Sagen, 35
einem Male der wüste Lärm in schallendes Gelächter, denn ein Ratsherr hatte auf
eine Tafel in großen Lettern geschrieben: „Der Roland foll stehen bleiben, wir
wollen ihn nur nicht länger haben, weil er uns schon lang genug ist!" Damit war
das Mißverständnis aufgeklärt. Die guten Bürger sahen, daß sie von dem ver-
meintlichen Künstler arg
genasführt waren. Kein
Wunder also, daß sich ihr
Unmut gegen ihn wandte.
Als sie den Schalk griffen,
steckten sie ihn zur Strafe
in den Wendenturm, Im
Nu aber entwich er mit
einem Hohngelächter: und
jeder wußte nun, daß der
vermeintliche Künstler der
leibhaftige Teufel gewesen
war.
Der Rolaud war
in der früheren Zeit für
die Stadt Stendal das
Zeichen der eigenen
Gerichtsbarkeit. Die
im Jahre 1525 am Rat-
hause errichtete Stein-
figur gehört zu den
größten, die wir besitzen.
Der gewaltige Körper
ruht auf starken Beinen,
dessen Waden stärker sind
als der Brustumfang
eines kräftigen Mannes,
Durch den schweren Pan-
zer wird der Körper ge-
schützt. Die erhobene
rechte Hand hält das 4 m
lange Schwert, das
Werkzeug des strafenden
Rechts; die linke Hand
umfaßt den Schild mit
dem brandenburgischen
Adler, das Sinnbild
des Schutzes. So er-
innert der Roland an die
frühere Größe und Selbst-
ständigkeit der Stadt
Stendal. Der Roland am Rathaus in Stendal.
2. Der wunderbare Ring im Schlosse zu Calbe a. M.
In einer Nacht erschien der Schloßherrin eine Frauengestalt mit einem Lichte
und flehte sie an um Hilfe und Beistand bei einer Kranken, Als die Edelfrau ein-
willigte, bat die Erscheinung, von der Kranken weder Essen noch Trinken noch irgend
ein Geschenk anzunehmen, da sonst Unglück über das Schloß und die Familie kommen
würde. Die Herrin tat nach dem Gebote, und die Kranke wurde wieder gesund.
Da kam eines Tages der Mann der Kranken und überreichte der Schloßherrin eine
Schüssel mit gemünztem Golde. Doch die Herrin dachte an das Gebot der Er-
3*
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Franken
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 38 —
sammelten sich die älteren Ritter, die nicht mehr an den Spielen teilnahmen, die edlen Frauen, die hohen Herren des fürstlichen Hofes und der Stadt.
Die Zulassung zum Stechen war nach einer Turnierordnung geregelt, die von der fränkischen Rittergesellschaft der Fürspanger entworfen worden war. Aus derselben seien einige Bestimmungen auszugsweise wiedergegeben.
V Don der Kleidung.
(£5 sollen Ritter und Knechte keine güldene Decke und der Gemeine vom Adel keine Decke und keinen wappenrock von Samt, Damast oder Atlas führen. Eine jegliche Frau oder Jungfrau habe nicht über vier Röcke, mit denen sie sich schmücken will, von diesen seien nicht mehr als zwei von Samt. wer diese Vorschrift nicht einhält, soll des Dankes und der Dortänze beraubt sein.
2. Von der Rüstung.
Das Schwert soll drei bis vier Finger breit und vornen an der Spitze in derselben Breite stumpf abgeschliffen sein, daß es weder steche noch schneide. Dieses Schwert soll jeder mit seinem Kleinod zur Prüfung tragen lassen. Die Klinge sei drei Spannen lang.
An Zaum, Zügel, Sattel oder Steigleder darf kein (Eisen angebracht sein, das im Turnier gefährlich werden könnte, wenn man zum Turnierbeginn bläst, mag jeder sein Schwert ziehen und gegen das Kleinod seines Turniergenossen hauen, sonst soll er es aber nicht gebrauchen. Andere Waffen habe keiner dabei.
