Landschaftskunde.
7
S.o. nach der Saale, während der S.w. gegen das Thüringische Hügelland
:md der N.o. gegen das Tiefland scharf abgeschnitten sind. Das Gebirge bildet
ein großes Hochland, dessen obere Platte sich allmählich in seiner ganzen Län-
genausdehnung von N.w. nach S.o. sehr beträchtlich senkt. Dieser Umstand
hat die gewöhnliche Scheidung in Ober- und Unterharz herbeigeführt, in-
dem das Gebiet westlich vom Brocken dem Oberharz (Flußgebiet der Weser;
Nadelholz überwiegend), östlich davon dem Unterharz (Flußgebiet der Elbe)
zugerechnet wird. Hier überwiegt das Laubholz. In dieses Hochlaud sind die
Thäler der Bäche tief eingeschnitten, während gewaltige Berge auf demselben
emporragen. Am höchsten ist der Bro cken (Blocksberg), nahe dem Nordrande
mit 1141 m über dem Meeresspiegel über die Grenze des Baumwuchses auf-
steigend, der höchste Berg Mitteldeutschlands; er bildet mit einigen kleineren
Bergen eine besondere Gruppe. Der Ramberg (Viktorshöhe) ebenfalls im
Unterharz, 537 m, besteht wie der Brocken aus Granit, während sonst das Ge-
birge meist aus Grauwacke besteht. Auch der Auersberg (Josephshöhe) ist
ein Granitkegel von 575 in Höhe.
Überschreiten wir von dem S.o.-Abhänge des Harzes ans die fruchtbare
Thalebene der Helme, die goldene Aue, so kommen wir in das aus Trias
(Buntfandstein, Muschelkalk, Keuper) bestehende Thüringische Hügelland,
eine wellenförmige Senkung zwischen Harz und Thüringer Wald. Den nord-
westlichen Teil bildet die rauhe Hochplatte des Eichsfeldes, welches der
waldreiche Düu in einen nördlichen und einen südlichen Abschnitt zerlegt. Vom
Eichsfelde aus laufen 5 Höhenzüge mit einer Durchschnittshöhe von 162 bis
227 m, unter sich und mit dem Harz und Thüringer Walde parallel bis zur
Saale, welche bald eine festgeschlossene Kette bilden, bald nur einen losen
Zusammenhang haben und vielfach von Flüssen durchbrochen sind. Die be-
dentendsten dieser Züge sind der von Mühlhausen ausgehende, 470 in errei-
chende Hainich, der bei Erfurt der Steiger (345 rn) heißt. Die Hainleite
zwischen Wipper und Helbe, über 30 km lang und bis 461 m ansteigend,
nimmt nach dem Durchbruch der Unstrnt (Sachsenburger Pforte) den Namen
die Schmücke (326 m) an und heißt später die Finne (470 m) bis zur Saale
bei Naumburg. Der dem Harz am nächsten liegende Zug, die Windlaite, hat
feine höchste Erhebung im Kisfhäufer (470 m). Zwischen diesen Höhen-
zügen find Mulden und Becken, mit Lehm und humusreichem Schlamm bedeckt,
eingesenkt, von denen das thüringische Zentralbecken nördlich von Erfurt am
Zusammenfluß der Gera und Unstrnt das bedeutendste ist. Erfurt verdankt
der Lage in dieser weiten fruchtbaren Niederung zum großen Teil seine Be-
deutung als Hauptort von Thüringen. Außerdem sind noch besonders frucht-
bar die Unstrnt-Niederung bei Artern und die goldene Aue an der Helme.
In den S.o.-Zipfel der Provinz, den Kreis Zeitz, sendet das sächsische
Bergland seine letzten Ausläufer.
Das ganze Gebiet östlich der Saale und nördlich vom Harz gehört dem
Tieflande an, welches, wie der meist nach N.w. gerichtete Lauf der Flüsse
beweist, sich in dieser Richtung senkt. Aus diesem ragen nur vereinzelte kleine
Erhebungen hervor, wie die Porphyrfelfen an der Saale bei Halle (135 in),
die Höhen bei Wettin (174 m), am höchsten der Petersberg bei Halle (240 in
Seehöhe). Auf dem rechten Elbufer zieht ein Teil des Südlichen Land-
rückens, der rauhe i ud wasserarme Rücken des Flä-
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau]]
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Bodengliederung und Besiedelung. — Geest.
27
nach beiden Richtungen, nach Nordost die Jade von Rastede her mit manchem
kleinen Zufluß, darunter die Wapel, nach Südwesten die Quellbäche der
bei Oldenburg mündenden Haaren und die Bäten des Ammerlandes.
