114
Größe nicht vermuthen sollte. Er macht Sprünge von zwölf bis
sechszehn Fuß. Einst sah man auf dem Vorgebirge der guten
Hoffnung einen Löwen eine junge Kuh im Maule tragen, und
ob er schon deren Beine auf der Erde fortschleppte, so lief er
doch eben so leicht dahin, wie eine Katze mit einer Ratte. Auch
sprang er ohne die geringste Mühe über einen Graben. Eben
die Muskelkraft äußert er in der geschwinden Veränderung der
Gesichtszüge, der Falten auf der Stirn und in den Bewegun-
gen des Schwanzes, die so heftig sind, daß er einen Menschen
damit zu Boden schlagen kann. Wenn der Löwe hungrig ist,
so richtet er seine Mähne in die Höhe, schüttelt sich und schlägt
mit dem Schwänze auf den Rücken. In einem solchen Falle
wirft er Alles um, was ihm in den Weg kommt; richtet er
aber seine Mähne nicht auf und wedelt er nicht mit dem
Schwänze, so hat man Nichts zu besorgen.
Doctor Sparmann theilt folgende Nachricht vom Löwen
mit: Der Löwe bemächtigt sich seines Raubes fast jedes Mal
vermittelst eines Sprunges. Er lauscht des Abends und Nachts
im Hinterhalte oder schleicht sich still und behutsam auf dem
Bauche vorwärts, bis er glaubt nahe genug zu sein; plötzlich
springt er alsdann auf die Beute los und schlägt seine Klauen
lief ein; springt er aber fehl, so verfolgt er seine Beute nicht
weiter, sondern geht beschämt zurück und mißt langsam Schritt
für Schritt die richtige Länge ab, um zu sehen, wie viel sein
mißlungener Sprung zu kurz war. Den Thieren lauert er
gern an Quellen und Flüssen auf, wo sie ihren Durst zu
löschen suchen; nur größere Thiere fällt er an, kleinere verachtet
er. Ein alter Hottentott, erzählt Sparmann, sah am Sonn-
tagsflusse einen Löwen in weiter Entfernung, der ihm zwei
ganze Stunden lang nachfolgte. Er schloß daraus mit Recht,
daß der Löwe nur auf die Nacht warte, um über ihn herzu-
fallen. Da er die Art kannte, wie der Löwe seine Beute fängt,
so suchte er eine Stelle auf, die oben flach und an der einen
Seile steil und steinig war. Er ließ sich am Rande des Ab-
hanges nieder und sah zu seinem nicht geringen Erstaunen, daß
der Löwe auch da stand und den Abstand betrachtete. Als es
dunkel wurde, rückte der Hottentott weiter vorwärts und nahm
seinen Platz unterhalb des Randes des Abhanges in einer Kluft.
Um aber den Löwen zu täuschen, steckte er seinen Hut und sei-
nen Wamms auf seinen Stock und machte damit um sich her einige
Bewegungen. Es dauerte nicht lange, so kam der Löwe wie
eine Katze herbeigeschlichen und maß seinen Satz so genau ab,
daß er sammt der täuschenden Figur den Abhang hinunter-
stürzte.
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier]]
TM Hauptwörter (200): [T195: [Pferd Tier Hund Schaf Löwe Wolf Rind Mensch Schwein Thiere], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T84: [Körper Kopf Tier Fuß Bein Insekt Eier Zahn Nahrung Haut], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T47: [Karte Lage Länge Breite Größe Meile Linie Ort Grenze Höhe]]
152
len die Fischer, indem sie den Fisch emporheben, keine Erschüt-
terung. Es wäre verwegen, sich den ersten Schlägen eines un-
geschwächten Zitteraales auszusetzen. Erhält man einen solchen
ersten Schlag, so folgen furchtbare Betäubungen und Schmer-
zen. Ich erinnere mich nicht, durch Entladung einer großen
Leydener Flasche je eine so furchtbare Erschütterung erlitten zu
haben, als die war, da ich einst unvorsichtiger Weise beide Füße
über einen Zitteraal legte, der eben aus dem Wasser gezogen
ward. Ich fühlte den ganzen Tag hindurch in den Knieen und
fast in allen Gelenken den empfindlichsten Schmerz. Man ge-
brauchte sonst die Zitteraale zur Heilung von Lähmungen.
