vielfach
den Notenbanken überhaupt nur eine bestimmte Menge von Noten auszu-
geben erlaubt. Zn Deutschland hat man von einer solchen „festen Kon-
tingentierung" abgesehen und statt dessen ein eigenartiges Erstem ein-
geführt, das man als „indirekte Kontingentierung" bezeichnet, wir
haben oben gesehen, daß stets ein Drittel des Gegenwerts der ausgegebenen
Noten der Reichsbank in Form des gesetzmäßigen Barbestandes vorhanden
sein muß. Znsofern also ist auch die Reichsbank an gewisse ein für alle-
inal feststehende Grenzen gebunden: der Notenumlauf darf eben niemals
mehr betragen als das Dreifache des gesetzlichen Barbestandes. Soweit
aber, wie eine solche Gefährdung der „Drittelgrenze der Noten-
deckung" nicht droht, ist die Reichsbank in ihrer Notenausgabe vollkourmen
unbeschränkt. Dagegen ist ihr durch die sogenannte „Notensteuer" die
Ausgabe von ungedeckten Noten erschwert. Sowie sie nämlich mehr als
550 Millionen (am Schlüsse eines jeden (Quartals 750 Millionen) Mark
Noten über den Barbestand hinaus (ungedeckte Noten) ausgibt, muß sie
an das Reich eine Abgabe von 5% des Mehrumlaufes abführen. Mit
anderen Worten ausgedrückt: Die Reichsbank darf ohne weiteres an Noten
ausgeben: den vollen Gegenwert ihres gesetzlichen Barbestandes (in dem für
diesen Fall der Bestand an Noten anderer deutschen Notenbanken mitein-
gerechnet wird) zuzüglich 550 Millionen bzw. 750 Millionen. Der darüber
hinaus ausgegebene Betrag ist mit 5% zu versteuern. Die praktische
Wirkung dieser Besteuerung ist leicht erkennbar. Sowie die Bank ge-
zwungen ist, Notensteuer zu bezahlen, ist für sie das schöne Geschäft der
zinslosen Beschaffung von Betriebsmitteln gestört. Zede Note, die sie
über das Kontingent hinaus ausgibt, muß sie an den Staat mit 5% ver-
zinsen. Hält sie nun den Zinssatz, den sie ihren Kreditnehnrern abver-
langt, unter 5% so setzt sie bei jeder mehr ausgegebenen Note Geld
zu. Da nun die Reichsbank, wie wir gesehen haben, bis zu einem
gewissen Grade ein Erwerbsinstitut ist, das auch für seine Anteilseigner
Geschäfte machen soll, so wird es für sie auf die Dauer nicht nröglich sein,
größere Mengen besteuerte Noten auszugeben, wenn sie ihren Zinssatz unter
5% hält, also Kredit mit Schaden gibt. Es liegt daher in der Überschrei-
tung der steuerfreien Notengrenze ein Zwang für die Reichsbank, ihren
Diskont mindestens auf 5% oder gar darüber zu erhöhen. Denn erst wenn
der Diskont über 5% ist, macht sie wieder einen Gewinn, der sich freilich bei
den besteuerten Noten nur in engem Rahmen hält, weil er ja nur in dem
Zwischengewinn zwischen 5% und dem von ihr bei der Weitergabe der Kredite
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Vi. Krieg und Verkehr
m
ungehörigen können folgende Gegenstände mit der Feldpost versandt werden:
Gewöhnliche Briefe bis zu einem Gewicht von 50 § und Postkarten
portofrei, Briefe schwereren Gewichts kosten bis zu 250 g neuerdings nur
noch to (früher 20) Pf., bis zu 500 g, sofern sie überhaupt befördert werden,
was nur zeitweise nach jedesmaliger besonderer Veröffentlichung der Fall
ist, 20 Pf.;
Postanweisungen über Beträge bis zu 800 M. vom Felde nach der
Heimat werden portofrei befördert; in umgekehrter Richtung sind solche nur
bis zur pöhe von joo jn. zulässig und kosten jo Pf., Inhaber von Post-
scheckkonten können Zahlungen bis zu ioo itt. an Militärpersonen im Felde
auch mittels Postschecks leisten;
Geldbriefe bis zu \oo g Gewicht und ioo Itt. wert werden portofrei,
schwerere derartige Sendungen oder solche mit einer Wertangabe von \50
bis 300 Itt. gegen 20 Pf., solche mit einer Wertangabe von Zoo bis ^500 in.
