Sagen, 35
einem Male der wüste Lärm in schallendes Gelächter, denn ein Ratsherr hatte auf
eine Tafel in großen Lettern geschrieben: „Der Roland foll stehen bleiben, wir
wollen ihn nur nicht länger haben, weil er uns schon lang genug ist!" Damit war
das Mißverständnis aufgeklärt. Die guten Bürger sahen, daß sie von dem ver-
meintlichen Künstler arg
genasführt waren. Kein
Wunder also, daß sich ihr
Unmut gegen ihn wandte.
Als sie den Schalk griffen,
steckten sie ihn zur Strafe
in den Wendenturm, Im
Nu aber entwich er mit
einem Hohngelächter: und
jeder wußte nun, daß der
vermeintliche Künstler der
leibhaftige Teufel gewesen
war.
Der Rolaud war
in der früheren Zeit für
die Stadt Stendal das
Zeichen der eigenen
Gerichtsbarkeit. Die
im Jahre 1525 am Rat-
hause errichtete Stein-
figur gehört zu den
größten, die wir besitzen.
Der gewaltige Körper
ruht auf starken Beinen,
dessen Waden stärker sind
als der Brustumfang
eines kräftigen Mannes,
Durch den schweren Pan-
zer wird der Körper ge-
schützt. Die erhobene
rechte Hand hält das 4 m
lange Schwert, das
Werkzeug des strafenden
Rechts; die linke Hand
umfaßt den Schild mit
dem brandenburgischen
Adler, das Sinnbild
des Schutzes. So er-
innert der Roland an die
frühere Größe und Selbst-
ständigkeit der Stadt
Stendal. Der Roland am Rathaus in Stendal.
2. Der wunderbare Ring im Schlosse zu Calbe a. M.
In einer Nacht erschien der Schloßherrin eine Frauengestalt mit einem Lichte
und flehte sie an um Hilfe und Beistand bei einer Kranken, Als die Edelfrau ein-
willigte, bat die Erscheinung, von der Kranken weder Essen noch Trinken noch irgend
ein Geschenk anzunehmen, da sonst Unglück über das Schloß und die Familie kommen
würde. Die Herrin tat nach dem Gebote, und die Kranke wurde wieder gesund.
Da kam eines Tages der Mann der Kranken und überreichte der Schloßherrin eine
Schüssel mit gemünztem Golde. Doch die Herrin dachte an das Gebot der Er-
3*
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
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84 Der Harz.
Sagt vom Ilsenstein.
Als noch der Jlsenstein und der Westernberg eine zusammenhängende Fels-
masse bildeten, stand ans dem Jlsensteine das prächtige Schloß des Königs Jsung.
Hier wohnte die schöne Prinzessin Ilse. Zum Arger der bösen Zauberin im Tale
zogen viele stattliche Ritter auf den Jlsenstein- aber von ihrer häßlichen Tochter
Trnte wollte keiner etwas wissen, obwohl diese das köstlichste Geschmeide, Gold
und Edelsteine die Fülle besaß. Als einst der Ritter Rolf die Zauberin um den
zum Jlsenstein fragte, bat Trute die Mutter, den Ritter zu bezaubern, daß
er bei ihnen bliebe.
Das gelang der Hexe
auch. Allein nach einiger
Zeit entrann Rolf ihnen
doch und kam glücklich
auf den Jlsenstein. Die
Schönheit der Prin-
zessin Ilse und die Gast-
frenndfchaft des Königs
fesselten ihn so, daß er
gern im Schlosse blieb.
Ja, der alternde König
nab ihm seine Tochter
Ilse zur Gemahlin.
Darüber entbrannte der
Haß der Zaubcriu, und
sie trachtete nach Rache.
In der Walpurgis-
nacht gewann sie den
Beistand des Teufels
und fandte ungeheure
Wassermassen vom
Brocken gegen Jsungs
Schloß. Die donnern-
den Wogen unterwühl-
ten den Felsen, bis er
mit dem Schlosse zu-
sammenstürzte. Rolf
und Jsung kamen elend
nm, nur Ilse rettete
sich auf den Felsen,
der jetzt das .Kreuz
trägt. Dort irrt sie
seitdem umher und
sucht ihren Gemahl.
Wer sie erlösen will,
innß ihr in der Geister-
Jliemlle nn Harz. stunde des 1. Mai be-
stimmte Waldblumen
bringen. Wehe aber dem, der sie neckt oder iin Bade belauscht, den verwandelt
sie in eine altersgraue Tanne am steilen Bergabhange.