Der Kolben sei an der Spitze daumendick, hänge an einer Kette und dürfe keinen Nagel haben. Niemand darf im Sattel befestigt sein. Schild und Krone muß jeder unverdeckt führen.
Ein Fürst soll vier, ein Graf oder Herr drei, ein Ritter zwei Knechte haben, ein (Edelmann einen Knecht.
3. wer nicht ins Turnier gehöret.
Nicht zum Turnier darf zugelassen werden, wer einen falschen Eid geschworen hat, wer im Feldgefängnis meineidig worden war, wer sein Handgelübde auf Brief und Siegel nicht hielt,
wer vom Heerhaufen des Herrn oder Freundes flüchtete,
wer Frauenehre nicht achtete, wer als Wucherer bekannt war, wer Straßenraub, Mord oder i)errat verübte, wer Kirchen zerstörte, wer Ketzerei trieb, wer des Ehebruchs überführt war,
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Und eh' sie des Flosses Bau vollendet,
Haben längst im Fluthengrab geendet
Jene, die um Rettung fleh'n.
Doch wer ist's, der mit verhängtem Zügel
Dort herab vom nah' geleg'nen Hügel
Einem Pfeile gleich, hernieder schoß?
'S ist ein Greis von mehr denn siebzig Jahren,
Der, umlockt von silberweißen Haaren,
Niedersprengt auf stolzem Roß!
Wer kennt nicht den edlen Woltemade? —
Er, er ist's! und dort auf dem Gestade
Angelangt mit hohem Edclmuth,
Menschen -- ruft er — laßt uns retten, Brüder
Spornt das Roß, und stürzt vom Ufer nieder
In die wilde Meeresfluth.
Und ein Gott krönt segnend sein Bemühen.
Ob die Wellen tobend ihn umziehen,
Glücklich langt er bei dem Wracke an.
Aller Augen schauen voll Entzücken
Und mit festen, unverwandten Blicken,
Hoffend auf den Biedermann.
Auf, ihr Brüder! Nicht den Muth verloren!
Ich ward euch zum Retter auserkoren, —
Ruft er nun zu dem Verdeck hinan.
Zwei von euch laßt schnell herniedcrspringcn
Und den Schweif des Rosses fest umschlingen,
Ob ich so euch helfen kann.
Wird's mit Gottes Hülfe mir gelingen,
Sie zum fernen Ufer hinzubringen,
Schnell dann kehr' ich rettend euch zurück,
Hol' auf's Neue Zwei aus eurem Kreise i
Alle noch hoff' ich auf diese Weise
Zu erretten, will's das Glück.
Wie ein Ruf aus höherm Geisterchore
Tönt des Retters Stimme sanft zum Ohre
Der Bedrängten aus der Fluth hinauf.
Zwei schon sind vom Wrack herabgesprungcn,
Und als sie des Rosses Schweif umschlungen,
Wendet er zurück den Lauf.
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mitten im Raum erhob sich der mchtige Herd, auf dem das Feuer nie aus-ging. An der Wand liefen Bnke hin, und vor ihnen standen knorrige Tische. Dies waren die einzigen Mbel. Selbst von einem Bette wute man noch nichts; man schlief vielmehr auf Tierfellen oder auf Laub und Moos. Brauchte man abends Licht, so zndete man Kienspne an.
Neben dem Wohnhause standen die Htten der Unfreien, die Scheunen und Stlle. Um das Ganze zog sich ein hoher Plankenzaun oder auch eine dichte Hecke.
