Sagen, 35
einem Male der wüste Lärm in schallendes Gelächter, denn ein Ratsherr hatte auf
eine Tafel in großen Lettern geschrieben: „Der Roland foll stehen bleiben, wir
wollen ihn nur nicht länger haben, weil er uns schon lang genug ist!" Damit war
das Mißverständnis aufgeklärt. Die guten Bürger sahen, daß sie von dem ver-
meintlichen Künstler arg
genasführt waren. Kein
Wunder also, daß sich ihr
Unmut gegen ihn wandte.
Als sie den Schalk griffen,
steckten sie ihn zur Strafe
in den Wendenturm, Im
Nu aber entwich er mit
einem Hohngelächter: und
jeder wußte nun, daß der
vermeintliche Künstler der
leibhaftige Teufel gewesen
war.
Der Rolaud war
in der früheren Zeit für
die Stadt Stendal das
Zeichen der eigenen
Gerichtsbarkeit. Die
im Jahre 1525 am Rat-
hause errichtete Stein-
figur gehört zu den
größten, die wir besitzen.
Der gewaltige Körper
ruht auf starken Beinen,
dessen Waden stärker sind
als der Brustumfang
eines kräftigen Mannes,
Durch den schweren Pan-
zer wird der Körper ge-
schützt. Die erhobene
rechte Hand hält das 4 m
lange Schwert, das
Werkzeug des strafenden
Rechts; die linke Hand
umfaßt den Schild mit
dem brandenburgischen
Adler, das Sinnbild
des Schutzes. So er-
innert der Roland an die
frühere Größe und Selbst-
ständigkeit der Stadt
Stendal. Der Roland am Rathaus in Stendal.
2. Der wunderbare Ring im Schlosse zu Calbe a. M.
In einer Nacht erschien der Schloßherrin eine Frauengestalt mit einem Lichte
und flehte sie an um Hilfe und Beistand bei einer Kranken, Als die Edelfrau ein-
willigte, bat die Erscheinung, von der Kranken weder Essen noch Trinken noch irgend
ein Geschenk anzunehmen, da sonst Unglück über das Schloß und die Familie kommen
würde. Die Herrin tat nach dem Gebote, und die Kranke wurde wieder gesund.
Da kam eines Tages der Mann der Kranken und überreichte der Schloßherrin eine
Schüssel mit gemünztem Golde. Doch die Herrin dachte an das Gebot der Er-
3*
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
TM Hauptwörter (100): [T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil]]
42 3. Das Land zwischen Ohre, Elbe, Saale und Harz.
Höhen auch benannt wurden. Die Spiegelsberge sind ein viel besuchter
Aufenthaltsort der Halberstädter; aber auch von Fremden werden sie gern
bestiegen. Unter den Gebäuden sind sehenswert: das Jagdschloß, in dessen
Felsenkeller ein riesiges Weinfaß (161 000 1) liegt, das Mausoleum und
der sechseckige Aussichtsturm. Aus seinen Fugen und Nischen gucken
Tiersiguren, z. B. Füchse, Schlangen, Hasen, Hunde, Eulen, hervor.
An die Spiegelsberge reihen sich im So. die Klusberge mit dem frei-
stehenden Sandsteinfelsen „Teufelsstuhl" und weiter im S. die Theken-
berge mit dein „Gläsernen Mönch". Fast genau im S. von Halberstadt
liegt der Hoppel- oder Sargberg; denn von der Westseite gesehen
gleicht er einem großen Sarge. Der Hoppelberg hat eine bedeutende Höhe
(300 m) und gewährt einen wundervollen Überblick über die gesegnete
Landschaft und den Harz.
4. Der Hui und der Hakelwald.
Der Huiwald, d. h. Hochwald, ist ein schön bewaldeter (Bucheu)
Höhenzug. Er reicht im O. fast bis an die Bode. Aus der höchsten
Stelle liegt das alte Kloster Huyseburg. Am nördlichen Rande des Kloster-
berges liegt die Daneilshöhle, worin viele Jahre ein gefährlicher Räuber
hauste. Die Olenburg bei Badersleben war eine bedeutende Wallburg.
Ihre Wälle sind zum Teil noch recht gut erhalten. — Unter den „Kölligs-
buchen" steht ein Stein mit der Inschrift:
Mit Ehrfurcht, Wanderer, zieh' den Hut;
Denn unter'm Dome dieser Buchen
Hat, Schatten so wie du zu suchen,
Held Gustav Adolf einst geruht.
Aus dem rechten Bodeufer dehnt sich in gleicher Richtung der waldige
Hakel aus. Die Dumburg liegt an seiner höchsten Stelle.
