Die Bevölkerung und ihre Einrichtungen.
19
durch Branntweinbrennerei sind Nordhausen und Quedlinburg berühmt. — Von andern
Fabriken nennen wir solche für: Panzerplatten (Buckau), Tuche (Burg und Calbe). Kattun
(Eilenburg), Thonwaren und Porzellan (Neuhaldensleben, Ziesar, Buckau, Bitterfeld),
Papier (Kröllwitz, Calbe), Leder und Handschuhe (Halberstadt und Neuhaldensleben).
Eine so große Ergiebigkeit des Bodens und so reges Großgewerbe muß
notwendigerweise einen starken Handelsverkehr zur Folge haben.
Die Erzeugnisse gehen meistens aus der Provinz hinaus, wofür andere notwendige
Waren eingeführt werden. Hierunter sind zu nennen: Kolonialwaren aller Art, Tuche,
Leinwand, Seide, Kohlen aus Böhmen, Salz, Eisenwaren, Steinöl. Die Hauptmärkte
sind von alters her Magdeburg, Halle, Erfurt, welche durch ihre Lage zu dieser Bedeu-
tung schon in sehr srüher Zeit gelangten. Für Zucker und Zichorien ist Magdeburg der
Hauptmarkt in ganz Deutschland.
Die natürlichen Verkehrswege bilden von alters her die Elbe und die
Saale, dazu tritt das dichte Netz der Landstraßen und Eisenbahnen.
Jetzt durchschneiden eine Menge Eisenbahnlinien die Provinz in den verschie-
densten Richtungen; ihre Hauptknotenpunkte sind Stendal, Magdeburg, Halle. Die erste
Strecke wurde vor 50 Jahren (1839) zwischen Magdeburg und Schönebeck eröffnet. Es
giebt jetzt in der Provinz Sachsen 2077,25 km Eisenbahnen, also kommen bei 25249,97 qkm
Flächenraum 8,23 km auf 100 qkm Fläche und bei 2473533 Ew. 8,40 km aus 10000 Ew.,
während im Königreich Preußen, 6,72, im deutschen Reich 7,4 auf 100 qkm Fläche und
in elfterem 8,14, in letzterem 8,6 km auf 10000 Ew. fallen. Das Herzogtum Anhalt hat
247,57 km Eisenbahnen, also kommen bei 2347,35 qkm und 253959 Ew. 10,54 auf
100 qkm Fläche und 9,75 auf 10000 Ew.
Der Postverkehr wird geleitet von den Oberpostdirektionen zu Magdeburg (zu
der auch Anhalt gehört), Halle und Erfurt (die auch einen Teil der thüringischen Staaten
umfaßt).
In der Direktion Magdeburg kommt eine Postanstalt auf 27,4 qkm und 2444 Ew.;
eine Telegraphenanstalt aus 44,9 qkm und 3995 Ew.
In der Direktion Halle kommt eine Postanstalt auf 21,9 qkm und 2184 Ew.; eine
Telegraphenanstalt auf 46,2 qkm und 4615 Ew.
In der Direktion Erfurt kommt eine Postanstalt auf 24,2 qkm und 2441 Ew.; eine
Telegraphenanstalt auf 42 qkm und 4269 Ew.
4. Staatliche Einrichtungen.
A. Provinz Sachsen.
Die staatliche Verwaltung der Provinz wird geleitet vom Oberpräsidenten,
unter dem zunächst die Regierungspräsidenten die Leitung der Regierungsbezirke haben;
an der Spitze der Kreise stehen Landräte. Daneben Bezirksausschüsse und Kreisausschüsse.
Die nicht staatlichen Angelegenheiten (Straßenbau und Wohlthätigkeitsanstalten,
Kranken- und Erziehungswesen, wissenschaftliche Unternehmungen n. s. w.) werden vom
Provinzial-Landtag besorgt, der aus 116 Mitgliedern besteht. Dieser wählt den
Landesdirektor und den Provinzial-Ansschnß (15 Mitglieder). Die Altmark hat noch einen
eigenen Kommunal-Landtag zu Stendal.
Für die Rechtspflege sorgt das Oberlandesgericht zu Naumburg, Laudgerichte zu
2*
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T130: [Elbe Stadt Sachsen Provinz Saale Kreis Schlesien Elster Neiße Magdeburg], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T47: [Karte Lage Länge Breite Größe Meile Linie Ort Grenze Höhe]]
6 Landeskunde der Provinz Sachsen und des Herzogtums Anhalt.
(nach der Zählung vom Jahre 1885). Während der Größe nach also Sachsen
die 9. Stelle unter den preußischen Provinzen einnimmt, hat es seiner Ein-
wohnerzahl nach die 4. Stelle (Schlesien, Brandenburg mit Berlin und die
Rheinprovinz sind stärker bevölkert). Die Provinz, an deren Spitze ein Ober-
Präsident steht, zerfällt in die 3 R.-B. Magdeburg, Merseburg und Erfurt;
au der Spitze eines jeden steht ein Regiernngs-Präsident, die R.-B. zer-
fallen in Kreise unter der Verwaltung eines Landrats.