Die amerikanischen Wilden bedienten sich auch schon des Zitter-
aales zur Heilung von Gicht und Kopfschmerzen, wie die Grie-
chen des Zitterrochens. Wir erhielten einen, in einem Netze ge-
fangenen, unverletzten Zitteraal und nährten ihn mit Fleisch.
Er verursachte den kleinen Schildkröten und Fröschen, die, mit
der Gefahr unbekannt, sich wohl traulich auf seinen Rücken
setzen wollten, nicht geringen Schreck. Die Frösche flüchteten,
sobald sie wieder zur Besinnung gekommen waren, und als wir
sie wieder in dem Wasserzober mit dem Aale zusammenbrachten,
entsetzten sie sich schon über seinen Anblick.
14«. Vamps einer Schlange mit einem Vogel.
E8 war einmal ein Sommertag und ich hatte mich
unter einem Eichbaume hingelagert. Ein munteres, rothes
Johanniskäferchen mit schwarzen, runden Flecken auf den
Flügeldecken hatte sich eben auf meine Hand gesetzt;
ich betrachtete es und freute mich darüber. Da raschelte
es plötzlich gar nicht weit von mir im trockenen Laube,
ganz leise nur, fast hätte ich’s nicht gehört. Ich blickte
hin, und was sah ich? Eine Schlange.
Etwa acht Schritte von mir entfernt stand ein Hasel-
nussstrauch, und auf den ringelte die Schlange zu, leise,
ganz leise durch das dünne, hohe Gras, so dass sich kaum
die Halme bewegten. »Die hat etwas im Schilde!« dachte
ich, denn ich sah’s ihr an, wie vorsichtig sie jedes trockene
Blatt vermied, das etwa rascheln könne, und wie ihre Augen
funkelten und unverwandt nach dem Nussstrauche gerich-
tet waren. Jetzt sah ich’s. Auf einem trockenen Zweige
des Strauches, etwa zwei Fuss von der Erde entfernt, sass
nämlich ein Vögelein, ein buntes, niedliches Finkenhähn-
chen, den Rücken der unbemerkt nahenden Schlange zu-
gekehrt und schlug sorglos seine muntern Triller. Im
ersten Augenblicke wollte ich aufspringen, den Vogel ret-
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
22
Sieben Quellen hieß er springen
In der Wüste rus dem Sande,
Daß der Wand'rer nicht verschmachte
In des Durstes heißem Brande.
Sieben Kreuz' er aufgerichtet
Als Stationen ihm zu rasten,
Wenn der Erde Kreuz und Leiden
Scharfen Druckes ihn belasten.
Sieben Engel hat der Milde
Ms Geleiter uns gegeben,
Uns zu stärken, uns zu führen
Durch den Tod zum ew'gen Leben.
Sieben Flügel uns verliehen,
Die mit mächtig starkem Zuge
Uns zur lichten Sonne tragen,
Wenn der Staub uns hemmt im Fluge.
Siebenfach sei drum gepriesen,
Der die Gnaden uns ertheilet,
Der mit sieben Sakramenten
Heiligend die Sünder heilet.
Schon im zarten Mutterarme
Naht dem Kindlein Himmelsgnade,
Mild verzeihend, neu es weihend,
In der Taufe heil'gem Bade.
Himmelskraft zum Erdenkampfe,
Helm und Schild zu seiner Schirmung
Reicht die Fülle dann des Geistes
Dem Erstarkten in der Firmung
Wenn er strauchelt, wenn er stürzet
Von dem Fernde überwunden,
Heilt der Heiland in der Buße
Seines Herzens tiefste Wunden.
N.cht erbarmend seiner Hütte,
Wenn ihn Durst und Hunger quälen
Um als Speise selbst ihn speisend
Gott und Menschheit zu vermählen.