Der Hakelwald war nach der Sage des Oberjägermeisters Hans Hakelbergs
liebstes Jagdgebiet. Er starb zwar an der Wunde eines Eberzahns, jagt aber
nach seinem Tode im Hakel noch weiter. Mit Hallo-Geschrei, begleitet von seinen
Genossen und den Hunden, rast er nachts den Hakel auf und uieder. In seinem
Gefolge befindet sich auch eine Ohreule, die Tut-Ursel. Diese war früher eine
Nonne und wurde in eine Eule verzaubert. Die Dumburg ist ihr Aufenthalt.
5. Der Alvenslebener Höhenzug.
Der Alvenslebener Höhenzug bildet eine breite Hochfläche, die sich
quer vor die Bode lagert. Dadurch wird diese gezwungen, ihre nördliche
Richtung zu ändern. Der Alvenslebener Höhenzug erreicht in dem
Felsen berge bei Magdeburg seine höchste Höhe. Er besteht aus Erd-
und Sandhügeln, die der Pflug des Landmannes bis zum Gipfel beackert.
Nur hier und da sind die Höhen bewaldet. (Das Hohe, das Saure, das
Eggeuftedter Holz, der Marienborner Wald.) In seinem nördlichen Teile
birgt der Höhenzug treffliche Bausteine (Porphyr, Sandstein und Grau-
wacke), die in Steinbrüchen gebrochen werden. Vom Alvenslebener Höhen-
zuge zweigt sich nach O. ein Höhenzug ab, der von Gr.-Wanzleben bis
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art]]
TM Hauptwörter (200): [T14: [Gebirge Wald Teil Höhe Berg Harz Thüringer Bergland Gebirg Weser], T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus], T72: [Kloster Kirche Jahr Bischof Kaiser Karl Otto Dom Grab Leiche], T130: [Elbe Stadt Sachsen Provinz Saale Kreis Schlesien Elster Neiße Magdeburg], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
Extrahierte Personennamen: Gustav_Adolf Gustav Adolf Hans_Hakelbergs Alvenslebener_Höhenzug
Sagen. 49
einem Male der wüste Lärm in schallendes Gelächter, denn ein Ratsherr hatte auf
eine Tafel in großen Lettern geschrieben: „Der Roland soll stehen bleiben, wir
wollen ihn nur nicht länger haben, weil er uns schon lang genug ist!" Damit war
das Mißverständnis aufgeklärt. Die guten Bürger sahen, daß sie von dem ver-
meintlichen Künstler arg
genasführt waren. Kein
Wunder also, daß sich ihr
Unmut gegen ihn wandte.
Als sie den Schalk griffen,
steckten sie ihn zur Strafe
in den Wendenturm. Im
Nu aber entwich er mit
einem Hohngelächter; und
jeder wußte nun, daß der
vermeintliche Künstler der
leibhaftige Teufel gewesen
war.
Der Roland war
in der früheren Zeit für
die Stadt Stendal das
Zeichen der eigenen
Gerichtsbarkeit. Die
im Jahre 1525 am Rat-
hause errichtete Stein-
sigur gehört zu den
größten, die wir besitzen.
Der gewaltige Körper
ruht auf starken Beinen,
dessen Waden stärker sind
als der Brustumfang
eines kräftigen Mannes.
Durch den schweren Pan-
zer wird der Körper ge-
schützt. Die erhobene,
rechte Hand hält das 4 m
lange Schwert, das
Werkzeug des strafenden
Rechts; die linke Hand
umfaßt den Schild mit
dem brandenburgischen
Adler, das Sinnbild des
Schutzes. So erinnert der
Roland an die frühere
Größe und Selbstständig-
keit der Stadt Stendal. Der Roland am Rathaus in Stendal.
2. Der wunderbare Mug im Schlosse zu Calbe a. M.
In einer Nacht erschien der Schloßherrin eine Frauengestalt mit einem Lichte
und flehte sie an um Hilfe und Beistand bei einer Kranken. Als die Edelfrau ein-
willigte, bat die Erscheinung, von der Kranken weder Essen noch Trinken noch irgend
ein Geschenk anzunehmen, da sonst Unglück über das Schloß und die Familie kommen
würde. Die Herrin tat nach dem Gebote, und die Kranke wurde wieder gesund.
Da kam eines Tages der Mann der Kranken und überreichte der Schloßherrin eine
Schüssel mit gemünztem Golde. Doch die Herrin dachte an das Gebot der Er-
Henze-Kohlhase, Die Provinz Sachsen. Ausgabe A. 4
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit]]
56 3. Das Land zwischen Ohre, Elbe, Saale und Harz.