Ammerland (= Land am Meer, d. h. am Zwischenahner Meer) im engeren
Sinne wird das Gebiet des Amtes Westerstede genannt. Es ist fast ganz
eben und ohne bedeutende Bodenerhebungen und Senkungen und dacht
sich nach Südwesten zum Zwischenahner Meer und Aper Tief ab, dessen
zahlreiche Quellbäche alle in dieser Richtung fließen. Waldumkränztes
Acker- oder Wiesenland neben zusammenhängenden herrlichen Waldungen,
in denen die Eiche vorherrscht, Kiefern- und Tannenbestände auf Heide-
boden, Buchen auf Lehmgrund und in feuchten Niederungen Erlen und
Eschen machen diese Landschaft zur anmutigsten des Herzogtums. Der
Holzreichtum hat als besonderes Gewerbe den Schiffbau, die Stellmachern
und Kunsttischlerei hervorgerufen. Da die Rasenfläche oft mit Eisenstein
durchsetzt ist, so leidet die Wiesenkultur an dem eisenhaltigen Quell- und
Moorwasser. Das Zwischenahner Meer, 526 ha (f. Bild 11, S. 54),
hat einen Umfang von etwa 11 km, so das; die Stadt Oldenburg mit
Osternburg bequem darin Platz finden könnte. Es ist ein freundlicher
Binnensee, dessen tiefste Stellen sich im Nordosten befinden. Drei Bäche
speisen ihn, der Abfluß erfolgt durch zwei Bäche, welche nach ihrer Ver-
eiuiguug als Aue der Vehne zufließen. Kornfelder, Wiesen und Waldungen
umrahmen den See, und in seiner Tiefe tummeln sich Barsche, Hechte,
Aale, Brassen, Zander, Bleie und Stinte. Die Fischerei ist staatlich und an
F. L. Bodes in Bremen für etwa 2500 Mark jährlich verpachtet. Die An- »
lieger des Sees haben am Ufer seit alten Zeiten das Recht zu fischen.
Die Friesische Wede am Bockhorn, Zetel und Neuenburg, der Haupt-
bestandteil des Amtes Varel, ist ein Geestrücken, der nach Osten vorspringt
und mit der Anhöhe von Dangast so nahe an das Meer tritt, daß er hier
den Deich ersetzt. Im Westen begrenzen sie die großen Moore Ostfries-
lands, im Süden die Wapel und zwei Hochmoore, das Jührdener und
das Leugener Feld, an dessen Nordende das Große Bullenmeer liegt,
ein einsamer, flacher Moorsee, der von sandigen kahlen Ufern umgeben
ist. Die Bäche der Friesischen Wede fließen nach Nord oder Nordost.
Auf den Tonlagern der Anhöhen hat sich um Bockhorn eine bedeutende
Ziegelindustrie entwickelt. Der ganze Strich von Varel westwärts bis zur
Landesgrenze ist noch immer reich bewaldet. Das Neuenburger Holz,
569 ha, zwischen Bockhorn und Neuenburg, der Rest früherer viel größerer
Waldungen, ist ein Forst, der fast ganz auf Ton steht und deshalb überwiegend
Eichen aufzuweisen hat. Die Ortschaften Bockhorn, Grabstede und Astede
üben noch das Recht, ihr Rindvieh im Holz zu weiden, aus. Innerhalb
desselben liegt die „große Schar", der „Urwald" genannt, ein Verhältnis-
mäßig kleines Gebiet, ein Ausschlußforst, in welchem die Natur sich frei
entwickeln darf, weil die Hand des Menschen nur selten hineingreift, um
wertvolle Stämme herauszuholen. Hier wächst alles durcheinander: Eichen,
nicht so dick wie die im Hasbruch, aber zahlreich in Gemeinschaft, von arm-
dickem Efeu und anderen Schlinggewächsen umklammert, so daß die alters-
grauen Stämme wie bärtige Riesen erscheinen, Rot- und Weißbuchen,
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Allgemeines. — Staatsverfassung.
3
Das Großherzogliche Wappen enthält auf einem Hauptschilde
mit sechs Feldern für Norwegen, Schleswig, Holstein, Stormarn, Dith-
Marschen und Kniphausen einen Mittelschild mit fünf Feldern für die roten
oldenburgischen Balken auf goldenem Grunde oben links, das goldene
Delmenhorster 5treuz auf blauem Grunde oben rechts, das goldene Lübecker
Kreuz auf blauem Grunde mit darüber schwebender Bischofsmütze unten
links, das von Rot und Silber geschachte Wappen für Birkenfeld unten
rechts und auf der von unten eingepfropften Spitze den goldenen Jeverischen
Löwen auf blauem Grunde. Die Zentralbehörden des Großherzogtums
führen diesen Mittelschild des großen Wappens.
