Die Bevölkerung und ihre Einrichtungen.
19
durch Branntweinbrennerei sind Nordhausen und Quedlinburg berühmt. — Von andern
Fabriken nennen wir solche für: Panzerplatten (Buckau), Tuche (Burg und Calbe). Kattun
(Eilenburg), Thonwaren und Porzellan (Neuhaldensleben, Ziesar, Buckau, Bitterfeld),
Papier (Kröllwitz, Calbe), Leder und Handschuhe (Halberstadt und Neuhaldensleben).
Eine so große Ergiebigkeit des Bodens und so reges Großgewerbe muß
notwendigerweise einen starken Handelsverkehr zur Folge haben.
Die Erzeugnisse gehen meistens aus der Provinz hinaus, wofür andere notwendige
Waren eingeführt werden. Hierunter sind zu nennen: Kolonialwaren aller Art, Tuche,
Leinwand, Seide, Kohlen aus Böhmen, Salz, Eisenwaren, Steinöl. Die Hauptmärkte
sind von alters her Magdeburg, Halle, Erfurt, welche durch ihre Lage zu dieser Bedeu-
tung schon in sehr srüher Zeit gelangten. Für Zucker und Zichorien ist Magdeburg der
Hauptmarkt in ganz Deutschland.
Die natürlichen Verkehrswege bilden von alters her die Elbe und die
Saale, dazu tritt das dichte Netz der Landstraßen und Eisenbahnen.
Jetzt durchschneiden eine Menge Eisenbahnlinien die Provinz in den verschie-
densten Richtungen; ihre Hauptknotenpunkte sind Stendal, Magdeburg, Halle. Die erste
Strecke wurde vor 50 Jahren (1839) zwischen Magdeburg und Schönebeck eröffnet. Es
giebt jetzt in der Provinz Sachsen 2077,25 km Eisenbahnen, also kommen bei 25249,97 qkm
Flächenraum 8,23 km auf 100 qkm Fläche und bei 2473533 Ew. 8,40 km aus 10000 Ew.,
während im Königreich Preußen, 6,72, im deutschen Reich 7,4 auf 100 qkm Fläche und
in elfterem 8,14, in letzterem 8,6 km auf 10000 Ew. fallen. Das Herzogtum Anhalt hat
247,57 km Eisenbahnen, also kommen bei 2347,35 qkm und 253959 Ew. 10,54 auf
100 qkm Fläche und 9,75 auf 10000 Ew.
Der Postverkehr wird geleitet von den Oberpostdirektionen zu Magdeburg (zu
der auch Anhalt gehört), Halle und Erfurt (die auch einen Teil der thüringischen Staaten
umfaßt).
In der Direktion Magdeburg kommt eine Postanstalt auf 27,4 qkm und 2444 Ew.;
eine Telegraphenanstalt aus 44,9 qkm und 3995 Ew.
In der Direktion Halle kommt eine Postanstalt auf 21,9 qkm und 2184 Ew.; eine
Telegraphenanstalt auf 46,2 qkm und 4615 Ew.
In der Direktion Erfurt kommt eine Postanstalt auf 24,2 qkm und 2441 Ew.; eine
Telegraphenanstalt auf 42 qkm und 4269 Ew.
4. Staatliche Einrichtungen.
A. Provinz Sachsen.
Die staatliche Verwaltung der Provinz wird geleitet vom Oberpräsidenten,
unter dem zunächst die Regierungspräsidenten die Leitung der Regierungsbezirke haben;
an der Spitze der Kreise stehen Landräte. Daneben Bezirksausschüsse und Kreisausschüsse.
Die nicht staatlichen Angelegenheiten (Straßenbau und Wohlthätigkeitsanstalten,
Kranken- und Erziehungswesen, wissenschaftliche Unternehmungen n. s. w.) werden vom
Provinzial-Landtag besorgt, der aus 116 Mitgliedern besteht. Dieser wählt den
Landesdirektor und den Provinzial-Ansschnß (15 Mitglieder). Die Altmark hat noch einen
eigenen Kommunal-Landtag zu Stendal.
Für die Rechtspflege sorgt das Oberlandesgericht zu Naumburg, Laudgerichte zu
2*
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T130: [Elbe Stadt Sachsen Provinz Saale Kreis Schlesien Elster Neiße Magdeburg], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T47: [Karte Lage Länge Breite Größe Meile Linie Ort Grenze Höhe]]
6 Landeskunde der Provinz Sachsen und des Herzogtums Anhalt.
(nach der Zählung vom Jahre 1885). Während der Größe nach also Sachsen
die 9. Stelle unter den preußischen Provinzen einnimmt, hat es seiner Ein-
wohnerzahl nach die 4. Stelle (Schlesien, Brandenburg mit Berlin und die
Rheinprovinz sind stärker bevölkert). Die Provinz, an deren Spitze ein Ober-
Präsident steht, zerfällt in die 3 R.-B. Magdeburg, Merseburg und Erfurt;
au der Spitze eines jeden steht ein Regiernngs-Präsident, die R.-B. zer-
fallen in Kreise unter der Verwaltung eines Landrats.
