20 Kolonisation Ostdeutschlands und Vorgeschichte Brandenburg-Preußens.
(1—4 Schilling für die Hufe). Die Kirche erhielt den Zehnten von allen
Erträgnissen der Wirtschaft. An Diensten hatten die Bauern nur zu leisten,
was sich auf die Landesverteidigung und die Gemeindeangelegenheiten bezog
(Ausrüstung eines Kriegswagens, Vorspanndienste, Instandhaltung der Wege,
Brücken re.).
ö. Auch in rechtlicher Beziehung waren die bäuerlichen Ansiedler
unvergleichlich besser gestellt als ihre Standesgenossen in den Gegenden alter
Siedlung des Mutterlandes. Die Bauern eines Dorfes — nicht die kleinen
Leute, Einlieger, Kossäten rc. — bildeten eine freie Gemeinschaft, die
keinerlei grundherrlichem Hofrechte unterworfen war, die sich selbst unter
Leitung des Schulzen Recht sprach und ihre kommunalen Angelegenheiten völlig
selbständig ordnete: ohne Zustimmung der Gemeindeversammlung konnten Ab-
gaben und Dienstleistungen nicht geändert werden.
d. In ähnlicher Weise wie die Anlage von Dörfern vollzogen
sich städtische Neugründungen.
a. Während anfänglich wahrscheinlich nur drei Städte in der Mark
Brandenburg vorhanden waren, schossen unter der Herrschaft der Askanier
hunderte von Städten und Städtchen gleichsam aus dem Erdboden auf; selbst
adlige Herren, z. B. die von Putlitz und Friesack, beteiligten sich an solchen
Stadtgründungen. Wie bei der Entstehung der dörflichen Ansiedlung über-
nahm auch hier ein Lokator oder eine Gesellschaft von Lokatoren das Risiko
der Gründung. Der Unternehmer erhielt mehrere Freihufen, einen Anteil an
den Gerichtsgeldern, an der Haussteuer, den Einnahmen aus Gewerbe und
Handel und wurde mit der Stadtvogtei belehnt. Die sich ansiedelnden Bürger
bauten ihre Häuser möglichst eng aneinander um einen Marktplatz herum und
umgaben die ganze Anlage mit einem schützenden Mauerringe. Vom Markt-
platze gingen die engen, aber gradlinigen Straßen in typisch regelmäßiger
Anordnung aus. An jede Hausstelle schloß sich ein enger Wirtschaftshof an,
mit Raum für Ställe und Dungstätte, denn all diese neuen Stadtgründungen
waren zunächst Landstädte und ihre Bewohner Ackerbürger, die dem Stadt-
herrn für ihren Besitz die Haussteuer zahlten, wie die Bauern den Grundzins.
ß. „Die neue Gemeinde, »Bürger und Bauern«, wie sie sich wohl nach
ihrem unterschiedenen Nahrungsstand bezeichneten, brauchte für die Fülle von
städtischen Geschäften, die außer dem Bereich des Vogtes lagen, für die Polizei,
das Armenwesen, den Marktverkehr, das Gemeindegut rc. Personen, die nicht
so wie die Schöffen *) schon anderweitig beschäftigt waren. Wohl wieder landes-
herrliche Ernennung mit dem Beirat angesehener Bürger bestellte die Rat-
mannen. . . . Es waren die wohlhabenderen, geschäftskundigeren Bürger,
welche die Leitung der städtischen Interessen übernahmen, oft solche, die aus
den schon bedeutenden Städten nah und fern herbeigezogen waren und die
Erfahrung dessen hatten, worauf es ankam.
y. Allerlei Privilegien, Mühl- und Baugerechtigkeit, die Bannmeile,
innerhalb deren sich kein Handwerker niederlaffen, kein Bier außer dem städtischen
verschenkt werden durfte, gaben dem städtischen Gewerbe und Verkehr weiteren
Aufschwung; es begannen sich Innungen zu bilden; einzelne Bürger kauften
Grundstücke, Pächte, Gerechtigkeiten von den Vasallen umher, die Stadt selbst
0 Die Schöffen hatten in dem vom Stadtvogte gehegten Gerichte das Urteil
zu finden.
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Friedrich der Große.
153
der Beamten eine Anwartschaft auf die Stelle ihrer Väter haben sollten,
Anlaß zu kastenmäßigem Abschluß der Beamtenschaft von den übrigen Schichten
der Bevölkerung, und so sehr das autokratische Regiment Friedrichs einerseits
dem Staate zum Segen gereichte, so verhängnisvoll erwiesen sich später seine
Nachwirkungen auf den Geist des preußischen Beamtentums, das unter dem
strengen Regimente des großen Königs wohl gelernt hatte, dessen Befehle in
blindem Gehorsam auszuführen, gleichzeitig aber auch der Fähigkeit selbständigen
Entschlusses entwöhnt worden war.
4. Durch ein hochgespanntes und genau geordnetes Steuer-
system erhielt Friedrich die Finanzlage seines Staates trotz der unverhältnis-
mäßig großen Aufwendungen für den Unterhalt des Heeres und das
„Retablissement" des in den verwüstenden Kriegen ruinierten Landes auf
der Höhe.
a. Die Kontribution blieb unveränderlich bestehen, die indirekten Steuern
dagegen wurden neu geordnet und unter möglichster Schonung der ärmeren
Klassen weiter ausgebaut (Tabaksregie, Kaffeezoll).
b. Um möglichst hohe Erträge zu erzielen, verpachtete Friedrich die
gesamten indirekten Steuern eine Zeitlang an eine französische Gesell-
schaft und übertrug später die obersten Verwaltungsstellen der Akzise an
französische Beamte, die er für diesen Dienst besonders befähigt wähnte.