Die Staatsverwaltung wird unter dem Eroßherzog von einem dem
Landtage verantwortlichen Staatsministerium geleitet. Es umfaßt
folgende Ministerien: 1. des Großherzoglichen Hauses und der Auswärtigen
Angelegenheiten,- 2. des Innern; 3. der Justiz; 4. der Kirchen und Schulen;
5. der Finanzen. Es gibt aber nur drei Minister, dem Minister des Innern
sind auch die Ministerien des Großherzoglichen Hauses und der Auswärtigen
Angelegenheiten und dem Minister der Justiz das Ministerium der Kirchen
und Schulen übertragen. Das Finanzministerium verwaltet auch das
Eisenbahnwesen, den Hochbau im Herzogtum Oldenburg, das Forstwesen,
die Domänen und das Vermessungs- und Katasterwesen. Die drei Minister
bilden mit Sitz und Stimme das Gesamtministerium, dem eine Reihe von
Angelegenheiten übertragen ist, worüber die einzelnen Minister nicht selb-
ständig entscheiden können. Unter dem Gesamtministerium stehen die
Verwaltungsgerichte und das Oberverwaltungsgericht.
Der Landtag hat nur eine Kammer und ist als die gesetzliche Ver-
tretung aller Staatsbürger des Großherzogtums berufen, ihre auf der
Verfassung beruhenden Rechte geltend zu machen, an der Gesetzgebung
mitzuwirken, die Steuern zu bewilligen und den Staatshaushalt fest-
zustellen. Er hat das Recht, über alle Staatsangelegenheiten von der
Regierung Auskunft zu begehren. Dem Großherzog bleibt das volle Veto
gewahrt, er ernennt und entläßt die Minister nach freiem Ermessen. Fürst
und Volk sind aufeinander angewiesen, ohne ihre Einigung entsteht kein
Gesetz. Der Landtag wird jährlich auf Grund allgemeiner, unmittelbarer
und geheimer Wahlen berufen, er hat jetzt 45 Abgeordnete. Wahlberechtigt
und wählbar ist jeder Deutsche, der zur Zeit der Wahl das 25. Lebensjahr
vollendet hat und seit mindestens drei Jahren im Großherzogtum wohnt.
Wer 40 Jahre alt ist, hat bei der Ausübung des Wahlrechtes zwei Stimmen.
Die Wahl erfolgt für fünf Jahre in 29 Wahlkreisen, deren Abgrenzung alle
20 ^ahre geprüft werden muß. Die Abgeordneten erhalten die Reisekosten
erstattet und beziehen Tagegelder.
Für die allgemeinen Landesausgaben besteht eine Zentralkasse,
wozu die drei Landesteile in bestimmtem Verhältnis ihre Beiträge zu zahlen
haben. Sonst geht die Finanzverwaltung der Landesteile eigene Wege.
Die Rechtspflege ist durch Reichsgesetz geregelt. Das Reichsgericht
in Leipzig ist die Spitze des Rechtszuges. Das Oberlandesgericht in Olden-
bürg steht unter Aufsicht des Staatsministeriums und ist zugleich vor-
gesetzte Dienstbehörde für das Landgericht und die Amtsgerichte. Das
1*
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
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Bodennutzung.
15
weniger als 10 bis 12 ha. In den Moorkolonien ist die Vorderlage am
Kanal besonders wertvoll.
Durch private und staatliche Bestrebungen ist das unbebaute Land
stark zurückgegangen: von 205672 ha im Jahre 1892 auf 169944 ha im
Jahre 1910. Es sind also in dieser Zeit 35728 ha neues Land gewonnen
worden, und daran Hat den größten Anteil die private Kultivierungs-
tätigfett, die während der letzten Jahre noch gesteigert wurde. Vor dem
Ausbruch des Krieges wurde berechnet, daß bei gleichem Fortgang dieser
friedlichen Tätigkeit etwa in 25 bis 30 Jahren die Odländereien Oldenburgs
kultiviert sein würden. Es sind noch etwa 90000 ha Hochmoor, davon
70000 kulturfähig, vorhanden, und etwa 25000 ha Grünlandmoor, das
sämtlich kulturfähig ist; für die innere Kolonisation kommen also 95000 ha
Moor in Frage. Da sie in Oldenburg hauptsächlich auf Viehzucht beruht,
so trägt sie an ihrem Teile dazu bei, unser Vaterland im Kriege von der
Einfuhr unabhängig zu machen.