1. Der Regierungsbezirk Magdeburg hat! 11512,86 qkm mit
989716 Ew. — 859 auf 10 qkm — und zerfällt in 15 Kreise.
2 Der Regierungsbezirk Merseburg hat' 10207,06 qkm mit
1027228 Ew, — 1006 auf 10 qkm — und zerfällt in 17 Kreise.
3. Der Regierungsbezirk Erfurt hat! 3529,61 qkm mit 411379ew.
— 1166 auf 10 qkm — und zerfällt in 11 Greife.
Das Herzogtum Anhalt hatl 2294,36 qkm mit 248166 Ew. — 1080
auf 10 qkm —, übertrifft also die Provinz Sachsen sehr an Volksdichte. Es
zerfällt in 5 Kreise, an deren Spitze Kreisdirektoren stehen.
Ii. Landschaftskunde.
Die Provinz Sachsen ist von allen preußischen Provinzen die am meisten
zerrissene. Der nördliche Teil, welcher den R.-B. Magdeburg umfaßt, bildet
allerdings ein zusammenhängendes Ganze, aber er ist im S. durch das Her-
zogtum Anhalt vielfach eingezackt und hängt nur durch einen schmalen Streifen
(bei Aschersleben), der wiederum Anhalt in 2 große Teile scheidet, mit dem
R.-B. Merseburg zusammen. Ein Stück von Anhalt (Grafschaft Mühlingen)
liegt als Enklave^) im R.-B. Magdeburg, wogegen kleine preußische Gebietsteile
von Anhalt umschlossen sind. Auch eine Braunschweigische Enklave (Calvörde)
findet sich innerhalb dieses R.-B. Noch mehr fremde Gebietsteile umschließen
die beiden südlichen R.-B.: Teile von Weimar (Allstedt) und Schwarzburg-
Rudolstadt (Frankenhausen), sowie die Hauptmasse vou Schwarzburg-Souders-
hausen. Dafür liegen die Kreise Schleusiugeu und Ziegenrück gesondert weit
nach S. vorgeschoben.
Im W. werden die Provinz Sachsen und Anhalt vom Harz berührt.
Dieser ist ein in sich fest abgeschlossenes Massengebirge von etwa eiförmiger
Gestalt mit der größten Ausdehnung von N.w. nach S.o. (110 km); der
Querdurchmesser beträgt nur 30 km.
■sen, Jtappboile. Selke. mppra, jtusieoen.
Längsschnitt durch den Harz von Seesen bis Eisleben. (Nach R. Aßinann.)
Nach N.w. hin hat das Gebirge mehrere Vorstufen; es verflacht sich im
*) Exklave nennt man ein von der Hauptmasse eines Landes getrenntes, in einem
andern Staate liegendes Stück Land. Von jenem anderen Lande aus würde man es
als Enklave bezeichnen.
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T35: [Preußen Königreich Bayern Sachsen Staat Hannover Baden König Provinz Land], T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner]]
TM Hauptwörter (100): [T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe]]
TM Hauptwörter (200): [T130: [Elbe Stadt Sachsen Provinz Saale Kreis Schlesien Elster Neiße Magdeburg], T174: [Preußen Sachsen Hannover Holstein Provinz Königreich Staat Oldenburg Braunschweig Dänemark], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T14: [Gebirge Wald Teil Höhe Berg Harz Thüringer Bergland Gebirg Weser]]
Landschaftskunde.