gegen 40 Pf. Porto befördert;
auch Zeitungsbestellungen der peeresangehörigen übernehmen die Feld-
postanstalten.
private Feldpostpakete sind bis auf weiteres nicht zugelassen. Dagegen
werden von Zeit zu Zeit durch Vermittlung der Militärbehörden den peeres-
angehörigen Privatpakete (Höchstgewicht 5 kg) zugeführt. Die Auflieferung
kann allerdings bei den Postanstalten erfolgen (Porto 25 Pf.); die Post
führt die Pakete jedoch nur der für jedes Armeekorps eingerichteten Sammel-
stelle zu, bei der die Pakete aber ebensogut unmittelbar abgegeben werden
können.
Alle Privatsendungen müssen den vermerk „Feldpostbrief" in der
Aufschrift tragen. Bei den Sendungen an Militärpersonen muß die Auf-
schrift genau ergeben, zu welchem Armeekorps, welcher Division, welchem
Regimente, welchem Bataillon, welcher Kompagnie oder welchem sonstigen
Truppenteil der Empfänger gehört, sowie welchen Dienstgrad und welche
Dienststellung er bekleidet; dabei darf die Bezeichnung „Reserve-" oder
„Landwehr-" bei den Divisionen, Regimentern usw. nicht fehlen, da sonst
unter Umständen verschiedene Formationen mit gleicher Nummer in Frage
kommen würden. Mißverständliche Abkürzungen (F. A. R. für Feld- oder
Fuß-Artillerie-Regiment) müssen vermieden werden. Auf dauerhafte und
feste Verpackung der Feldxostsendungen ist besonders zu achten. Jeder
einzelne Absender eines Feldpostbriefes kann durch sorgsame Befolgung
der Vorschriften dazu beitragen, daß der Betrieb der Feldpost, wie es im
Interesse unserer Krieger und im allgemeinen Interesse wünschenswert ist,
glatt vonstatten geht.
Die in der peimat aufgelieferten Sendungen werden zunächst den be-
sonders dafür eingerichteten postsammelstellen zugeführt (18 an der Zahl
im Deutschen Reiche). Pier werden sie nach Truppenteilen bis herab zu den
Bataillonen, Batterien, Eskadrons und Kolonnen sortiert. Alle Bunde
mh Feldpostbriefen, die für die Truppenteile derselben Infanterie- oder
Kavalleriedivision bestimmt sind und die deshalb einer Feldpostexpedition
zugehen sollen, werden dann zusammen in Briefbeutel verpackt und so mit
Staatsbürger!. Belehrungen in der Ariegszcit. , ,
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TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
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Georg Bernhard
Goldmünzen im Lande int Umlauf sind. Aber das ist durchaus nicht der Lall.
Nicht darauf kommt es an, daß jedermann im Lande mit Goldmünzen zahlt.