3. Der freie Germane in Krieg und Frieden. Der Germane zeigte sich selten ohne Waffen; sie waren ihm das Zeichen des freien Mannes, sein kostbarster Besitz und folgten ihm sogar ins Grab. Da er sie auch zu brauchen wute, merkten die Rmer nur zu oft. Ihnen waren die Germanen von jeher als ein furchtbares Kriegs Volk erschienen. Selbst die tapfersten Legionssoldaten berlief ein Grauen, wenn diese blonden Recken in dichten Scharen heranstrmten. Panzer hielten sie fr berflssig. Den Kopf schtzten sie wohl durch den Schdel eines Auerochsen oder Hirsches, an dem noch die Hrner saen. Sie fhrten auch mannshohe, grell-angestrichene Schilde aus Flechtwerk; aber die wurden ihnen im Kampf-gewhl oft lstig; dann warfen sie sie einfach weg und gingen dem Feinde mit ungeschtzter Brust zu Leibe. Der kannte nur zu gut die furchtbaren Ste der Germanenlanze, der Fram, mit ihrer scharfen Spitze, die tdlichen Hiebe der scharfen Streitaxt und der knorrigen Keule. Er erbebte auch vor dem schauerlichen Schlachtgesang, mit dem die germanischen Scharen den An-griff begleiteten.
Im Frieden zog der Germane gern mit seinen Nachbarn auf die Jagd. Da hetzte er Rehe und Hirsche; er ging aber auch dem grimmigen Wolf, dem zottigen Bren und dem wilden Auerochsen zu Leibe; gar manchmal trug er schwere Wunden davon. War die Jagd vorber, so luden die Jger ihre Beute auf den Rcken. Schwere Tiere legten sie auf Bahren und schafften sie so nach Hause. Dort ruhten sie bei einem frhlichen Gelage von der Arbeit aus. Da schmeckte der Brenschinken und der Eberbraten, und immer wieder wurde das Trinkhorn mit herbem Bier oder mit sem Met gefllt.
4. Das Leben im Gehft. Die eigentliche Arbeit schafften die Sklaven, die man an dem kurzgeschorenen Haar erkannte. Mit einem sehr einfachen hlzernen Pflug furchten sie den Acker und sten Hafer, Gerste und Flachs. Doch war die Ernte nur gering, weil der Boden nicht gedngt wurde. Auch der Garten am Hause war schlecht bestellt und lieferte nur Rettiche und Rben. Auf der Weide tummelten sich Pferde und Rinder, Ziegen und Schafe. Die Schweine trieb man in den Wald, wo sie sich an Eicheln msteten. Die Aufsicht der die Sklaven fhrte die Hausfrau.
Auch im Haufe selbst gab es fr sie und die Mgde viel zu tun. Jeden Tag mute zwischen zwei Steinen Gerste und Hafer zerrieben werden, damit man Brot backen konnte. Das Vieh war zu melken. Die Germanen tranken nicht nur se und saure Milch, sondern sie bereiteten daraus auch Kse. Aus Gerste wurde das Bier gebraut, aus Waldhonig der Met gewonnen. Die Mdchen spannen und woben fleiig und verfertigten aus dem
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51
2. Wie ein Krenzzug beschlossen wurde. Unter den Wallfahrern war auch ein Mnch namens Peter von Amiens. Er sah die Roheit der Trken und die Not der Christen mit eignen Augen. Die Leiden der Armen gingen ihm sehr zu Herzen. Da machte er sich eilends ans die Heimfahrt und erschien vor dem Papste Urban Ii. Dieser wurde durch die Erzhlungen Peters tief erschttert. Er hielt im Jahre 1095 eine groe Kirchenversammlung zu Clermont in Frankreich ab. Die ganze weite Ebene dort war mit Menschen angefllt. Zweihundert Bischfe, zahlreiche Fürsten und Ritter in glnzender Kleidung und zahllose andre Leute waren anwesend. In flammenden Worten schilderte der Papst ihnen die Leiden der Christen im Heiligen Lande. Auf denn", rief er, wider den Feind des christlichen Namens wendet die Schwerter! Dort be jeder die Frevel, die er in seinem Lande be-gangen hat! Als Sieger werdet ihr heimkehren oder die Mrtyrerkrone erringen I" Die ganze Versammlnng war tief ergriffen; Gott will es!"
rief alles Volk. Gleich waren Tan-sende zu dem heiligen Kampfe bereit.