1. Der Regierungsbezirk Magdeburg hat! 11512,86 qkm mit
989716 Ew. — 859 auf 10 qkm — und zerfällt in 15 Kreise.
2 Der Regierungsbezirk Merseburg hat' 10207,06 qkm mit
1027228 Ew, — 1006 auf 10 qkm — und zerfällt in 17 Kreise.
3. Der Regierungsbezirk Erfurt hat! 3529,61 qkm mit 411379ew.
— 1166 auf 10 qkm — und zerfällt in 11 Greife.
Das Herzogtum Anhalt hatl 2294,36 qkm mit 248166 Ew. — 1080
auf 10 qkm —, übertrifft also die Provinz Sachsen sehr an Volksdichte. Es
zerfällt in 5 Kreise, an deren Spitze Kreisdirektoren stehen.
Ii. Landschaftskunde.
Die Provinz Sachsen ist von allen preußischen Provinzen die am meisten
zerrissene. Der nördliche Teil, welcher den R.-B. Magdeburg umfaßt, bildet
allerdings ein zusammenhängendes Ganze, aber er ist im S. durch das Her-
zogtum Anhalt vielfach eingezackt und hängt nur durch einen schmalen Streifen
(bei Aschersleben), der wiederum Anhalt in 2 große Teile scheidet, mit dem
R.-B. Merseburg zusammen. Ein Stück von Anhalt (Grafschaft Mühlingen)
liegt als Enklave^) im R.-B. Magdeburg, wogegen kleine preußische Gebietsteile
von Anhalt umschlossen sind. Auch eine Braunschweigische Enklave (Calvörde)
findet sich innerhalb dieses R.-B. Noch mehr fremde Gebietsteile umschließen
die beiden südlichen R.-B.: Teile von Weimar (Allstedt) und Schwarzburg-
Rudolstadt (Frankenhausen), sowie die Hauptmasse vou Schwarzburg-Souders-
hausen. Dafür liegen die Kreise Schleusiugeu und Ziegenrück gesondert weit
nach S. vorgeschoben.
Im W. werden die Provinz Sachsen und Anhalt vom Harz berührt.
Dieser ist ein in sich fest abgeschlossenes Massengebirge von etwa eiförmiger
Gestalt mit der größten Ausdehnung von N.w. nach S.o. (110 km); der
Querdurchmesser beträgt nur 30 km.
■sen, Jtappboile. Selke. mppra, jtusieoen.
Längsschnitt durch den Harz von Seesen bis Eisleben. (Nach R. Aßinann.)
Nach N.w. hin hat das Gebirge mehrere Vorstufen; es verflacht sich im
*) Exklave nennt man ein von der Hauptmasse eines Landes getrenntes, in einem
andern Staate liegendes Stück Land. Von jenem anderen Lande aus würde man es
als Enklave bezeichnen.
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T35: [Preußen Königreich Bayern Sachsen Staat Hannover Baden König Provinz Land], T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner]]
TM Hauptwörter (100): [T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe]]
TM Hauptwörter (200): [T130: [Elbe Stadt Sachsen Provinz Saale Kreis Schlesien Elster Neiße Magdeburg], T174: [Preußen Sachsen Hannover Holstein Provinz Königreich Staat Oldenburg Braunschweig Dänemark], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T14: [Gebirge Wald Teil Höhe Berg Harz Thüringer Bergland Gebirg Weser]]
Landschaftskunde.
7
S.o. nach der Saale, während der S.w. gegen das Thüringische Hügelland
:md der N.o. gegen das Tiefland scharf abgeschnitten sind. Das Gebirge bildet
ein großes Hochland, dessen obere Platte sich allmählich in seiner ganzen Län-
genausdehnung von N.w. nach S.o. sehr beträchtlich senkt. Dieser Umstand
hat die gewöhnliche Scheidung in Ober- und Unterharz herbeigeführt, in-
dem das Gebiet westlich vom Brocken dem Oberharz (Flußgebiet der Weser;
Nadelholz überwiegend), östlich davon dem Unterharz (Flußgebiet der Elbe)
zugerechnet wird. Hier überwiegt das Laubholz. In dieses Hochlaud sind die
Thäler der Bäche tief eingeschnitten, während gewaltige Berge auf demselben
emporragen. Am höchsten ist der Bro cken (Blocksberg), nahe dem Nordrande
mit 1141 m über dem Meeresspiegel über die Grenze des Baumwuchses auf-
steigend, der höchste Berg Mitteldeutschlands; er bildet mit einigen kleineren
Bergen eine besondere Gruppe. Der Ramberg (Viktorshöhe) ebenfalls im
Unterharz, 537 m, besteht wie der Brocken aus Granit, während sonst das Ge-
birge meist aus Grauwacke besteht. Auch der Auersberg (Josephshöhe) ist
ein Granitkegel von 575 in Höhe.