Denn es ist selbstverständlich, daß Gold von jedermann in Zahlung ge-
nommen wird, und deshalb drückt sich in einem starken Umlauf an Gold-
münzen alles andere eher als das vertrauen zu einer vernünftigen Wäh-
rungspolitik im Lande aus. Die beste Währung wird vielmehr das-
jenige Land haben, in dem möglichst wenig in baretn Gold gezahlt,
dagegen aber die Banknote am meisten geachtet wird. Die Banknote
ist, wie wir gesehen haben, ein Zahlungsversprechen auf Gold. Zn Deutsch-
land muß solche Banknote zwar jedermann in Zahlung nehmen, aber er
hat doch hntterher die Möglichkeit, zur Bank zu gehen und Goldzahlung
zu verlangen. Aber gerade darin, daß niemand Goldzahlung verlangt,
weil jederinann es für selbstverständlich hält, daß, wenn er Barzahlung
braucht, diese ihm auch gewährt wird, ist das Zeichen höchsten Vertrauens
zu den währungspolitischeit Verhältnissen des Landes zu sehen. Ls ist auch
höchst unnütz, daß jedermann in Gold zahlt oder Zahlung empfängt.
Denn wie wir gesehett haben, ist die Reichsbank in der Lage, für jedes
20 M.-5tück 60 M. Noten in Umlauf zu setzen, während also in der
Tasche des Privatmannes und des Gewerbetreibenden 20 M. nur
20 M. wert sind, gewinnt gewisserinaßen in den Gewölben der Reichs-
bank jedes 20 M.-Stück einen wert von 60 M. wenn alle Leute das
Gold im Lande zurückbehalten wollten, so würde die Reichsbank dem
gewerblichen Leben nicht in demselbeit Maße mit Kredit beisxringen
können, wie sie das kann, wenn möglichst viele Leute sich von ihrem Golde
trennen und es ihr übergeben. Deshalb sollte es zu allen Zeiten oberstes Ge-
bot sein, daß das Gold auf die Reichsbank und nicht in den verkehr
gehört. Gerade in kritischen Zeiten, in denen die Geschäftswelt in erhöhtem
Maße die Kreditunterstützungen in Anspruch nehmen muß, kann es von
großem Unterschied sein, ob die Reichsbank einen kleinen oder einen großeit
Goldvorrat besitzt. Denn mehr als das Dreifache ihres Barvorrates, der ja
doch in der Hauptsache aus demgoldvorrat sich zusammensetzt, darf die Reichs-
bank nicht in Noten ausgeben, und ist dieser Vorrat zu klein, so muß eben
eines schönen Tages die Unterstützung mit Kredit an die Geschäftswelt auf-
hören, und zwar gerade dann, wenn die Geschäftswelt das Geld am nötigsten
braucht. Das Interesse der Geschäftswelt ist aber bis zu einem sehr hohen
Grade gleichbedeutend mit den Interessen des gesamten Landes. Denn
nur wenn unsere Betriebe arbeiten können, können sie unsere Arbeiter be-
schäftigen, und wenn Arbeiter beschäftigt werden, finden sich die Millionen
Käufer der ungeheueren Warenmengen, die wir produzieren und von denen
wir im nationalen Interesse trachten müssen, zu möglichst guten preisen
möglichst viel auch im eignen Lande zu verkaufen. Nur dann, wenn die
Industriellen verdienen, können sie den Forderungen der Arbeiter auf Er-
höhung der Löhtte nachgeben, so daß also letzten Endes mit einer vernünftigetr
Politik der Reichsbank und mit einer einsichtigen Haltung der Bevölkerung
der Reichsbank gegenüber das wirtschaftliche Wohl und wehe sämt-
licher Bevölkerungsschichten in einem engen Zusammenhange steht.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
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Vii. Krieg, Geld und Kredit
195
zu bezahlen, so bedeutet diese Summe in Mark ausgedrückt bei einen: Wechsel-
kurs von 20,40 M. 20 400 000 in., bei einen: Wechselkurs von 20,50 M.
aber 20 500 000 M., das heißt, schon bei dieser Kursdifferenz werden die
Warenpreise gleich bei der Einfuhr un: etwa */2% verteuert. Deshalb
bleibt unter Umständen, wenn die Ziffer der Zahlungsbilanz dauernd un-
günstig gegen Deutschland steht, der Reichsbank gar nichts weiter übrig,
als die Ausfuhr von Gold zu bewilligen.