Daß er deines Reiches walte,
Das Verliehene verleihe,
Machst du ihn zu deinem Priester
Durch die heil'ge Kraft der Weihe.
Harrest seiner am Altare
Bei dem Tausch der Hochzeitringe,
Daß die Ehe, gottgesegnet,
Gettgeweihte Blüthen bringe.
Wenn er endlich niedersinket
Von des Todes kaltem Hauche,
Weih'st du ihn mit heil'gem Oele,
Daß er auf zum Leben tauche;
Daß er, eine Himmelsflamme,
Sich zum Himmel auferschwinge,
In dem Chore reiner Engel
Lichtgcsänge leuchtend singe.
28. Die heiligen Bilder.
Ein tapferer Ritter, Namens Hildebrand, war von Bruno
einem andern Ritter, schwer beleidigt worden. Da entbrannte
der Zorn in seinem Herzen, und er konnte den Tag nicht er-
warten, blutige Rache an seinem Feinde zu nehmen. So brachte
er schlaflos die Nacht zu. In der Morgendänimerung gürtete
er sein Schwert an die Seite und begab sich auf den Weg zu
seinem Widersacher.
Aber da es noch zu früh war, trat er in eine Kapelle hart
am Wege, setzte sich und betrachtete die von der Morgenröthe
beleuchteten Bilder, welche an den Wänden hinaen. Es waren
aber der Bilder drei. Das erste stellte den Heiland im Spott-
gewande bei Herodes vor, und darunter stand geschrieben: Er
schalt nicht, da er gescholten wurde. Das zweite Bild zeigte die
Geißelung mit der Inschrift: Er drohete nicht, da er litt. Und
das dritte war die Kreuzigung; es führte die Worte: Vater,
vergib ihnen!
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil]]
Extrahierte Personennamen: Namens_Hildebrand Bruno
93
Auf Pfeilern und auf Bogen, fchwer,
Aus Quaderstein von unten auf,
Lag eine Brücke drüber her,
Und mitten stand ein Häuschen drauf.
Hier wohnte der Zöllner mit Weib
und Kind.
„O Zöllner, o Zöllner, entfleuch
geschwind!"
Es dröhnt' und dröhnte dumpf heran,
Laut heulten Sturm und Wog' ums
Haus.
Der Zöllner sprang zum Dach hinan
Und blickt' in den Tumult hinaus.
„Barmherziger Himmel, erbarme dich!
Verloren! Verloren! Wer rettet
mich?
Die Schollen rollten Schuß auf Schuß;
Von beiden Ufern, hier und dort!
Von beiden Usern riß der Fluß
Die Pseiler sammt den Bogen fort.
Der bebende Zöllner mit Weib und
Kind,
Er heulte noch lauter, als Strom
und Wind.
Die Schollen rollten Stoß auf Stoß,
An beiden Enden, hier und dort;
Zerborsten und zertrümmert, schoß
Ein Pfeiler nach dem andern fort.
Bald nahte der Mitte der Umsturz
sich. -
„Bannherziger Himmel, erbarme
dich!"
Hoch auf dem fernen Ufer stand
Ein Schwarm von Gaffern, groß und
klein;
Und jeder schrie und rang die Hand,
Doch mochte Niemand Retter sein.
Der bebende Zöllner mit Weib und
Kind
Durchheulte nach Rettung den Strom
und Wind!
Rasch galloppirt' ein Graf hervor
Auf hohem Roß, ein edler Graf*).
Was hielt des Grafen Hand empor?
Ein Beutel war es, voll und straff.
„Zweihundert Pistolen sind zugesagt
Dem, welcher die Rettung der Armen
wagt!"
Und immer höher schwoll die Fluth,
Und immer lauter schnob der Wind,
Und immer tiefer sank der Muth.
„O Retter, Retter, komm geschwind!
Stets Pfeiler bei Pfeiler zerborst
und brach;
Laut krachten und stürzten die Bo-
gen nach.
„Halloh! halloh! ftisch auf! gewagt!"
Hoch hielt der Graf den Preis empor.
Ein Jeder hört's, doch Jeder zagt,
aus Tausenden tritt keiner vor.