Wer teilnehmen wollte, schmckte sofort seine rechte Schulter mit einem roten Kreuz; daherkommen die Namen Kreuzfahrer und Kreuzzug.
3. Der Auszug. Jetzt zogen Prediger in den Landen umher und riefen die Glubigen zum Kampfe auf. Keiner tat es mit solcher Begeisterung wie Peter von Amiens.
Da strmten groe Scharen zusammen, besonders in Frankreich,
Lothringen und Italien. Es waren Bauern und Brger, die ihre Frauen und Kinder auf Ochsenwagen mit-snhrten, aber auch Spielleute, Gaukler, Ruber und andres Gesindel. Ohne Ordnung zogen sie durch Deutschland und Ungarn, um nach Kon-stantinopel zu gelangen. Der Weg war ihnen unbekannt, und Fhrer hatten sie nicht. Da band einmal ein solcher Haufen eine Gans und eine Ziege zusammen und wanderte dahin, wohin das seltsame Paar lies. Die meisten besaen keine Waffen, weil sie dachten, Gott selbst werde alle Feinde vernichten. Auch die Lebensmittel fehlten ihnen, und so fingen sie unterwegs an zu rauben und zu plndern. Das lieen sich die Ungarn nicht gefallen und schlugen fast alle tot.
Erst im Herbst des Jahres 1096 machte sich ein wohlausgerstetes Heer von Kreuzfahrern auf den Weg. Unter den Fhrern war auch der fromme und ritterliche Herzog von Lothringen, Gottfried von Bouillon. Glcklich erreichten diese Kreuzfahrer Konstantinopel. Von hier aus
4*
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61
9. Kreuzzug und Tod. Friedrichs blonder Bart war allmhlich grau geworden; aber der greise Held fhlte sich noch frisch wie ein Jngling. Da kam die Nachricht von der Eroberung Jerusalems durch die Trken. Der Kaiser hielt es fr seine Pflicht, die heilige Stadt den Hnden der Unglubigen zu entreien. Schon zum folgenden Osterfeste berief er die Groen des Reiches zur Beratung nach Mainz. Fr ihn war ein prchtiger Sitz an erhhter Stelle hergerichtet worden. Aber er weigerte sich, ihn einzunehmen. Er gehrt Christus", sagte er, der mitten unter uns weilt, wenn wir ihn auch nicht sehen", und nahm auf einem gewhnlichen Stuhle Platz. Unter groer Begeisterung wurde der Kreuzzug beschlossen.
Die Trmmer der Barbarossaburg zu Gelnhausen an der Kinzig, in der Friedrich gern weilte.
Bald zog der Kaiser an der Spitze eines wohlgersteten Ritterheeres nach dem Morgenlande. In der Wste von Kleinasien rafften im Sommer 1190 Hitze und Durst viele Menschen und Pferde dahin. Unaufhrlich brachen die leichten trkischen Reiter aus ihren Verstecken hervor und taten den Kreuzfahrern vielen Schaden. Aber in einer Schlacht gegen die Unglubigen blieben die Christen Sieger. Nun glaubten sie alle Gefahr berstanden zu haben. Der Kaiser jedoch sollte das Ziel seiner Fahrt nicht sehen. Staub-bedeckt und erhitzt war der alte Held dem Heere an den Gebirgsflu Saleph vorangeeilt. Er gedachte sich durch ein Bad zu erfrischen. Seine Begleiter wollten es nicht dulden, denn das Wasser des Flusses war eiskalt; aber er strzte sich doch hinein. Da fate ihn der Strudel und ri ihn in die Tiefe.
