Fensterbrett. Ihre blauen und rotgelben Blüten funkelten im
Glänze des jungen Sonnenlichtes.
„Der Frühling ist da," sagte die Mutter. „Kann man denn den
Frühling sehen?" fragte Gerda. „Ei freilich," erwiderte die Mutter,
„den kannst du jetzt überall sehen, auf deinem Schulweg, in deu
Anlagen, auf den Straßen, auf dem Schulhof, in der ganzen Stadt."
Da nahm sich Gerda vor, Umschau nach dem Frühling zu halten.
2. Als sie hinaus ins Freie kam, merkte sie, daß die Lust
weich und lind war. „Das ist Frühlingsluft," dachte sie. Die Sonne
stand schon ziemlich hoch am Himmel, obwohl es doch noch früh
am Morgen war. Sie merkte sich den Platz genau, wo die Sonne
um diese Zeit stand. Eilig schritt sie die Straße entlang. Links
und rechts zogen sich Vorgärtchen hin. In einem stand ein Mann,
der den Boden umgrub und Samen ausstreute. Die Fenster des
Hauses waren geöffnet.
3. Jetzt trat sie in die Anlagen. Auf einem großen Beete
gerade oor ihr waren einige Stadtgärtner damit beschäftigt, Blumeu
in den Boden einzusetzen. Aus dem nahen Gebüsch tönte ihr der
helle Schlag einer Schwarzamsel entgegen, ein Buchfink schmetterte
dazwischen, und auch die anderen Vögel stimmten ein. ,,Die singen
gewiß dem Frühling ein Lied," sagte Gerda leise zu sich und ging
weiter. Da schlug ihr ein schwanker Zweig in das Gesicht. Sie
faßte ihn mit der Hand, um ihn zu entfernen. Wie sie ihn so
ansah, merkte sie, daß der Zweig ganz voll junger, zarter Blättchen
war. Auch die andren Zweige, ja das ganze Gebüsch vor ihr
standen in vollem Grün. Zwischen den Stränchern auf den grünen
Wiesen aber leuchteten ihr allerlei weiße und rote Blumen entgegen.
Hier grüßten sie die kleinen Gänseblümchen, dort die weißen Schnee-
glöckchen, dahinter die gelben Schlüsselblumen und bunten Krokus.
„Die haben gewiß ihre schönsten Kleider angetan, um den Frühling
zu empfangen! Ob er auch auf uufrem Schulhof schon eingezogen
ist?" dachte sie.
4. Als sie dort eintrat, hörte sie, wie ein Lehrer zu einem
andren sagte: „Heute wird es warm, das Thermometer zeigt schon
10 Grad." Sie kannte zwar schon ein Thermometer. Aber sie
nahm sich doch vor, ihren Vater zu fragen, wie man daran fehen
könne, ob es warm werde. Im Schulhof sah sie nach den Bäumeu.
Einige wie der Kirschbaum und die Kastanie waren voller Knospen^
andre wie die Eiche hatten noch ihr winterliches Kleid an. Im
TM Hauptwörter (50): [T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe]]
TM Hauptwörter (200): [T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T28: [Blatt Blüte Pflanze Baum Wurzel Frucht Stengel Zweig Erde Samen], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
schnell unter die Gitter des Abflußkanales schlüpft. In den Bäumen
tropft langsam der Regen von einem Blatt auf das andre und
fällt unter dem äußersten Rande der Krone auf die Erde.
3. Endlich läßt der Regen nach. Die Wolken haben sich fast
verzogen. Es wird Heller. Hier und da schaut schon ein Stück des
blauen Himmels wie ein freundliches Auge zu uns nieder. Wie
grün die Blätter der Pflanzen jetzt aussehen! Nun können wir
wieder hinaus ins Freie treten. Ei, seht doch die vielen Furchen,
die der Regen in dem Sande des Schulhofes zurückgelassen hat!
Auf der höchsten Stelle, wo sie anfangen, sind sie ganz dünn, weiter
nach unten vereinigen sie sich mehr und mehr und bilden größere
Rinnen.