7
S.o. nach der Saale, während der S.w. gegen das Thüringische Hügelland
:md der N.o. gegen das Tiefland scharf abgeschnitten sind. Das Gebirge bildet
ein großes Hochland, dessen obere Platte sich allmählich in seiner ganzen Län-
genausdehnung von N.w. nach S.o. sehr beträchtlich senkt. Dieser Umstand
hat die gewöhnliche Scheidung in Ober- und Unterharz herbeigeführt, in-
dem das Gebiet westlich vom Brocken dem Oberharz (Flußgebiet der Weser;
Nadelholz überwiegend), östlich davon dem Unterharz (Flußgebiet der Elbe)
zugerechnet wird. Hier überwiegt das Laubholz. In dieses Hochlaud sind die
Thäler der Bäche tief eingeschnitten, während gewaltige Berge auf demselben
emporragen. Am höchsten ist der Bro cken (Blocksberg), nahe dem Nordrande
mit 1141 m über dem Meeresspiegel über die Grenze des Baumwuchses auf-
steigend, der höchste Berg Mitteldeutschlands; er bildet mit einigen kleineren
Bergen eine besondere Gruppe. Der Ramberg (Viktorshöhe) ebenfalls im
Unterharz, 537 m, besteht wie der Brocken aus Granit, während sonst das Ge-
birge meist aus Grauwacke besteht. Auch der Auersberg (Josephshöhe) ist
ein Granitkegel von 575 in Höhe.
Überschreiten wir von dem S.o.-Abhänge des Harzes ans die fruchtbare
Thalebene der Helme, die goldene Aue, so kommen wir in das aus Trias
(Buntfandstein, Muschelkalk, Keuper) bestehende Thüringische Hügelland,
eine wellenförmige Senkung zwischen Harz und Thüringer Wald. Den nord-
westlichen Teil bildet die rauhe Hochplatte des Eichsfeldes, welches der
waldreiche Düu in einen nördlichen und einen südlichen Abschnitt zerlegt. Vom
Eichsfelde aus laufen 5 Höhenzüge mit einer Durchschnittshöhe von 162 bis
227 m, unter sich und mit dem Harz und Thüringer Walde parallel bis zur
Saale, welche bald eine festgeschlossene Kette bilden, bald nur einen losen
Zusammenhang haben und vielfach von Flüssen durchbrochen sind. Die be-
dentendsten dieser Züge sind der von Mühlhausen ausgehende, 470 in errei-
chende Hainich, der bei Erfurt der Steiger (345 rn) heißt. Die Hainleite
zwischen Wipper und Helbe, über 30 km lang und bis 461 m ansteigend,
nimmt nach dem Durchbruch der Unstrnt (Sachsenburger Pforte) den Namen
die Schmücke (326 m) an und heißt später die Finne (470 m) bis zur Saale
bei Naumburg. Der dem Harz am nächsten liegende Zug, die Windlaite, hat
feine höchste Erhebung im Kisfhäufer (470 m). Zwischen diesen Höhen-
zügen find Mulden und Becken, mit Lehm und humusreichem Schlamm bedeckt,
eingesenkt, von denen das thüringische Zentralbecken nördlich von Erfurt am
Zusammenfluß der Gera und Unstrnt das bedeutendste ist. Erfurt verdankt
der Lage in dieser weiten fruchtbaren Niederung zum großen Teil seine Be-
deutung als Hauptort von Thüringen. Außerdem sind noch besonders frucht-
bar die Unstrnt-Niederung bei Artern und die goldene Aue an der Helme.
In den S.o.-Zipfel der Provinz, den Kreis Zeitz, sendet das sächsische
Bergland seine letzten Ausläufer.
Das ganze Gebiet östlich der Saale und nördlich vom Harz gehört dem
Tieflande an, welches, wie der meist nach N.w. gerichtete Lauf der Flüsse
beweist, sich in dieser Richtung senkt. Aus diesem ragen nur vereinzelte kleine
Erhebungen hervor, wie die Porphyrfelfen an der Saale bei Halle (135 in),
die Höhen bei Wettin (174 m), am höchsten der Petersberg bei Halle (240 in
Seehöhe). Auf dem rechten Elbufer zieht ein Teil des Südlichen Land-
rückens, der rauhe i ud wasserarme Rücken des Flä-
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau]]
TM Hauptwörter (100): [T5: [Rhein Main Wald Thüringer Teil Schwarzwald Gebirge Neckar Saale Jura], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe]]
TM Hauptwörter (200): [T14: [Gebirge Wald Teil Höhe Berg Harz Thüringer Bergland Gebirg Weser], T96: [Stadt Thüringer Saale Schloß Wald Gotha Dorf Heidelberg Weimar Einw.], T95: [Gestein Schicht Wasser Boden Erde Granit Gebirge Masse Sand Teil]]
12
P. K. Rosegger*) erzählt: „Der Bauernhandwerker, als der
Schuster, der^Schneider, der Weber, der Böttcher, anderwärts auch der
Sattler,^der Schreiner sind in manchen Alpengegenden eine Art Nomaden-
bolk. Sie Haben wohl irgend eine bestimmte Wohnung, entweder im
eigenen Häuschen oder in der gemieteten Stube eines Bauernhofes, wo
ihre Familie lebt, wo sie ihre Habseligkeiten bergen und wo sie ihre Sonn-
und Feiertage zubringen; am Montagmorgen aber nehmen sie ihr Werk-
zeug ans den Rücken oder in die Seitentasche und gehen ans die Stör,
d. i). sie gehen ans Arbeit aus und heimsen sich im Bauerhause, wohin
sie bestellt sind, so lange ein, bis sie die bestimmte Arbeit, den Hans
bedarf, verfertigt haben. Dann wenden sie sich zu einem andern Hof."