3. Der Zlnterhar;.
Der Unterharz ist die Fortsetzung der Hochebene des Oberharzes nach
So. etwa bis zur Harzwipper. Er ist einförmig, von Flußtälern zer-
schnitten und geht allmählich in das Flachland über. Der Unterharz
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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78
der Einbildung des nächtlichen Wanderers Gestalt, und er sieht hier
Zwerge und dort Riesen ihr Wesen treiben, und das ist der Grund
dafür, daß es ebeu in den großartigsten und wildesten Thälern von
Sagen wimmelt. Fast jeder Felsen und jeder Schlund hat seine be-
sondere Geschichte.
Prinzessin Ilse. Hoch oben aus dem Jlsenstein stand einst-
mals das prächtige Schloß des Harzkönigs Jlsnng. Seine Tochter,
die Prinzessin Ilse, übertraf an Schönheit und Anmut alle Jung-
sraueu in weiter Runde. Unten im Thale aber, wo heute das Schloß
von Jlseuburg liegt, wohute eine böse Zauberin mit ihrer einzigen
Tochter, der garstigen Trnte. Als eines Tages ein junger Ritter,
der stattliche Rolf, aus Abenteuer ausging und durch die Harzwälder
streifte, bestürmte die rothaarige Trute ihre Mutter, die alte Zauberin,
ihr einen Liebestrank für Rolf zu brauen.
Rolf verliebte sich auch wirklich heftig in Trute, floh aber in
die Nähe von Jlfuugs Schloß, als die Hexeusäfte uach kurzer Zeit
ihre Kraft verloren.
Im frifchgrünen Tannenwalde traf er dann das wunderholde
Königskind Jlfe, und als er ihr in das liebliche, von goldenein Haar
umwallte Angesicht sah, da war es dieses Mal ohne Zauberkräfte uin
sein Herz geschehen. Nachdem er sich nun bald durch seinen edlen
Mannesmut die Gunst der reizenden Ilse erworben hatte, versprach
der König, ihn zu seinem Eidam anzunehmen.
Aber voller Wut veruahmeu Trute und ihre Mutter die Vor-
gänge, und die Alte beschloß, grausame Rache zu übeu. Sie machte
eiueu Vertrag mit dem bösen Beherrscher des Blocksberges, und dieser
sandte in der Walpurgisnacht eine mächtige Wasserflut von dem
Brocken hiuab ins Thal. Die wilden Gewässer unterwühlten den
Felsen, auf welchem Jlfungs Schloß stand, und die prächtige Burg
mit Zinnen und Türmen versank in die grauenhafte Tiese. Nur die
behende Ilse rettete sich auf die äußerste Felsspitze des Jlsensteines,
und noch heute, in nächtlicher Stille, wenn der Mond mit mattein
Scheine die Felsen im Thale beleuchtet, wandelt das einsame Königs-
kind durch die grünen Farrenkräuter und Gräser am User des rauschenden
Bergstromes, welcher ihren Namen trägt.
Sobald aber die Morgenröte anbricht, muß sie zurückkehren in
ihr versunkenes Schloß unter dein Jlsenstein, und iu alte zottige
Tannen, wie sie am Fuße oes Jlseusteins vielfach stehen, verwandelt
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83
ihr Verfolger immer näher und näher kommt. Da drückt das Hünen-
kind in ihrer Seelenangst ihrem Tiere die Fersen ties in die Weichen,
und dieses wagt den Spruug von jener Stelle, wo die Hexen ihre
nächtlichen Feste zu seiern pflegten, bis aus den gegenüberliegenden
Felsen. Der Sprung gelingt, und auf dem Felfeu bleibt von dem
wuchtigeu Aufschlagen ein großes Hufzeichen zurück. Ihre Krone war
aber der Prinzessin im Fluge über den Abgrund vom Haupte gefallen
und in den Wellen des Bergstromes begraben; und der Böhmenkönig,
welcher iu wilder Raserei ebeusalls den kühnen Sprung wagte, war
in die Tiefe gefallen, und zu ewigem Gedächtnis wird nach seinem
Rainen der Fluß die Bode genannt.
3. Die Selke entspringt am Unterharze und ist ein Nebenfluß
der Bode. Von Alexisbad an beginnen die Felsbildungen, welche
bei dem sagenreichen Mägdesprung ihre bedeutendste Höhe erreichen.