4. Wie frei atmet es sich in der frischen, reinen Luft! Das
wissen auch die Vögelein, die sich vor dem Wetter ängstlich unter
den Dachrinnen, in den dichten Baumkronen, Sträuchern und
Hecken versteckt hielten. Sie kommen wieder hervor und piepsen
und singen von neuem, als ob sie sich sreuten über den lachenden
Sonnenschein. Und da drüben im feuchten Sande — schaut doch
einmal! Da windet sich ein Regenwurm langsam aus der Erde
und kriecht auf dem feuchten Boden dahin. Alles atmet und lebt
nach dem erfrischenden Regenschauer neu auf.
Es regnet, es regnet,
es regnet seinen Lauf,
und wenn's genug geregnet hat,
dann hört's auch wieder auf.
1. Beobachtet, wie die Wolken vom Winde getrieben werden!
2. Welche Winde bringen uns die meisten Wolken?
3. Zeichnet die Bächlein und ihren Zusammenfluß!
9. Die Besprengung unsres Schulhofes.
der Himmel uns den erfrischenden Regen nicht schenkt,
herrscht oft tagelang eine drückende Hitze. Beim Gehen,
Laufen und Spielen wirbelt der Staub wie Wolken in die Höhe.
Das Einatmen des Standes ist aber schädlich sür die Gesundheit.
Darum wird der Schulhof von Zeit zu Zeit besprengt. Aus einem
13
von ihnen blühen und Früchte tragen. Und wie angenehm ist
nicht der kühle (Schatten, den sie uns an heißen Tagen spenden?
4. Da drüben im Schulgarten stehen noch einige andre
Bäume, die uns nicht nur Schatten geben, sondern im Sommer
und Herbst auch noch die köstlichen Früchte schenken. Es sind die
Obstbäume. Wer nennt solche Obstbäume?
1. Zeichnet einen Baum!
2. Legt das Blatt einer Eiche auf grünes Papier und
schneidet es aus!
14. Wettstreit der Bäume auf dem Schulhof.
| Cjirift stritten sich die Bäume auf dem Schulhof, wer von ihnen
der schönste sei. Da sie sich nicht einigen konnten, baten sie
die Schüler, ihren Streit zu entscheiden. Das waren die Kinder
wohl zufrieden. Sie gingen auf den Schulhof hinab, betrachteten
die Bäume genau und ließen sich von einem jeden einzelnen seine
Eigenschaften und Vorzüge mitteilen. Da rühmten sich alle, so
viel sie konnten. Der Kirschbaum pries seine köstlichen Früchte,
der Eichbaum sein festes Holz, der Kastanienbaum seine leuchtenden
Blütenkerzen, der Nußbaum seine süßen Nußkerne, die Pappel
ihren schlanken Wuchs, die Linde ihr schattiges Blätterdach. Auch die
andren Bäume wußten viel Schönes und Nützliches von sich selbst
zu erzählen. Nur ein Bäumchen blieb still. Da trat ein kleines
Mädchen zu ihm und fragte es: „Liebes Bäumchen, warum erzählst
du uns denn nichts von deinen Vorzügen?" „Ich habe keine,"
antwortete das Bäumchen traurig,' „ich trage keine Blätter, sondern
nur Nadeln, meine Früchte sind wertlos, und selbst mein Holz hat
nur geringen Wert." Da rief das Mädchen den andern Kindern
zu: „Kommt doch her und seht ein Bäumchen, das keinen einzigen
Vorzug hat!" „Wo, wo?" rieseu die audreu und eilten schnell
herbei. „Aber das ist ja das Christbäumchen," erklärte ein älterer
Junge. „Was!" riefen die andren Kinder erstaunt aus, „das
Christbäumchen! Bist du wirklich das Christbäumchen?" „Die
Menschen nennen mich allerdings so, weil sie mich zum Christfest
auf den Weihnachtstisch stellen und mit bunten Lichtern und andren
schönen Sachen schmücken,' eigentlich aber heiße ich Rottanne
oder Fichte."
Da riefen alle Kinder wie aus einem Munde: „Der Christbaum
ist der schönste Baum auf dem Schulhof und in der ganzen Welt!"