Die Forstkultur hat sich gleichfalls unter sorgfältiger Pflege des
Staates gehoben. Die Aufforstung und Wiederbeforstung abgeholzter
Grundstücke geht zum Teil in ganz erheblichem Umfange vor sich. All-
jährlich werden vom Staate ausgedehnte Heideflächen mit dem Dampf-
pflüg bearbeitet. Privatforsten nehmen immer mehr ab, besonders weil
die zu Grubenholz geeigneten Bestände abgeholzt und nicht wieder auf-
geforstet werden; denn die landwirtschaftliche Benutzung bringt dem kleinen
Besitzer viel mehr ein. Schöne Waldungen in allen vier Oberförstereien
Varel, Oldenburg, Delmenhorst und Cloppenburg geben dem Landschasts-
bilde der Geest ihren eigenartigen Reiz. In den Marschen ist für Waldungen
kein Raum. Die Fläche der Staatsforsten hat sich von 8236 ha im Jahre 1852
auf 16940 ha im Jahre 1910 gehoben; hiervon fallen auf die Oberförsterei
Cloppenburg allein 6978 ha. Am meisten werden Kiefern gepflanzt, außer-
dem andere Nadelholzarten, aber auch Eichen, Birken, Ellern, Weiden,
Pappeln und Haseln x.
Die Bedeutung der oldenburgischen Viehzucht und ihre hohe Blüte
ist in Deutschland und im Auslande, namentlich in Osterreich, zur all-
gemeinen Anerkennung gelangt. Dazu hat die lebhafte Beteiligung an
Ausstellungen und Tierschauen erheblich beigetragen. Das oldenburgische
Vieh ist kräftig gebaut und abgehärtet, weil es von Jugend auf vom März
bis spät im November auf den herrlichen Weiden jedem Wetter Trotz zu
bieten gewöhnt ist. Das oldenburgische Pferd insbesondere ist wegen
seines ruhigen, stetigen Ganges und seines gutmütigen Temperamentes
zum Wagenpferde vorzüglich geeignet. Es gibt bei uns keine staatlichen
Hengstaufzuchtstationen, aber es werden von Staats wegen jährlich er-
hebliche Summen für die Landespferdezucht ausgesetzt. Die Eroßherzog-
liche Körungskommission überwacht die Fortpflanzung und Veredelung
des Schlages und verleiht für vorzügliche Pferde jährlich hohe staatliche
Prämien. Seit 1897 ist das Herzogtum in ein nördliches und ein südliches
Zuchtgebiet geteilt; auf der Geest bringt man der Pferdezucht von Jahr
zu ^ahr mehr Interesse entgegen. Die Körung der Hengste findet all-
* Heimatkunde des Herzogtums Oldenburg Ii, S. 262 ff.
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TM Hauptwörter (200): [T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T38: [Weser Elbe Hannover Land Stadt Lüneburg Leine Nordsee Aller Bremen], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne]]
Bodengliederung und Besiedelung. — Geest.
25
Forstort Wunderhorn, benannt nach dein goldenen Horn iin Schlosse Rosen-
borg in Kopenhagen, das einst ein kostbarer Schatz des oldenburgischen
Grafenhauses war. Die Waldungen der Delmenhorster Geest sind noch
ziemlich umfangreich. Der Sage nach waren sie einst so groß, dah ein Eich-
Hörnchen von den Osenbergen bis an den Rand der Geest kommen konnte,
ohne den Boden zu berühren. Das Stenumer Holz reicht mit neuen An-
Pflanzungen von der Niederung bis auf die Geest hinauf. Ein besonders
schöner und großer Wald ist der Hasbruch; er wird forstmäßig bewirt-
schaftet und besteht fast ganz aus Laubholz; er enthält manche tausend-
jährige Eiche, wie die Amalieneiche und die Dicke Eiche (s. Bild 1, S. 49),
und ein Bestand uralter Hainbuchen erinnert an die wilde Jagd, die durch
diese unheimlichen Baumgestalten beim Heulen des Sturmes dahinrasen
soll. Der Stühe ist ein herrlicher Buchenwald mit schlanken, Himmel-
anstrebenden Stämmen, die leider abgeholzt werden. Hier stand bis 1890
der Friesenbaum, in dessen Schatten sich die Hollandsgänger der Delmen-
horster Geest versammelten. Die Reiherkolonie, die vom Reiherholz bei
Hude hierher übergesiedelt war, ist wieder fortgezogen und befindet sich
jetzt im Twiester Holz bei Hatten und in einem Bauerngehölz bei Schmede.