Vergebens durchheulte mit Weib und
Kind
Der Zöllner nach Rettung den Strom
und Wind.
Sieh', schlecht und recht ein Bauers-
mann**)
Am Wanderstabe schritt daher,
Mit grobem Kittel angethan,
An Wuchs und Antlitz hoch und hehr.
Er hörte den Grafen, vernahm sein
Wort, .
Und schautedas nahe Verderben dort.
Und kühn in Gottes Namen sprang
Er in den nächsten Fischerkahn;
Trotz Wirbel, Sturm und Wogen-
drang
Kam der Erretter glücklich an.
Doch wehe! der Nachen war allzuklein,
Der Retter von Allen zugleich zu sein.
Und dreimal zwang er seinen Kahn
Trotz Wirbel, Sturm und Wogen-
drang.
Und dreimal kam er glücklich an,
Bis ihm die Rettung ganz gelang.
Kaum waren die Letzten im sichern
Port,
So rollte das letzte Getrümmer fort.
„Hier," rief der Graf, „mein wackrer
Freund,
Hier ist der Preis! komm her, nimm
hin!"
Sag' an, war das nicht brav gemeint?
Bei Gott, der Graf trug hohen Sinn!
Doch höher und himmlischer wahr-
lich schlug
Das Herz, das der Bauer im Kit-
tel trug.
„Mein Leben ist für Gold nicht feil.
Arm bin ich zwar, doch hab' ich satt.
Demzöllner werd'euer Geld zu Theil,
*) Der Name des Grafen war Spo lv erini.
*•) Der Name des Bauern ist nie bekannt geworden.
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe]]
TM Hauptwörter (200): [T2: [Schiff Stadt Tag Nacht Sturm Feind Ufer Meer Land Feuer], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute]]
119
ihm der Esel noch einen tüchtigen Schlag mit dem Hinterfuß; der
Hahn aber, der vom Lärmen aus dem Schlafe geweckt und munter
geworden war, rief vom Balken herab kikeriki!" Da lief der Räuber,
was er konnte, zu seinem Hauptmann zurück, und sprach: „Ach, in
dem Hause sitzt eine gräuliche Hexe, die hat mich angehaucht und mit
ihren langen Fingern mir das Gesicht zerkratzt; und vor der Thür
steht ein Mann mit einem Messer, der hat mich in's Bein gestochen;
und auf dem Hof da liegt ein schwarzes Ungethüm, das hat mit einer
Holzkeule auf mich losgeschlagen; und da oben auf dem Dache, da sitzt
der Richter, der rief: Bringt mir den Schelm her! Da machte ich,
daß ich fortkam." Von nun an getrauten sich die Räuber nicht wei-
ter in das Haus; den vier Bremer Musikanten gefiel's aber so wohl
darin, daß sie nicht wieder heraus wollten.
119. Die Hunde auf dem St. Bernhardsberge.
Ueber den großen St. Bernhard führt ein sehr betriebener
Bergpaß aus Wallis in Italien. In dem öden, hohen Felsen-
thale, umschlossen von Bergen, die mit ewigem Schnee bedeckt
sind, steht die höchste menschliche Wohnung in der alten Welt,
das Kloster des heiligen Bernhard. Hier wohnen zehn bis zwölf
fromme Mönche, deren einziges Geschäft es ist, die Reisenden
unentgeltlich zu bewirthen und ihnen alle Hilfe angedeihen Zu
lassen. In den acht oder neun Monaten des Jahres, wo
Schnee, Nebel, Ungewitter und Schneelawinen den Weg sehr ge-
fährlich machen, streifen diese Geistlichen oder ihre Diener täg-
lich umher, um Verirrte aufzusuchen oder Versunkene zu retten.