Überschreiten wir von dem S.o.-Abhänge des Harzes ans die fruchtbare
Thalebene der Helme, die goldene Aue, so kommen wir in das aus Trias
(Buntfandstein, Muschelkalk, Keuper) bestehende Thüringische Hügelland,
eine wellenförmige Senkung zwischen Harz und Thüringer Wald. Den nord-
westlichen Teil bildet die rauhe Hochplatte des Eichsfeldes, welches der
waldreiche Düu in einen nördlichen und einen südlichen Abschnitt zerlegt. Vom
Eichsfelde aus laufen 5 Höhenzüge mit einer Durchschnittshöhe von 162 bis
227 m, unter sich und mit dem Harz und Thüringer Walde parallel bis zur
Saale, welche bald eine festgeschlossene Kette bilden, bald nur einen losen
Zusammenhang haben und vielfach von Flüssen durchbrochen sind. Die be-
dentendsten dieser Züge sind der von Mühlhausen ausgehende, 470 in errei-
chende Hainich, der bei Erfurt der Steiger (345 rn) heißt. Die Hainleite
zwischen Wipper und Helbe, über 30 km lang und bis 461 m ansteigend,
nimmt nach dem Durchbruch der Unstrnt (Sachsenburger Pforte) den Namen
die Schmücke (326 m) an und heißt später die Finne (470 m) bis zur Saale
bei Naumburg. Der dem Harz am nächsten liegende Zug, die Windlaite, hat
feine höchste Erhebung im Kisfhäufer (470 m). Zwischen diesen Höhen-
zügen find Mulden und Becken, mit Lehm und humusreichem Schlamm bedeckt,
eingesenkt, von denen das thüringische Zentralbecken nördlich von Erfurt am
Zusammenfluß der Gera und Unstrnt das bedeutendste ist. Erfurt verdankt
der Lage in dieser weiten fruchtbaren Niederung zum großen Teil seine Be-
deutung als Hauptort von Thüringen. Außerdem sind noch besonders frucht-
bar die Unstrnt-Niederung bei Artern und die goldene Aue an der Helme.
In den S.o.-Zipfel der Provinz, den Kreis Zeitz, sendet das sächsische
Bergland seine letzten Ausläufer.
Das ganze Gebiet östlich der Saale und nördlich vom Harz gehört dem
Tieflande an, welches, wie der meist nach N.w. gerichtete Lauf der Flüsse
beweist, sich in dieser Richtung senkt. Aus diesem ragen nur vereinzelte kleine
Erhebungen hervor, wie die Porphyrfelfen an der Saale bei Halle (135 in),
die Höhen bei Wettin (174 m), am höchsten der Petersberg bei Halle (240 in
Seehöhe). Auf dem rechten Elbufer zieht ein Teil des Südlichen Land-
rückens, der rauhe i ud wasserarme Rücken des Flä-
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau]]
TM Hauptwörter (100): [T5: [Rhein Main Wald Thüringer Teil Schwarzwald Gebirge Neckar Saale Jura], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe]]
TM Hauptwörter (200): [T14: [Gebirge Wald Teil Höhe Berg Harz Thüringer Bergland Gebirg Weser], T96: [Stadt Thüringer Saale Schloß Wald Gotha Dorf Heidelberg Weimar Einw.], T95: [Gestein Schicht Wasser Boden Erde Granit Gebirge Masse Sand Teil]]
Allgemeines. — Staatsverfassung.
3
Das Großherzogliche Wappen enthält auf einem Hauptschilde
mit sechs Feldern für Norwegen, Schleswig, Holstein, Stormarn, Dith-
Marschen und Kniphausen einen Mittelschild mit fünf Feldern für die roten
oldenburgischen Balken auf goldenem Grunde oben links, das goldene
Delmenhorster 5treuz auf blauem Grunde oben rechts, das goldene Lübecker
Kreuz auf blauem Grunde mit darüber schwebender Bischofsmütze unten
links, das von Rot und Silber geschachte Wappen für Birkenfeld unten
rechts und auf der von unten eingepfropften Spitze den goldenen Jeverischen
Löwen auf blauem Grunde. Die Zentralbehörden des Großherzogtums
führen diesen Mittelschild des großen Wappens.
Die Staatsverwaltung wird unter dem Eroßherzog von einem dem
Landtage verantwortlichen Staatsministerium geleitet. Es umfaßt
folgende Ministerien: 1. des Großherzoglichen Hauses und der Auswärtigen
Angelegenheiten,- 2. des Innern; 3. der Justiz; 4. der Kirchen und Schulen;
5. der Finanzen. Es gibt aber nur drei Minister, dem Minister des Innern
sind auch die Ministerien des Großherzoglichen Hauses und der Auswärtigen
Angelegenheiten und dem Minister der Justiz das Ministerium der Kirchen
und Schulen übertragen. Das Finanzministerium verwaltet auch das
Eisenbahnwesen, den Hochbau im Herzogtum Oldenburg, das Forstwesen,
die Domänen und das Vermessungs- und Katasterwesen. Die drei Minister
bilden mit Sitz und Stimme das Gesamtministerium, dem eine Reihe von
Angelegenheiten übertragen ist, worüber die einzelnen Minister nicht selb-
ständig entscheiden können. Unter dem Gesamtministerium stehen die
Verwaltungsgerichte und das Oberverwaltungsgericht.
Der Landtag hat nur eine Kammer und ist als die gesetzliche Ver-
tretung aller Staatsbürger des Großherzogtums berufen, ihre auf der
Verfassung beruhenden Rechte geltend zu machen, an der Gesetzgebung
mitzuwirken, die Steuern zu bewilligen und den Staatshaushalt fest-
zustellen. Er hat das Recht, über alle Staatsangelegenheiten von der
Regierung Auskunft zu begehren. Dem Großherzog bleibt das volle Veto
gewahrt, er ernennt und entläßt die Minister nach freiem Ermessen. Fürst
und Volk sind aufeinander angewiesen, ohne ihre Einigung entsteht kein
Gesetz. Der Landtag wird jährlich auf Grund allgemeiner, unmittelbarer
und geheimer Wahlen berufen, er hat jetzt 45 Abgeordnete. Wahlberechtigt
und wählbar ist jeder Deutsche, der zur Zeit der Wahl das 25. Lebensjahr
vollendet hat und seit mindestens drei Jahren im Großherzogtum wohnt.