Die Besiedelung dieses Gebietes, das den alten Largau umfaßte und jetzt zu den
drei Amtern Delmenhorst, Wildeshausen und Oldenburg gehört, verdichtet sich nach
Südosten zu. Naturgemäß strebten die Grafen von Oldenburg danach, nach der Be-
gründung ihrer Landeshoheit im Ammerlande und der Überwältigung der Stedinger
an der Ollen auch die Geest zwischen Hunte und Stedingen zu besetzen. Nach dem
vergeblichen Versuch, Berne zu befestigen, erbauten sie um 1259 eine Burg zu Delmen-
Horst, und hier nahm wiederholt eine Nebenlinie des Herrscherhauses ihren Wohn-
sitz, von 1482 an hielt der Bischof von Münster die Burg mit Stadt und Land besetzt,
bis sie ihm 1547 Graf Anton I. durch einen Handstreich entriß. Im Jahre 1711
wurde die Burg von der dänischen Regierung auf Abbruch verkauft, der größte der
drei Türme des schönen alten Schlosses stand noch bis 1787. Auf der einstigen Burgstelle,
die noch jetzt von einer doppelten Graft umgeben ist, steht nun das Allgemeine Peter-
Elisabeth-Krankenhaus. Die Stadt Delmenhorst, 22500 Einwohner (1871 kaum 2500),
hat sich in den letzten drei Jahrzehnten durch Bremer Kapital infolge seiner günstigen
Bahnverbindung mit dem westfälischen Kohlen- und Jndustriebezirk zu einem be-
deutenden Jndustrieplatz entwickelt, um den herum in weitem Umkreis die Arbeiter-
bevölkerung in ländlicher Siedelung wohnt. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts
bestanden hier Korkschneidereien, seit 1848 wurden nach dem Erlöschen der Tuch-
fabrikation Korkfabriken begründet, die noch jetzt, schwunghaft betrieben werden. Die
Abfälle der Korkschneiderei sind das Rohmaterial für die Linoleumfabrikation, die
sich seit 1882 mit der Gründung des jetzigen Deutschen Linoleumwerkes Hansa in
Delmenhorst entwickelt hat. Später folgten die Delmenhorster Linoleumfabrik (Anker-
marke) und die Bremer Linoleumwerke (Schlüsselmarke). Die Delmenhorster Linoleum-
industrie hat sich bis heute die Führung auf dem Festland bewahrt. Das größte Unter-
nehmen Delmenhorsts, die Norddeutsche Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei,
deren Sitz in Bremen ist, wurde 1884 gegründet und hat mit den angekauften Tertil^
werken und den eigenen Niederlassungen der Fabrik zum Ankauf des Rohmaterials,
besonders in Argentinien, die erste Stelle unter den Tertüwerken des Festlandes er-
langt; die Zahl der Arbeiter und Angestellten beträgt in Delmenhorst 3200, in den
Filialen 7300. Für die Wohlfahrt der Arbeiter, Erholungsheime, Kinderheime, Arbeiter-
kolonien, werden jährlich große Summen ausgegeben. In der Hanseatischen Jute-
spinnerei und -Weberei mit annähernd 1000 Arbeitern, einem gleichfalls bedeutenden
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
TM Hauptwörter (100): [T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf]]
TM Hauptwörter (200): [T38: [Weser Elbe Hannover Land Stadt Lüneburg Leine Nordsee Aller Bremen], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit], T94: [Stadt Fabrik Handel Dorf Schloß Weberei Einwohner Einw. Nähe Bergbau]]
Vorbemerkungen zur vierten Auflage.
Die Vorbereitung der neuen Auflage der Landeskunde des Groß-
Herzogtums Oldenburg war fast ganz abgeschlossen, als der Krieg ausbrach.
Die Verhältnisse unseres Landes werden daher so dargestellt, wie sie sich
bis dahin in der Friedenszeit, die wie ein schöner Traum hinter uns liegt,
entwickelt hatten. In den Vordergrund wurde die natürliche Beschaffenheit
des Landes gestellt und die Ortskunde unmittelbar an die Bodengliederung
und Bewässerung angeschlossen. Eine ausführliche tabellarische Übersicht
läßt die Verwaltungsbezirke und die Ortschaften erkennen. Die Zeittafel
zur oldenburgischen Geschichte wird durch einen kurzen Überblick über die
geschichtliche Entwicklung ergänzt und erläutert.
Oldenburg, Ostern 1915. Der Verfasser.
Vorbemerkungen des Verlegers.
Die Band- und Heftausgaben der E.von Seydlitz'schen Geographie
sind bisher in rund 3 V? Millionen Exemplaren verbreitet worden; sie sind
auch vielfach in den Schulen des Großherzogtums Oldenburg eingeführt.
Den Herren Direktoren und Fachlehrern, sowie den Schuloorsteherinnen
und Fachlehrerinnen, die den „Seydlitz" wegen etwaiger Einführung zu
prüfen wünschen, stelle ich gern ein Exemplar der in Betracht kommen-
den Ausgabe nebst der Landeskunde unberechnet zur Verfügung. Ich
bitte aber darum, bezügliche Wünsche unter Angabe der Schulgattung ent-
sprechend zu begründen, damit Verzögerungen durch Rückfragen vermieden
werden. Für welche Anstalten die verschiedenen Ausgaben der Seydlitz'schen
Geographie bestimmt sind, wolle man aus der Übersicht auf der vierten
Umschlagseite ersehen.