Schon viele Jahre her bedienen sie sich zur Rettung der Ver-
unglückten auch besonders abgerichteter, großer Hunde. Diese
gehen entweder allein aus oder werden von den Mönchen mit-
genommen. Sobald der Hund einen Verunglückten ausgewittert
hat, kehrt er in pfeilschnellem Laufe zu seinem Herrn zurück und
gibt durch Bellen, Wedeln und unruhige Sprünge seine ge-
machte Entdeckung kund. Dann wendet er um, immer zurück-
sehend, ob man ihm auch nachfolge, und führt den Herrn nach
der Stelle hin, wo der Verunglückte liegt. Oft hängt man die-
sen Hunden ein Fläschchen mit Branntwein oder anderen stär-
kenden Getränken und ein Körbchen mit Brot um den Hals, um
es einem ermüdeten Wanderer zur Erquickung anzubieten. Ein
solcher Hund war Barry. Zwölf Jahre lang war er unermüdet
thätig und treu im Dienste der Menschheit, und er allein hat in
seinem Leben mehr als vierzig Menschen das Leben gerettet;
der Eifer, den er hierbei bewies, war außerordentlich. Nie ließ
er sich an seinen Dienst mahnen. Sobald der Himmel sich be-
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe]]
Extrahierte Personennamen: Bernhard Bernhard Barry
121 Das Pferd.
Munter hüpft das Füllen auf grünem Rasen, sträubt die kurze
krause Mähne, schwingt sich leicht wie ein Hirsch über die Hecke, schlägt
die kleinen Hufe hoch in die Lüfte, und wie ergriffen vom Windstoße
stürzt es fort, steht plötzlich, und plötzlich wieder umkreist es die ruhig
weidende Stute, von ihren Blicken sorgsam bewacht. Schon verrathen
die schlanken Glieder künftige Kraft und Behendigkeit sein dunkles,
großes Auge Muth, sein Spiel die Kampflust. Es wächst zum Hel-
den, zum beharrlichen Gefährten, zum Freunde des Menschen, treu bis
in den Tod heran.
Edel ist das Pferd, wie aus Erz gegoffen, so fest steht es da,
und dennoch schlank wie ein Reh und so friedlich. Sicher ist sein
Gang, stolz trägt es sein Haupt mit schön gewölbter Stirn und Nase;
das runde, rege Auge mit dem schwarzen Glanze erspäht den Feind,
mit grünem Scheine erleuchtet es den dunkeln Pfad. Es spielt mit
dem spitzen Ohre, erfaßt den verlornen Laut, stutzt, und warnt seinen
Reiter. Zur Seite des schlanken, glatten Nackens fällt die seiden-
schimmernde Mähne. Seine Brust, voll und weich, wie die des Schwans,
stellt sich keck der Gefahr entgegen und der glatte Leib ruht sicher auf
festen Lenden, auf nervigen Füßen. Die eisenfesten Hufe stampfen un-
geduldig den Boden, der volle, glänzend schwarze Schweif fließt ruhig
über das gewölbte Kreuz zur Ferse nieder.
Auf des Reiters Wink springt es auf wie ein Luchs, rennt da-
von, den Hals gestreckt wie ein Adler im Fluge, wie ein Adler leicht,
berührt es kaum die Erde, und es fliegt sein Schweif ihm nach. Die
Bäume fliehen wie Schatten vorüber, der Boden weicht, als stürze er
hinter ihm in den Abgrund. Unter dem Hufe zerbersten die Kiesel,
Funken sprühen umher, es fährt über die feurige Bahn eine schwarze
Wolke auf ihren Blitzen dahin, zurück läßt sie die Stürme und deren
Brausen schweigt. So stürzt es mit dem Araber dem Löwen entgegen.
Dieser wirft die Mähne empor, und weist grinsend und brüllend die
Zähne; er schlägt mit dem Schweife seine Lenden. Jetzt steht er, jetzt
duckt er sich nieder zum Sprunge; da schickt ihm rasch der Jäger die
Lanze zu. Der Löwe achtet nicht den tödtlichen Stoß, mit zerbrochenem
Schafte in der Brust schwingt er sich dem Jäger entgegen; da funkeln
des Pferdes Augen, die Adern spannen sich, die Mähne fliegt, es
dampfen seine Nüstern, die Muskeln spielen und schwellen, und zorn-
wiehernd bäumt es sich auf, schlägt aus; sein eherner Huf hat die
Stirne des Löwen gespalten und ihn zu Boden geschmettert.