20
TM Hauptwörter (100): [T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T28: [Blatt Blüte Pflanze Baum Wurzel Frucht Stengel Zweig Erde Samen], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
aber fliegen und laufen kann es schlecht. Seine kurzen Beine stehen
ganz hinten am Körper. Seine Federn, die sich dicht an den Leib
schmiegen, sind tüchtig eingefettet. So kann das kalte Wasser ihm
nicht bis aus die Haut dringen. Denke daran, wenn du im Wiuter
über eine nnsrer Brücken gehst, vielleicht siehst du auch einmal
einen Steißfuß!
Ein ebenso scheuer Gast des Mains ist der Eisvogel. Er
ist einer der schönsten Vögel, die es bei uns gibt. Aber man sieht
ihn nicht häufig. Hin und wieder kann man ihn an einem kalten
Wintertag unter der Alten Mainbrücke oder auf der Maininsel
beobachten. Stundenlang sitzt er da auf einem Zweig oder auf
einem Mauervorsprung und lauert auf seine Beute. Hat er ein
Fischlein erspäht, so stürzt er sich kopsüber in die Flut. Er saßt
es mit seinem langen, scharfen Schnabel und kehrt wieder auf seinen
früheren Platz zurück. Hier verspeist er es mit großem Behagen.
5. Aber nicht nur den Vögeln, auch einer Menge andrer
Tiere gibt der Main Nahrung und Obdach. Da sind vor allem
die vielen Fische. Wer kann sie alle zählen und mit Namen nennen!
Du hast gewiß schon einige von der Brücke oder dem Ufer aus
gesehen! Aber wie sie heißen, weißt du nicht. Willst dn das er-
sahren, so gehe an einem Freitagmorgen mit deiner Mutter in die
Fischhalle an der Börnestraße. Dort werden auch Mainfische ver-
kaust. Wenige Tage vorher sind sie noch lustig im Wasser umher-
geschwommen.
Da ist vor allem der schlanke Hecht mit seinem langen Kopse,
seinem weiten Rachen und seinen scharsen Zähnen. Er ist ein
böser Räuber. Kleinere Fische wie Weißfische, Bitterlinge, Rotaugen
u. a. frißt er in Menge. Daneben liegt ein langgestreckter Fisch,
der beinahe wie eine Schlange aussieht. Das ist der Aal, der aus
dem Grunde des Mains oder in den Höhlen seiner Ufer lebt.
Auch den Karpfen kannst du hier sehen. Er zieht ruhiges Wasser
dem fließenden vor. Seinen Vetter, den Goldfisch, kennst du besser!
Du hast vielleicht selbst einen zu Hciuse in einem Fischglas, oder es
gibt einige int Aquarium der Schule. Im Main wirst du den
Goldkarpfen allerdings nicht finden, dagegen häufig in den Weihern
unfrer Anlagen. Kennst du den Weiher, der nach ihm benannt ist?
6. Ein gar wunderlicher Bewohner des Mains ist der Fluß-
krebs. Er hält sich am liebsten unter einem Stein oder am User
in einem Loch aus. Aber am häufigsten findet man ihn in seichten
43
2. Durch den kleinen Eingangs an dem Häuschen vorbei, wo
die Karten ausgegeben werden, treten wir ein. Von rechts grüßt
uns das stattliche Hauptgebäude. Beete mit Blumen aller Art
geschmückt, zieren den davor liegenden Platz.
3. Zuerst kommen wir in die Papageienallee. Kaum sind
wir eingetreten, so begrüßen uns die buntgefiederten Vögel mit
lautem Geschrei. Es ist/ als ob sie sich über unsren Besuch srenteu.
Wir reichen ihnen Zucker, Apselschnitten und andre Sachen. Ihr
Schnabel
ist so schars
und stark,
daß sie
selbst Nüsse
mit Leich-
tigkeit zer-
kleinern
können.
Mit Ketten
sind sie an
den bau-
melnden
Bügeln be-
sestigt. Der
Papagei ist
ein sehr ge-
lehriges Ti
ja selbst kleine Sätzchen nachsprechen. Hört, dort rust gerade
einer: „Papa, Papa!" und daneben ein andrer: „Lora!" Im Weiter-
gehen hören wir aber einen sogar sprechen: „Babett, koch' Kaffee!"
Kein Wunder, daß sich die Kinder besonders gern bei den Papa-
geien aushalten!