^Arbella^ Durch das Wandern ging oft viel Zeit verloren. Ferner
Hauptberuf, traf es oft zu, daß der Störer bald viel bald gar keine Arbeit
hatte. Um seine Familie ernähren zu können, war er daher ge-
zwungen, neben seiner eigentlichen Arbeit auch Landwirtschaft zu
treiben.
Oer L'ronhof als Wirtschaftsgemeinde.
Neben den freien Bauern bestand der freie Adel?) Der ger-
manische Adel setzte sich ans jenen angesehenen Familien zusammen,
aus welchen die Herzöge gewählt wurden. Jede Adelsfamilie
hatte ein Gut, das sich von dem Vater auf den Sohn, von diesem
auf den Enkel ic. vererbte. Der Adel ging also von einem Ge-
schlechte auf das folgende über; darum wird dieser Adel als
Geschlechts- oder Geburtsadel bezeichnet.
Der erwählte Herzogs war im Kriege der Führer der ade-
ligen und nichtadeligen Grundbesitzer. Er erlangte immer mehr
Macht. Aus den: Herzogtum entstand nach und nach das Königtum.
Der König bedurfte verschiedener Diener, der Beamten. Diese
königlichen Beamten bildeten im fränkischen Reiche den Dienstadel.
Mit der Zeit verschmolzen Geschlechts- und Dienstadel zu
einem Stande, dem freien Adels- oder Ritterstande.
Die germanischen Könige eroberten von den besiegten Römern
große Ländereien. Sie konnten daher die Dienste ergebener
Adeliger dadurch belohnen, daß sie diesen große, bisher unbebaute
Grundstücke schenkten. So wurden die Adeligen Großgrundbesitzer,
die „weltlichen Grundherren".
Auch die Geistlichen wurden mehrmals von den Königen
mit Ländereien beschenkt. Auf diese Weise wurden manche Klöster
zu „g erstlich en Grundherrschaften". —
Die Grundherren suchten ihren Besitz zu vergrößern, ihre
Macht zu vermehren.
*) „Aus meinem Handwerkerleben".
2) Adel — Geschlecht auf dein Erbgut.
'h Herzog -- - Heerführer, der das Heer (nach sich, zieht, d. h. führt.
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T83: [Karl Heinrich König Otto Sohn Reich Kaiser Sachsen Ludwig Herzog], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
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27
Nation verglichen, hat man keine Ursache, die italienische der
deutschen vorzuziehen. Denn Deutschland scheint mir eine neue
Gestalt bekommen zu haben und seine Städte scheinen mir seit
ehegestern gebaut zu sein."
Zur Hebung des Bürgerstandes und zum Wohlstand des
Landes trug aber noch ein Umstand besonders bei: der Handel.
4. Der Handel im Mittelalter.
Der Lohnwerker erhalt für seine Arbeitsleistung eine Ent-
schädigung in Naturalien, der Handwerker verlangt einen Preis.
Auch beim eigentlichen Handel wird ein Preis verlangt.
Wenn ich, um 4 Pfund Fleisch zu erhalten, 20 Pfund Brot
geben muß, so ist der Tauschwert des Fleisches fünfmal so groß
als der des Brotes. Dafür kann ich auch sagen, der Preis des
Fleisches ist fünfmal so hoch als der des Brotes.
Jeder Gegenstand hat einen Tauschwert oder Preis. Der
Tauschhandel ist aber mit großen Schwierigkeiten verbunden, weil
jeder Gegenstand einen andern Tauschwert hat. Wenn ein Schuh-
macher seine Ware gegen Mehl und ein Bäcker die seine gegen
Leinwand anbieten würde, so würden wir dies sehr unpraktisch
finden.
Eine Ware hingegen, die einen festen und unabänderlichen
Maßstab für den Tauschwert aller Gegenstände bilden würde,
eine Ware, die ferner teilbar, transportfähig und leicht aufzube-
wahren wäre, müßte sich für den Handel sehr vorteilhaft erweisen.