Mit dem Krieger zieht das Pferd gegen den Feind, es beißt
schäumend in die Zügel, schüttelt die Mähne, scharrt den Boden,
schnaubend und wiehernd vor Kampflust. Da schmettern die Trompeten,
es erwartet nicht des Reiters Sporn, sprengt entgegen den blitzenden
Lanzenreihen. Es ist Eins mit seinem Führer, Ein Wille beherrscht
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T195: [Pferd Tier Hund Schaf Löwe Wolf Rind Mensch Schwein Thiere]]
124
mes Thier, grausame Qualen sind der Lohn, welcher deiner im Alter
wartet. Der Sporn hat mit Narben die Seiten des Pferdes bedeckt,
seine Schenlel sind angelaufen, die Füße steif von angestrengter Ar-
beit; die Hufe durch die Nägel zerrisien, durch die Zügel, mit denen
eine harke Hand es leitete, der Mund erschlafft. Zum elenden Ge-
rippe hat das Alter es abgezehrt, das Feuer seiner Augen ist er-
loschen ; lebensmüde senkt es sein Haupt. Und dennoch wird ihm keine
Ruhe vergönnt, nicht die freundlichen Winke des Reiters leiten es mehr;
eine rohe Hand fesselt es an den schweren Karren und führt die Peitsche
mit grausamer Uebung. Kaum vermag es noch im düstern, von
Spinngeweben ausgekleideten Stalle, aus moderiger Krippe, sein har-
tes Futter zu zermalmen. Nur der Tod erlöst es von seinen Leiden.
122. Das Kameel.
Der Morgen dämmert über die Wüste: die Karavane schreitet im
langen Zuge die kahle, endlose Ebene hin und fördert ihre Schritte
nach dem einförmigen Tone der Pfeife. Die Kameele sind mit Ballen
beladen, mit Tüchern bedeckt; auf ihnen die Mauren mit bunten Tur-
banen und Mänteln, mit Dolch und Säbel, ihren unzertrennlichen
Gefährten. Den Kameelen zur Seite gehen die Sclaven. Voran
reitet ein brauner, hagerer Araber, der Herr des Zugs. Das ganze
bunte Gewimmel ist in eine Wolke von Staub gehüllt. — Die Sonne
steigt empor; die Karavane kehrt sich ihr entgegen und begrüßt den
Herrn der Schöpfung. Und höher hebt sich die Sonne, ihre Gluth
strahlt herab und wieder von der Erde auf. Die wunden Sohlen
schmerzen, die Glieder ermatten, brennender Durst peinigt Jeden. Kein
Strom zieht die Silberwelle durch ein frisches Grün, weithin ist kein
Gesträuch zu erspähen. Auf heißem, schattenlosem Boden schreitet die
Karavane. Käme im Sturme eine schwarze Wolke, rissen Blitze die
Schleusen des Himmels auf, es würde Rettung den Schmachtenden
bringen; das Gebrüll des Löwen wäre ihnen erwünscht, würd'es doch
ersehntes Land verheißen. Da liegt mitten in der stillen Wüste ein
Quell, ein lebendig Begrabener, der seine leise Stimme vernehmen
läßt; das Kameel hat ihn aus der Ferne schon erspürt und plötzlich gewinnt
es seine Kräfte wieder, schreitet rasch voran, ihm lustig nach der ganze
Zug. Da steht es still und bäumt sich vor Freude. Aus jedem Auge
bricht ein lebender Strahl; die matten Glieder durchzuckt elektrisches
Feuer. Es stellt sich die Karavane im Kreise; eifrig wird der Boden
aufgescharrt, und aus des Grabes Tiefe tritt der Quell glänzend an
den Tag, und Alles stürzt hin, sich zu laben am unverwüstlichen
Lebensborne. Die erstarrten Züge werden milder, die Augen heiter,
der Muth ist gestählt, die Kräfte wachsen. Man lagert sich, die Zelte
werden aufgeschlagen, die Thiere gefüttert, mit Sorgfalt vom Staube
gereinigt. Da sind alle Drangsale vergessen, Gespräche erheitern die
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
TM Hauptwörter (200): [T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute]]
461
Freunde, es hat mich schon oft gereut, daß ich zu streng war; nie
aber soll es mich reuen, daß ich zu gut gewesen bin!"