4. Tie Wipper durchfließt deu Unterharz, gleichlaufend mit der
Selke und mündet in die Saale. In ihrem breiten Wiefenthale
treffen wir nur vereinzelt Klippen an.
6*
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— 36 —
und Mihla, zeigt unter allen Zügen die meisten Lücken und endigt am Saalknie
bei Rudolstadt.
Dazu gehören die zwischen Hörsel und Nesse liegenden kahlen Hörselberge,*)
die nach Süden schroff zum Thale abfallen. An dieser Seite des großen Hörsel-
berges ist das Hörselloch, eine Kalkspalte, welche 20 m lang ist, in der Breite
zwischen 0,5 und 1,2 m wechselt und nirgends so hoch ist, daß ein Mann auf-
recht darin stehen kann.
Die zu Millionen in dieser Spalte umherschwirrenden Mücken verursachen eigentümliche
Töne, die sich wie ferner Gesang vernehmen lassen, und das dürfte wohl die täuschende Ursache
dafür gewesen sein, daß man Liederstimmen und Mädchengekicher aus dieser Spalte zu vernehmen
glaubte und sonach dort die Residenz der Frau Venus, der gefährlichen Zauberin des Mittelalters,
gefunden haben wollte. So ist diese Stelle ein Sagenmittelpunkt geworden. Vom Hörselberge
aus beginnt die wilde Jagd ans dreibeinigen Pferden, mancher Mann das Gesicht auf dem Rücken
oder den Kopf unterm Arm. Dem wilden Heere voraus zieht der getreue Eckart mit weißem Stabe
in der Hand und mahnt die Begegnenden, sich niederzuwerfen, die Jagd nicht zu seheu und den
Lärm vorüberbrausen zu lassen. Auch der edle Tannhäuser, ein Ritter aus Franken, kam nach aben-
tenerlichen Zügen hier vorbei und erlag den Lockungen der Frau Venns im Hörselberge. (cf. R.
Wagners romantische Oper „Tannhäuser".)
Jenseits der Unterbrechung bei Gotha erhebt sich der Seeberg, ein 410 m
hoher, welliger und schmal gestreckter Waldrücken mit vorzüglichen Sandsteinbrüchen
(Liassandstein) und herrlicher Aussicht.
Nach der Eiusenkung der Apselstedt folgen die Berge der „Drei Gleichen",
welche inselartig aus der Ebene aufsteigen. (Gleichen, Mühlberg, Wachsenburg,
schöne kegelförmige Berge mit alten Burgen, von denen die gothaische Wachsen-
bürg am besten erhalten ist.)
Der am weitesten nach Norden vorgeschobene Kegel unweit Wandersleben trägt die Ruine
der Burg Gleiche::, als Schauplatz lieblicher Sage bekannt. Ein Graf von'gleichen verlies; das
treue Weib, nahm an einem Kreuzzuge teil, fiel in die Hände der Ungläubigen und wurde nach jähre-
langer Gefangenschaft durch die Liebe einer Sultanstochter befreit; dafür wollte sie ihm als Gattin
angehören. Der Papst segnete den so ungewöhnlichen Doppelbund; von der Burg Gleichen kam an
der Stelle, die noch jetzt Freudenthal heißt, die erste Frau liebend und zustimmend den An-
kommenden entgegen.
(Diese Sage ist mit Recht angezweifelt. Im Dome zu Erfurt sieht man den Grabstein des
Grafen von Gleichen, der auf demselben zwischen seinen beiden Frauen dargestellt ist; doch hat
er sie wohl nacheinander, nicht zugleich gehabt.)
Jenseits der Gera, die hier den Planeschen Grund durchfließt, setzen die
Reinsberge den Höhenzug fort, und jenseits der Ilm stellen die letzten Höhen
dieses Zuges die Verbindung mit der Jlmplatte her.
I)) An das Eichsfeld schließt sich zwischen Werra und der obern Unstrnt der
2. Höhenzug, der mit dem Waldgebirge des Hainich (in der Höhe von 518 in)
beginnt. Daran setzen sich die Hartberge, welche die flachgewölbte Wasserscheide
zwischen Unstrnt und Nesse bilden; dann erhebt sich der Höhenzug wieder höher
in der Fahnerschen Höhe und geht bis zur Gera nach Erfurt, wo die äußersten
Ausläufer den Petersberg und die Cyriaksburg tragen. Auf der rechten Seite
des Geradurchbruchs erhebt sich der Steiger (380 in), ein vielbesuchter Wald.