Wer 40 Jahre alt ist, hat bei der Ausübung des Wahlrechtes zwei Stimmen.
Die Wahl erfolgt für fünf Jahre in 29 Wahlkreisen, deren Abgrenzung alle
20 ^ahre geprüft werden muß. Die Abgeordneten erhalten die Reisekosten
erstattet und beziehen Tagegelder.
Für die allgemeinen Landesausgaben besteht eine Zentralkasse,
wozu die drei Landesteile in bestimmtem Verhältnis ihre Beiträge zu zahlen
haben. Sonst geht die Finanzverwaltung der Landesteile eigene Wege.
Die Rechtspflege ist durch Reichsgesetz geregelt. Das Reichsgericht
in Leipzig ist die Spitze des Rechtszuges. Das Oberlandesgericht in Olden-
bürg steht unter Aufsicht des Staatsministeriums und ist zugleich vor-
gesetzte Dienstbehörde für das Landgericht und die Amtsgerichte. Das
1*
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau]]
TM Hauptwörter (200): [T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T169: [Hand Kreuz König Krone Schwert Zeichen Haupt Gold Mantel Kaiser], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen]]
Bodennutzung.
15
weniger als 10 bis 12 ha. In den Moorkolonien ist die Vorderlage am
Kanal besonders wertvoll.
Durch private und staatliche Bestrebungen ist das unbebaute Land
stark zurückgegangen: von 205672 ha im Jahre 1892 auf 169944 ha im
Jahre 1910. Es sind also in dieser Zeit 35728 ha neues Land gewonnen
worden, und daran Hat den größten Anteil die private Kultivierungs-
tätigfett, die während der letzten Jahre noch gesteigert wurde. Vor dem
Ausbruch des Krieges wurde berechnet, daß bei gleichem Fortgang dieser
friedlichen Tätigkeit etwa in 25 bis 30 Jahren die Odländereien Oldenburgs
kultiviert sein würden. Es sind noch etwa 90000 ha Hochmoor, davon
70000 kulturfähig, vorhanden, und etwa 25000 ha Grünlandmoor, das
sämtlich kulturfähig ist; für die innere Kolonisation kommen also 95000 ha
Moor in Frage. Da sie in Oldenburg hauptsächlich auf Viehzucht beruht,
so trägt sie an ihrem Teile dazu bei, unser Vaterland im Kriege von der
Einfuhr unabhängig zu machen.
Die Forstkultur hat sich gleichfalls unter sorgfältiger Pflege des
Staates gehoben. Die Aufforstung und Wiederbeforstung abgeholzter
Grundstücke geht zum Teil in ganz erheblichem Umfange vor sich. All-
jährlich werden vom Staate ausgedehnte Heideflächen mit dem Dampf-
pflüg bearbeitet. Privatforsten nehmen immer mehr ab, besonders weil
die zu Grubenholz geeigneten Bestände abgeholzt und nicht wieder auf-
geforstet werden; denn die landwirtschaftliche Benutzung bringt dem kleinen
Besitzer viel mehr ein. Schöne Waldungen in allen vier Oberförstereien
Varel, Oldenburg, Delmenhorst und Cloppenburg geben dem Landschasts-
bilde der Geest ihren eigenartigen Reiz. In den Marschen ist für Waldungen
kein Raum. Die Fläche der Staatsforsten hat sich von 8236 ha im Jahre 1852
auf 16940 ha im Jahre 1910 gehoben; hiervon fallen auf die Oberförsterei
Cloppenburg allein 6978 ha. Am meisten werden Kiefern gepflanzt, außer-
dem andere Nadelholzarten, aber auch Eichen, Birken, Ellern, Weiden,
Pappeln und Haseln x.
Die Bedeutung der oldenburgischen Viehzucht und ihre hohe Blüte
ist in Deutschland und im Auslande, namentlich in Osterreich, zur all-
gemeinen Anerkennung gelangt. Dazu hat die lebhafte Beteiligung an
Ausstellungen und Tierschauen erheblich beigetragen. Das oldenburgische
Vieh ist kräftig gebaut und abgehärtet, weil es von Jugend auf vom März
bis spät im November auf den herrlichen Weiden jedem Wetter Trotz zu
bieten gewöhnt ist. Das oldenburgische Pferd insbesondere ist wegen
seines ruhigen, stetigen Ganges und seines gutmütigen Temperamentes
zum Wagenpferde vorzüglich geeignet. Es gibt bei uns keine staatlichen
Hengstaufzuchtstationen, aber es werden von Staats wegen jährlich er-
hebliche Summen für die Landespferdezucht ausgesetzt. Die Eroßherzog-
liche Körungskommission überwacht die Fortpflanzung und Veredelung
des Schlages und verleiht für vorzügliche Pferde jährlich hohe staatliche
Prämien. Seit 1897 ist das Herzogtum in ein nördliches und ein südliches
Zuchtgebiet geteilt; auf der Geest bringt man der Pferdezucht von Jahr
zu ^ahr mehr Interesse entgegen. Die Körung der Hengste findet all-
* Heimatkunde des Herzogtums Oldenburg Ii, S. 262 ff.