~ slau, Ostern 1918. Ferdinand Hirt.
Alle Rechte vorbehalten!
Landeskunde wird auf Verlangen mit den Ausgaben A und B des „Seydlitz",
co llbearbeitungen von Tronnier bzw. Rohr mann die Behandlung des Stoffes
haftlichem Prinzip durchgeführt wurde, gegen entsprechenden Preisausschlag
gebunden geliefert.
Ausgabe A (Seydlitz-O eh lmann, 24.Bearbeitung)
Ausgabe A (Seydlitz-Tronnier, 26. Bearbeitung)
Ausgabe B (Seydlitz-Oehlmann, 22. Bearbeitung)
Ausgabe B (Seydlitz-Rohrmann, 24. Bearbeitung)
Einzelpreis dieser Landeskunde kartoniert 1.— M.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land]]
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Extrahierte Personennamen: Ferdinand_Hirt Ferdinand
Bodengliederung und Besiedelung. — Die Marschen.
33
Die Marschen.
Wer von der welligen, bewaldeten, an Feldsteinen reichen Geest in
die Marsch hinabsteigt, glaubt in eine andere Welt versetzt zu sein. Das
überaus fruchtbare, ebene, steinlose Land wird von schnurgeraden Blinker-
straßen durchzogen. Wälder finden sich nicht; kleine Bestände, wie bei
Ostiem im Jeverlande, kommen nicht in Frage. Von Busch- und Baum-
beständen umgeben, liegen die Dörfer und die zahlreichen Einzelgehöfte
weithin zerstreut zwischen Ackerland und Fettweiden. Als es noch keine
Deiche gab, schützte sich die Bevölkerung durch künstliche Erdhügel, die
aus dem Stteiboden aufgeschüttet waren und Wurten genannt werden.
Manche alte Dörfer liegen auf solchen Erhöhungen. Die Einzelwurten
sind noch zahlreich in Ieverland und Butjadingen vorhanden, aber
nicht mehr bewohnt. Man unterscheidet Hunte-, Weser- und See-
marschen. Der Boden der Marsch ist verschieden. In der Nähe der
großen Randmoore liegt das Brokland (brok, brüchig, sumpfig) mit ge-
ringer Kleischicht und minder fruchtbar. Darauf folgt die eigentliche Marsch
nicht ohne Moorstrecken, wie zwischen Oldenbrok und Schweiburg; sie reicht
bis zu den Außendeichen. Die Groden, in Ostfriesland Polder genannt»
sind das neueingedeichte Land und das Land an der Außenseite der Deiche,
das von höheren Fluten überströmt wird, aber für die Landwirtschaft ver-
wendbar ist; denn der Andel (Seerispengras) ist ein gutes Viehfutter. Der
Marschboden besteht aus dem bläulichen Klet, der im wesentlichen dem
verwitterten Schiefer unseres Mittelgebirges entstammt. Der Knick ist
eine harte, eisenhaltige und deshalb unfruchtbare Erde, die bisweilen nahe
an der Oberfläche liegt. Hier bringt man durch das Wühlen die darunter-
liegende fruchtbare, kalkhaltige Wühlerde, den Mergel, nach oben. Die
Seemarschen haben den fruchtbareren Boden, aber auch den größeren
Mangel an Süßwasser.
Die Marschen liegen im allgemeinen nur 4,60 m, weniger oder etwas
mehr, über der Fedderwarder Horizontale (Fh). Da nun das mittlere
Niedrigwasser 1,30 über Fh (südlicher Jadebusen) eintritt und der Unter-
schied zwischen Niedrig- und Hochwasser, der sogenannte Tidenhub, in
der Regel etwa 3,40 m, bei Schillighörn 3,05 m, Wilhelmshaven 3,59 m,
Fedderwardersiel 3,34 m, Bremerhaven 3,31 m beträgt, das Wasser also
etwa 4,70 m erreicht, so wären die Marschgebiete zum größten Teil
ohne die Deiche vor Überschwemmung durch das mittlere
Hochwasser nicht gesichert. Höchste Sturmfluten, die das Doppelte,
wie 1511, 1717, 1825, 1906, ja bis 8,80 in über Fh stiegen, würden alles
Marschland und die niedrigeren Striche der Geest unter Wasser setzen,
wenn der Deichring nicht schützte*. Die Deiche sind sehr kostspielige Wälle,
zum Teil von bedeutender Höhe; wo die Gefahr am größten ist, steigt ihre
Kappe über 10 m Fh. Während die Innenseite sich steiler aus der Marsch
* Vgl. Krüger, W., Das Seegebiet Oldenburgs. Heimatkunde des Herzoa-
tums Oldenburg I, S. 89.