*) Hörselberge nach dem Flusse Hörsel bezeichnet; ahd. liorsc = schnell, aha =. Wasser, also
schnelles Wasser, schneller Fluß.
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner]]
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271
ordnung der Deutschen und warfen sich plötzlich mit wildem Geheul
auf die nächsten Haufen. Diese hielten den Pfeilregen nicht lange
aus und flohen. Als der König diese große Gefahr sah, winkte er
dem Herzog Konrad von Franken. Wie ein gereizter Löwe sprang
dieser den Ungarn entgegen, warf sie zurück, befreite alle Deutschen,
welche sie gefangen hatten, und brachte sie dem König. Am andern
Morgen betete der König inbrünstig zu Gott und gelobte, wenn
Christus ihm die Feinde des Glaubens und des Vaterlandes über-
winden helfe, ein Bisthum in Merseburg zu stiften. Dann las der
Bischof Ulrich dem Heere die Messe und reichte dem rnieenden Könige
den Leib des Herrn. Als sich Otto wieder erhoben, sprach er zu
den Deutschen: „Seht um euch! Zahllos sind die Haufen der
Heiden; aber mit uns ist der mächtigste Helfer, Christus, mit seinen
Scharen. So laßt uns aushalten, und lieber sterben als weichen!
Doch wozu viel Worte? Statt der Zunge rede das Schwert?"
Hoch zu Roß, den Schild am Arm sprengt er jetzt im Glanz der
Morgensonne seinen Deutschen voran. Nun beginnt die Schlacht.
Unwiderstehlich rückt das deutsche Heer, Mann an Mann, gegen die
Ungarn heran. Schon weichen diese auseinander; aber um so heißer
wird ihre Wuth. Viele deutsche Helden müssen sie fühlen. Endlich
werden die Haufen der Ungarn zersprengt. Die Deutschen schreiten
über die, welche noch widerstehen wollen, zermalrnend hinweg. Jetzt
wird die Verwirmng der Ungarn allgemein; ihr Entsetzen wächst;
die weite Ebene wimmelt von Flüchtigen. Heulend sprengen sie in
den Lech; aber der ist gut deutsch und läßt weder Rosse noch Reiter-
los; Leichen füllen das Flußbett; die blutgefärbten Wasser schwellen
über. — So wird das übermüthige Volk vernichtet; nur wenige
entrinnen denr heißen Tag. Noch am Abend zieht Otto mit dem
Bischof Ulrich glorreich in Augsburg ein und dankt dem Herrn für
Deutschlands Befreiung. — Nur sieben Männer von den hundert-
tausend, die gekommen waren, sollen die Botschaft der Niederlage nach
Hause gebracht haben. — Die Ungarn wagten sich seit der Zeit nicht
weiter vor, als bis zu ihrer Grenzfestung, welche die Eisenburg hieß;
diese stand gar trutzig auf einem Felsen am rechten Donauuser, auf der
Stelle, wo nachher das stattliche Kloster Mölk, etwa in der Mitte
zwischen Wien und Linz, erbaut worden ist.
22. Gregor Vh. und Heinrich Iv.
1. llntet den Bischöfen der alten Christengemeinden erlangten
früh die Bischöfe zu Jerusalem, Anttochien, Alexandrien, Konstanti-
nopel und Rom ein besonderes Ansehen; das des letzten stieg aber
bald am höchsten. Rom war die Hauptstadt der damaligen Welt
und hatte die bedeutendste Gemeinde; dort waren die Gräber der
Apostel Paulus und Petrus; der Bischof zu Rom sah sich als Nach-
folger des Apostels Petrus an, der daselbst, wie man fälschlich vor-
gab, erster Bischof gewesen sein sollte, und wollte deswegen für
den Statthalter Christi auf Erden gehalten werden. Er nannte sich
Papst, d. i. Vater. Durch den Frankenkönig Pipin war er Besitzer
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Extrahierte Personennamen: Konrad_von_Franken Konrad Christus Ulrich Otto Christus Otto Ulrich Gregor_Vh Gregor Heinrich_Iv Heinrich Apostel Paulus Apostels Christi
Extrahierte Ortsnamen: Ungarn Merseburg Ungarn Ungarn Ungarn Augsburg Deutschlands Ungarn Donauuser Wien Linz Jerusalem Rom Rom
279
wehrhaft gemacht und trat in den Stand der Knappen ^ als
solcher lebte er seinem Herrn zu treuem Dienst und begleitete
ihn als lein Schildträger zu Ritterspiel und Kampf. Hatte er
nach siebenjähriger Lehrzeit hinreichend Proben seiner Waffen-
tüchtigkeit und eines christlichen Lebens abgelegt , so durfte
er das Rittergelübde ablegen, den Glauben, Wahrheit und
Recht, Witwen und Waisen, überhaupt die bedrängte Unschuld
vertheidigen zu wollen; dann erhielt er den Ritterschlag, und
nun durfte er an den Turnieren oder ritterlichen Waffenspielen
theilnehmen.