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T38: [Weser Elbe Hannover Land Stadt Lüneburg Leine Nordsee Aller Bremen], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne]]
Vorbemerkungen zur vierten Auflage.
Die Vorbereitung der neuen Auflage der Landeskunde des Groß-
Herzogtums Oldenburg war fast ganz abgeschlossen, als der Krieg ausbrach.
Die Verhältnisse unseres Landes werden daher so dargestellt, wie sie sich
bis dahin in der Friedenszeit, die wie ein schöner Traum hinter uns liegt,
entwickelt hatten. In den Vordergrund wurde die natürliche Beschaffenheit
des Landes gestellt und die Ortskunde unmittelbar an die Bodengliederung
und Bewässerung angeschlossen. Eine ausführliche tabellarische Übersicht
läßt die Verwaltungsbezirke und die Ortschaften erkennen. Die Zeittafel
zur oldenburgischen Geschichte wird durch einen kurzen Überblick über die
geschichtliche Entwicklung ergänzt und erläutert.
Oldenburg, Ostern 1915. Der Verfasser.
Vorbemerkungen des Verlegers.
Die Band- und Heftausgaben der E.von Seydlitz'schen Geographie
sind bisher in rund 3 V? Millionen Exemplaren verbreitet worden; sie sind
auch vielfach in den Schulen des Großherzogtums Oldenburg eingeführt.
Den Herren Direktoren und Fachlehrern, sowie den Schuloorsteherinnen
und Fachlehrerinnen, die den „Seydlitz" wegen etwaiger Einführung zu
prüfen wünschen, stelle ich gern ein Exemplar der in Betracht kommen-
den Ausgabe nebst der Landeskunde unberechnet zur Verfügung. Ich
bitte aber darum, bezügliche Wünsche unter Angabe der Schulgattung ent-
sprechend zu begründen, damit Verzögerungen durch Rückfragen vermieden
werden. Für welche Anstalten die verschiedenen Ausgaben der Seydlitz'schen
Geographie bestimmt sind, wolle man aus der Übersicht auf der vierten
Umschlagseite ersehen.
~ slau, Ostern 1918. Ferdinand Hirt.
Alle Rechte vorbehalten!
Landeskunde wird auf Verlangen mit den Ausgaben A und B des „Seydlitz",
co llbearbeitungen von Tronnier bzw. Rohr mann die Behandlung des Stoffes
haftlichem Prinzip durchgeführt wurde, gegen entsprechenden Preisausschlag
gebunden geliefert.
Ausgabe A (Seydlitz-O eh lmann, 24.Bearbeitung)
Ausgabe A (Seydlitz-Tronnier, 26. Bearbeitung)
Ausgabe B (Seydlitz-Oehlmann, 22. Bearbeitung)
Ausgabe B (Seydlitz-Rohrmann, 24. Bearbeitung)
Einzelpreis dieser Landeskunde kartoniert 1.— M.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T174: [Preußen Sachsen Hannover Holstein Provinz Königreich Staat Oldenburg Braunschweig Dänemark], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution]]
Extrahierte Personennamen: Ferdinand_Hirt Ferdinand
2
Das Erzherzogtum Oldenburg.
Nikolaus Friedrich Wilhelm, ist am 10. August 1897 geboren. Das Herzog-
tum Oldenburg, 5380 qkm, 390000 Einwohner, 73 auf 1 qkm, um-
faßt das Stammland, die Grafschaft Oldenburg-Delmenhorst, das Münster-
land, das Amt Wildeshausen, Stadland-Butjadingen und Jeverland. Es
gehört dem norddeutschen Flachland an und reicht von den Dammer Bergen
bis zum Vorland an den Deichen, dem sogenannten Grodenland, mit der
Insel Wangeroog. Die Bodenformen sind die Geest, das etwas höher
gelegene Hügelland, das Moor und die Marschen, das Tiefland vom
Rand der Geest bis zu den Deichen. Das Fürstentum Lübeck, 540 qkm,
41000 Einwohner, 76 auf 1 qkm, gehört gleichfalls dem norddeutschen
Flachland an und liegt an der Ostsee. Es ist in seiner Entwicklung vielfach
von der Freien und Hansestadt Lübeck beeinflußt worden wie das Herzog-
tum Oldenburg von Bremen. Mehrere Höhenrücken durchziehen als Wasser-
scheiden das von zahlreichen Seen erfüllte Land. Das Fürstentum
Birtenfeld, 500 qkm, 50000 Einwohner, 100 auf 1 qkm, liegt an der
Nahe, in die zahlreiche Gebirgsbäche münden, und am Südostabhange des
Hunsrücks. Die Provinzen Rheinland, Schleswig-Holstein und Hannover
umschließen die drei Teile des Großherzogtums Oldenburg. Der Reichs-
kriegshafen Wilhelmshaven liegt auf ursprünglich oldenburgischem Gebiet,
das vor sechzig Jahren an Preußen abgetreten worden ist.