4. Nicht weit davon wohnt der König der Tiere, der gewaltige
Löwe. Aber wir fürchten uns nicht) denn das Gitter, hinter dem
er liegt, ist stark befestigt. Auch scheint er sich gar nicht um die
Menschen, die ihn betrachten, zu kümmern. Stolz und ruhig blickt
er in die blaue Ferne. Vielleicht träumt er von seiner fernen
Heimat, dem heißen Afrika. Und doch braucht er nicht gar zu
traurig in seiner Gefangenschaft zu sein. Hunger und Durst hat er
nicht zu leiden, und seiu Wärter ist in jeder Weise um ihn besorgt. Aber
Zoologischer Garten.
'. So lange er jung ist, lerut er leicht einige Wörter,
105
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke]]
TM Hauptwörter (200): [T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff]]
4. Die Krone ist breit und spendet dichten Schatten. Sie
besteht aus Ästen, Zweigen und Blättern. Die Blätter sind rechte
Sonnenkinder. Sie sitzen am liebsten ba, wohin die warme Sonne
scheint. Junen im Baum ist ihnen zu viel Schatten. Auch die
Blüten sitzen meistens nur an der äußeren Seite der Krone. Sie
müssen ebenfalls viel Licht und Wärme haben.
5. Das Blatt der Kastanie ist groß. Die 5 bis 7 Einzelblätter
strecken sich aus wie die Finger einer Hand / das Blatt ist gefingert.
Das größte steht in der Mitte. Im Herbste fallen die Blätter ab.
Wo sich der Blattstiel losgelöst hat, ist eine kleine Narbe. Über ihr
ist schon die Knospe zu sehen, aus der im nächsten Frühjahr das
neue Blatt kommt.
6. Die Früchte der Kastanie stecken in runden, grünen Kapseln.
Im Herbste springt die Hülle aus, und die braunen Früchte hüpfen
flink heraus. Sie sind ungefähr so groß wie Wallnüsse und haben
einen bittern Geschmack. Doch die hungrigen Rehe, Hirsche und
Wildschweine fressen sie im Winter gern.
Die Früchte der Edelkastanie dagegen sind süß und nahrhaft,
deshalb werden sie anch von den Menschen gern gegessen.
Formt Kastanien! Schneidet aus Papier ein Kastanienblatt!
62. Der Herbst.
er Herbst kommt als freundlicher Mann. Alle Welt
möchte er mit seinen Gaben beglücken. Doch will
er nicht jeden gleichzeitig beschenken, sondern seine
guten Sachen nach und nach verteilen.
3. Zuerst läßt er sich auf den Bergen sehen.
„Ei," denkt er, „der Wald sieht in seinem grünen
Kleide zu einförmig aus/ das gefällt mir nicht! Ich will ihn schnell
bunt färben!" Mit dem frischen Winde, den der Herbst als guten
Freund bei sich führt, weht er die Blätter an, daß sie braun und
gelb und rot werden. Und nun sieht der Wald prächtig aus!
3. Wenn der Herbst sieht, daß der Wald bunt genug gefärbt
ist, steigt er langsam den Abhang hinunter, und überall zeigt er
sich als tüchtiger Maler. Im Tale sieht er die Obstbäume, die
Weinreben an den Abhängen und die andren Früchte alle. „Ei, was
ist denn das!" ruft er dann aus. „Ihr seid ja noch nicht reis,
ihr Äpfel, Birnen, Trauben, Kartoffeln, Rüben und alle ihr
99
andern Früchte! Der Sommer hat also nicht Kraft genug gehabt
mit seiner Hitze. Da ist es doch gut, daß ich noch da bin, sonst
müßtet ihr ja alle unreif bleiben, und die Menschen könnten euch
nicht gebrauchen! — Komm her, du lieber Wind, hauch alle Früchte
au, daß sie bald reifen!" Und richtig, die Trauben werden goldig
klar, die Äpfel bekommen rote Backen, und alle Früchte färben sich zur
Reise. Das ist eiue Pracht, und die Menschen kommen herbei, pflücken
und ernten sie und seiern dann ein fröhliches Herbst- oder Erntefest.