Der Handel im Mittelalter führte dieses Tanschmittel ein; es ist
das Geld. Das Geld besitzt neben den gewünschten Eigenschaften
auch noch andere willkommene: es ist bequem mitzuführen und
nützt sich wenig ab. Das Geld wurde daher diejenige Ware, die
zur Vergleichung der Tauschwerte aller Handelsgegenstände benützt
wurde. Der Wert jeder Ware wurde nun auf den Wert des
Geldes zurückgeführt. Die Naturalwirtschaft zur Zeit des ab-
hängigen Handwerks wurde von der Geldwirtschaft zur Zeit
des zünftigen Handwerks abgelöst.
Der Tausch mit Geld bedingt Kauf und Verkauf; er kann
zufällig und absichtlich vor sich gehen. Der absichtliche Tausch
mit Geld geschah im Mittelalter auf dem Markte Die Märkte
waren anfangs mit religiösen, geistlichen oder kriegerischen Zu-
sammenkünften verbunden. Zu diesen erschienen die Kaufleute')
und boten ihre Waren zum Schmucke der Kirche, zu Kriegs-
rüstungen re. feil; der doppelte Sinn des Wortes „Messe" erinnert
noch heute an den Markt vor der Kirche. Später wurden die
Märkte ausschließlich zu dem Zwecke abgehalten, Waren zu ver-
h Kaufmann — ursprünglich der Kaufende, spater der Händler.
Preis.
Geld.
Markt.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter], T194: [Kirche Kloster Schule geistliche Gottesdienst Gemeinde Geistliche Leben Staat Priester]]
ins offene Meer nur ungern unternahm, mußte der Südwestwinkel
der Ostsee ein natürlicher Sammel- und Einschiffungspunkt sein.
Salz und Weine Westfrankreichs, Seidenwaren der rheinischen
Kaufleute und flandrische Tuche wurden dort gegen schwedische
Erze, englische Wolle und russische Pelze ausgetauscht.
Im 14. Jahrhundert bemächtigte sich die Hansa der nor-
wegischen Fischerei und versorgte mit dem Ertrage derselben den
Osten und Westen. Die nordischen Völker, die im 9. und 10.
Jahrhundert auf ihren Wikingerfahrten Europa in Schrecken ver-
setzt hatten, verschwanden für mehrere Jahrhunderte von der See
und konnten sich nur in der Binnen- und Küstenschiffahrt dürftig
behaupten. Was Rußland, Polen und Litauen über die Ostsee
empfingen, ging durch hansische Hände.
Die Hansa hatte verstanden, den Ostseehandel zu beherrschen.
Darin lag ihre Macht und Größe.
Die Hanseaten breiteten über den ganzen Norden Europas
ein Netz von Niederlassungen (Faktoreien). Gestützt auf vier
mächtige Hauptplätze, Brügge, London, Bergen und Nowgorod,
wußte sich der deutsche Schiffer und der deutsche Kaufmann überall
Ansehen zu verschaffen. Bezeichnend ist das Sprichwort: „Wer
kann wider Gott und Nowgorod?" Die Hanseaten rühmten sich:
„Wir kaufen dem Engländer den Fuchsbalg für einen Groschen
ab und verkaufen ihm den Fuchsschwanz wieder für einen
Gulden."
Die Hansa stand 1370 auf der Höhe ihrer Macht. Sie
kämpfte 1428 mit 248 Schiffen und 12 000 Streitern gegen Erich
von Pommern, der den Sund zur Förderung Kopenhagens ab-
gesperrt hatte. Erich wurde in Kopenhagen zum Abschlüsse eines
für die Hansa günstigen Friedens gezwungen.
Wie im 17. Jahrhundert Holland, im 18. und 19. Jahr-
hundert England die Handelsherrschaft ausübte, so war diese im
14. Jahrhundert für die nordeuropäischen Gewässer in den Händen
der Hansa. Sie hatte ein Deutschland auf dem Meere geschaffen
und deutscher Sitte Einfluß gesichert über die Grenzen des
Reiches hinaus.
Der blühende Handel hatte zur Hebung und Ausbildung
der ^ Gewerbe beigetragen. Er hatte den Wohlstand des
deutschen Bürgertums erhöht. In einem alten Liede findet sich
die Strophe:
„Der Veneter Macht,
Der Augsburger Pracht,
Der Nürnberger Witz,
Der Straßburger Geschütz,
Der Ulmer Geld
Behält den Preis durch die ganze Welt."
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
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Extrahierte Personennamen: Erich
von_Pommern
Extrahierte Ortsnamen: Europa Polen Europas London Kopenhagen Holland England Hansa Deutschland
34
Iii. Folgen
des Nieder-
ganges.