Die Ritter wohnten in ihren meist auf Berggipfeln erbau-
ten festen Burgen. Dort, hinter doppelten Mauern mit Tür-
men und Gräben mit Zugbrücken ergötzten sie sich bei Becher-
klang, Saitenspiel und den Erzählungen abenteuerlicher Ge-
schichten; beim festlichen Turnier tummelten sie das Roß, oder
sie zogen zum blutigen Strauß, während die Ritterfrauen und
Töchter spannen und webten, die Dienerschaft beaufsichtigten,
oder bei den ritterlichen Festlichkeiten schön geschmückt zu-
schauten. Fahrende Sänger zogen von Burg zu Burg un$
sangen von der Ehre deutscher Frauen, von den Reizen des
Frühlings und den Thaten alter Helden; und selbst Kaiser und
Könige ergötzten sich an der fröhlichen Sangeskunst und übten
sie. Unter den zahlreichen Bewohnern einer größeren Burg
waren die nöthigen Handwerker. Sie alle nährten sich von
den Abgaben der Bauern, die auf dem Grund und Boden der
Burg wohnten, und vertheidigten sie vor feindlichen Angrif-
fen, welche von dem ins Weite lugenden Turm wart durch
Stöße ins Horn verkündigt wurden. Manche Burg wurde aber
in gesetzloser Zeit ein Raubnest, mancher Ritter ein Wege-
lagerer, ein Schrecken des friedlichen Landmanns und des
sorglos einherziehenden Kaufmanns, der aus fremdem Lande
feine Waren brachte. Blutige Kämpfe zwischen Rittern und
Fürsten, zwischen Herren und Bürgern durchtobten das Land.
Während der Kreuzzüge entstanden die Ritterorden.
Im Kloster und Hospital Johannis des Täufers zu Jerusalem
bildete sich der Johanniterorden. Da sah man Ritter,
sonst in Eisen und Stahl gehüllt, im friedlichen Ordensgewände
liebreich die Kranken pflegen, die Leidtragenden trösten, die
Verwundeten verbinden, überall Liebe und Demuthüben. Ein
Theil der Ordensbrüder aber führte das Schwert gegen die
Ungläubigen. Sie trugen einen schwarzen Mantel mit weißem
Kreuz. Nach dem Verluste des gelobten Landes setzten sie
sich erst auf Rhodus, dann auf Malta fest, weshalb sie auch
Rhodiser oder Malteser Ritter hießen. Die Tempelherren
mit weißem Mantel und rothem Kreuz hatten außer den drei
Mönchsgelübden der Ehelosigkeit, Armuth und des Gehorsams
3gen die Ungläubigen gelobt.
besuchen und sechzig Vater-
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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171
Steinblöcke unverrückt erhalten; fern von den Wohnungen der Men-
schen liegen sie auf öder Stätte; nur zuweilen sieht man einen
Schäfer in seinem weißen Mantel, umgeben von seiner Heerde still
sinnend auf riesigen Felssteinen sitzen, oder einen Jäger seinen Weg
zu den Denkmalen der altdeutschen Dorwelt nehmen. Verklungen
sind die Erinnerungen an die Helden, vergessen der Name der Ge-
feierten, deren Andenken unter den Granitblöcken schlummert. Nur
hin und wieder hat sich eine Sage an diese Denkmale geknüpft
So erzählt die Sage von den Steinen im Hohn:
Als Karl eines Tages aus seinem Hoflager zu Osnabrück mit
zahlreichem Iagdgefolge zu den Waldhöhen ritt, welche nördlich die
Hase umgeben, begegnete er Wittekind, und die beiden Heerführer
ritten lange mit einander; der eine freucte sich des noch immer grü-
nenden Eichwaldes, der andre sah mit Stolz auf die Stellen, wo
er sich bereits erhellte und Klösier und Kirchen in die gebrochenen
Lichtungen aufnahm. Karl wendete sich an Wittekind und bat ihn,
das Christenthum anzunehmen. Aber der Sachsenfürst deutete auf
die Runensteine und Opferaltäre, welche die christlichen Anlagen
Sen, und pries seine Götter. Und im Gespräch über ihren
en ritten die beiden Fürsten über die Waldeshöhe von Harste
und kamen in die Waldschlucht vom Hohn. Dort, bei dem großen
Hünenringe, trennte sich ihr Weg. Karl bat noch einmal und berief
sich auf die hohe Wunderkraft seines Glaubens.