Rilthning, Landeskunde von Oldenburg. 4. Aufl. <Unv. Ndr.) Z
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser]]
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8
Das Herzogtum Oldenburg.
fruchtbaren Niederlande der Marsch ab, die am Eeestrand in der Regel
etwas tiefer als nach der Weser und der See zu liegt. Dem Bruchland
mit einem dünnen Überzug von ftlet folgen in der Marsch die Fettroeiden
und die ertragreichen Acker des Kleibodens bis zu dem kunstvollen Bau der
vor den Hochfluten schützenden Deiche.
Der Boden des Herzogtums gehört der jüngsten Erdperiode an: das Diluvium
bildete die Geest, das Alluvium das Schwemmland der Marsch und der Moore. Als
die großen Meere des Mittelalters der Erde (Trias, Jura, Kreide) zurückgegangen
waren und nach der Tertiärzeit die Verteilung der Festländer und Meere sich ihrem
heutigen Zustande genähert hatte, begann durch eine Wärmeabnahme von 3 bis 4 Grad
eine allmähliche Vereisung ganz Nordeuropas. Über Skandinavien türmten sich
ungeheure Eismassen auf, ausgebreitete Gletscher durchpflügten das Gebiet der Ost-
see, die noch ganz flach, möglicherweise gar nicht vorhanden war, und setzten ihren
Weg im wesentlichen in südlicher und südwestlicher Richtuug in das norddeutsche Flach-
land fort. Starke Schmelzwasser, die den Gletschern entströmten, stießen Massen von
Kies, Mergel, Sand und Ton vor sich her. Das heranflutende Eis brachte aus weiter
Ferne eine große Fülle von Verwitterungsschutt teils als Jnnenmoräne, teils als
Grundmoräne mit. Und als die Gletscher langsam abschmolzen, blieb der Schutt zurück
und überdeckte das Land. Am Rande des abschmelzenden Eises entlang wurden nun
von großen Strömen im Gebiete des norddeutschen Flachlandes zahlreiche Urstrom-
täler tief ausgefurcht, und die Oberfläche gewann allmählich ihre heutige Gestalt. Ob
nach der Hauptvereisung noch mehrere Eiszeiten mit wärmeren Zwischeneiszeiten,
oder ob nur eine Eiszeit mit Schwankungen und verhältnismäßig kleinen Vorstößen und
Rückzügen der Eiszungen stattgefunden haben, darüber streiten sich noch die Gelehrten.
Die oldenburgische Geest ist die Schöpfung eiuer Vereisung, eine zweite ist
nicht nachgewiesen. Das Inlandeis, welches dem Herzogtum sein Geschiebematerial,
das heißt stellenweise zu mächtigen Lagern aufgehäufte Tonmassen mit vielen ein-
geschlossenen Blöcken von Granit, Gneis, Porphyr, Sandstein von kantiger Form,
und Gerölle, die von den Gletschermassen gerundet waren, zuführte, nahm von Jemt-
land und Dalarne in Schweden seinen Ausgang und folgte eine Strecke der Seuke
der Ostsee. Dann betrat es Schweden wieder, ohne Bornholm zu berühren, und
setzte über Schonen in südwestlicher Richtimg den Weg nach dem Westen des nord-
europäischen Flachlandes fort. Nach dem Rückgang des Eises kam die wellige Oberfläche
der Geest mit Flußbetten und Seenbecken als ein Werk des Inlandeises und der Aus-
spüluug großer Gewässer deutlich zutage, und die Winde trieben darauf mit dem Flug-
fand ihr Spiel und häuften ihn zu Inlanddünen wie die Osenbergs auf. Em Urstrom-
tal der Hunte zog nordwärts in beträchtlicher Breite zwischen Goldenstedt und Koln-
rode bis Wildeshausen und Oldenburg zur Urweser. Ein Urstromtal von der Weser
durch die Hunte-Leda-Senke ist nicht nachzuweisen, wohl aber entwickelte sich am Rande
des zurückweichenden Eises die Urweser, die durch das Allerbett uüt dem großen Glogau-
Spreewald-Oder-Urstromtal im Zusammenhange stand. Sie riß sich in dem Diluvium
eine weite Bahn mit vielfach gegliedertem, zackigem Rande. Der jetzige Strom im
Verhältnis zu seiner einstigen Riesengröße ist mit der Maus im Käfig des entronnenen
Löwen verglichen worden
Erst nach dem Verschwinden des Inlandeises bildete sich das Alluvium. Das
Moor ist die Ablagerung abgestorbener Pflanzenreste, die nicht völlig zersetzt sind,
weil sie durch dauernde Feuchtigkeit der Einwirkung des Sauerstoffes der Luft ent-
zogen sind. Man unterscheidet nach ihrer Lage zur mittleren Höhe des Grundwasser-
spiegels ihrer Umgebung Hochmoore und Niederungsmoore. Die Niederungsmoore
entstehen auf dem Grunde stehender oder sehr langsam fließender Gewässer, sind stets
eben und oft schwankend und erreichen an der Oberfläche des Wassers die Grenze
ihres Wachstums. Als Grünlands- oder Wiesenmoore werden sie zur Grasernte be-
nutzt. Die Hochmoore bilden sich über dem Grundwasserstande auf undurchlässigem
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Das Herzogtum Oldenburg.