Die Staatsverfassung. Oldenburg hat das Glück, zum Deutschen
Reiche zu gehören, an das der Großherzog wesentliche Bestandteile seiner
Landeshoheit abgetreten hat. Was er so verlor, wurde seinem Staate
durch Sitz und Stimme im Bundesrat und im Reichstag wieder ersetzt.
Im Bundesrat, der Vertretung der Regierungen, hat der Eroßherzog
unter 61 eine Stimme, in den Reichstag wählt das Volk von 397 drei Ab-
geordnete. Die Residenzstadt Oldenburg ist der Sitz einer Oberpost-
direktion, die außer dem Herzogtum Oldenburg die Regierungsbezirke
Osnabrück und Aurich umfaßt. Der Kaiser ist der oberste Kriegsherr zu
Wasser und zu Lande. Nach der Militärkonvention zwischen Preußen und
Oldenburg sind die früheren oldenburgischen Truppen in das preußische
Heer, und zwar in das X. Armeekorps, dessen Generalkommando seinen
Sitz in Hannover hat, eingereiht. Die Wehrpflichtigen, die aus dem Herzog-
tum Oldenburg stammen, werden in die in Oldenburg stehenden Truppen-
teile eingestellt, abgesehen von dem für Jäger, Festungsartillerie, Pioniere,
Train und Kriegsmarine erforderlichen Anteil. Die Fürstentümer sind als
Aushebungsbezirke einem preußischen Regierungsbezirke zugelegt worden.
Der Großherzog steht zu den Truppen im Verhältnis eines kommandieren-
den Generals und hat die freie Verfügung über die im Großherzogtum
verteilten Buudestruppen zu Zwecken des inneren Dienstes. In Olden-
bürg stehen: der Stab und die Landwehrbezirkskommandos I und Ii der
37. Infanterie-Brigade, das Oldenburgische Jnfanterie-Regiment Nr. 91,
dessen Chef der Großherzog ist, das Oldenburgische Dragoner-Regiment
Nr. 19, dessen Chef gleichfalls der Großherzog ist, und der Stab und die
I. Abteilung des Ostfriesischen Feldartillerie-Regiments Nr. 62; die Ii. Ab-
teilung steht in Osnabrück. In Eutin steht das 3. Bataillon des Infanterie-
Regiments Nr. 162.
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T35: [Preußen Königreich Bayern Sachsen Staat Hannover Baden König Provinz Land], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
TM Hauptwörter (100): [T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland]]
TM Hauptwörter (200): [T174: [Preußen Sachsen Hannover Holstein Provinz Königreich Staat Oldenburg Braunschweig Dänemark], T60: [Mann Heer Jahr Offizier Soldat Landwehr Truppe Krieg Armee Regiment], T38: [Weser Elbe Hannover Land Stadt Lüneburg Leine Nordsee Aller Bremen], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch]]
Extrahierte Personennamen: Nikolaus Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm August Dammer
Bodengliederung und Besiedelung. — Die Marschen.
33
Die Marschen.
Wer von der welligen, bewaldeten, an Feldsteinen reichen Geest in
die Marsch hinabsteigt, glaubt in eine andere Welt versetzt zu sein. Das
überaus fruchtbare, ebene, steinlose Land wird von schnurgeraden Blinker-
straßen durchzogen. Wälder finden sich nicht; kleine Bestände, wie bei
Ostiem im Jeverlande, kommen nicht in Frage. Von Busch- und Baum-
beständen umgeben, liegen die Dörfer und die zahlreichen Einzelgehöfte
weithin zerstreut zwischen Ackerland und Fettweiden. Als es noch keine
Deiche gab, schützte sich die Bevölkerung durch künstliche Erdhügel, die
aus dem Stteiboden aufgeschüttet waren und Wurten genannt werden.
Manche alte Dörfer liegen auf solchen Erhöhungen. Die Einzelwurten
sind noch zahlreich in Ieverland und Butjadingen vorhanden, aber
nicht mehr bewohnt. Man unterscheidet Hunte-, Weser- und See-
marschen. Der Boden der Marsch ist verschieden. In der Nähe der
großen Randmoore liegt das Brokland (brok, brüchig, sumpfig) mit ge-
ringer Kleischicht und minder fruchtbar. Darauf folgt die eigentliche Marsch
nicht ohne Moorstrecken, wie zwischen Oldenbrok und Schweiburg; sie reicht
bis zu den Außendeichen. Die Groden, in Ostfriesland Polder genannt»
sind das neueingedeichte Land und das Land an der Außenseite der Deiche,
das von höheren Fluten überströmt wird, aber für die Landwirtschaft ver-
wendbar ist; denn der Andel (Seerispengras) ist ein gutes Viehfutter. Der
Marschboden besteht aus dem bläulichen Klet, der im wesentlichen dem
verwitterten Schiefer unseres Mittelgebirges entstammt. Der Knick ist
eine harte, eisenhaltige und deshalb unfruchtbare Erde, die bisweilen nahe
an der Oberfläche liegt. Hier bringt man durch das Wühlen die darunter-
liegende fruchtbare, kalkhaltige Wühlerde, den Mergel, nach oben. Die
Seemarschen haben den fruchtbareren Boden, aber auch den größeren
Mangel an Süßwasser.