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Extrahierte Personennamen: Friedrichs Friedrich Friedrich
122
Herrschaft Plesse zu setzen. Zunächst suchte er seine ihm anvertraute Schwägerin
und deren Kinder aus dem Wege zu räumen. Letztere standen seinem sünd-
hasten Vorhaben als die rechtmäßigen Erben am meisten im Wege, deshalb
mußten diese zuerst beseitigt werden. Eines Tages pflückten sie am Rande des
nunmehr übermauerten Brunnens, der seinen Ausfluß eine halbe Stunde von
der Plesse, in Mariaspring, hat, Marienblümchen, als ihr böser Oheim die
günstige Gelegenheit benutzte, sie durch einen vertrauten Diener, der eben so
nichtswürdig als sein Herr war, in das Wasser Wersen zu lassen. Es hieß
allgemein, sie seien beim Blumeupslücken ertrunken. Die Mutter aber der
unglücklichen Kinder, die von jeher einen geheimen Schauer in der Nähe ihres
Schwagers empfunden hatte, ahnte das Bubenstück desselben und ließ es ihn
zu wiederholten Malen nicht undeutlich merken. Um Nuhe vor ihr zu haben,
und seiu in ihrer Nähe und Gegenwart stets lauter mahnendes Gewissen zu
beschwichtigen, ließ er sie als Gemütskranke in das Kloster zu Nörten stecken,
wo sie in Jahresfrist ihrem namenlosen Schmerze erlag.
Die Rückkehr seines Bruders fürchtend, fandte er auf verschiedenen Wegen
zwei gedungene Meuchelmörder nach dem Morgenlande, die ihn im Kreuzheere
aufsuchen und aus irgend welche Weise umbringen sollten. Der eine derselben aber
war dem abwesenden Herrn in: Geheimen tren ergeben, eilte deshalb ohne
unnützen Ausenthalt nach Palästina und setzte den Herrn Otto, welchen er
glücklich noch lebend auffand, von den Schandthaten feines Bruders und von
dem Zwecke feiner eigenen Sendung in Kenntnis. Der unglückliche, durch diese
Schreckensbotschaft niedergebeugte Vater und Gatte nahm nun vom Kaiser
Rotbart seinen Urlaub und kehrte mit dem treuen Diener aus einem venetianifchen
Schisse nach Europa zurück.
Es war am Abend des neunten August, als er in Pilgerkleider gehüllt
und unkenntlich durch tiefe Gramesfurchen und einen lang wallenden Bart, vor
seinem Schlosse anlangte. Trompetenklänge und lauter Jubel schallten ihm
schon von Ferne aus demselben entgegen. Ein Diener, welcher ihm begegnete,
teilte ihm auf feine Fragen mit, daß der junge Herr heute mit dem Fräulein
von Wohldenberg seine Vermählnng feiere. — In der Eigenschaft eines fahrenden
Sängers erbat sich der rechtmäßige Besitzer der Burg, durch ein vorzutragendes
Lied die Festlichkeit erhöhen zu dürfen. Sein Wunsch ward ihm gern gewährt.
Nachdem die Braut ihm einen Becher Würzburger Weines kredenzt hatte, hob
er sein Lied an, welches auf die unglücklichen Verhältnisse seines eigenen Lebens
Bezug hatte. Er sang von einem Kreuzfahrer, der unter Gottfried von
Bouillon gegen die Saracenen kämpfte; von einem Bruder, dein er seine Frau
und Kinder anvertraut, die derselbe aber ermordet habe; von der Rache des
Himmels, die den Mörder endlich getroffen und ihn mit samt seinem ganzen
Hause vernichtete.