6. Von den Erträgen der Akzise wurde eine bestimmte Summe (Fixation)
der Kriegs- und Domänenkaffe überwiesen, während der Überschuß in die
sogenannte Dispositionskasse floß (jährlich etwa zwei Millionen Taler), aus
welcher der König die Kosten für das „Retablissement" des Landes bestritt.
(Besserung der Bodenkultur, Flußregulierungen, Belebung des Handels, Unter-
stützung hilfsbedürftiger Gemeinden und Privatleute. — Für den Unterhalt
des Hofes verwendete Friedrich einschließlich sämtlicher Apanagen nur etwa
V4 Million Taler.)
5. Dem Heerwesen wandte der König auch nach Beendigung der
Kriege die eifrigste Fürsorge zu, so daß Preußen unter Friedrichs Regiment
den Ruf der ersten Militärmacht Europas behauptete.
(Abschaffung der Kompaniewirtschaft und Aufbesserung des Gehaltes der
Hauptleute; Aufgeben des Rantonsystems und teilweise Rückkehr zur Rekrutierung
durch Werbung im Auslande; Beurlaubung der Soldaten zur Tätigkeit im Erwerbs-
leben — Freiwächter —; Erhaltung der Kriegstüchtigkeit durch Manöver; Einrichtung der
Generalinspektionen; Reservierung der Dffiziersstellen für den Adel.)
6. Da Friedrich der Große die höchste Aufgabe eines Fürsten darin
erblickte, die Untertanen in jeder, vor allem aber in materieller Beziehung
zu beglücken, und da ihm die Macht eines Staates am besten gesichert erschien,
wenn sie sich auf der Grundlage einer gesteigerten Kultur aufbaue, konzentrierte
er seine Regierungstätigkeit besonders auf die Durchführung einer wohl-
durchdachten Wirtschaftspolitik.
a. Seinen außerordentlichen Bemühungen um die „Peuplierung" und
die Kolonisation des teilweise arg verwüsteten Landes gelang es,
die Bevölkerungsziffer seiner Provinzen ganz erheblich zu erhöhen.
An Seelenzahl nahmen Preußens alte Provinzen unter Friedrichs Herrschaft
mehr zu als unter der des Großen Kurfürsten und Friedrich Wilhelms I. zusammen.
— Heranziehung fremder Kolonisten, Verbot des Abwanderns der Handwerksgesellen,
Ansiedlung entlaffener Soldaten.
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrichs Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrichs Friedrichs Friedrich Friedrichs Friedrichs Friedrich Wilhelms_I.
Brandenburg unter dem Großen Kurfürsten.
83
des Kurfürsten; er ernannte die Offiziere (auch die subalternen, die bisher von
den Obersten der Regimenter ernannt worden waren), und in seinem Namen
übten richterliche Beamte (Auditeure) die militärische Gerichtsbarkeit aus. Die
Verpflegung und Ausrüstung des Heeres wurde ebenfalls neu geordnet; an
die Stelle der alten Vielgestaltigkeit der Bekleidung trat die Uniformierung der
verschiedenen Waffengattungen. Die Soldzahlung wurde zum Teil in Natural-
verpflegung umgewandelt. Für die Verpflegung der Truppen wurden in den
einzelnen Kreisen fürstliche Jntendanturbeamte, Kriegskommissare, eingesetzt.
e. So wurde das Heer ein gefügiges Werkzeug in der Hand des
Kurfürsten, der sich desselben bediente, um das Ansehen seines Staates nach
außen hin durch glänzende Waffentaten zu begründen und im Innern den
Widerstand der ständischen Gewalten zu brechen.
3. Die ständischen Vertreter egoistischer Sonderinteressen zwang der
Große Kurfürst durch Neuordnung des Finanzwesens und gewaltsame
Unterdrückung der dauernd widerspenstigen Elemente zur Unterordnung unter
seine, die Staatseinheit repräsentierende fürstliche Autorität.
a. Da sich der dem Gedanken des Einheitsstaates widerstrebende
Einfluß der Land stände auf die Beherrschung der staatlichen Finanzen
durch die Stände gründete, mußte der Kampf zwischen dem aufstrebenden
fürstlichen Absolutismus und der ständischen Verfassung hauptsächlich auf
finanziellem Gebiete ausgefochten werden. In Brandenburg war die landes-
herrliche Gewalt des Fürsten durch die Einrichtung des ständischen Kredit-
wertes (vgl. § 6, Iii) fast zu völliger Ohnmacht verdammt worden. Die Schulden
des Landes waren unter der Verwaltung der Stände bis auf mehrere Millionen
angewachsen, und die Stände selbst waren größtenteils die Gläubiger. Da
führte der Kurfürst eine fürstliche Kontrolle über das Kreditwerk ein, und
so gelang es, die Schulden bis auf einen Rest, den der Staat übernahm, ab-
zuzahlen und somit die Landesgewalt aus der ständischen Umklammerung zu
befreien.