Höhen auch benannt wurden. Die Spiegelsberge sind ein viel besuchter
Aufenthaltsort der Halberstädter: aber auch von Fremden werden sie gern
bestiegen. Unter den Gebäuden sind sehenswert: das Jagdschloß, in dessen
Felsenkeller ein riesiges Weinsaß (161 000 1) liegt, das Mausoleum und
der sechseckige Aussichtsturm. Aus seinen Fugen und Nischen gucken
Tierfiguren, z. B. Füchse, Schlangen, Hasen, Hunde, Eulen, hervor.
Au die Spiegelsberge reihen sich im So. die Klusberge mit dem frei-
stehenden Sandsteinfelsen „Teufelsstuhl" und weiter im S. die Theken-
berge mit dem „Gläsernen Mönch". Fast genau im S. von Halberstadt
liegt der Hoppel- oder Sargberg; denn von der Westseite gesehen
gleicht er einem großen Sarge. Der Hoppelberg hat eine bedeutende Höhe
(300 m) und gewährt einen wundervollen Überblick über die gesegnete
Landschaft und den Harz.
4. Der Hui und der Hakelwald.
Der Hniwald, d. h. Hochwald, ist ein schön bewaldeter (Buchen)
Höhenzug. Er reicht im O. sast bis an die Bode. Auf der höchsten
Stelle liegt das alte Kloster Huyseburg. Am nördlichen Rande des Kloster-
berges liegt die Daneilshöhle, worin viele Jahre ein gefährlicher Räuber
hauste. Die Olenburg bei Baderslebeu war eine bedeutende Wallburg.
Ihre Wälle sind zum Teil uoch recht gut erhalten. — Unter den „Königs-
buchen" steht ein Stein mit der Inschrift:
Mit Ehrfurcht, Wanderer, zieh' den Hut;
Denn unter'm Dome dieser Buchen
Hat, Schatten so wie du zu suchen,
Held Gustav Adolf einst geruht.
Auf dem rechten Bodenfer dehnt sich in gleicher Richtung der waldige
Hakel aus. Die Dumburg liegt au seiner höchsten Stelle.
Der Hakelwald war nach der Sage des Oberjägermeisters Hans Hakelbergs
liebstes Jagdgebiet, Er starb zwar an der Wunde eines Eberzahns, jagt aber
nach seinem Tode im Hakel noch weiter. Mit Hallo-Geschrei, begleitet von seinen
Genossen und den Hundert, rast er nachts den Hakel auf und nieder. In seinem
Gefolge befindet sich auch eine Ohreule, die Tut-Ursel. Diese war früher eine
Nonne und wurde in eine Eule verzaubert. Die Dumburg ist ihr Aufenthalt.
5. Der Alvenslebener Höhenzug.
Der Alvenslebener Höhenzug bildet eine breite Hochfläche, die sich
quer vor die Bode lagert. Dadurch wird diese gezwungen, ihre nördliche
Richtung zu ändern. Der Alvenslebener Höhenzug erreicht in dem
Felsenberge bei Magdeburg seine höchste Höhe. Er besteht aus Erd-
und Sandhügeln, die der Pflug des Landmannes bis zum Gipfel beackert.
Nur hier und da sind die Höhen bewaldet. (Das Hohe, das Saure, das
Eggenftedter Holz, der Marienborner Wald.) In seinem nördlichen Teile
birgt der Höhenzug treffliche Bausteine (Porphyr, Sandstein und Grau-
wacke), die in Steinbrüchen gebrochen werden. Vom Alvenslebener Höhen-
znge zweigt sich nach O. ein Höhenzug ab, der von Gr.-Wanzleben bis
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art]]
TM Hauptwörter (200): [T14: [Gebirge Wald Teil Höhe Berg Harz Thüringer Bergland Gebirg Weser], T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus], T72: [Kloster Kirche Jahr Bischof Kaiser Karl Otto Dom Grab Leiche], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne]]
Extrahierte Personennamen: Gustav_Adolf Gustav Adolf Hans_Hakelbergs Alvenslebener_Höhenzug
— 62 —
dem Walde heraus; niemand dnrfte es wagen, seine Wohnung zu ver-
lassen und seiner Arbeit nachzugehen. Da beschloß man, es solle ein Be-
wohner nach dem andern, Männer und Fraueu, Jünglinge und Jungfrauen
zum Lindwurm in ven Wald gehen und ihu töten, oder ihm Zur Speise
dienen. Aber niemand wollte der erste sein. So mußte das Los entscheiden,
wer den Anfang machen solle. Und das Los traf ein schönes, frommes,
junges Mädchen, das einzige Kind des Müllers von Syran. Alle hatten
das brave Mädchen lieb und bedauerten es herzlich; aber niemand wußte
Rat noch Hilfe. Ihr Bater und ihre Mutter vergingen fast vor Jammer
und Schmerz. Das junge Mädchen selbst aber war vor Schrecken und Angst
schon jetzt halbtot; denn am nächsten Morgen sollte es in den Lindwurms-
wald gehen, und ein schrecklicher Tod war ihm da gewiß.