4. Auch in die Stadt zieht der Herbst ein. Auf den Schul-
höfeu färbt sich das Laub der Bäume gelb und braun und rot. Dann
kommt der Wind und rüttelt und schüttelt die Kronen, daß die
Blätter auffliegen wie bunte Vöglein. Raschelnd fallen sie auf die
Erde und lassen sich vom kleinsten Windhauch hin und Hertreiben,
bis sie sich in einer geschützten Ecke vor dem kalten Winde verstecken.
Im Schulgarten zaubert der Herbst prächtige Blumeu hervor, die
Georginen, Dahlien und Astern, die nicht gleich erzittern, wenn eine
frühe Schneeflocke sie trifft.
5. So wie im Schulgarteu sieht es auch in den andern Gärten
und in den Anlagen aus — überall das prächtige, vielfarbige Herbst-
kleid: bunte Blätter und leuchtende Blumen! Und besonders hübsch
sieht es aus, wenn ein scharfer Windhauch eilig um die uächste
Straßenecke kommt, ein paar raschelnde Blättchen an ihren Stielchen
und an den dürren Kleidchen faßt und anfängt, mit ihnen einen
lustigen Ringelreihen zu tanzen. Da schauen selbst die Spatzen
verwundert zu, die auf deu schon halb entlaubten Zweigen sitzen
und traurig piepsen: „Nun ist's bald aus mit der schöueu Zeit!"
6. Und doch ist alle Welt froh. Die Kinder zünden sich aus
dem Feld ein Feuer von Kartoffelkraut au. Und weil der Herbst
den Brausewind mitgebracht hat, lassen die Jungen ihren Drachen
steigen, so hoch, daß er kaum noch zu sehen ist.
Die Schwalben und die Feldlerchen denken aber: „Hu,
was sür ein großer Vogel kommt denn da hergeflogen? Das ist
gewiß ein Raubvogel!" Denn sie kennen ja noch keinen Drachen.
Immer rauher und kälter wird der Herbstwind. Daher beschließen
die Vögel, dorthin zu ziehen, wo die Lüfte wärmer wehen. Sie halten
große Versammlungen ab und beraten sich mit ihreu Kameraden,
und eines schönen Tages ist die liebe Sängerschar verschwunden.
7. Nun ist es draußen still geworden. Nicht nur die Sing-
vögel sind abgereist, auch die Frösche quaken nicht mehr,' sie ver-
100
aber die Luft war feucht und wehte aus Westen. Als es jedoch
dunkel wurd^ hörte der Wind auf) die Wolken verzogen sich, und von
dem blauen Himmelsgewölbe schaute die Mondsichel wie ein großes Z
auf die Erde nieder. Wer draußen war, merkte, daß das Wetter
umgeschlagen war. Der Wind wehte aus Norden, die Luft war
eisig. Da hielt der Winter die Zeit für gekommen, die Reise zu
uns anzutreten. Er hüllte sich in seinen weißen Mantel, setzte
sich aus den Nordwind, und — wie ein König zog er in das
glitzerten wie die weißen Kerzen am Christbaum. Selbst die
Telegraphendrähte und das Geländer der Mainbrücken hatten sich
mit weißen Girlanden geschmückt, um den gestrengen Herrn würdig
zu empfangen. Die ganze Stadt hatte ein wunderbares Aussehen.
Am schönsten war es aber doch in der Anlage. „Es hat heute
Nacht gereist!" sagten die Leute. Wen sein Weg über die Unter-
mainbrücke sührte, der konnte sich nicht satt sehen an der eigenartigen
Winterpracht der Bäume im Nizza. Und erst die Herrlichkeit im
Walde! Ein Baum neben dem andern int wunderbaren Gewand
Land! Die ganze Nacht
brauchte er zu seiner
Reise. Am andern
Morgen sah jeder, daß
er da war.
Rauhreif.
2. Die Erde wollte
ihn festlich empfangen
und ein weißes Kleid
anlegen wie die Jung-
freuten, wert n derkaiser
in die Stadt einzieht.