Hand in Hand damit ging eine Neuregelung des Finanzwesens.
Die außerordentlich drückende Grund- und Kopfsteuer (Kontribution) sollte nach
dem Vorschläge des Kurfürsten zum Teil durch eine indirekte Steuer (Akzise)
ersetzt werden. Da aber eine indirekte Steuer den Laudesherrn vom Steuer-
bewilligungsrechte der Stände unabhängig machte, leistete der Adel den heftigsten
Widerstand. Die Städte ließen sich dagegen von den Vorteilen der neuen
Besteuerung überzeugen und führten an Stelle der Kontribution die Akzise
ein. Der Kurfürst war trotz aller Energie nicht imstande, den Widerstand
des Adels zu beseitigen, und so blieb denn auf dem Lande die Kontribution,
von der der Adel natürlich frei war. bestehen. Jedoch an der Verwaltung
der Kontribution, die bisher ausschließlich in den Händen der Stände gelegen
hatte (Kreiskommissare), nahm nun auch der Staat teil, indem er den Kreis-
kommiffaren die breits erwähnten fürstlichen Kriegskommiffare zur Seite stellte?)
d. Als sich in Preußen der Widerstand der Stände bis zu offener
Auflehnung und hochverräterischer Verbindung mit dem Könige von
Polen steigerte, zwang der Kurfürst (1663) die hartnäckigen Gegner mit Ge-
walt zur Unterwerfung.
*) Genaueres über die Reform der Steuern durch den Großen Kurfürsten bei
Ranke a. a. O. I. Bd.
6*
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Preußen unter dem Drucke der Fremdherrschaft.
243
auf den Schlachtfeldern der großen Kriegsjahre errang sein Volk sich nicht
bloß Ruhm, sondern mehr: zuchtvolle, auf Rechte und Pflichten hin gleich
abgewogene Freiheit." (Lamprecht.)ft
§ 21. Preußen unter dem Drucke der Fremdherrschaft- die ersten, noch
vergeblichen versuche einer Erhebung des deutschen Volkes und der
Höhepunkt der Napoleonischen Weltmacht.
I. Preußen unter dem Drucke der Fremdherrschaft.
Infolge der gänzlichen finanziellen Erschöpfung und des
Widerstandes, dem die Fortführung der Reformgesetzgebung be-
gegnete, geriet der preußische Staat nach dem Frieden von Tilsit
in eine schwere innere Krisis.
1. Die ungeheuren Verluste des unglücklichen Krieges und die schonungs-
losen Erpressungen des gewalttätigen Siegers stürzten den preußischen Staat
in einen vollständigen finanziellen Ruin.
Der Krieg hatte Preußen die schwersten materiellen Opfer auferlegt;
es hatte seine Armee verloren, der rücksichtslose Kaufmannsneid der Engländer
hatte den preußischen Seehandel zerstört, die Staatskassen waren zum großen
Teil in die Hände der Feinde geraten, und mehr als ein Drittel der Staats-
einnahmen war durch die Landabtretungen verloren gegangen; der Staatskredit
lag infolgedessen so danieder, daß eine Anleihe von einer Million Taler in
drei Jahren noch nicht vergriffen war. Der Bevölkerung mußten so hohe
Steuern auferlegt werden, daß in vielen Haushalten bettelhaftes Elend herrschte
und selbst der Mittelstand die Preise für die gewohnten Genußmittel nicht
mehr erschwingen konnte.
2. Da der Leichtsinn der preußischen Unterhändler es beim Abschlüsse
des Friedens versäumt hatte (s. § 19, Iii), die Höhe der zu zahlenden
Kriegsentschädigung sestzusetzen, sah sich der wehrlose Staat noch auf Jahre
hinaus der Willkür des Siegers ausgeliefert.
a. Bis zur Abtragung der Kriegskosten blieb ein französisches
Heer von mehr als 160 000 Mann in dem okkupierten Preußen stehen, und
die französische Generalintendantur (Daru) hauste auch nach dem Abschluß des
Friedens wie in Feindesland. „Die Lasten und Ansprüche steigerten sich mit
jeder Stunde, und es ward immer offenbarer, daß es im Plane des erbarmungs-
losen Siegers lag, dem überwundenen Staate alle selbständige Lebenskraft zu
entziehen und jede Hoffnung frischen Aufatmens zu zerstören." Die Ab-
machungen des Friedens wurden nicht beachtet; die Schenkungen, die Napoleon
aus preußischem Staatsgut seinen Marschällen überwiesen hatte, blieben bestehen,
obwohl sie der Friedensschluß nicht anerkannt hatte; Neuschlesien, das nach
den Bestimmungen des Friedens nicht annektiert worden war, mußte noch
nachträglich an das Herzogtum Warschau abgetreten werden, ebenso ein Gebiet
im Umkreise von zwei Meilen um Danzig.
Um die endliche Befreiung des Landes von den französischen Besatzungs-
truppen zu erlangen, trat Friedrich Wilhelm Iii. mit Napoleon über die Höhe * 2
x) Genaueres über die Reformen in Preußen bei Häusser a. a. O. Iii. Bd.:
Treitschke a. a. O. I. Bd.; Lamprecht a. a. O. Ix. Bd.