Vorher aber versucht sie meist zum Schutze ihres Goldbestandes auch
noch andere Mittel. So pflegt z. B. die Reichsbank, wenn die Kurse für fremde
Wechsel in Deutschland billig stehen, Wechsel anzukaufen. Ziehen dann die
Kurse an, so verkauft die Reichsbank langsam ihren Bestand. Abgesehen
davon, daß sie an dem gestiegenen Kurse verdient, verhindert sie dadurch
eine allzu schnelle und allzu umfangreiche Steigerung der Devisenkurse.
Das hauptsächlichste Mittel aber, das sie zum Schutz ihres Goldbestandes
in Anwendung bringt, ist die Anziehung der Diskontschraube, wie
wir ja wissen, ist der Diskontsatz der Reichsbank, wenn auch nicht unbedingt,
so doch in einen: ziemlich großen Umfange maßgebend für die Zinssätze,
die im ganzen Lande zur Anwendung gebracht werden, wenn daher zu einen:
gegebenen Zeitpunkte die Deutsche Reichsbank ihren Diskont erhöht, so ver-
schiebt sie zugunsten Deutschlands das Zinsniveau gegenüber andern Ländern,
das heißt, es wird jetzt gewinnbringend, größere Kapitalien von andern
Ländern nach Deutschland zu bringen. Erreicht n:an auch solche Kapital-
übertragungen vielfach nicht, so wird sehr oft doch dadurch mindestens
bewirkt, daß Kapitalisten, die ihr Kapital wegen der ungünstigeren Zins-
verhältnisse zu andern Ländern aus Deutschland abziehen wollten, ihr
Geld weiter in Deutschland belassen. Durch solche Kapitalübertragungen
wird natürlich die Zahlungsbilanz wesentlich beeinflußt. Denn auch die
Kapitalübertragungen geschehen ja wieder in der weise, daß z. B. der
Engländer, der Kapital nach Deutschland übertragen will, entweder in
London deutsche Wechsel kauft oder denjenigen, dem er das Geld in Deutsch-
land borgt, ermächtigt, Wechsel oder Schecks auf ihn zu ziehen und in Deutsch-
land zu verkaufen, werden infolge der Diskonterhöhung Kapitalien nach
Deutschland übertragen, so bedeutet das also wieder in: Effekt eine Ver-
mehrung des Angebots fremdländischen Wechselmaterials an deutschen
Börsen. Dadurch wird dann natürlich der Kurs der fremden Wechsel in
Deutschland gedrückt, auch ohne daß es notwendig ist, Gold auszuführen.
Die Goldausfuhrgefahr ist damit geschwunden.
So prompt wie es hiernach scheinen mag, wirken aber sehr oft die Dis-
kontveränderungen der Reichsbank keineswegs auf die Wechselkurse. Denn sehr
oft erhöhen auch die Notenbanken der andern Länder ihren Diskontsatz, und
in kritischen Zeiten ist es schon vorgekommen, daß keine auch noch so erheb-
liche Erhöhung davor schützen konnte, daß Gold plötzlich — ohne Rücksicht auf
seine durch die Eigenschaft als Münzmetall festgelegte Beziehung zu dem
Geldwesen — einfach auf dem Markte wie jede andere Ware zu Liebhaber-
preisen gekauft wurde. Dann bleibt eben nichts anderes übrig als die Gold-
ausfuhr und sonnt die Schwächung des Goldbestandes der Reichsbank. Dann
\o
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Deutschlands Deutschland Deutschland Deutschland Deutschland London Deutsch- Deutsch- Deutschland Deutschland
Vii. Krieg, Geld und Kredit
*97
Institute sein —, daß selbst die Banken zunächst insofern versagten, als
sie nach Möglichkeit bestrebt waren, Geld einzukassieren, aber auf der
andern Seite die Kredite, wenn auch nicht allgemein zu kündigen, so doch
auf alle Lalle nicht weiter auszudehnen. Noch schlimmer war das bei den
einzelnen Gewerbetreibenden, die zwar auf der einen Seite über die
geringe Kreditwilligkeit der Banken klagten, auf der andern Seite aber
ihren Abnehmern gegenüber durchaus nicht anders verfuhren. Ins-
besondere die in den sogenannten Konventionen (Bereinigungen zum
Zwecke der gemeinsamen Festsetzung von Lieferungsbedingungen und
Breisgrenzen) organisierten Fabrikanten verlangten vielfach, daß nicht nur
diejenigen, die mit ihnen Bertrage auf Abnahme von waren geschlossen hatten,
diese waren selbst auf die Gefahr hin, sie ihrerseits nicht wieder absetzen zu
können, abnehmen sollten, sondern sie verlangten für Nachbestellungen
und Neulieferungen bare Zahlung.