Nuu hatte aber der Müller einen braven und tüchtigen Knecht; der
war ein kluger und gewandter und dabei riesenstarker Bursche und hatte
einen fröhlichen und unerschrockenen Sinn; denn er fürchtete von Herzen
Gott. Als die Not und das Herzeleid im Müllerhause auf das höchste
gestiegen waren, faßte sich der Knecht ein Herz, trat vor die Müllersleute
und sprach: „Höret auf zu weinen und fasset frischen Mut; denn ich will
morgen für enre Tochter zu dem Lindwurm gehen. Gott wird mir bei-
stehen, daß ich das Untier besiege. Kann ich ihn aber nicht überwältigen,
so will ich gern für eure Tochter sterben." Da wollte zwar das Mädchen
nicht zugeben, daß der Jüngling sich für sie opfere; als aber dieser ganz
getrost redete und fest auf seinem Sinne blieb, so gaben die Eltern ihre
Zustimmung, und auch das Mädchen willigte mit freudiger Hoffnung
endlich darein. Am andern Morgen aber ging der unerschrockene Mühl-
knecht, uur mit einer großen starken Heugabel bewaffnet, in den Lindwurms-
wald. Die herzliche Fürbitte der Müllersleute und die Segenswünsche der
ganzen Gemeinde begleiteten ihn. Bald kam ihm der grimmige Lindwurm
wutschnaubend entgegen und sperrte schon den gewaltigen Rachen aus, ihn
zu zerreißen. Aber schnell sprang der flinke Bursche auf die Seite. Als
das Tier sich nach ihm wenden wollte, kehrte es ihm den ungepanzerten,
weichen Bauch zu. Da faßte der Bursche mit beiden Händen fest seine
starke, spitze Gabel und stieß sie tief in den Leib des gewaltigen Tieres.
Ins Herz getroffen wand sich der greuliche Wurm kraftlos am Boden und
lag nach wenigen Minuten tot zu deu Füßen des glücklichen Jünglings.
Innig Gott für seinen Beistand dankend, eilte der tapfere Drachentöter znm
Dorfe zurück und verkündete die Vernichtung des übermächtigen Feindes.
Von der gesamten Bewohnerschaft wurde er mit Freude und Jubel als
Erretter begrüßt und mit Dankesbezeigungen überschüttet. Die größte und
innigste Freude aber herrschte in der Mühle.
Als Zeichen ihrer Dankbarkeit gegen Gott wurde vou dem Müller
und der Syrauer Gemeinde auf der Höhe des Lindwurmberges ein schönes
Kirchlein erbaut. Jahrhunderte laug stand das Kirchlein unversehrt, bis es
vor langer, langer Zeit zerstört ward und gänzlich in Trümmer fiel. Weil
aber vom Dorfe ein weiter Weg nach der Lindwurmskirche war, so ward
sie nicht wieder ausgebaut, sondern eine neue Kirche im Dorfe errichtet.
In derselben wurde ein schönes Bild, das die mutige That des Mühlknechtes
darstellte, angebracht. Lange soll es in der Kirche gehangen haben, später
aber verloren gegangen sein.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T41: [König Siegfried Held Hagen Mann Günther Frau Gudrun Kriemhild Tod]]
obere Görnitzthal („Hölleithen"), das obere Triebthal und Würschnitzbachthal
und die noch vorhandenen Berglöcher (Croatenloch) und Höhlen (Bergstollen)
waren ganz besonders dazu geeignet.
Den Nameu Schöneck hat das Städtchen von dem alten Schlosse, das
früher auf dem Friedrich-August-Stein stand. *) Als die Deutschen um das
Jahr 800 in das Sorbenland eindrangen und die Bewohner verjagten oder
zinspflichtig machten, legten sie hier, wo damals noch alles mit Urwald
bedeckt war, neue Wohnungen an. Zuerst entstand ein festes Schloß als
Grenzfestung gegen die Sorben. Es erhielt den Namen Schöneck, und sein
hoher Turm war gewiß weithin im Lande zu sehen. Bald entstand auch
eine kleine Stadt, die gewöhnlich „die Stadt unter dem Schöneck" genannt
wurde. — So berichtet die Geschichte; die Sage aber erzählt:
Ii.