2) Ein keineswegs reicher Kaufmann in Stettin mußte binnen einem Jahre
für Einquartierung und Kontribution mehr als 15000 Taler zahlen.
16*
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Extrahierte Personennamen: Lamprecht Napoleon Friedrich_Wilhelm_Iii Friedrich Wilhelm Napoleon Lamprecht
244 Vom Tode Friedrichs des Großen bis zum Ende der Freiheitskriege.
der noch zu zahlenden Kriegsentschädigung in Unterhandlung. Daru, der
anfänglich 33 Millionen Franken fordern wollte, wurde von Napoleon angewiesen,
das Dreifache zu verlangen, und so wurde nach langen Unterhandlungen der
Betrag der Kriegskosten auf 154 Millionen Franken berechnet. Obgleich hier-
von, wie Napoleon selbst zugegeben hatte, die bereits bezahlten Summen und
der Betrag für die geschehenen Lieferungen abgezogen werden sollten, wonach
noch eine Restschuld von 19 Millionen Franken übriggeblieben wäre, ver-
langte Daru jetzt dennoch die volle Summe. Diese aufzubringen war aber
dem erschöpften Staate um so weniger möglich, als der Feind die Staatseinkünfte
größtenteils mit Beschlag belegt hatte. Absichtlich behielt Napoleon das Gebiet
des preußischen Staates besetzt, um sich des verhaßten Gegners versichert zu halten.
Anmerkung. Während der beiden Jahre der Okkupation wurden auf diese Weise dem
verarmten Lande 1129 Millionen an Lieferungen, Kontribution und Verpflegung abgepreßt.
Vergebens sandte der König seinen Bruder, den Prinzen Wilhelm, nach Paris, der
sich mit seiner Gemahlin dem Kaiser als Geisel anbot. Napoleon setzte seine schamlosen
Beraubungen fort, er konfiszierte auch das im Herzogtum Warschau angelegte Kapital
der preußischen Kreditanstalten und die dort ausstehenden Schuldforderungen preußischer
Privatleute und verringerte durch diese „unerhörte Gaunerei" das Nationalvermögen
abermals um den Betrag von 30 Millionen Taler.
b. Die dauernde Okkupation des größten Teiles Preußens vereitelte
nicht bloß die Teilnahme an der in Österreich beginnenden Erhebung gegen
den unerträglichen Druck der französischen Gewaltherrschaft, sondern nötigte den
hilflosen Staat, sich neuen Demütigungen zu unterwerfen.
a. Die Schwierigkeiten, die der unersättlichen Eroberungspolitik Napoleons
durch den unerwarteten Widerstand der Spanier bereitet wurden, ermutigten
Österreich zur entschlossenen Vorbereitung eines Befreiungskrieges; die Männer
der Reformpartei in Preußen vertraten mit leidenschaftlichem Eifer den
Gedanken eines Anschlusses an Österreich, in Teplitz versammelte sich ein
Kreis norddeutscher und österreichischer Patrioten, der eine emsige Tätigkeit zur
Förderung einer allgemeinen Erhebung Deutschlands entfaltete. Friedrich
Wilhelm Iii. stand mit seinem Herzen ganz und gar auf der Seite dieser
Freiheitsfreunde und befahl dem Grafen Goetzen die geheime Wiederaufnahme
der Verhandlungen mit Österreich, die zunächst den Erfolg hatten, daß die
entzweiten Mächte wieder in ein besseres Einvernehmen gerieten; zu irgend-
welchen positiven Anschauungen vermochte sich die zaudernde Vorsicht des
Königs trotz des Drängens seiner Ratgeber freilich noch nicht zu entschließen,
und die weitere Entwicklung der allgemeinen politischen Lage sollte die bedacht-
same Zurückhaltung Friedrich Wilhelms sehr bald rechtfertigen (vgl. unter Ii).
ß. Ein unvorsichtiger Brief Steins an den Fürsten Wittgenstein, worin
der Freiherr den Fürsten ausforderte, die Gärung in Norddeutschland zu
fördern, war in Napoleons Hände geraten. Infolgedessen verlangte der Kaiser
mit drohenden Worten die sofortige Entlassung Steins und zwang Preußen
zur Annahme des Vertrages von Paris (8. September 1808). Der
Vertrag setzte die Höhe der preußischen Kriegsschulden auf 140 Millionen Franken
fest und verpflichtete Preußen, sein Heer auf den Bestand von 42 000 Mann
einzuschränken. Zwar sollte der König seine Staatseinkünfte zurückerhalten,
mußte aber dem Gegner die Oderfestungen ausliefern. Da die baldige Ab-
tragung der Kriegsschuld ganz ausgeschlossen war, blieben die französischen
Truppen weiter auf unbestimmte Zeit im Besitz der festen Plätze; Napoleon
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrichs Daru Napoleon Napoleon Daru Napoleon Wilhelm Napoleon Napoleons Friedrich
Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelms Friedrich Wilhelms Napoleons
Extrahierte Ortsnamen: Paris Warschau Napoleons Teplitz Deutschlands Wittgenstein Norddeutschland Napoleons Paris