„Nun wohl denn!" sagte Wittekind; „wenn dein Glaube so
mächtig ist, ei, so schlage mit der Haselgerte, die du in der Hand
führst, diesen großen Runenstein durch, damit ich glaube!"
Karl besann sich nicht; er drückte dem Roste, das sich vor dem
gewaltigen Granitblocke scheuete, die goldenen Sporen in die Weichen
und hieb voll gläubiger Hoffnung mit der Gerte auf den Stein.
Siehe! der Stein siel auseinander! Der Glaube hatte Wunder
gethan, und bald darauf ließ sich der Sachsenherzog zu Belm, un-
weit Osnabrück, taufen.
53. Karl der Große und die Sachsen.
1. früher, als zu unsern Vätern, war das Evangelium zu
den Franken gekommen; diese hatten schon seit dem Jahre 496
christliche Könige. Sie waren Nachbaren der Sachsen und hatten
von diesen durch Einfälle in ihr Land viel zu leiden. So waren
die Sachsen einst ins Frankenland gefallen und hatten mehr als
30 Kirchen vernichtet. Da bekriegte sie der Frankcnkönig Pipin bis
in die Wesergegenden und gewährte ihnen nur unter der Bedingung
Frieden, daß sie dem Predigen und Taufen der fränkischen Pnester
nicht wehren wollten. Aber was half es? Sie rissen sich wieder
los und machten neue Raubzüge ins fränkische Reich, plünderten,
mordeten und zerstörten die Kirchen. Dabei geschah es, daß sie nach
ihrer Gewohnheit nach jedem Raubzuge eine Anzahl Gefangener
auslosten, welche sie ihrem Götzen Wodan opferten; die übrigen
vertheilten sie als Sklaven unter sich.
3*
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
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TM Hauptwörter (200): [T10: [Sachsen Karl Franken König Land Jahr Chlodwig Reich Krieg Volk], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil]]
Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl Karl Harste Karl Karl Karl Karl Karl_der_Große Karl
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Franken
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 39 —
wer sein Weib außer dem Adel nahm,,, wer einem das Seine beschädigte, wer außerehelich geboren war,
wer als Adeliger Kaufmannschaft wie ein Bürgerlicher trieb, wer nicht beweisen sonnte, daß er oder seine Litern turnierten.
wer gegen eines oder mehrere der vorgeschriebenen Stücke verstößt, dessen Roß und Zeug soll verloren und verfallen sein, auch soll er von 'allen Fürsten, Grafen, Rittern und Knechten, Frauen und Jungfrauen verachtet und verschmäht werden. Richt wenige tiaf dieses Los.
Laut ertönt pausen» und Trompetenschall. Die Turnierteilnehmer, die erst eine Messe angehört haben, nahen im festlichen Zuge. Die turnierenden Ritter tragen die Lisenrüstung. Aus Ringen bestehende Lisen-hosen decken die Beine, die aus (Eifenringen kunstvoll geflochtene Brünne, die wie Silber glänzt und Ärmel, Handschuhe und Kapuze besitzt, schützt die Brust. Darüber wird der ärmellose Waffenrock als Prachtkleid aus kostbarem Stoff gezogen. Um den Leib ist das zweischneidige Schwert gegürtet, am linken Arm hängt der mit (Bauplatten beschlagene dreieckige Schild, auf den das Wappen des Ritters gemalt ist. Kopf und Hals werden von dem großen Turnierhelm bedeckt; über das Gesicht fällt das visier herab; den Helm schmückt die Zimier. )n der Rechten ruht die starke Turnierlanze.