1. Ungenü-
gende Arbeit
2. Annut.
Selbst Einrichtungen, die früher segensreich gewirkt hatten, wurden
nun mißbraucht, um dem Leichtsinn und der Arbeitsscheu zu dienen, so
z. B. der bei vielen Gewerbeir eingeführte Brauch des „Geschenkes" an die
wandernden Gesellen. Das Geschenk sollte früher dazil dienen, die Ge-
sellen auf der Wanderschaft vor Bettel und Landstreicherei zu bewahren.
Es war deshalb bei den Gewerben Sitte, den ankommenden Gesellen des
gleichen Handwerks einige Tage kostenlos zu verpflegen, ihm freies Nacht-
lager zu geben und, wenn er im Orte keine Arbeit gefunden, ihn mit
einem kleinen Taschengeld, dem „Zehrpfennig", für die Reise zum nächsten
Ziele zu entlassen. Diese Einrichtung benützten nun faule Gesellen, auf
Kosten ihrer Kameraden im fremden Orte einige Tage tüchtig zu zechen,
ohne Arbeit zu suchen, um dies hierauf in den nächsten Orten zu
wiederholen.
Die Aufnahme eines Gesellen in die Verbindung gab oft
Anlaß zu wüstem Zank, zu widerlicher Schwelgerei uttd zu blutigen
Schlägereien. Diese „Feste" dauerten oft mehrere Tage; kein
Geselle durfte in die Werkstätte gehen, ehe der Altgeselle die Fest-
lichkeit geschlossen hatte. Mancher Jüngling holte sich dabei den
Keim zu langem Siechtum.
Schon im 16. Jahrhundert verlangten die Gesellen, daß der
Montag wenigstens als halber Feiertag freigegeben werde. Am
Montag Mittag legten die Gesellen die Arbeit nieder. Eher ent-
heiligten sie den Sonntag, als daß sie der Montagsfeier entsagt
hätten. Ortloff erzählt über den „blauen Montag": „In den
Fasten wurden die meisten deutschen Kirchen blau ausgeschmückt.
Zu eben dieser Zeit fingen die Gewerbetreibenden an, die Fasten
über den Montag in Schwelgereien aller Art zu verbringen, und
führten das Sprichwort: „Heute ist blauer Freßmontag" ein.
Die Erlaubnis, welche die Gesellen in der Fastenzeit bekamen,
nahmen sie sich im Lause der Zeit auch an den übrigen Montagen."
Äußere und innere Gründe trugen also zum Niedergänge
des Handwerks bei.
Justus Möser sagte in der zweiten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts: „Fast alle deutsche Arbeit hat zu unserer Zeit etwas
Unvollendetes, dergleichen wir an keinem alten Kunststück und
gegenwärtig an keinem echt englischen Stück mehr antreffen....
Die einzige Aufmunterung kommt jetzt von den Höfen; aber was
sollen einige wenige mit Besoldung angelockte Hofarbeiter gegen
Handwerker, die während des hanseatischen Bundes für die ganze
Welt arbeiteten!" Und der Zunftfreund Weiß, ein gelernter
Handwerker, stimmt Möser zu: „Die Leute liefern elende Arbeit,
darum nimmt ihnen niemand ettvas ab und sie verderben."
Der Handwerkerstand mußte infolgedessen immer mehr ver"
armen. Weiß erzählt in einer preisgekrönten Schrift, daß unter
21 Menschen in Deutschland sich in jener Zeit nur einer befand,
der sein vollständiges Auskommen hatte; 10 dagegen mußten
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
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45
wertvoll als Geld Haben; Kredit verlieren ist mindestens ebenso
nachteilig als Geld verlieren. Die meisten großen Unternehmungen
in Gewerbe und Handel wären ohne Kredit gar nicht auszuführen.
Die Stadtwirtschaft führte zu ihrem Handel das Geld ein.
Die Volkswirtschaft konnte natürlich das Geld nicht entbehren;
sie bildete vielmehr die Geldwirtschaft weiter ans, schuf aber zu-
gleich eine neue Form, die Kreditwirtschaft.
Wir erhalten also für die drei Wirtschaftsgemeinden des Übersicht.
Bauernhofes, der Stadt und des Landes die Übersicht:
Bauernhof Stadt Land
Eigenwirtschaft Naturalwirtschaft Stadtwirtschaft Volkswirtschaft
Geldwirtschaft Kreditwirtschaft
Tauschhandel Markthandel Ständiger Handel
In Deutschland treffen ans den Kops der Bevölkerung 2,38 ü§^^Handel
Kaffee, in den Niederlanden 4,85 kg, in England 0,37 kg. An sunebenen
Tee entfallen auf den Kopf der Bevölkerung in England 2,23 kg, Gemeinden'
in Deutschland 0,04 kg. a) Überfluß
Wenn nun England seinen Teebedarf im Mutterlande ge-'änerz°u^
Winnen wollte, so wäre hiezu vielleicht die ganze Landbevölkerung
notwendig. Das käme einer großen Verschwendung an Arbeits-
kräften gleich; denn in den Kolonien genügen 45 000 Mann hiezu.