In dieser kritischen Situation, die tatsächlich die größten Gefahren in
sich barg, fiel die schwerste und wichtigste Aufgabe den Behörden zu. Schon
gleich nach Kriegsbeginn hatte die Neichsbank den Banken mitgeteilt, daß
sie ihrerseits gern bereit sei, die Privatbanken soweit wie möglich zu unter-
stützen, daß sie aber dafür von den Banken auch verlangen müsse, daß diese
ihre pflichten gegenüber der Kundschaft und damit der Allgemeinheit in
vollem Umfang erfüllten. Unter diesem Zwange wurden die Banken schließ-
lich wieder zu einer anerkennenswerten Stütze des Wirtschaftslebens.
Aber unter den einzelnen Gewerbetreibenden gab es doch noch immer
eine Fülle von Leuten, die entweder zu eigensüchtig oder zu wenig unter-
richtet über die Zusammenhänge wirtschaftlicher Dinge waren, als daß sie
von den zu Beginn des Krieges proklamierten Grundsätzen hätten abgehen
wollen. Eine Reihe von Handelskammern und industriellen Korporationen,
unter andern auch der aus der Bereinigung sämtlicher Handelskammern
bestehende Deutsche Lsandelstag, hatten frühzeitig versucht, durch Aufrufe
die Fabrikanten zu belehren, und zweifellos auch gewisse Erfolge zu ver-
zeichnen. Aber die allgemeinen Zustände waren gegen Ende des August doch
noch so wenig gebessert, daß unter dem 22. August der Minister
für Bändel und Gewerbe an die Handelsvertretungen einen Erlaß
richtete, in dem er ersuchte, die Gewerbetreibenden darauf aufmerksam zu
machen, daß sie bei Aufrechterhaltung ihrer rigorosen Bedingungen für
die Abnehmer Gefahr liefen, ihrerseits selbst von den Banken oder durch
die Reichsbank mit Kreditentziehung bestraft zu werden. In diesem Er-
laß heißt es unter anderm: „Die Forderung nach Barzahlung im Ver-
kehr zwischen Kaufleuten kann unter Umständen durch den Zwang der Ver-
hältnisse gerechtfertigt sein, sie kann aber nicht plötzlich zum allgemeinen
geschäftlichen Grundsatz erhoben werden, wenn nicht das gesamte Wirt-
schaftsleben gefährdet werden soll."
2. Band in Band mit dieser Sorge um die Verhinderung einer zu eng-
herzigen Kreditbemessung ging die staatliche Aktion zur Verhütung von
hartherziger Einziehung bereits eingegangener Kreditverpflichtungen.