Einst ritt Vogt Heinrich von Plauen iu Begleitung von Freunden,
Dienern und kläffenden Hunden hinaus in den Wald auf die Jagd. Bald
verließ er jedoch seiu Gefolge und wagte sich weit hiuein in die düsteren
Gebirgsschluchten. Dabei kam er an eine Waldblöße, wo seine großen Hunde
das Lager einer Bärin aufspürten. Die Rüden stürzten ins Dickicht und
trieben die Bärin heraus auf die freie Stelle. Heinrich ergriff schnell seine
Stahlarmbrust und schoß auf das brummende Wild; aber er traf nicht. Nun
mußte er sich eiligst zum gefährlichen Zweikampfe rüsten.
Rasch stieß er ins Jagdhorn, um einen Hilferuf in den Wald zu senden,
riß sein blankes Schwert aus der Scheide und hetzte die Hunde auf die
Bärin. Die treuen Tiere warfen sich über die wütende Feindin her, packten
sie am Kopfe, im Nacken, in den Weichen und würgten sie nieder. Doch
die Bärin kam bald wieder oben auf, tötete in wenigen Augenblicken
mehrere Hunde und machte die anderen kampfunfähig. Schnell wollte der
Ritter der Bärin, die noch mit dem letzten kräftigen Hunde rang, den
Todesstpß versetzen; aber das wütende Tier richtete sich plötzlich auf und
sprang grimmig auf deu Vogt los. Heinrich führte einen wuchtigen Hieb
nach dem Nacken des Tieres, traf aber dabei den Schädel, und die zer-
brochene Stahlklinge schwirrte zur Erde nieder. Gleichzeitig hatte die Bärin
auch schon die scharfen Krallen in das Fleisch des Pferdes tief eingeschlagen.
Das edle Roß, überwältigt vom Schmerze und niedergedrückt von der Last
der Bärin, stürzte und bedeckte im Fallen den Grafen. Dieser würde sich
aus seiner schrecklichen Lage nicht zu befreien vermocht haben, hätte ihm
Gott nicht Hilfe gesendet.
Nicht weit von der Waldblöße stand eine Köhlerhütte, und etwas
tiefer im Walde dampfte ein Kohlenmeiler, wo ein juuger Bursche für
seinen Vater Kohlen brannte. Der Jüngling hatte den Hilferuf gehört
und eilte mit seinem Schürbaum dem Orte zu. Die Bärin hatte schon
den Arm des Vogtes gepackt — da ließ der Köhler seinen Schürbaum mit
großer Gewalt auf ihren Nacken niedersausen, sodaß sie ihre Beute sofort
*) Die Überreste des Schlosses wurden erst 1765 völlig abgetragen. Noch 1731
diente das Schloß, zu dieser Zeit „Forsthaus" genannt, zur Wohnung der Beamten
und als Herberge für Fürsten, wenn sie Schöneck besuchten.
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
TM Hauptwörter (100): [T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch]]
TM Hauptwörter (200): [T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus], T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus]]
Extrahierte Personennamen: Vogt_Heinrich_von_Plauen Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich
— 60 —
schlössen war. Hocherfreut setzte er die Hacke ein und sprengte den Deckel
auf. Der Kessel war bis oben mit großen Goldstücken gefüllt.
Christoph barg in seine Taschen, was er tragen konnte, verschloß den
Kessel wieder und ebuete die Erde darüber. Daun stürmte er in feine
Hütte, weckte Weib und Kinder, versah sie mit Körben und Gefäßen und
rauute mit ihnen wieder uach der Stelzenhöhe. Noch ehe das Morgenrot
leuchtete, war der Schatz gehoben.
Der glückliche Schatzgräber kaufte sich ein großes Bauerngut in Stelzen.
Sein Haus stand jebent Notleidenden offen. Denn er hatte au sich selbst
ersahreu, wie weh Armut thut. Seiue Nachkommen wohnen heute uoch in
Stelzen und dessen Umgebung und sind angesehene Leute.
Der Stelzeubaum wurde im Frühjahre 1897 durch einen Sturm nieder-
geworfen.