176 Vom Tode Friedrichs des Großen bis zum Ende der Freiheitskriege.
6. Die ärgste Mißwirtschaft herrschte auf dem Gebiete des Steuerwesens.
War schon die Höhe der Steuern für die große Masse der wirtschaftlich schwachen
bäuerlichen Bevölkerung derart unerschwinglich, daß das ganze Steuerwesen als
ein raffiniertes Erpressungssystem bezeichnet werden muß/) so lief die Art der
Steuererhebung geradezu darauf hinaus, allen Wohlstand zu vernichten. Die
indirekten Steuern waren an Finanzgesellschaften verpachtet, die bei der Er-
hebung der Abgaben sich ungestraft die ärgsten Erpressungen erlaubten. Die
direkten Steuern wurden für die einzelnen Provinzen quotisiert und innerhalb
derselben ganz willkürlich auf die einzelnen Gemeinden verteilt. Mit der Ein-
ziehung der Steuern wurden die wohlhabendsten Mitglieder der Gemeinden
beauftragt; sie hafteten mit ihrem Vermögen für den Eingang der vollen
Summe, und so wurden nach und nach fast alle besser Situierten an den
Bettelstab gebracht.
d. Verwaltung und Gerichtsbarkeit waren ungetrennt. In jeder
Provinz gab es einen königlichen Beamten, den Intendanten, der ganz will-
kürlich in die Verwaltung und Rechtsprechung einzugreifen befugt war und
z. B. Prozesse jederzeit den zuständigen Gerichtshöfen (Parlamenten) entziehen
und seiner eigenen Entscheidung unterwerfen durfte.
6. Von einer staatlichen Wohlfahrtspflege war kaum die Rede. Das
Unterrichtswesen lag gänzlich in den Händen der Jesuiten, die Armenpflege
blieb der Kirche überlassen. Wege- und Brückenbauten wurden auf Kosten des
Landvolkes ausgeführt.
f. Die Beschaffenheit des Heeres war eine derartige, daß die
Armee in der Revolutionszeit der Monarchie keinen Schutz zu bieten vermochte.
Zwischen den adligen Offizieren und den gemeinen Soldaten bestand
keinerlei Vertrauensverhältnis. Die Offiziere entzogen den Mannschaften Sold
und Verpflegung, um sich zu bereichern/) blickten mit unendlicher Verachtung
auf die stets zu Aufruhr geneigte „Canaille" herab und waren ihren Unter-
gebenen meist tödlich verhaßt.
3. Gegenüber diesen Zuständen jämmerlichster Mißwirtschaft mußten die
meist radikalen Ideen der aufklärerischen Philosophen und Schrift-
steller, welche gegen die staatlichen und kirchlichen Einrichtungen auf das
lebhafteste opponierten, von ungeheurer Wirkung sein. Wenn auch bei der
Strenge der Zensur von einem Einfluß dieser geistigen Bewegung auf die
Massen zunächst noch nicht die Rede sein konnte, so wurde doch die Theorie
der Révolution fast zum Gemeingut der Gebildeten. Die privilegierten Stände,
die abwechselnd mit der Krone verbündet waren und mit ihr in Widerspruch
standen, gefielen sich in der eifrigsten Beschäftigung mit den Lehren eines
Voltaire, Montesquieu, Rousseau, Diderot und der Enzyklopädisten.
Ii. Die Veranlassung zum Beginn der Revolution
wurde durch die Finanznot des Staates gegeben, welche die Re-
gierung nötigte, die Mitarbeit der Vertreter der Nation zur
Beseitigung des Staatsbankrotts in Anspruch zu nehmen. * 2
1) Die Salzsteuer verpflichtete jede über 7 Jahre alte Person, bei hohen Geld-
strafen, jährlich 7 Pfund Salz zu kaufen, das aber nicht zum Einsalzen verwendet
werden durfte, sondern verzehrt werden mußte.
2) Von den 90 Millionen des Heeresetats flössen 46 in die Taschen der Offiziere.
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Übersicht über die Geschichte der französischen Revolution. 177
1. Durch den ungeheuren Aufwand des Hofes (jährlich 60 Millionen)
und die Beteiligung des Staates an nutzlosen, aber um so kostspieligeren
Kriegen war die Schuldenlast Frankreichs derartig gestiegen, daß
sich die Aufnahme weiterer Anleihen zu mäßigem Zinsfüße als unmöglich
erwies. Hierzu kam, daß die Einnahmen des Staates infolge der unsinnigen
Wirtschaftspolitik fortwährend verringert worden waren. Daher hatte sich die
Finanzlage Frankreichs allmählich so verschlechtert, daß ein jährliches Defizit
von über 150 Millionen entstand.
2. Die vergeblichen Versuche einer Finanzreform, die sämtlich
an der Schwäche der Regierung dem Widerstande der privilegierten Klassen
gegenüber scheiterten, zwangen den König schließlich dazu, das Volk zur politischen
Mitarbeit aufzurusen.
а. Der kluge und energische Finanzminister Turgot wollte der Finanznot
durch eine allgemeine Reform des ganzen Staatswesens entgegenwirken. (Keine
neuen Anleihen, keine Steuererhöhung, sondern Hebung des wirtschaftlichen
Lebens und Belebung des Gemeinsinns der Staatsbürger durch Abstellung
der wirtschaftlichen und sozialen Übelstände und Heranziehung der Untertanen
zu politischer Tätigkeit.) Allein schon 1776 wurde Turgot durch den Haß
der privilegierten Stände und den Einfluß der Königin Marie Antoinette
gestürzt, und sein Reformwerk geriet ins Stocken oder wurde sogar wieder
rückgängig gemacht.