Die Marschen liegen im allgemeinen nur 4,60 m, weniger oder etwas
mehr, über der Fedderwarder Horizontale (Fh). Da nun das mittlere
Niedrigwasser 1,30 über Fh (südlicher Jadebusen) eintritt und der Unter-
schied zwischen Niedrig- und Hochwasser, der sogenannte Tidenhub, in
der Regel etwa 3,40 m, bei Schillighörn 3,05 m, Wilhelmshaven 3,59 m,
Fedderwardersiel 3,34 m, Bremerhaven 3,31 m beträgt, das Wasser also
etwa 4,70 m erreicht, so wären die Marschgebiete zum größten Teil
ohne die Deiche vor Überschwemmung durch das mittlere
Hochwasser nicht gesichert. Höchste Sturmfluten, die das Doppelte,
wie 1511, 1717, 1825, 1906, ja bis 8,80 in über Fh stiegen, würden alles
Marschland und die niedrigeren Striche der Geest unter Wasser setzen,
wenn der Deichring nicht schützte*. Die Deiche sind sehr kostspielige Wälle,
zum Teil von bedeutender Höhe; wo die Gefahr am größten ist, steigt ihre
Kappe über 10 m Fh. Während die Innenseite sich steiler aus der Marsch
* Vgl. Krüger, W., Das Seegebiet Oldenburgs. Heimatkunde des Herzoa-
tums Oldenburg I, S. 89.
Rilthning, Landeskunde von Oldenburg. 4. Aufl. <Unv. Ndr.) Z
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8
Das Herzogtum Oldenburg.
fruchtbaren Niederlande der Marsch ab, die am Eeestrand in der Regel
etwas tiefer als nach der Weser und der See zu liegt. Dem Bruchland
mit einem dünnen Überzug von ftlet folgen in der Marsch die Fettroeiden
und die ertragreichen Acker des Kleibodens bis zu dem kunstvollen Bau der
vor den Hochfluten schützenden Deiche.
Der Boden des Herzogtums gehört der jüngsten Erdperiode an: das Diluvium
bildete die Geest, das Alluvium das Schwemmland der Marsch und der Moore. Als
die großen Meere des Mittelalters der Erde (Trias, Jura, Kreide) zurückgegangen
waren und nach der Tertiärzeit die Verteilung der Festländer und Meere sich ihrem
heutigen Zustande genähert hatte, begann durch eine Wärmeabnahme von 3 bis 4 Grad
eine allmähliche Vereisung ganz Nordeuropas. Über Skandinavien türmten sich
ungeheure Eismassen auf, ausgebreitete Gletscher durchpflügten das Gebiet der Ost-
see, die noch ganz flach, möglicherweise gar nicht vorhanden war, und setzten ihren
Weg im wesentlichen in südlicher und südwestlicher Richtuug in das norddeutsche Flach-
land fort. Starke Schmelzwasser, die den Gletschern entströmten, stießen Massen von
Kies, Mergel, Sand und Ton vor sich her. Das heranflutende Eis brachte aus weiter
Ferne eine große Fülle von Verwitterungsschutt teils als Jnnenmoräne, teils als
Grundmoräne mit. Und als die Gletscher langsam abschmolzen, blieb der Schutt zurück
und überdeckte das Land. Am Rande des abschmelzenden Eises entlang wurden nun
von großen Strömen im Gebiete des norddeutschen Flachlandes zahlreiche Urstrom-
täler tief ausgefurcht, und die Oberfläche gewann allmählich ihre heutige Gestalt. Ob
nach der Hauptvereisung noch mehrere Eiszeiten mit wärmeren Zwischeneiszeiten,
oder ob nur eine Eiszeit mit Schwankungen und verhältnismäßig kleinen Vorstößen und
Rückzügen der Eiszungen stattgefunden haben, darüber streiten sich noch die Gelehrten.
Die oldenburgische Geest ist die Schöpfung eiuer Vereisung, eine zweite ist
nicht nachgewiesen. Das Inlandeis, welches dem Herzogtum sein Geschiebematerial,
das heißt stellenweise zu mächtigen Lagern aufgehäufte Tonmassen mit vielen ein-
geschlossenen Blöcken von Granit, Gneis, Porphyr, Sandstein von kantiger Form,
und Gerölle, die von den Gletschermassen gerundet waren, zuführte, nahm von Jemt-
land und Dalarne in Schweden seinen Ausgang und folgte eine Strecke der Seuke
der Ostsee. Dann betrat es Schweden wieder, ohne Bornholm zu berühren, und
setzte über Schonen in südwestlicher Richtimg den Weg nach dem Westen des nord-
europäischen Flachlandes fort. Nach dem Rückgang des Eises kam die wellige Oberfläche
der Geest mit Flußbetten und Seenbecken als ein Werk des Inlandeises und der Aus-
spüluug großer Gewässer deutlich zutage, und die Winde trieben darauf mit dem Flug-
fand ihr Spiel und häuften ihn zu Inlanddünen wie die Osenbergs auf. Em Urstrom-
tal der Hunte zog nordwärts in beträchtlicher Breite zwischen Goldenstedt und Koln-
rode bis Wildeshausen und Oldenburg zur Urweser. Ein Urstromtal von der Weser
durch die Hunte-Leda-Senke ist nicht nachzuweisen, wohl aber entwickelte sich am Rande
des zurückweichenden Eises die Urweser, die durch das Allerbett uüt dem großen Glogau-
Spreewald-Oder-Urstromtal im Zusammenhange stand. Sie riß sich in dem Diluvium
eine weite Bahn mit vielfach gegliedertem, zackigem Rande. Der jetzige Strom im
Verhältnis zu seiner einstigen Riesengröße ist mit der Maus im Käfig des entronnenen
Löwen verglichen worden
Erst nach dem Verschwinden des Inlandeises bildete sich das Alluvium. Das
Moor ist die Ablagerung abgestorbener Pflanzenreste, die nicht völlig zersetzt sind,
weil sie durch dauernde Feuchtigkeit der Einwirkung des Sauerstoffes der Luft ent-
zogen sind. Man unterscheidet nach ihrer Lage zur mittleren Höhe des Grundwasser-
spiegels ihrer Umgebung Hochmoore und Niederungsmoore. Die Niederungsmoore
entstehen auf dem Grunde stehender oder sehr langsam fließender Gewässer, sind stets
eben und oft schwankend und erreichen an der Oberfläche des Wassers die Grenze
ihres Wachstums. Als Grünlands- oder Wiesenmoore werden sie zur Grasernte be-
nutzt. Die Hochmoore bilden sich über dem Grundwasserstande auf undurchlässigem
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Bodennutzung.