Das Klima in Deutschland ließe den Kaffeebau überhaupt nicht zu.
Und doch ist der Kaffee heute nicht mehr, wie im 18. Jahrhundert,
ein Luxusartikel für wenige Reiche, sondern ein Bedarfsgegenstand
für die Bevölkerung der ganzen Wirtschaftsgemeinde. Boden-
beschaffenheit und Klima bedingen wesentlich die Erträgnisse eines
Landes. Die einzelnen Wirtschastsgemeinden tauschen daher jene
Erzeugnisse, an denen sie Überfluß haben, aus gegen solche, die
ihnen mangeln. Den Austausch übernimmt der Handel.
Die Bevölkerung des Deutschen Reiches nimmt jährlich fast b) f^ibe'~
um 1 Million zu. Die deutsche Wirtschastsgemeinde kann nicht -
mehr die Menge derjenigen landwirtschaftlichen Produkte erzeugen,
welche zur Ernährung der stetig zunehmenden Bevölkerung not-
wendig sind. Es müssen also Erzeugnisse der Landwirtschaft aus
anderen Ländern eingeführt werden. Von landwirtschaftlichen
Erzeugnissen hat Deutschland zur Zeit nur an Zucker, Schaffleisch,
Hopfen und Wein Überfluß; bei allen anderen übertrifft der Bedarf
den Vorrat. Diese Produkte müssen daher aus andern Ländern
eingeführt werden. Schon in den 50 er Jahren begann in
Deutschland die Roggen-, in den 70 er Jahren die Weizeneinfuhr.
Deutschland bezieht Getreide hauptsächlich aus Rußland, Österreich-
Ungarn, Nordamerika und Rumänien. Im Getreidebau nimmt
Nordamerika jetzt die erste Stelle ein. Dort waren 1849 8 Mill.
Acres (a 0,4047 ha), 1889 38 Mill. Acres mit Weizen bebaut.
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel]]
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TM Hauptwörter (200): [T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T101: [Baumwolle Kaffee Tabak Getreide Reis Zucker Holz Ausfuhr Wein Zuckerrohr], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]
Extrahierte Ortsnamen: Niederlanden England England Deutschland England Deutschland Deutschland Deutschland Deutschland Ungarn Nordamerika Nordamerika
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geweckt war, beantworten: wem die Eisenbahn gehöre, wem der Starnberger
See, wem der Planegger Wald re. Nachdem der Zug sich München näherte
und vom Wagen ans der Turm der schönen Paulskirche sichtbar geworden
fragte der Knabe plötzlich: „Wieviel Geld braucht die Gemeinde München
im Jahre um die Ausgaben bestreiten zu können?" Der Vater antwortete:
„Das geht in die Millionen." Er schnitt indes das Gespräch kurz ab mit
den Worten: „Ich werde dir über die Gemeinde München an einem der
kommenden Tage Näheres sagen." — Noch wenige Minuten und beide
waren am Bahnhof der Stadtgemeinde, der Großstadt München.
Am folgenden Tag wiederholte Ludwig unaufgefordert die Frage:
„Wieviel Millionen braucht die Gemeinde München im Jahre?" Der
Vater war erfreut, daß sein Sohn einem Gegenstände, an dem die Jugend
gewöhnlich teilnahmslos vorübergeht, so viel Aufmerksamkeit zuwandte.
Er war daher gerne bereit die in Tutzing begonnene Unterhaltung
fortzusetzen. . . .
V.: Die Ausgaben der Gemeinde München betrugen nach dem Vor-
anschlags für das Jahr 1904 nicht weniger als 47 Millionen Ji.
S.: 47 Millionen! So viel Geld! Eine Riesensumme!
V.: Mein lieber Ludwig! Geld allein tut's nicht, man muß es
auch haben.
S.: Man wird es schon haben; sonst könnte man es nicht ausgeben.