23. Der Lindwurm zu Kürbitz.
Eine der größten und fchöusteu Dorskircheu im Vogtlande ist die zu
Kürbitz bei Plauen. Sollte dich einmal der Weg durch dieseu Ort führen,
so versäume uicht, dir dieses merkwürdige Gotteshaus anzusehen. Es ist
schon ziemlich alt und enthält neben vielen altertümlichen Bildern, Schnitz-
werken, Waffen, auch Grabsteine und Denkmäler alter Ritter und Herren
von Feilitzsch. Eines dieser Denkmäler, welches sich über dem Erbbegräbnisse
der Herren von Feilitzsch erhebt, stellt einen dieser Ritter dar, wie er mit
einem Drachen oder Lindwurme kämpft. Die Sage erzählt darüber folgendes:
Vor vieleu, vieleu Jahren hauste in einer Höhle im tiefen Walde bei
Kürbitz ein fürchterlicher Lindwurm, der alles Lebendige, was in sein Be--
reich kam, umbrachte. Ganz besonders hatte er es auf Menschen abgesehen,
und viele waren ihm bereits zum Opfer gefallen. Schon mancher tapfere
Mann hatte es versucht, das Ungeheuer zu töten, aber vergeblich; mit
seiuem Leben hatte jeder das Wagnis bezahlen müssen.
Da zog endlich anch der tapfere Ritter von Feilitzsch auf Kürbitz aus
und wollte den Lindwurm töten oder selbst sterben. Er legte Harnisch und
Panzer an, setzte seinen Helm ans, gürtete fein scharfes Schwert um und
nahm seinen langen Spieß zur Hand. Dann setzte er sich auf sein bestes
Roß, befahl sich dem lieben Gotte und ritt getrosten Mutes hinaus in den
Wald.
Kaum hatte der greuliche Drache ihn vou ferne gewittert, so stürzte
er auch schou aus der Höhle hervor und warf sich mit aller Kraft auf das
Pferd des Ritters. Dieser konnte bei dem unwiderstehlichen Angriffe des
gewaltigen Gegners nur noch schnell abspringen, um nun zu Fuß das Uu-
tier, das vom Kopfe bis zum Schwänze mit hornigen Schuppen wie mit
einem Panzer bedeckt war, mit Schwert und Spieß zu bekämpfen. In
blinder Wut riß es das arme Pferd in Stücke. Da erspähte der Ritter
am Bauche des Ungestüms eine weiche Stelle. Mit Blitzesschnelle stieß er
ihm den Spieß tief, tief in den Leib, daß ein Strahl schwarzen Blutes
herausschoß und der Drache sich in Todeszuckungen wand. Schnell faßte
der Ritter das Schwert und wollte ihm mit einem wuchtigen Hiebe den
Garaus macheu. Da uahm der röchelnde Lindwurm die letzte Lebens-
kraft zusammen, schlug mit seiuem Schweife furchtbar um sich und traf
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T94: [Stadt Fabrik Handel Dorf Schloß Weberei Einwohner Einw. Nähe Bergbau], T84: [Körper Kopf Tier Fuß Bein Insekt Eier Zahn Nahrung Haut]]
— 57. —
ihren Grausamkeiten. Da vergruben die Bauern ihr Geld, trieben ihr Vieh
tief in die Wälder hinein und versteckten sich in den Bergen.
Eines Tages plünderte eine Schar Hussiteu das Dorf Stelzen. Es
liegt schon auf reußischem Gebiete; uur sein Wirtshaus gehört zu Sachsen.
Die Kriegsleute suchten aber nicht bloß nach Geld und Gut, sondern auch
nach kräftigen jungen Männern, die sie dazu zwingen wollten, mit ihnen in
den Krieg zu ziehen. Umsonst! Das Dorf war wie ausgestorben. Endlich
sah ein Hnssit einen jungen Bauer über eine niedrige Gartenmauer hinaus
ins Freie springen. Schnell rief der Kriegsmann seine Kameraden. Sie
setzten dem Flüchtlinge nach. Von Todesangst getrieben erreichte er den
schützenden Wald vor seinen Verfolgern und verbarg sich in einem Fichtendickichte.
Die Hnssiten durchstreiften den Wald, sie gingen hierhin und dorthin,
ohne den Flüchtling zu finden. Endlich wandten sie sich mißmutig uach
dem Dorfe zurück. Da hörten sie in einiger Entfernung Schafe blöken.
Sofort änderten die Kriegslente ihre Richtung und erreichten bald eine ab-
gelegene Waldwiese, auf der ein alter Hirt seine Schafe weidete.
Ungestüm drangen sie auf den Schäfer ein und forderten von ihm, er
solle angeben, wohin der junge Bursch geflohen sei. Vergebens beteuerte
der zitternde Greis, er habe keinen Menschen zu sehen bekommen. Sie
schlugen ihn, drohten ihm die Zunge auszureißen und schrieen: „Gestehe,
Alter, oder du bist des Todes!"
Jammernd antwortete der Hirte: „Wie kann ich sagen, was ich selbst
nicht weiß?"