Tiefseufzend zog sich der Sänger nach Beendigung seines Liedes in die
Gesindestube zurück, während sein verbrecherischer Bruder, dessen Gewissen er
erschüttert hatte, beunruhigt und böser Ahnungen voll, zum Pokale griff, um
das Höllenfeuer seines Herzens zu löschen. Auch die Hochzeitsgäste forderte er
zum Trinken und zur Heiterkeit auf, doch war die fröhliche Stimmung für
immer dahin. Es war, als ob in dem Sänger ein böser Geist der Unterwelt
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Extrahierte Personennamen: Otto August Wohldenberg Gottfried_von
Bouillon
Extrahierte Ortsnamen: Mariaspring Marienblümchen Palästina Europa
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und beides, das fromme Gebet und die ehrliche Arbeit waren ihm
zuwider im tiefsten Grund der Seele. Kannte er doch nur Plündern
und Rauben bei Nacht, und Schwelgen und Prassen am Tag. Zu
plündern und zu rauben aber gab's genug au der großen Hansastraße,
denn alles Gut der Kausleute aus Norwegen und Hamburg und Dau-
zig und vom fernen Köln am Rhein zog diese Straße. Das Roß
des Ritters aber war schnell zum Einholen und Davoneilen, und der
Gesellen waren viel zur treuen Beihülfe; die Verfolger erhaschten
nimmer die verwegenen Strolche, denn die List der Wegelagerer war
groß: den Huftritten der Rosse nachzuspüren, war ein eitel und ver-
geblich Werk, fintemalen die Hufeisen lagen heute so und morgen
anders unter dem Roß, alles nach Belieben der treuen Kunstschmiede;
— und iu den Kellern und Verließen der Bnrg war niemals etwas
aufzufinden vom geraubten Gut, denn der Wald war groß, und Höh-
leu wareu leicht im Dickicht auszugraben. Wo aber des Menschen
Hand zu kurz ist zur Rache über die Übelthäter, da greift der Höchste
oft plötzlich hernieder ans den Wolken mit gewaltigem Arm. So
geschah es auch hier.
Es war eiu finsterer stürmischer Herbstabend. In den Turm
des Kirchleins huschten vermummte Gestalten: der Ritter mit seinen
wilden Gesellen hatte davon vernommen, daß zu dieser Nacht reich-
beladeue Wagen durch die Heide kommen würden und hatte das Türm-
lein als sichersten Versteck auserkoren, um von hieraus die arglos
Reisenden zu überfallen. In einem Ding aber hatten sie sich ver-
rechnet, denn der Meßner hatte für hente die Vesper zu schlageu ver-
gessen und trat jetzt eilend in das Thor des Türmleins, faßte den
Strick und begann sein frommes Werk. Dabei ist's ihm, als ob es
sich rings nm ihn regt und bewegt, und als er darnach ausschaut,
sieht er im Turm Spieße und Hellebardeu und Schwerter blitzen über-
all. Aber er verhielt sich fein stille, that, als ob er nichts hörte
noch fah, und läntete rnhig die Vesper ab. Dann trat er herans,
schloß — zum ersten Mal seit vielen Jahren — das Thor gar sorg-
sam zu und lief darauf spornstreichs herunter ius Dorf zum Pfarr-
Haus. Uud siehe, auch hier lebte und webte es, jedoch von lanter
fröhlich dreinschauenden Leuten, denn fünf Kaufherren aus dem alten
Hamburg waren ihren Wagen voraufgeritten und hier eiugekehrt, und
der Pfarrherr bewirtete sie herzlich. Als der Meßner nun eintrat und
diese ersah, rief er freudig: Glück zu, ihr Kaufherren; ich habe die
Gesellen, die nach eurem Gut trachten, so eben abgefangen; sie sitzen
all' im verschloßnen Turm und können nimmer heraus, wenn sie's
gleich gerne wollten. Darob erfreuten sich die Kaufherren höchlichst,
riefen aber alsbald: du hast ein gut Werk angefangen; wie aber
wollen wir an sie gelangen und sie festhalten ohne Gefahr eigenen
Leibes und Lebens, und nützt uns auch nichts, daß wir davon rei-
teil und Hülfe herbeiholen, denn die Raubgesellen werdeu gar bald
das Thor erbrochen haben und, wenn wir zurückkommen, davon sein
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322
mit den Laudierten Borsten ward aufbehalten. Das Salzwerk ward die Sülze
genannt, und weil Lüneburg neben ihm einen namhaften Berg und eine treffliche
Brücke hat, die über den Fluß Ilmenau führt, so ward ein lateinischer Denk-
spruch auf diese drei Herrlichkeiten gedichtet, der gerade so anfängt, wie es in
einem auf die sieben Wunder von Jena lautet, nämlich: Nons, kons, pons.