Einst, da er, ich weiß nicht, wohin fuhr, begegnete ihm ein Land-
mann mit seinem Wagen, Der Kutscher verlangte, der Bauer sollte
ausweichen. „Wo soll ich hinfahren?" sagte der drollige Mensch halb
im Scherz, halb im Ernst; „des Kaisers große Nase nimmt ja den
ganzen Weg ein." — „Was sagt der Mann von meiner Nase?"
fragte Rudolph. Der Kutscher sagte es ihm. Alle, die es mit an-
hörten, waren begierig, was nun mit dem unverschämten Bauer ge-
schehen würde. Rudolph nahm aber die Sache als Spaß und wandte
sein Gesicht zu Seite. „Hast du nun Platz?" fragte er dann den
Bauer. — „Platz mehr, als genug!" rief der erschrockene Mann, dem
nicht mehr recht wohl zu Muthe war und jagte eiligst davon.
Ein ander Mal, da er sein Feldlager in der Gegend von Mainz
hatte, ging er in unansehnlicher Bekleidung, unerkannt durch die Stra-
ßen, und weil eben eine empfindliche Kälte eingetreten war, wärmte
er seine erstarrten Hände an einem Haufen Kohlen, die man aus einem
Backofen genommen hatte. Die Bäckerin aber, eine erzböse Frau,
wollte dieses nicht zugeben. Sie hielt ihn für einen gemeinen kaiser-
lichen Soldaten und war aus den Kaiser selbst sehr übel zu sprechen.
„Marsch!" sagte sie zu ihm, „troll' dich fort zu deinem Bettelkönige,
der mit seinen Knechten das ganze Land auffrißt, oder ich gieße dir,
wahrhaftig wenn du nicht gleich gehst, Liesen ganzen Kübel über den
Kopf!" Dabei war sie unerschöpflich in den beleidigendsten Worten, und
da Rudolph ihr Vorstellungen zu machen suchte, goß sie ihm wirklich in
der Wuth das eiskalte Wasier über das Gesicht und den ganzen Körper.
Der Kaiser entfernte sich auf Las Schnellste und ging in das Lager
zurück, wo er sich umkleidete. Ueber Tisch erzählte er, was ihm be-
gegnet war. Anstatt aber das böse Weib zu strafen, schickte er ihr
eine Schüsiel voll Speisen nebst einer Flasche Wein und ließ ihr sagen,
es sende ihr das der alte Landesknecht, dem sie diesen Morgen den
Kübel Wasier über den Kopf gegosien habe, und lasse sich recht schön
bedanken. Als die Bäckerin hörte, daß der alte Mann der Kaiser
selbst gewesen sei, wollte sie vor Schrecken in den Boden sinken. Sie
lief zu ihm hinaus in das Lager und warf sich ihm zu Füßen. Ru-
dolph aber stellte sie seiner Tischgesellschaft vor und forderte keine andere
Genugthuung von ihr, als daß sie vor den anwesenden Herren alle
Worte, die sie gebraucht hatte, treulich wiederholen sollte. Sie durste
kein einziges vergesien; wo sie sich nicht mehr erinnerte, da half ihr Ru-
dolph nach, und so entstand eine Scene, bei welcher sich alle anwe-
senden Gäste des Lachens nicht erwehren konnten.
Kaiser Rudolph, ein tapferer, gütiger, durchaus zu achtender, in
Wort und That zuverlässiger Fürst, von einfacher Sitte und dem
edelsten Herzen, verdient noch jetzt allen Regenten zum Muster auf-
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T116: [Vater Kind Mutter Sohn Bruder Herr Mann Auge Frau Hand]]
Extrahierte Personennamen: Ernst Rudolph Rudolph Rudolph Rudolph