„So mußt du sterbeu," rief die wütende Schar und schleppte ihn auf
die Stelzener Höhe.
Dort ermannte sich der greise Hirte noch einmal. Er stieß seinen
dürren, rindenlosen Hirtenstab in die Erde und rief: „So wahr mein alter
Stab binnen drei Tagen grünende Zweige treiben wird, so wahr ist es,
daß ihr einen Unschuldigen tötet. Ich habe den Burschen weder versteckt,
noch auch nur gesehen."
Sie ließen ihn nicht weiter reden. Unter Spott und Hohnworten
warfen sie ihm eine Schlinge um den Hals und erdrosselten ihn an einem
starken Baumaste. Nach wenigen Miuuten hatte der redliche Hirte ausgelitten.
Als die Hussiten drei Tage später neugierig an den Ort ihrer Unthat
zurückkehrten, grünte der Stab des unglücklichen Hirten über und über. Da
erschraken die Mörder und slohen.
Ii.
Aus dem grünenden Hirtenstabe war ein mächtiger Baum geworden.
Die Bewohner Stelzens erzählten sich von ihm allerlei geheimnisvolle
Dinge. Unter ihm ruhende Wanderer hatten zauberische Töne vernommen
und dann in den oberen Zweigen des Wunderbaumes fremde, gold-
schimmernde Vögel entdeckt. Viele Leute, die voll Sorgen zu ihm herauf-
gestiegen waren, vergaßen in seinem Schatten ihr Herzeleid. Von weit
und breit kamen Männer und Frauen und brachen sich Blätter und Blüten
von ihm ab, um damit Krankheiten zu vertreiben. Bald war er unter dem
Namen Stelzenbaum in der ganzen Gegend bekannt.
Aber nach dem dreißigjährigen Kriege war die Wunderkraft des
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch]]
— 97 —
von seiner Höhe herabgrüßen. In wenigen Minuten ist er erreicht. Der
gefesselte Verbrecher steigt vom Wagen; die Gerichtspersonen bilden einen
Kreis um ihn, verkünden dem Volke das Todesurteil und übergeben ihn
dem Henker, daß dieser seines Amtes warte. Von dem Geistlichen geleitet,
wankt „der arme Sünder" dem Galgen zu. Noch einmal kniet er nieder
und betet. Dann ergreifen ihn die Henkersknechte; nach wenigen Minuten
ist das Todesurteil vollzogen, und der Leichnam des Hingerichteten hängt,
ein Spiel der Winde, an dem dreisäuligen Gerüste. Die Gerichtspersonen,
der Geistliche, das Volk, zuletzt der Henker mit seinen Knechten verlassen
ernst die Hinrichtungsstätte. Bald ist der ganze Platz leer. Mit Grauen
wendet der eine oder der andere noch einmal den Blick rückwärts; dann
eilen alle ihrer Wohnung zu und erzählen den Daheimgebliebenen von dem
schauerlichen Erlebuisse.
Wochenlang ließ man oft die Erhenkten zum warnenden Beispiel für
alle Übelthäter am Galgen hängen. Ein christliches Begräbnis auf dem
geweihten Gottesacker ward ihnen aber auch dann nicht gewährt. Wenn
der verwesende und von Krähen und anderen Aasvögeln zerhackte Leichnam
in Stücken abzufallen begann, fo wurde er einfach neben dem Galgen ein-
gescharrt.
Noch im Jahre 1779 wurde bei der Enthauptung eines preußischen
Greuadiers der Kopf desselben auf das Rad bei dem Plauenschen Galgen
genagelt. Erst im Jahre 1833 wurden Galgen und Rad in Plauen für
immer beseitigt.
17. Z)er schwarze Tod im Wogttande.
Au einem Septemberabende des Jahres 1600 stand der Gastwirt
Nikol von Triebet am Fenster und starrte hinaus ins Abendrot. Eine
unerklärliche Angst hatte ihn ans Fenster getrieben, und als er nun den
blutigroteu Himmel erblickte, mußte er wieder an den schlimmen Traum
der vergangenen Nacht denken. So rot sah er auch im Traume den
Himmel leuchten, als auf einmal große, schwarze Vögel kamen, die sein Haus
umkreisten. Und über ein kleines, da hatten sich auch seine drei lieblichen
Töchter in solche schwarze Vögel verwandelt und flogen von ihm fort hinein
in das feurige Rot. — Schon den ganzen Tag über hatte ihn dieser Traum
beunruhigt, und der Gedanke, es möchte über sein Haus ein Unglück kommen,
schnürte ihn: die Brust zu. Oder sollte vielleicht seinem Bruder, der oben
auf dem Haselrain wohnte, etwas Schlimmes auf der Wolfsjagd wider-
fahren fein, zu derer sich vorgestern aufgemacht hatte? Unwillkürlich mußte
der Wirt daran denkcu, wie voriges Jahr 14 Tage vor Weihnachten Peter
Schneider aus Schwand auf der Wolfsjagd jämmerlich ums Leben ge-
kommen war. Schneider hatte sich im Schönecker Walde verirrt, war im
Schnee stecken geblieben und erfroren; erst im letzten Mai war seine Leiche
von Kuhhirten gefunden worden.