begegnet mehr an der Küste, besonders in den dem Meere abgewonnenen
Groden. Auch in den anderen Marschen finden trnr da große Weideflächen,
wo zäher Boden sich nur schwer bearbeiten läßt. Auf \ bis f ha der Fett-
Weiden wird ein Stück Vieh von bewunderungswürdiger Stärke ernährt
und gemästet.
Für die innere Kolonisation kommt die Marsch mit ihrem fast
durchweg graswüchsigen Boden und ihrer blühenden Viehzucht nicht in
Frage. Aber auf der Geest sind noch weite Ödlandsgebiete, die in den
letzten Jahrzehnten vom Staat und noch mehr von den Landwirten be-
deutend in Angriff genommen wurden, seit die starke Abwanderung der
Bevölkerung mehr und mehr aufgehört hat und die Methode der Kultivierung
besser entwickelt ist. Private pflegen im Oldenburgischen auf ihrem Grund
und Boden keine neuen Kolonisten anzusetzen; denn der mittlere Bauern-
stand hat hier die Herrschaft, große Güter gibt es nur wenige. Desto eifriger
sind sie aber bemüht, mit Hilfe des Kunstdüngers zu ihrem eigenen Wirt-
schaftsbetriebe neues Land hinzuzufügen. Der Staat besitzt Einkünfte aus
Gemeinheitsanteilen im Norden der Geest, Markenanteile, ein Drittel
oder ein Zehntel des geteilten Markengrundes für markenrichterliche Gebühr-
nisse, im Süden, besonders in den Amtern Vechta, Cloppenburg und Fries-
oythe, und Staatsmoore. Diese Gründe werden entweder aufgeforstet
oder mit Kolonisten besetzt. Die Leitung der inneren Kolonisation auf
staatlichem Besitz liegt ausschließlich in der Hand der Behörde des Landes-
kulturfonds, der seit Jahrzehnten außerordentlich segensreich gewirkt
hat. Leichtere Sandböden der staatlichen Heideflächen, die für Acker- und
Grünlandkultur nicht zu gebrauchen waren, wurden der Forstverwaltung
zur Aufforstung überwiesen,- die anderen staatlichen Gründe, besonders
in der Garreler Mark, in den Gemeinden Lastrup, Huntlosen, Löningen,
wurden neuen Ansiedlern übertragen.
Um sie in ihrem Bestreben, sich eine eigene Scholle zu erwerben, zu
unterstützen, erhalten die Kolonisten ihre Stelle als Eigentum. So
werden kleinbäuerliche Betriebe in rentengutähnlicher Form geschaffen.
Der Kolonist zahlt eine feste jährliche Grundrente von 15 bis 16 Mark für
das Hektar. Erfüllt er die Einweisuugsbedingungen, und kultiviert er sein
Kolonat möglichst rasch, ohne die Torfgewinnung übermäßig zu betreiben,
so genießt er in den ersten zehn Jahren Freiheit von Rente und Grund-
und Gebäudesteuer. Innerhalb dreier Jahre hat er ein Wohn- und
Wirtschaftshaus zu errichten, und dazu erhält er von der Staatlichen
Kreditanstalt gegen Bürgschaft des Landeskulturfonds Darlehen bis
zur vollen Höhe des Feuerversicherungswertes für 3 % Zinsen und eine
jährliche Amortisationsquote von \ %. Die Verwaltung sucht ihn in
seiner Bewegungsfreiheit und wirtschaftlichen Selbständigkeit möglichst
wenig zu behindern, der Kolonist kann sich sein Haus bauen, wie er will,
ob niedersächsisch auf Hochmoor und Geest oder ostfriesisch auf Untermoor.
Aber innerhalb der ersten dreißig Jahre nach erfolgter Einweisung gelten
die Kolonate als Grunderben- oder Anerbenstellen. Um die Kolonisten
anzuspornen, werden Kultivierungsprämien bis zu 100 Mark für das Hektar
und Jahr für fertiges Kulturland auf Moorboden und bis zu 60 Mark auf
Geestboden verliehen. Selten hat ein Kolonat in den neuen Kolonien
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