Abgesehen von einer Reihe von gesetzgeberischen Maßnahmen, die es den
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198
Georg Bernhard
Gerichten gestattete, Zahlungsaufschübe zu gewähren, wurde vom
Bundesrat unter dem 6. August eine Bekanntmachung über die Ver-
längerung der Fristen aus dem Wechsel- und Scheckrecht erlassen,
durch die es den Wechselgläubigern ermöglicht wurde, den Bezogenen von
wechseln und Schecks eine Nachfrist von 30 Tagen zu gewähren, ohne daß
sie der ihnen durch das Wechselrecht eingeräumten Vorteile verlustig gingen.
Nun zeigte sich aber bald eine andere Schattenseite. Gerade dadurch, daß
vielfach sowohl durch die Gesetzgebung als auch in den Zeitungen den
Fabrikanten die Verpflichtung zur Kreditgewährung und den Gläubigern
die Pflicht zu notwendigen Stundungen gepredigt worden war, machten
sich bei manchen Schuldnern ganz sonderbare Zdeen über die Pflicht
zur Zahlung von Schulden in Kriegszeiten geltend. Selbst
solche Leute, die durchaus ihren Verpflichtungen nachkommen konnten,
hielten es für angebracht, ihre Schulden nicht zu bezahlen, um statt dessen
lieber mit ihrem vorhandenen Geld im Einblick auf etwa später sich heraus-
stellende Notstände hauszuhalten. Zwar hatten von vornherein die handels-
korporationen, die auf die Notwendigkeit der Kreditgewährung hinwiesen,
auch gleichzeitig die Kaufleute darauf aufmerksam gemacht, daß es selbst-
verständlich Ehrenpflicht dessen, der zahlen könne, sei, auch wirklich zu zahlen.
Aber man fand es doch bequemer, auch ohne staatliches Moratorium sich
eine Art von Privatmoratorium zu verschaffen. Es war deshalb nicht
ungerechtfertigt, daß am 28. Oktober der Minister für Handel und
Gewerbe wiederum die Hilfe der Handelsvertretungen, aber nunmehr
nach der andern Seite, gegenüber den Schuldnern, in Anspruch nahm. Zn
seinem Erlaß teilte der Minister mit, daß verschiedene an ihn gelangte Ein-
gaben und mancherlei sonstige zu seiner Kenntnis gelangte Tatsachen er-
kennen lassen, „daß sich nicht alle Schuldner genügend darüber klar sind, daß
sie durch Säumnis in der Erfüllung ihrer Pflichten nicht nur einzelne Personen,
sondern durch die Hemmungen, die auf diese weise dem Wirtschaftsleben
entstehen, auch das Gemeinwohl schädigen". Zm übrigen handelte es sich
bei jenen Schuldnern, die auf diese weise zu Schuldigen wurden, durch-
aus nicht etwa nur um kleine Gewerbetreibende, die ihre Existenz auf dem
Spiele sahen, sondern vielfach um recht große Firmen, die natürlich in
dieser kritischen Situation wie alle Welt im Lande unter dem Mangel von
Bargeld litten, die auf der andern Seite aber jederzeit durch Kreditinan-
spruchnahme die Mittel sich beschaffen konnten, um ihre Lieferanten zu
bezahlen, hauptsächlich waren es solche Firmen, die nach oft jahrzehnte-
langer Tradition nicht gewöhnt waren, mindestens nicht in der Form von
Wechselakzepten, Kredite in Anspruch zu nehmen, und die nun nicht ge-
nügende wirtschaftliche Einsicht besaßen, um zu erkennen, daß in einer so
anomalen Zeit eine jahrzehntelang hochgehaltene Tradition gering wog ge-
genüber der Verpflichtung, die ihnen gegenüber der Allgemeinheit zustand.
3. Allmählich ivar es durch die Tätigkeit der Behörde77, der Reichsbank,
der Handelsvertretungen und einzelner einsichtiger Kaufleute i7n Lande
gelungen, die Wirtschaftstreibenden an de7r Gedanken zu gewöhnen, daß
es sich auch unter dem Kriegszustände in wirtschaftlicher Beziehung leben
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