I). Turgots Nachfolger, der aus Genf gebürtige Pariser Bankier
Necker, verschaffte dem Staate durch seinen persönlichen Einfluß neuen
Kredit und vermehrte die Schulden um über 500 Millionen. Durch seinen
berühmten „Rechenschaftsbericht" (1781), dessen unwahre Schönfärberei die
Aufnahme neuer Anleihen ermöglichte, zog er sich ebenfalls den bittersten Haß
der Hofkreise zu, der auch diesen Finanzminister zu Falle brachte. Auf die
öffentliche Meinung aber hatte die erstmalige Enthüllung des Etats einen un-
geheuren Einfluß ausgeübt. „Die Meinung griff immer mehr um sich, daß
das Land einem förmlichen Raubsystem preisgegeben sei."
б. Der leichtsinnige, frivole Calonne, einer der Nachfolger Neckers,
wußte mit den Künsten eines wahrhaft genialen Bankrotteurs die Schuldenlast
des Staates um weitere 800 Millionen zu vermehren, indem er durch ge-
steigerten Luxus den Schein einer glänzenden Finanzlage vortäuschte. Als
aber die völlige Zerrüttung der Finanzen auch durch Calonnes betrügerische
Manöver nicht länger zu verbergen war, sollte eine Notabelnversammlung (1787)
die Aufhebung der Steuervorrechte des Adels und Klerus beschließen, und als
die Notabeln die Annahme der Projekte Calonnes ablehnten, mußte der Finanz-
minister, von dem Haß aller Stände verfolgt, seinen Abschied einreichen.
d. Nachdem auch der Erzbischof von Toulouse als Finanzminister die
verzweifelte Lage des Staates nicht zu bessern vermocht hatte, folgte der König
der Stimme der öffentlichen Meinung und berief gegen seinen Willen Necker
zum zweitenmal in die Stellung eines leitenden Ministers (1789).
e. Inzwischen war die Frage der Finanzreform längst zu einer An-
gelegenheit von größter politischer Bedeutung geworden; schon am 1. Mai
1789 war die Einberufung der Reichsstände angekündigt worden, deren Mit-
wirkung die ratlose Regierung nicht mehr entbehren zu können glaubte. Hatte
aber die Autorität des Königs schon lange vorher infolge der nachgiebigen
Schwäche Ludwigs Xvi. in dem Streite zwischen der Krone und dem Pariser
Jahn, Zur deutschen Geschichte. Ii. Teil. 12
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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198 Vom Tode Friedrichs des Großen bis zum Ende der Freiheitskriege.
den überrheinischen Ämtern Verhandlungen gepflogen würden über Getreide, das man
den Franzosen gegen Assignaten liefern wolle, und ob es mit Genehmigung der Re-
gierung geschehe, daß man dem Reichsfeind Früchte und Vieh schaffe, ja sogar in Mann-
heim selbst Lieferungsverträge zugunsten der feindlichen Armee abschließe". (Hausier.)
3. Als im Jahre 1796 die französischen Heere in Süddeutschland ein-
drangen, beeilten sich die Reichsstände, durch größere Opfer als die, welche sie
dem Vaterlande verweigert hatten, vom Feinde den Frieden zu erkaufen.
Während der Führer des kaiserlichen Heeres, Erzherzog Karl, mit „kalt-
blütiger Ruhe und Besounenheit seine Maßregeln traf, die Süddeutschland in
kurzer Zeit von der feindlichen Invasion befreiten, desertierten die schwäbischen
Reichstruppen von dem österreichischen Heere, und ihr General erklärte, daß
das schwäbische Kontingent an den kriegerischen Bewegungen keinen Anteil
mehr nehmen könne, da der Kreis mit den Franzosen unterhandle; ebenso
hatte der Herzog von Württemberg seine Truppen zurückgezogen, und das
kursächsische Korps folgte diesem Beispiel. Die Franzosen lehrten jetzt die
Deutschen, wieviel man diesen kleinen Gebieten zumuten konnte; dieselben,
die sich zum größten Teil oft und lange gesträubt, ihr Kontingent und ihre
Römermonate zu stellen, gaben jetzt dem Reichsfeinde das Zehn- und Zwanzig-
fache von dem, was sie dem Reiche zu ihrem eigenen Schutze verweigert hatten".
(Hausier.)
Anmerkung. Baden lieferte den Franzosen allein 2 Millionen Livres, 1000
Pferde, 500 Zentner Getreide, 12000 Sack Hafer, 5000 Zentner Heu und 25 000 Paar
Schuhe; der übrige schwäbische Kreis erkaufte den Frieden für 12 Millionen Livres,
8000 Pferde, 5000 Ochsen, 150000 Zentner Brotgetreide, 100 000 Sack Hafer,
150000 Zentner Heu und 100000 Paar Schuhe. Baden und Württemberg gingen über
diese Neutralitätsverträge noch hinaus, sie schlossen mit Frankreich Frieden unter dem
Versprechen, in Zukunft keiner der Republik verfeindeten Macht Hilfe zu leisten (auch
dem Reiche nicht) und die Abtretung des linken Rheinufers anzuerkennen; dafür er-
hielten sie aus den zu säkularisierenden Kirchengütern verschiedene Gebietserweiterungen
zugesichert.