Ans seinen trüben Gedanken wurde Nikol durch einen Peitschenknall
emporgeschreckt; er blickte auf und fah vou der hohen Landstraße herab einen
Fuhrmann kommen. Bald darauf öffnete sich die Thür, und herein wankte
der Fuhrmann, der sich kaum mehr auf den Beinen erhalten konnte. Mit
schwacher Stimme erzählte dieser dem Wirte, daß er Abraham Jpphos heiße,
Unser Vogtland. 3. Neudruck. 7
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T169: [Hand Kreuz König Krone Schwert Zeichen Haupt Gold Mantel Kaiser], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch]]
Extrahierte Personennamen: Nikol Peter
Schneider Schneider Fuhrmann Abraham_Jpphos Abraham
— 69 —
losließ und betäubt zur Seite rollte. Dann half er Heinrich auf, erbat
sich dessen Jagdmesser und versetzte damit dem Tiere den Todesstoß. Heiter
und siegesbewußt wandte er sich dann an seinen Landesherrn und rief:
„Herr Vogt, der Bär ist tot; ihr seid erlöst!"
Heinrich drückte seinem Retter die Hand und sprach: „Wackerer Bursche,
dir danke ich mein Leben. Sage, womit ich dir lohnen kann. Was du
wünschest, sollst dn bekommen, wenn es in meinem Vermögen steht." Der
Köhler schwieg. Nach mehrmaligem Zureden Heinrichs faßte er sich endlich
ein Herz und sagte schüchtern: „Für mich Hab' ich schon genug; wenn ich
aber nnr ein Plätzchen zu einem kleinen Häusel hätt'! Ich habe ein Schätze!,
das darf ich aber nicht eher heiraten, mein Vater will's so haben, bis wir
ein Häusel haben, wo wir hineinziehen können." Der Vogt lachte und
sprach: „Wenn dir weiter nichts fehlt, das sollst du bald haben. Geh' zu
deiner Braut, nimm sie mit und schaut euch in meinen, Lande nach einem
passenden Fleckchen um. Habt ihr es gefunden, so baut euch dort an."
Dann zog Heinrich seinen Ring vom Finger und nahm den goldnen Griff
seines Schwerts, reichte dem Köhler beides und fuhr fort: „Nimm Waffe
und Ring; wer diese Zeichen sieht, wird meinen Willen ehren. Hast du
den rechten Ort gefunden, so brich Steine auf meinem Boden, wo du Lnst
hast; schlage Bäume in meinem Walde, wo es dir gefällt, und sollte es dir
jemand wehreu wollen, so zeige nur Schwert und Ring!" Der Köhler
schüttelte vor Freude dem Vogte die Hand, dankte vielmals und rief: „O
Herr Vogt, ihr seid gut; Gott im Himmel lohn's euch euer Lebtag!"
Dann kamen die anderen Jäger herangesprengt und staunten nicht
wenig, als sie sahen, was geschehen war. Der Landvogt bestieg ein andres
Pferd, und nach wenigen Minuteu war der ganze Jagdtroß im Walde ver-
schwnnden. Der Köhler blieb noch, bis er die Kohlen seinem Vater als
gut und klingend übergeben konnte, dann eilte er zur Braut und erzählte
ihr, was geschehen war. Bald waren beide auf der Wanderung, um sich
ein schönes Plätzchen für ihr Hans auszusuchen.
Nach langem Suchen, und nachdem manches Fleckchen betrachtet und
doch nicht angenommen worden war, kamen beide endlich auf einer Höhe
an, wo mitten im Walde große Wiesen lagen. Von hier aus hatte man
eine herrliche Aussicht. Hier gefiel es der Braut und sie rief: „Das ist
ein fchöu's Eckel; wie weit kann man da sehen; hier wollen wir bauen!"
Der Köhler willigte ein. Nach wenig Monaten stand das Haus auf dem
„schönen Eckel" fertig, und die Hochzeit wurde gefeiert.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch]]
TM Hauptwörter (200): [T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus]]
Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrichs Heinrichs Heinrich Heinrich Vogt