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21. Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild - S. 213

1912 - München : Kellerer
Aufnahme von Abfällen im Rucksack unterbringen kann. In der Klasse gibt es ja einen Korb, der sich für solche Zwecke eignet und auf der Straße zu essen ist wohl nicht nötig. Ich glaube nicht Hungers sterben zu müssen, wenn ich warte bis ich daheim bin. Ans Wiedersehen morgen! Großmütterchens Krankenbild wird Dir noch tieferen Eindruck macheu als der Brief Deines Vetters Bruno. Anmerkung. Der in dem Briefe erzählte Unglücksfall beruht auf Wahrheit. t3eorg-Eckert-lnstitut für iritcr: Z onale Schulbuchforschung Brau~c:I>y/3ig Schulbuchoibliothek

22. Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild - S. 7

1912 - München : Kellerer
— 7 — war krank und traurig vor Heimweh. So hängt mein kleines Herz an dir, drum schaffe mir ein behagliches Vogeldasein in deiner und meiner Heimat. Bitte, bitte, mein Kind!" „Tschilp, tschilp, langweiliger Stubenhocker," schelten die Spatzen und ziehen eine Straße weiter. Wieder lockt ihr Zirp, Zirp, und der, dem diesmal ihr Ruf gilt, wie gerne folgte er ihm! Doch wehe, sein Häuslein ist ihm ein grausamer Kerker. Wohl hat ihn seine kleine Herrin ans Fenster getragen, damit auch er teilhabe an Luft und Licht. Aber das Türchen ist geschlossen und Decke und Wände sind ein festes Gitter. Ruhelos flattert der arme Zeisig hin und her, wieder und immer wieder hängt er sich an die Stäbe. Umsonst! Keine Lücke öffnet sich, damit er in die ersehnte Freiheit entfliehen kann. Die selige Freiheit! Er hat sie einst gekannt. Seine Wiege war das Nestlein im hohen Baum, ein weiter Garten seine Heimat. Dort trugen ihm treue Eltern die erste Nahrung zu; dort lernte er die kleinen Flügel regen. Wie war sein Leben schön, bis er sich von der Leimrute des schlauen Vogelstellers betören ließ. Horch! Leise, ängstlich tönt des Vögleins Stimmchen. Annie tritt zu ihm ans Fenster. Versteht sie sein Flehen? „Bitte, bitte, mein Kind, öffne mein Gefängnis. Sieh, der Frühling befreit das Wasser vom Eise, er bringt die Schwalben wieder, er weckt Laub und Blüten und Blumen. Er ruft auch dich zu heiterm Spiel aus dem dumpfen Hans. Hilf mir, damit auch ich mich freuen kann! Ich will dir's danken mit fröhlichem Lied, mit emsiger Jagd. Erlöse mich von dem bitteren Heimweh, laß mich frei, laß mich in meine grüne Heimat! Bitte, bitte, mein Kind!" „Tschilp, tschilp, du wilder Grobian du!" Schimpfend und erschreckt stiebt das graue Spatzenvolk auseinander. Freund Spitz ist der Störenfried. Sein junger Gebieter' eilt zu den Genossen auf den Spielplatz und Bello ist sein unzertrennlicher Begleiter, bis der Abend den Knaben nach Hause treibt. Dann trottet auch der Hund wieder mit, denn Brunos Vaterhaus ist auch seine Heimat. In des Vetters Stall kam der Spitz zur Welt und erst wenige Wochen war er alt, als Bruno ihn mitnahm, ein lebendiges Ferienandenken. Nun ist er ein Familienglied geworden, das mit freudigem Gebell jeden Heim- kehrenden begrüßt, das zu betteln und zu danken weiß mit Blick, mit beweglicher Pfote und wedelndem Schweif, das jedes Wort versteht und auf seine Weise beantwortet, mit den Menschen vertraut und bei den Menschen daheim ist. Bruno und Bello

23. Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild - S. 9

1912 - München : Kellerer
— 9 — stauben pflückst. Laß mich frei! Du glücklicher Knabe weißt nicht, wie das Heimweh quält! Schenke mir wieder mein wonniges Leben in der Heimat! Bitte, bitte, mein Kind!" 6. Das Vaterhaus, die engste Heimat. „So, so, daheim bei uns," sprach langsam und bedächtig der Vetter Jürgen seinem Brudersohne nach, „daheim bei euch? Was wißt denn ihr Stadtleute von einem Daheim? Gehört euch auch nur ein Fleckchen Boden so groß wie eure Schuhsohle zu eigen? Alles nur für kurze Zeit gemietet, schnell verändert und schnell vergessen. Das könnte mir nicht passen. Freilich, dein Vater hat schon als Bube so was Besonderbares gehabt, saß lieber hinter einem Buch vom Herrn Lehrer und vom Herrn Pfarrer, als daß er mit dem Pflug ging, wollte durchaus zur Studi. Vornehmer mag ja so ein Gstudierter sein, aber lieber ist mir's, wie ich es mir eingerichtet habe. So herumwandern von einer Stadt in die andere, wo man eben angestellt wird, in einem Haus mit einer Menge wildfremder Leute — nein, das wäre nichts für mich. Schau um dich, Bub! Da auf dem Fleck Erde bin ich der Herr. Was ich schaffe, was ich pflanze, was ich baue, für mich ist's, und so Gott will, soll's mein Ältester einmal übernehmen, wie ich's vom Vater und der vom Großvater bekam, wie sich's fortgeerbt hat von Ahnen und Urahnen her." Beinahe ängstlich schaute Rudolf den Vetter an, der seine Rede wohl etwas barsch herausgepoltert hatte." Na, laß gut sein," begütigte ihn der, „ist er auch anders wie wir, so sind wir doch von einem Stamm, in einem Hans geboren und aufgewachsen und unser altes Haus ist ihm immer uoch lieb, wie jedem braven Mann Vaterhans und Heimaterde feilt muß." „Das weiß ich," atmete Rudolf erleichtert auf, „Vater hat mir viel erzählt und gelt, Vetter, du zeigst mir alles, wo ihr als heilige drei Könige gegangen seid und wo ihr am Hirtenfeuer die Kartoffeln gebraten habt und wo du einmal von Holderbauers Apfelbaum....." „Ja freilich alles," unterbrach ihn der Vetter, „aber unsere dummen Streiche hätte dir dein Vater verschweigen können. Tut nichts, sollst alles sehen und bin ich nicht mit, da der Große, der Sepp, der weiß es ebensogut." Voll Stolz stand des Vetters Erst- geborener da, stolz auf den stattlichen Hof, stolz auf die Aus- ficht, einst da schalten zu dürfen, wo eine Reihe ehrenwerter Männer vor ihm gewaltet. Mit leuchtenden Augen nahm er

24. Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild - S. 24

1912 - München : Kellerer
— 24 — Waffen Gebrauch zu machen. Zur Zeit allerdings ist es weniger geneigt, Freundschaft zu halten. Die Liebe zu seinen Jungen hat es mißtrauisch gemacht und wehe, wenn sich ihnen ein Fremdes in unfreundlicher Absicht oder nur in unvorsichtig rascher Weise näherte. Der Frevler dürfte heilfroh sein, entkäme er der zorn- entbrannten Mutter nur mit zerkratzter Haut ohne wesentlichere Verletzungen. Der Vater, ein prächtiger Kater von tiefschwarzer Farbe, größer und kräftiger als seine Frau, ist bereits auf Raub ausgegangen, Sorge und Wacht in der Kinderstube der Mutter überlassend. „Wäre es nicht Zeit, Taufe zu halten?" meinte das kleinste Haustöchterlein. Mit einem leckeren Schmaus, einem Schüssel- chen Milch, darin etliche Kuchenbrocken eingeweicht, näherte es sich behutsam, von der Alten zurückhaltend aber nicht unfreund- lich empfangen. Entzückt sah das Mädchen die kleinen, drolligen Dingerchen und der lächelnde, rote Kindermund sprach sein Schulverschen: , Kätzchen, nun müßt ihr auch Namen haben, jedes nach seiner Kunst und Gaben, Sammetfell heiß ich dich, jenes dort Leiseschlich, dieses da Fangemaus, aber dich Töpfchenaus. Sammetfell war wohl das schönste von allen jungen Kätz- chen. Tiefschwarz das Fell wie beim Vater, aber die Stirn zierte ein weißer Fleck und die Pfoten schienen in weißen Schuhen zu stecken. Jedes Härchen vom Kopf bis zum Fuß war tadellos zurecht geleckt. Und „wie die Alten fungen, so zwit- schern die Jungen" muß hier heißen: Wie Miezchen jedem Schmutz, jeder Nässe aus dem Wege geht, wird auch Sammet- fells Röckchen immer wie geleckt aussehen und hinter üblen Gerüchen vermutet es wohl auch allerlei Unsauberes und weicht ihnen aus. „Stubenrein" müssen es freilich feine Besitzer ziehen. Aber im Freien hält es nach Mntters Beispiel selbst Ordnung und verscharrt seinen Kot sorgfältig in selbstgegrabenen Ver- tiefungen. Auch die Geschwisterchen sind hübsch genug, um sich neben ihren bräunlichen, weißen und scheckigen Brüdern und Schwestern sehen lassen zu können. Eben kommt Leiseschlich dem Mädchen näher. Den an der Spitze dünneren Schwanz, der später lang und kräftig beim Springen und Fallen als Steuer dient, zieht es noch

25. Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild - S. 135

1912 - München : Kellerer
— 135 — von der eigentümlichen Hufbildung gesehen um genau zu der- stehen, als der Herr Lehrer erklärte, daß das Pferd nur mit der Spitze einer Zehe, der dritten, auftritt. Das letzte Glied ist so ausgebildet, daß es von einem Hornschnh umschlossen, eine große Unterstützungsfläche gibt. Doch berührt den Boden nur der Rand, dessen Härte ihn vor Abnützung schützt und eine weiche Hornfalte, die sich von hinten nach vorn durch die ausgehöhlte Sohle zieht. Diese Falte dient als weiches Polster, das die Er- schütteruug beim Auftreten und Aufprallen auf harte Boden- flächen mildert. Die 2. und 4. Zehe find verkümmert, die 1. und 5. ganz verschwunden. Grete ist ein sanftes, gehör- sames Tier, das willig jedem Wink und Druck gehorcht und sich nicht leicht ans der Fassung bringen läßt. Aber das erste Automobil war doch von unheilvoller Wirkung. Das sausende, tutende Ding, dem eine Staubwolke folgte, erschreckte unser Bräuul so, daß es sich plötzlich aus die Hinterbeine erhob und dann vorwärts flog, mit langgestrecktem Körper, nach vorn gestrecktem Kopf und Hals und rückwärts gelegten Ohren. Wie ein Keil durchschnitt das rasende Tier die Luft: Die langen, leichten aber doch kräftigen Beine nach vorne und rückwärts ausgestreckt, schnellte das Tier in die Höhe und vorwärts. „Schade," meinte Michel, als er den Gaul wieder beruhigt hatte, „das hätte ein Wettrennen beim Oktoberfest sein sollen. Wir hätten den 1. Preis bekommen?" Grete ist eine Ausländerin. Sie soll von englischen Vor- fahren abstammen, während die schweren Gäule, die Vater den Möbelwagen vorspannt, meist dänische oder belgische Rasse sind. Manchmal bekommt Grete einen Zugkameraden, wenn ein Zwei- spänner verlangt wird. Hansens höchster Wunsch war lange Zeit, einmal einen Viererzug oder gar ein königliches Sechser- gespann leiten zu dürfen. Nun hat er ein anderes Ziel vor Augen. „Wer will unter die Soldaten" ist zur Zeit sein Lieb- lingslied. Wenn er an die Stelle kommt vom Gaul, der galoppieren soll, unterbricht er sich oft und versichert, daß der es so gut haben solle als nur möglich. Grete will er nicht mit- nehmen, dazu hat er sie zu lieb. Es könnte ihr im Manöver oder gar im Krieg ein Unglück geschehen. „Das wäre zu traurig, wenn ich meine Grete erschießen lassen müßte, und müßte ihr Fleisch dem Pferdemetzger geben. Und ihr Fell, das ich so gern streichle, müßte enthaart und zu Leder gegerbt werden. Dann säßen fremde Leute auf den Möbeln, die 'mit seinem Roßhaar gepo'l- stert wären. Frauen und Männer, die meine Grete nicht kannten,

26. Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild - S. 184

1912 - München : Kellerer
— 184 — vögeln. Der kurze Schnabel, nicht so stark wie bei den aus- schließlichen Körnerfressern, doch kräftiger wie bei Insekten- fressern, ist geeigenschaftet, ihre Nahrung rasch aufzunehmen. Die Lerchen leben in der Freiheit von Grasspitzen, Getreide- körnern, Käfern, Heuschrecken, Spinnen, Schmetterlingen. Im Käfige werden sie zunächst mit Mehlwürmern, Ameiseneiern und gelben Rüben gefüttert." „Warum ist sie so unruhig?" rief ein Kind. „Das kommt daher, weil sie sich vor so vielen Kindern fürchtet," war die Antwort. Übrigens, wußte Auguste beizu- fügen, können die Lerchen die Gefangenschaft sehr wenig ertragen. Sie trippeln beständig hin und her und fahren gegen die Decke, die deshalb im Käfig auch aus Leinwand besteht, damit sie sich den Kopf nicht verletzen. Sie meinte, eine Lerche in einen Käfig zu sperren, sei recht grausam. Sie kann ja im Käsig nicht mehr gegen das Firmament emporfliegen, was ihr eine große Qual sein müsse, auch habe sie gewiß Verlangen nach der Reise, die ihre Schwestern im Herbst antreten. Der Herr Lehrer bestätigte die Aussage und eine kleine Weile wurde nichts mehr gesprochen. Die Kinder schauten auf deu kleinen Hans, dem die Lerche gehörte. Ihn selbst überkam so etwas wie Beschämung. Endlich zeigte Wilhelm wieder den Finger. „Ich weiß, daß die Lerche ein sauberes Nest, das schwer zu finden ist, aus Wurzeln und Hälmchen in kleine Bodenhöhlen oder zwischen Stauden baut und mit welken Blättern und dürrem Grase aus- füttert. In dasselbe legt das Weibchen sechs gelbliche oder röt- liche, so wie die Farbe der Erde, mit Pünktchen und Flecken ver- sehene Eier, die vierzehn Tage bald von dem Männchen, bald von dem Weibchen bebrütet werden. Ich habe auf dem Felde schon oft ein Lerchennest mit Eiern oder Jungen gesehen. Können letztere das Nest verlassen, dann müssen sie schon für sich selbst sorgen, denn das Weibchen legt bald zum zweiten Male und dann beginnt das Brutgeschäft von neuem." Nachdem der Herr Lehrer dem kleinen Hans zu erkennen gab, daß er es möglich machte, daß die Kinder heute eine Lerche besichtigen konnten, wofür ihm ein Dank gehörte, teilte Hans sofort den festen Entschluß mit, die Lerche wieder frei zu lassen. Der Herr Lehrer belobte ihn deshalb und die übrigen Kinder hatten ihn nur desto lieber.

27. Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild - S. 154

1912 - München : Kellerer
- 154 — und golden leuchteten die Augeu, die durchdringend auf ihm ruhten: „Hat dir die Mutter nie von der Kornfrau erzählt? Meine armen Kornkinder hast du mit deinen schweren Stiefeln zertreten, als du dem Schmetterling nachjagtest! Dem hättest du mit ungeschickten Händen den Farbenschmelz zerstört und ihn dann häßlich und flügellahm seinem traurigen Los über- lassen. Er entkam dir glücklich, aber meine hilflose Saat knickte dein Tritt und sie kann sich nicht mehr erheben. Und doch war sie bestimmt zu wachsen, sich golden zu färben und reichliche Frucht in ihren Ähren zu trageu. Wer weiß,'ob dem schlimmes Tun nicht einen Armen seines Stückleins Brot beraubt hat. Merke, was dir die Kornfrau sagt: Wer das Getreide zertritt, ist nicht wert, sich satt zu essen?" „Du hör mich, wilder Junge du," wisperte ein zartes Stimmchen vom Waldsaum hinter ihm. Ein putziges Bauernmädchen, Heidelbeerlein im grünen Rock und zartlila Mieder stand vor ihm: „Hast du mein armes Schwesterchen wenigstens zu Hause eingepflanzt, damit es nicht verdurstet und verhungert? Es wollte durchaus uicht mit dir gehen und klammerte sich an seinem Plätzchen fest, da zerrtest du es mit Gewalt heraus. Nun ist das Fleckchen leer, wo es so munter und keck um sich geschaut und kein neues Keimleiu kann sprießen, du hast ja die Wurzelfüßcheu ausgerissen. So lange wir mit denen in der lieben Erde stehen und ihren Saft trinken, körnten wir atmen, gedeihen, neue Triebe ansetzen. Ohne Würzelchen sind wir verloren wie der Mensch, dessen Herz nicht mehr schlägt, dessen Lunge nicht mehr atmet. Wären alle Kinder von deiner Art, dann wäre bald der Boden öd und kahl!" Zu Hause! Wie eiu Schlag hat ihn das Wort getroffen. Er hat ja auch Blumen heimgebracht, die schmachten nach Lust und frischem Wasser und ersticken in der Enge der dumpfen Büchse. „Haltet mich nicht auf! Laßt mich heim!" ächzte er. „Was ist dir, mein Kind? Wach auf!" Besorgt beugte sich die Mutter über ihn, die frühesten Sonnenstrahlen drangen ins Zimmer. „Mutter, meine armen Blumen!" „Ich tat sie gestern uoch ins Wasser, weils mein schläfriger Junge ver- geffen hat." „Aber die auderu, die Ärmsten draußen, Blumen, Zweig und Korn! Ich wills nimmer, nimmer tun", schluchzte er und schlang die Arme um den Hals der Mutter. „Nein, du wirst mein braver Bub werden!" tröstete Mütterlein und küßte ihn? die Tränen aus den Augeu.

28. Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild - S. 202

1912 - München : Kellerer
— 202 — fett Augen der Knaben haben den Kameraden rasch erspäht. Er steht mit ängstlichem, verlegenem Gesichte, die Tasche kramps- Haft in der Hand haltend, regnngs- und ratlos unter der hasten- den Menge. Tief aufatmend begrüßte er die Bekannten: „Gott- lob, daß ich nicht mehr allein bin. Mir war so bange. Ist das ein Gedränge! Wohnen so viele Menschen in München? Das sind ja mehr als drei unserer Dörfer! Warum jutd heute alle Leute der Stadt auf dem Bahnhofe? Ist etwa ein fremder Prinz angekommen?" Die Knaben lachten: „Warte nur, in den Straßen der Stadt wirst du viel mehr Leute sehen, das ist nur ein kleiner Teil der Münchner." „Warum sind so viele Geleise und so viele Wagen da?" fragte Matthies. „Bei uns anf dem Dorfe ist der Bahnhof viel, viel kleiner und eine so große Halle gibt es nicht." Vater erzählte ihm, daß von der Stadt aus Eisenbahn- linien nach allen Richtungen führen. „Siehst du, hier reist man nach Berlin, hier nach Paris, hier nach Wien. Der Zug, der jetzt hereindampft, ist ein Vorortzug und kommt von Schleiß- heim!" Auch die ausgedehnten Wartesäle erregten Matthies Erstaunen: „In ein solches Zimmer kann man die ganze Hütte des Kräutersepp hineinstellen! Ist's da alle Tage so voll von Reisenden?" Nun traten sie auf die Straße. „Da ist ja Tageshelle! Diese großen, großen Lampen! Bei uns auf dem Dorfe muß man nachts eine Laterne mittragen, damit man den Weg findet. Diese Häuser! Wohnen da oben unter dem Dach, ganz nahe beim Himmel, auch Leute? Die müssen noch höher steigen als unser Kirchturm ist. Wie viele Bauernhäuser könnte man wohl aus einem Stadthaus machen?" Das Fahren in der elektrischen Straßenbahn gefiel Matthies gar wohl: „Das fährt wie eine Eisenbahn. Ich habe gemeint, wie schnell man mit der Postkutsche vom nächsten Markt nach der Station kommt, aber das ist schou etwas ganz anderes!" Zaghaft betrat er mit den Freunden das große Haus, in dem sie wohnten. Dort fiel es ihm auf, daß auf den Gängen der Stockwerke verschiedene Türen mit Namensschildern waren. „In einem Stadthause", hieß es, „sind mehrere Familien ein- gemietet, die ihre abgeschlossenen Wohnungen haben. Auf einem Dorfe freilich hat jeder Bauer sei eigenes Haus, dessen Zimmer auf den Flur münden und dessen Ein- und Ausgang das Haus- tor ist." Nach dem Abendessen fragte Kurt: „Soll ich dir den Brunnen zeigen?" „Hier oben in der Wohnung? Bei uns ist er im Hof und hat einen steinernen Trog sür's Vieh! Ich

29. Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild - S. 205

1912 - München : Kellerer
— 205 — der Kirche verlesen und für die Ordnung, sowie für Eintrag der Geburten, Heiraten und Todesfälle in die Kirchen- und Gemeindebücher sorgen der Wirt, der nebenbei Bürgermeister ist, der Herr Lehrer und der Herr Pfarrer. Sagt, was für ein schwarzer Wagen ist das?" „Das ist der Leichenwagen; er holt einen Toten ins Leichenhaus. In der Stadt dürfen die Gestorbenen nicht im Hause bleiben. Sie müssen in eines der Leichenhäuser am südlichen oder nördlichen Friedhof, in Sendling, Haidhausen, in der Au oder in den Waldfriedhof." Auch von anderen Fahrzeugen wollte der Fremdling wissen. Die elektrische Bahn hatte er selbst benützt. Nun beredete er vor allem die Sanitätswagen. Mitleidig hörte er den Bericht von den vielen Unfällen, bewundernd von der segensreichen Tätigkeit der wackern Männer, die plötzlich Erkrankten und Verwundeten die erste Hilfe leisten und sie in ihre Wohnung oder ins Krankenhaus schaffen. „Krankenhaus? Das kenne ich nicht," sagte Matthies, und als die Kinder vor dem Gebäude standen, streifte sein Auge beinahe fcheu über die langen Reihen der Fenster, hinter denen die Leidenden der Genesung oder dem Tode entgegengehen. Stolz belehrten ihn die Führer über die vorzüglichen Einrich- tungen, besonders über die Vorsorge bei ansteckenden Krank- heiten. So gab es jeden Tag Neues zu sehen. Er, der nur den einen kleinen Platz mit der Dorflinde vor der Kirche kannte, bewunderte die weiten Plätze der Stadt mit ihren Anlagen, Brunnen und Denkmälern. Der Knabe aus dem Dorfe, für desseu gesamten schriftlichen Verkehr mit der Außenwelt ein einziger hölzerner Briefkasten am Schulhaus und der Landbrief- böte genügten, staunte über die große Hauptpost, die Postwagen, Briefschalter in allen Straßen und das mächtige Telegraphen- amt. Auch das Telephon und sein Gebrauch war eine Quelle des Staunens und Matthies war sehr geneigt, an Zauberei zu denken. Welcher Jubel, als die Wachparade kam! Den Soldaten mußte Matthies natürlich durch alle Straßen nachlaufen. Er hatte bis jetzt nur einen einzigen gesehen, des Hosbanern Knecht, der aus Urlaub kam. So verlebte der Knabe eine fröhliche Woche bei seinen freundlichen Wirten, dann hieß es, wieder zurückreise:, in die Heimat. Beim Abschied riefen die Städter und der kleine Landbube einander zu: „Auf frohes Wiedersehen im Sommer auf dem Dorfe!"

30. Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild - S. 210

1912 - München : Kellerer
— 210 — mühle und der Maria Einsiedler Froschteich," lachte der Hilmer Hermann, „da bin ich auch schon herumgewatet! Da hinüber geht es ins Jsarbad!" Weiter vorne liegen Fabriken und die Elektrizitäts-Jsarwerke. Villen und Wiesen wechseln ab. Wir sind am Wald. Am sonnigen Rande ist der Boden trocken, wir lagern uns und verzehren, was uns die Mutter zum Vespern mitgegeben hat. „Das ist der Wald vor Solln," erklärte während der Rast der Settler Heinz. „Da geht es nach Ludwigshöhe, die Straße weiter nach Großhesselohe. Dann wandern wir über die Eisenbahnbrücke und durch den Wald nach Menter- schwaige und können auf dem Heimweg von drüben nnsern Hinweg herüber betrachten." „Und können die gezähmte Isar sehen, die durch allerlei Bauwerk nicht mehr so wild und regellos dahinstürmen oder sich in so und so viel Rinnen teilen darf!" „Ich erkenne den Weg," fuhr Hermauu fort, „erst gehts durch den Wald. Schade, daß er durch Stachelzäune abgesperrt ist! Wann an Wiesen und Getreidefeldern vorbei auf die Giesinger Höhe." „Dann durch Haidhausen an die Lehm- gruben. Lieber ist mir aber der Weg durch die schönen Bogen- hauser Anlagen, die Brücke und den Englischen Garten in die Stadt." „Da dies aber sogar für meine wandertüchtigen Jungen zu viel fein dürfte, so steigen wir jetzt bei Maria Einsiedeln abwärts und gehen den unteren Weg heim. Ihr sollt die Wiesen und Gärten in der Nähe sehen. Die Reisenden unter euch, die die Füße doch nicht mehr recht heben können, mögen sich vorsehen, der Weg ist nicht gut und Stolpern und Fallen tut weh!" scherzte der Herr Lehrer. Ein frohes Lachen; so was gabs bei uns nicht. Glücklich erreichten wir unser Daheim. Da erzählte mir die Mutter, daß es Dir besser geht und daß ich Dich bald besuchen darf. Wie freue ich mich darauf. Alle Mitschüler habeu mir Grüße an Dich aufgetragen und unser lieber Herr Lehrer sagte, er habe noch manchen Ausflug mit uns vor und hoffe Dich recht bald frisch und lustig mit uns zu sehen. Dein Freund Oskar.
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