Allein die Zeit war zu
kurz. So trug sie nur
einen weißen Schleier,
in den sie Felder und
Wiesen,selbst die Steine
einhüllte. Auch die
Bäume und Sträucher
hatten schnell einen
Silberschleier über ihre
kahlen Zweige gewor-
sen. Sie suukelten und
126
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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des Rauhreifes. Zwei Raben, die auf einem Geländer unter einem
besonders stattlichen Baume saßen, waren ganz erstaunt über diese
Winterherrlichkeit. „Ist es denn Frühling geworden?" fragte der
eine. Es war das Männchen. „Du meinst, weil die Bäume aus-
sehen, als wäre Blütenschnee über Nacht aus sie gefallen!" erwiderte
seine Frau. „Das ist nicht der Lenz, das ist der schlimme Winter,
der im Gewand des Frühlings Menschen und Tiere täuschen will.
Mir ahnt nichts Gutes. Das Silbernetz, das er über Gräser,
Sträucher und Bäume geworfen hat, deutet auf große Kälte. Ich
fürchte, wir ziehen bald in die Stadt." Und Frau Rabe hatte recht.
3. Gerade am Tage vor Weihnachten überzog sich der Himmel
mit grauen Schneewolken. Am Christabend fing es an zu schneien,
erst langsam und dann immer dichter und dichter. Das waren
herrliche Weihnachten, nicht nur drinnen in: Stübchen unter dem
strahlenden Christbaum, vor den herrlichen Geschenken, nein, sondern
anch draußen in der Natur! Frau Holle hatte richtig die frierende
Erde in eine weiße, weiche Decke gehüllt. Die zarten Pflänzchen
freuten sich, daß ihnen der Winter nun nichts anhaben konnte mit
seiner Kälte. Denn der Schnee hält warm und — nährt den
Boden. Die Anlagen, die Straßen, die ganze Stadt sahen aus,
als hätten sie zum heiligen Christfest ein ganz neues, weißes
Gewand angelegt. Und erst das Feld, der Wald und dann die
Berge! Das war eine Freude für jung und alt!
4. Am 2. Weihnachtsfeiertag konnte man auf dem Haupt-
bahnhof ein merkwürdiges Leben und Treiben sehen. Hunderte
von Leuten waren da, um in den Taunus zu fahren. Die einen
hatten Rodelschlitten aus dem Rücken, andre trugen lange Schnee-
schuhe aus der Schulter, und wieder andre wollten nur eine Fuß-
tour auf den Feldberg in der guten, reinen Luft machen. Viele
Kinder aber vergnügten sich in der Stadt mit dem neuen Schlitten,
den sie zu Weihnachten geschenkt bekommen hatten.
5. Am dritten Feiertag hörte es auf zu schneien, genau,
wie es die Zeitungen vorausgesagt hatten. Es wurde kalt. Schon
am nächsten Tage wölbte sich ein blauer Himmel über der Stadt.
Nur am Horizont war es etwas dunstig. Das Thermometer
sank immer mehr. In der folgenden Nacht stand es schon aus
— 6 Grad. Bald spürten Menschen und Tiere die Herrschast des
gestrengen Herrn. Vögel kamen in größerer Anzahl in die Stadt,
um sich vor Kälte und drohender Nahrungsnot zu schützen.
127
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Eisgang.
Die Tiere in Wald und Feld suchten wärmere Lager aus,
und auch die Menschen hüllten sich in warme, wollene Kleider und
Pelze. Über die Teiche und Weiher hatte der Winter bereits eine
Eisdecke gelegt. Nun begann er auch den Main damit zu über-
ziehen. Unzählige runde Eisstücke schwammen auf seinen grauen
Fluten. Das war Treibeis. Es war ein herrlicher Anblick! Die
Eisschollen schwammen so leicht dahin, als ging es zum lustigeu
Tanz auf den kalten Wellen. An den Ufern bildete sich nach und
nach eine feste Eisdecke. Von der Alten Mainbrücke waren nur
noch 4 Bogen eisfrei. Noch wenige Tage, und das Eis auf dem
Main hatte sich gestellt. Jetzt gab es Leben aus dem Flusse.
Kinder und Erwachsene tummelten sich aus dem Eise mit Schlitt-
schuhlausen. Aber auch die großen Wagen der Brauereien sanden
Die Alte Mainbrücke im Eis.
128
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