„So schritt die Auflösung des Reichsverbandes rasch vor. Indem
Württemberg und Baden Verpflichtungen eingingen, zu denen sie als Reichs-
stände nimmer berechtigt waren, erreichte die französische Politik ihren Zweck;
sie trennte, wie früher Preußen, so jetzt auch den deutschen Südwesten vom
Kaiser, erzwang Separatverträge und isolierte Österreich, bis es auch seiner-
seits mit der Republik Frieden auf Deutschlands Kosten schloß." (Häusser.)
4. Auf dem Rastatter Kongreß boten die Vertreter des Deutschen
Reiches ein so jammervolles Bild nationaler Selbstentäußerung, daß es den
Franzosen leicht wurde, sich als die Herren des ehemals so mächtigen Deutschen
Reiches aufzuspielen.
a. Zur Neuregelung der durch die Abtretung des linken Rheinufers
veränderten Besitzverhältnisse des Reichsgebietes war 1798 der Rastatter
Kongreß eröffnet worden, auf welchem das Reich durch eine Deputation von
76 Mitgliedern vertreten war. Schon die Art und Weise, in welcher die
Reichsdiplomatie ihre Geschäfte zu führen beliebte, und der aller Pietät bare
frivole Ton, in welchem die fürstlichen Gesandten die Vorgänge des Kongresses
zu besprechen pflegten, ließen erkennen, welchen Tiefstand das nationale Leben
damals erreicht hatte. „Es konnte scheinen, als sei die Rastatter Episode nicht
etwa ein Stück tiefer Erniedrigung Deutschlands, sondern eine lustige Komödie
gewesen, aus der jeder einzelne so viel Nutzen und Amüsement als möglich
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Brandenburg bis zum Regierungsantritt des Großen Kurfürsten. 41
spruch zu nehmen. Diese sträubten sich natürlich, Schulden zu übernehmen, die
ohne ihr Vorwissen angehäuft worden waren. Joachim Ii. mußte ihnen daher
ausdrücklich versprechen, 1. künftig keine wichtige Angelegenheit ohne ihre Mit-
wirkung zu erledigen, 2. keine Verbindlichkeit ohne ständische Genehmigung zu
übernehmen,^ 3. den Ständen die Einziehung und Verwaltung der „gemeinen
Landsteuer und Hilfe" zu überlassen. Die Städte zogen von nun an den
sogenannten „Pfundschoß", der Adel (Oberstände) den „Hufenschoß" ein, und
beide Steuern wurden durch ständische Beamte verwaltet. — Erneute Geldnot
des Kurfürsten führte 1550 zu einer weiteren Neuordnung der Finanzen.
Die bisherigen beiden Kassen (die Verwaltung des Pfundschosses und des
Hufenschosses) blieben unter der Verwaltung der Stände, die jetzt für die
Schulden des Landesherrn als Selbstschuldner eintraten und zur schnelleren
Abzahlung noch eine besondere Steuer erhoben. Aber „es genügte nicht, die
Schulden des Landesherrn zu übernehmen; es mußte Vorsorge getroffen werden,
daß er deren nicht neue zu machen nötig hatte und machen konnte". Der
Kurfürst mußte jetzt zu den bereits erwähnten direkten Steuern auch die einzige
damals bestehende Verbrauchsabgabe, die Bierziese, der Verwaltung der Stände
übergeben. Die gesamte Steuerkraft des Landes war also jetzt den Ständen
zur Verfügung gestellt und dem Landesherrn dadurch bei seinen Ständen ein
— allerdings stets an ihre Zustimmung gebundener Kredit eröffnet. Daher
nannte man diese Verwaltung der Finanzen durch die Stände das Kreditwerk.
ß. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß durch dieses Kreditwerk der
Landesherr gewissermaßen unter Kuratel gestellt worden war, es war ihm das
Verfügungsrecht über „die Substanz" der Staatseinkünfte entzogen. „Nun
erst, wo die Stände wirklich den Strick in der Hand haben, vermögen sie auf
die Politik und das Regiment des Landes den Einfluß zu gewinnen, der,
wenn sie wollen, zu wirklicher Mitregierung wird. Nun erst wird Branden-
burg ein ständischer Territorialstaat." (Droysen.)^)
y. Im Innern zeigten sich die schlimmen Folgen dieses ständischen
Mitregimentes vor allem darin, daß den Gutsherren die bisher von ihnen auf
eigene Faust betriebene Unterdrückung der Bauernfreiheit jetzt staatlich kon-
zessioniert wurde.
1540 gestattete Joachim I!., daß auf Beschluß der Stände künftighin
„mutwillige Bauern" ausgekauft, d. h. nötigenfalls gewaltsam enteignet werden
konnten. Johann Georg erweiterte diese Bestimmung sogar dahin, daß die
Gutsherren die enteignete Bauernstelle nicht wieder zu besetzen brauchten, sondern
sie zu ihrem Besitz schlagen durften. Joachim Friedrich bestätigte den Land-
tagsbeschluß von 1602, nach welchem den Bauern verboten wurde, in andern
Dörfern oder in Städten Grundbesitz zu erwerben.
d. Welch verhängnisvolle Wirkungen der ständische Einfluß auf
die auswärtige Politik des Staates hervorbrachte, zeigte sich am deutlichsten * 2
0 Tatsächlich war zwar schon immer den Ständen ein derartiger Einfluß zu-
gestanden worden, jetzt aber wurden ihnen solche Rechte ausdrücklich verbrieft und ihre
Mitwirkung zu einer Bedingung erhoben, von der sie ihre Bewilligungen abhängig
machen konnten.