Die Schranken öffnen sich; die Ritter reiten in die Bahn und halten einen feierlichen Umzug. Dann ordnen sich die Scharen auf zwei Parteien. Auf ein Zeichen stürzen die geharnischten Männer in voller Karriere aufeinander los. Die gepanzerten Streithengste wiehern vor Kampfeslust. Trompeten schmettern. Schilde klirren. Lanzen splittern. Dazwischen tönt der Schmerzensschrei der verwundeten und das Stöhnen der vom Rosse Gestürzten ruft die Knappen herbei, welche die Gefallenen aus dem Kampfe bringen.
Die Sieger erhalten nach (Einstellung der Feindseligkeit die ausgesetzten preise. Auch Linzeikämpfe finden statt, tvobei^die Gegner mit dem stumpfen Speere in wuchtigem Zusammenprall einander aus dem Sattel zu heben suchen. —
Das ritterliche Spiel ist zu (Ende. Bei der preisverteilung gibt die Frau von Henneberg den Dank dem Grafen Heinrich von Fürstenberg von den Schwaben,
die Frau von weinsberg Herrn Thesserus von Fraunhofen von den Bayern,
die Frau von Schwarzenberg Bleickher Landschadt von den Franken, die Frau von Lichtenstein Hanns von Fersheimb von den Rheinländern, wenn die schönen Tage vorüber sind, verlassen die Ritter die gastliche Stadt und ziehen heim in die einsame Burg auf Bergeshöhe. Dort erzählen sie noch lange den )hren vom Stechen zu Würzburg.
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
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Extrahierte Personennamen: Henneberg Heinrich_von_Fürstenberg Heinrich Herrn_Thesserus von_Schwarzenberg_Bleickher_Landschadt Hanns_von_Fersheimb
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Franken
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
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sammelten sich die älteren Ritter, die nicht mehr an den Spielen teilnahmen, die edlen Frauen, die hohen Herren des fürstlichen Hofes und der Stadt.
Die Zulassung zum Stechen war nach einer Turnierordnung geregelt, die von der fränkischen Rittergesellschaft der Fürspanger entworfen worden war. Aus derselben seien einige Bestimmungen auszugsweise wiedergegeben.
V Don der Kleidung.
(£5 sollen Ritter und Knechte keine güldene Decke und der Gemeine vom Adel keine Decke und keinen wappenrock von Samt, Damast oder Atlas führen. Eine jegliche Frau oder Jungfrau habe nicht über vier Röcke, mit denen sie sich schmücken will, von diesen seien nicht mehr als zwei von Samt. wer diese Vorschrift nicht einhält, soll des Dankes und der Dortänze beraubt sein.
2. Von der Rüstung.
Das Schwert soll drei bis vier Finger breit und vornen an der Spitze in derselben Breite stumpf abgeschliffen sein, daß es weder steche noch schneide. Dieses Schwert soll jeder mit seinem Kleinod zur Prüfung tragen lassen. Die Klinge sei drei Spannen lang.
An Zaum, Zügel, Sattel oder Steigleder darf kein (Eisen angebracht sein, das im Turnier gefährlich werden könnte, wenn man zum Turnierbeginn bläst, mag jeder sein Schwert ziehen und gegen das Kleinod seines Turniergenossen hauen, sonst soll er es aber nicht gebrauchen. Andere Waffen habe keiner dabei.
Der Kolben sei an der Spitze daumendick, hänge an einer Kette und dürfe keinen Nagel haben. Niemand darf im Sattel befestigt sein. Schild und Krone muß jeder unverdeckt führen.
Ein Fürst soll vier, ein Graf oder Herr drei, ein Ritter zwei Knechte haben, ein (Edelmann einen Knecht.
3. wer nicht ins Turnier gehöret.
Nicht zum Turnier darf zugelassen werden, wer einen falschen Eid geschworen hat, wer im Feldgefängnis meineidig worden war, wer sein Handgelübde auf Brief und Siegel nicht hielt,
wer vom Heerhaufen des Herrn oder Freundes flüchtete,
wer Frauenehre nicht achtete, wer als Wucherer bekannt war, wer Straßenraub, Mord oder i)errat verübte, wer Kirchen zerstörte, wer Ketzerei trieb, wer des Ehebruchs überführt war,
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau]]
TM Hauptwörter (200): [T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T26: [Kaiser Luther Papst König Wort Gott Tag Sache Fürst Schrift], T75: [Strom Elektrizität Ende Eisen Magnet Elektricität Körper Draht Funke Leiter], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat]]