Damit allein Mutwillen beiin Salzwerke gesteuert werde, wurde in Zeiten ein
Turin erbaut, welcher der weiße Turni hieß, aber seine weiße Farbe nicht wie
die Salzsau von Salzkrystallen erhielt; in diesen Turm legte man mutwillige und
boßhafte Sülzer und legte sie an eine große schwere Kette, und da hat sich der
Teufel auch in den Turm gelegt und hat darin herum rumort und hat alle
Nacht ein Maul voll davon abgebissen, welches ihm nicht schlecht muß bekommen
sein, denn schon vor mehr als hundert Jahren geschah Meldung vom weißen
Turme, daß er ganz zerfallen sei und nur die große Kette noch gezeigt werde.
[21] Ludw. Bechstein.
119. Ato der Große und Hermann Mung.
Es war um das Jahr 940 nach Chr. G., da hütete nicht weit von Her-
mannsburg ein vierzehnjähriger Knabe die Herde seines Vaters aus der Weide.
Da kam ein prächtiger Zug von gewappneten Rittern daher gezogen, stolz zu
Roß. Der Knabe sieht mit Lust die blinkenden Helme und Harnische, die glän-
zenden Speere und die hohen Reitersleute an. Die aber biegen Plötzlich von
der sich krümmenden Straße ab und kommen querfeldein auf die Stelle zuge-
ritten, wo er das Vieh weidet; und das Feld ist doch keine Straße, und es
gehört doch seinem Vater! Er besinnt sich kurz, geht kühn aus die Ritter zu,
stellt sich ihnen in den Weg und ruft ihnen entgegen: „Kehret um; die Straße
ist ener, das Feld ist mein!" Ein hoher Mann, auf dessen Stirn ein majestä-
tischer Ernst thront, reitet an der Spitze des Zuges und sieht verwundert den
Hirten an, der es wagt, ihm entgegenzutreten. Er hält sein Roß zurück und
hat seine Freude an dem mutigen Knaben, der so kühn und furchtlos feinen
Blick erwidert und nicht vom Platze weicht. „Wer bist du, Knabe?" — „Ich
bin Hermann Billuugs ältester Sohn und heiße auch Hermann, und dies ist
meines Vaters Feld; ihr dürft nicht hinüberreiten!"—„Ich will's aber, Knabe",
erwidert der Ritter mit drohendem Ernst; „weiche, oder ich stoße dich nieder!"
Dabei erhebt er den Speer. Der Knabe aber bleibt furchtlos stehen, sieht mit
blitzendem Auge zu dem Ritter hinauf und spricht: „Recht muß Recht bleiben,
und ihr dürft nicht über das Feld reiten, ihr reitet denn über mich hinweg!"
„Was weißt du vom Recht, Knabe?" — „Mein Vater ist der Villung (Hüter
der Gesetze), und ich werde es nach ihm; vor einem Billung darf niemand das
Recht verletzen!" — Da ruft der Ritter noch drohender: „Ist denn das recht,
Knabe, daß du deinem Könige den Gehorsam versagest? Ich bin Otto, dein
König!" — „Ihr seid Otto, unser König, Deutschlands Hort und der Sachsen
Zierde, von dem mein Vater uns so viel erzählt? Otto, Heinrichs des Sachsen
Sohn? Rein, ihr seid es nicht! Der König schützt das Recht, und ihr brecht
das Recht! Das thut Otto uicht, sagt mein Vater!" — „Führe mich zu deinem
Vater, braver Knabe!" antwortete der König, und eine ungewöhnliche Milde
und Freundlichkeit erglänzte aus seinem ernsten Angesicht. — „Dort ist meines
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Extrahierte Personennamen: Hermann_Mung Ernst Hermann_Billuugs Hermann Ernst Otto Otto Otto Heinrichs Heinrichs Otto