13
Diele, die nur als Einfahrt und Arbeitsstätte, nicht aber als Aufenthaltsort
dient. Der Berg ist von Jeverland nach Butjadingen gekommen, hat in
den Wesermarschen vielfach das sächsische Hans verdrängt und dringt auch
in die Geest ein. Das friesische Haus ist wie das sächsische ein Einbau,
aber schlichter, ohne besondere Schönheit der Durchbildung im einzelnen.
Dieser Unterschied tritt auch in den Ortsbildern hervor: mährend es im
sächsischen Gebiete an malerischen, reizvoll gebildeten Ecken und Winkeln
nicht fehlt, fällt in Friesland die Nüchternheit auf.
Die Bodennutzung. Im Herzogtum Oldenburg sind Handel und Industrie
im letzten Jahrzehnt zu hoher Blüte gelangt und haben in der Zahl der
Berufszugehörigen die Landwirtschaft und verwandte Berufsarten
überflügelt. Aber der wichtigste Zweig der Volkswirtschaft bleibt doch
die Landwirtschaft; sie hat sich in mancher Hinsicht glänzend entwickelt
und erheblich größere Werte als früher hervorgebracht. Daran hat der
südliche Teil des Herzogtums, das Münsterland, einen erfreulichen Anteil 1.
Besonders nachdrücklich sind aus Moor und Ödland neue Anbauflächen
herangezogen und kultiviert worden. Da der Getreide-, Hackfrucht-
und Futterbau gesteigert sind und viele Wiesen und Dauerweiden an-
gelegt wurden, so nimmt das Herzogtum an der Sicherstellung der heimischen
Getreideernte, besonders aber an der brennenden Frage der Fleisch-
Versorgung hervorragenden Anteil. Besonders die Wiesen sind ständig ver-
mehrt, seit 1906 im ganzen 10000 ha durch umfangreiche Neukulturen,
vor allem im südlichen Herzogtum, im Ammerlande und in einem Teile
des Amtes Varel, gewonnen worden. Der Weizenbau beschränkt sich
fast ganz auf die Marschen und nimmt im ganzen eine geringe Anbau-
fläche ein, während die Hauptfrucht des Herzogtums der Winterroggen
bleibt, dessen Anbaufläche ständig ganz erheblich steigt und sich folgender-
maßen verteilt: auf die südlichen Amter Vechta und Cloppenburg kommen
volle 50%, auf die übrigen Amter erheblich weniger: auf Wildeshausen
8,8%, Delmenhorst 8,i%, Oldenburg und Westerstede je 6,s %, Fries-
oythe und Varel je 6 %, auf die übrigen Amter des nördlichen Herzog-
tums zusammen nur etwa 8%, Am wenigsten wird Gerste gebaut, weil
sie an Boden und Klima zu hohe Ansprüche stellt. Die Wintergerste be-
schränkt sich völlig auf die Marschen in Jeverland und Butjadingen. Nächst
dem Roggen nimmt der Hafer die größte Anbaufläche ein; er gewinnt
ununterbrochen an Ausdehnung, besonders wo, wie im Münsterlande
und auch im Amte Varel, viel Ödland der Kultur erschlossen wird. Kar-
toffeln werden in ständiger Zunahme hauptsächlich nur für den eigenen
Bedarf für Speise- und Futterzwecke gebaut. Mit der Zunahme der Vieh-
Haltung hängt die Steigerung des Anbaus von Klee zusammen, während
infolge der Öolandkultur der Buchweizenbau ständig zurückgeht. Auch
die Heide verschwindet immer mehr, und bald wird die Heidschnucke zu
den Seltenheiten gehören.
Auf der Geest überwiegt der Ackerbau, so sehr auch der Wiesenbestand
zugenommen hat. In Jeverland überwiegt das Weideland, der Ackerbau
1 Bericht der Landwirtschaftskammer für das Herzogtum Oldenburg über den
Zeitraum 1906/12, S. 243ff. Oldenburg 1914.
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