V.: Es ist nicht leicht, so viel Geld zu beschasfeu. Weil alle Be-
wohner Münchens, welche eine direkte Steuer entrichten, zu den Gemeinde-
umlagen herangezogen werden, so haben zunächst alle das Interesse, daß
möglichst wenig Ausgaben gemacht werden. Sie wünschen aber auch, daß
München eine gesunde, schöne, reinliche Dtadt mit günstigen Verkehrs-
mitteln, mit mannigfacher Gelegenheit zur Ausbildung der Jugend rc.
sei und bleibe; dies erfordert bedeutende Geldmittel.^ Es macht darum
den „Stadtvätern" manche Sorge, das Leben in der Stadt nach Kräften
angenehm zu gestalten ohne den Bewohnern zu tief in die Tasche zu greifen.
S.: Wer sind die „Stadtväter"?
V.: Die Gemeindebevollmächtigten und die Magistratsräte.
S.: Wird München nicht auch durch den Gemeindeausschuß ver-
waltet wie Tutzing?
V.: Nein, München hat eben die städtische Verfassung.
S.: Also zweierlei Gemeindeämter! — Bitte, erzähle mir darüber!
V.: Damit alle Gemeindebürger in München an der Verwaltung
der Gemeinde teilnehmen können, wählen sie nach den Bestimmungen des
Gesetzes vom 29. April 1869, der Gemeindeordnung, 60 Männer, zu welchen
sie das Vertrauen haben, daß diese die Aufgaben als Gemeindevertreter
richtig erfüllen werden. Sie geben diesen 60 Vertretern der Gemeinde-
bürger die Vollmacht ihre Interessen wahrzunehmen. Die gewählten
Vertreter heißen daher Bevollmächtigte der Gemeindebürger . . .
S.: Ich merke, das sind die G e me i n d e b e v o l lm ä ch ti g te n.
V.: Ja. Diese wählen wieder 20 Gemeindebürger als Magistrats-
rätch). Die Magistratsräte können aber ihre Zeit nicht ganz den Ge-
meindeanfgaben widmen; sie müssen auch ihre Berufspflichten erfüllen.
Es sind daher außer den bürgerlichen Magistratsräten auch noch Magistrats-
räte aufgestellt, welche die geltenden Gesetze studiert haben, also rechts-
kundig sind, und welche sich ganz in den Dienst der Gemeinde stellen.
S.: Diese rechtskundigen Magistratsräte sind in den 20 nicht mit-
gezählt.
0 Magister — Meister; Magistrat — die Meister, die Ersten der
Stadt. Der erste Meister der Stadt (früher Burg) ist der Burg- oder
Bürgermeister.
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf]]
TM Hauptwörter (200): [T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T199: [Universität Berlin Bibliothek Leipzig Schloß München Jahr Museum Schule Gymnasium], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Starnberger
See Großstadt_München Tutzing Tutzing München
142
H.: Um 30 Jl zu verdienen, muß ich schon mehr als eine
Woche arbeiten.
T.: Wissen Sie, wieviel in Deutschland im Durchschnitt jede
Person jährlich für Bier ausgibt? Nicht weniger als 32 Jl.
H.: Das ist Sache jedes einzelnen. Es bleibt aber. doch
wahr, daß eine Familie im Reiche jährlich 30 Jl Steuern auf
Nahrungs- und Genußmittel zahlen muß.
T.: Trotzdem kann man sagen, daß das Reich dem deutschen
Arbeiter Schutz gewähre, seine Wohlfahrt fördere und dafür nichts
verlange.
H.: Sie verstehen, mich zu überraschen.
T.: Ich meine dies so: das Reich leistet zu den Arbeiter-
versicherungen für jeden Arbeiter durchschnittlich 30 Jl mehr als
dieser an Beiträgen hiezu zahlt (5 Jl mehr aus Kranken-, 7 Jl
aus Unfall-, 20 ^ mehr aus Invalidenversicherung — 32 Jl, sagen
wir rund 30 Jl). Dafür erhebt es an indirekten Steuern von
jeder Arbeiterfamilie ungefähr 30 Jl. 30 Jl — 30j£ —0. Ist
also meine Behauptung richtig?
H.: Dagegen läßt sich wohl nichts sagen.
T.: Ist demnach die deutsche Arbeiterversicherung nicht eine
äußerst segensreiche Einrichtung? Sollte sie nicht „eine dauernde
Bürgschaft des inneren Friedens" sein? Sollte sie nicht ein Maß-
stab fortschreitender deutscher Kultur sein? Wer kann so ungerecht
sein dies zu bestreiten? .. . .
Heller schweigt und liest wiederholt,, aus der Jnvaliden-
rententabelle verschiedene Zahlen unter der Überschrift: „Bekommt
jährlich bis zu seinem Tode" . . . und lächelt . . .
Taler glaubt nicht zu irren, wenn er dieses Lächeln mit
den Worten übersetzt: „Es ist doch gut, daß wir die Arbeiter-
versicherungen haben!"
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]