2) Die Stände — Adel, Prälaten und Vertreter der Jmmediatstädte — traten
int sogenannten Landtage zusamnien. Für Erledigung der laufenden Angelegenheiten
bestand ein Ausschuß, dessen Wahl nach landschaftlichen Einheiten — Kreisen — erfolgte.
In diesen Kreisen traten die Ritter, Prälaten und Städte wieder zu Kreistagen zusammen.
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Extrahierte Personennamen: Joachim_Ii Joachim_I Johann_Georg Johann Joachim_Friedrich Friedrich
Ho Vom Großen Kurfürsten bis zum Tode Friedrichs des Großen.
а. Die leidenschaftliche Sorge, die Friedrich Wilhelm I. der Aus-
bildung des preußischen Heerwesens zuwandte, stand durchaus im Dienste
der aufsteigenden Entwicklung des preußischen Staates.
Der König war davon überzeugt, daß sein Staat in Europa nur so viel
Geltung haben würde, als ihm das Heer, das er ins Feld stelle, verschaffen
könne. Unbeirrt durch die spöttische Verwunderung der Mitwelt, die sich an
dem soldatischen Eifer des Preußenkönigs belustigte, stellte Friedrich Wilhelm
daher die Sorge für die Armee in den Mittelpunkt seiner gesamten inner-
politischen Tätigkeit. Armeebildung war ihm gleichbedeutend mit Staatenbildung.
1). Mit Staunen und Besorgnis sah die Staatenwelt Europas, wie
der rastlose Eifer des Königs die Stärke des preußischen Heeres in einer Weise
erhöhte, die in gar keinem Verhältnis zur Größe und Einwohnerzahl des
Staates stand. Dem Umfange nach nahm die auf 83 000 Mann vermehrte
preußische Armee die vierte Stelle unter den Kriegsmächten Europas ein,
während Preußen seiner Größe nach an zehnter, der Seelenzahl nach sogar
-erst an dreizehnter Stelle stand.
б. Der Qualität nach standen die preußischen Truppen allen andern
voran, so daß die preußische Heereseinrichtung nach ihrer glänzenden Bewährung
in den Kriegen Friedrichs des Großen von den meisten europäischen Staaten
ebenso eifrig nachgeahmt wurde, als sie zu Lebzeiten ihres Begründers bespöttelt
worden war.
a. Die Rekrutierung geschah anfänglich — mit Rücksicht auf den
starken Bedarf — fast ausschließlich durch Werbung im Auslande. Da aber
cmf diese Weise dem Staate ungeheure Summen verloren gingen und unauf-
hörliche Streitigkeiten mit dem Auslande entstanden, führte der König 1733
durch das sogenannte Kantonreglement eine Art zwangsweise Werbung im
Jnlande ein. Jedes Regiment erhielt einen Bezirk (Kanton) zur Rekrutierung
angewiesen (ein Infanterieregiment 3000, ein Kavallerieregiment 1800 Feuer-
stellen). Die wehrfähigen jungen Leute der einzelnen Kantone wurden iip eine
Stammrolle eingetragen und jährlich in bestimmter Anzahl zum Regiment ein-
gezogen; viele wurden nach beendigter militärischer Ausbildung in die Heimat
beurlaubt, ohne damit aber aus dem Heere auszuscheiden (Kantonisten). Das
Kantonreglement enthielt die Grundzüge der allgemeinen Wehr-
pflicht, ohne dieses Prinzip jedoch streng durchzuführen, denn die sogenannten besseren
Stände (Adel, Beamte, Gewerbetreibende) waren von der Dienstpflicht befreit.
ß. Ausrüstung und Verpflegung der Truppen waren muster-
gültig. Der König hielt streng darauf, daß seine Soldaten sauber gekleidet
einhergingen und keinen Mangel litten. Väterliche Fürsorge wandte er den
Mannschaften seines Potsdamer Riesenregiments zu; sie erhielten — je nach
der Länge — ansehnliche Löhnung (bis zu 20 Taler monatlich), Nebenerwerb
durch Handarbeit war ihnen untersagt.
Anmerkung. Obgleich der Unterhalt dieser im Kriege wenig brauchbaren
Paradetruppe ungeheure Summen verschlang — die Anwerbung eines einzigen besonders
„langen Kerls" kostete beispielsweise allein 9000 Taler —, ließ sich der sonst so sparsame
König durch nichts von der Marotte, ein Riesenregiment zu besitzen, abbringen, und der
jonst so gerechte und weichherzige Fürst konnte ungerecht und grausam werden, wenn es
galt, seinem Leibbataillon einen auffallend langen Rekruten zuzuführen.
y. Die Ausbildung des Heeres beschränkte sich keineswegs auf die
Künste des Exerzierplatzes. Die eiserne Disziplin der preußischen Armee,
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Extrahierte Personennamen: Friedrichs Friedrich Wilhelm_I. Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrichs