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Die Weltgeschichte.
geheuer, die nicht werth wären, das Land zu besitzen',
in welchem die Erzvater, Propheten und Apostel gewan-
delt hatten und Christus gestorben wäre. Das größte
Actergeschrey aber erhob ein gewisser lahmer Mönch aus
Frankreich, namens Pktkk, der im Jahr 1095 aus dem
gelobten Lande kam. Er gieng zum Pabst, und wußte
ihm so viel Greuelthaten der Türken vorzulügen, daß die-
ser von nun an beschloß, den Bluthunden, wie sie Pstcr
nannte, das heilige Land aus den Händen Zu reißen.
In dieser Absicht ließ der Pabst einen Befehl fürs erste
durch ganz Frankreich ergehen,- es solle jeder, der die
Waffen tragen könne, sich zu diesem Feldzuge anschicken,
wobey er sowohl denen, die wirklich mit zu Felde giengen,
als auch solchen, die die Streiter mit Geld und Lebens-
mitteln unterstützten, das ewige Leben verhieß. Nun
bewafnetcn sich Vornehme und Geringe, Greise und Kna-
den, ehrliche Menschen und Verbrecher, Lahme, Bucke-
lichte und Geradegewachscne, Priester und Mönche: alles
ergriff das Schwerdt, und sogarweiber zogen die Rüstung
des Kriegers an und mischten sich unter den bewafnetcn
Haufen. Da jeder Soldat einen rothen Lappen in Gestalt
eines Kreuzes auf dem Rücken trug, so nannte man die-
se vom Pabst aufgcbotenen Krieger Kreuzsoldaten, und
ihre Unternehmung hieß ein Krcuzzug. Im Jahr 1096
war ein Heer von einer Million bcysammen, worunter
sich aber eine große Menge untauglichen Gesindels be-
fand. Dies sonderte man ab, und so entstand ein Hau-
fen von 320,000 Mann, worüber der lahme Peter das
Commando bekam. Dieser war vor Freuden außer sich,
und er sähe schon im Geiste, wie seine Brüder allen Ara-
bern und Türken die Köpfe absäbclten. Als der seltsame
Feldmarschall die Musterung über sein Heer gehalten hat-
te, stellte er sich an die Spitze desselben. Sein Harnisch
rvar seine zerlumpte Kutte, seine Beinstieftln die nackte
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Die Geschichte nach Christi Geburt. 205
Haut, sein Ringkragen ein Strick Um den Hals, und
sein Marschallsstab ein großes Kreuz. Also bewafnet
trat er den Marsch an. Weil seine ganze Seele schon-im
gelobten Lande befindlich war, und also der thörigte
Mensch für keine Zufuhr an Lebensmitteln sorgte, so riß
gleich in den ersten Tagen der Hunger unter seinem Hau-
fen ein. Peter legte sich also aufs Plündern, Rauben
und Morden, und ließ allein im Herzogthum Bayern,
wodurch er mit seinem wilden Haufen zog, über 12,000
Juden todtschlagen. So mit Blut besteckt und nach Blut
dürstend strömte dies Gesindel immer vorwärts durch
Oesterreich und Ungarn, und allenthalben mordete es uns
schuldige Menschen und plünderte ihr Hab und Gut»
Aber auch unter dem Mörderheer selbst wüthete der Tod;
denn es mußte täglich einige Tausend Menschen begraben,
die theils der Hunger, theils der beschwerliche Marsch,
theilö aber Krankheiten und Seuchen aufgerieben hatten.
Endlich kam der Nest des Haufens in die Gegend von
Nicän, woselbst, wie Ihr wisset, der türkische Sultan
seinen Sitz hatte. Dieser empfieng die mörderische Rotte
und hieb sie bis auf den letzten Mann nieder; bloö der
lahme Anführer derselben entkam durch die Flucht. Nun
aber setzte sich auch die große disciplinirte Krcuzarmee in
Bewegung. Sie bestand aus 600,000 Mann Fußvolks
und 100/000 geharnischten Reutern, worunter sich viele
Tausend Edellcute befanden. Ihr vornehmster Anführer
war Gottfried von Bouillon, Herzog von Mederlo-
thringen. Nachdem das Heer unvcschreiblich viele Be-
schwerlichkeiten des Marsches erlitten, und mehr als drey
Viertel der Mannschaft durch den Tod verloren hatte, kam
es in Affen an, eroberte Ricäa und Antiochla, und
nach einer Belagerung von 5 Wochen auch die Stadt Je-
rusalem. Alles, was darin Leben hatte, wurde nieder--
gehauen? der lallende Säugling und die stehende Mutter,
der
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Extrahierte Personennamen: Peter Gottfried_von_Bouillon Ricäa
Extrahierte Ortsnamen: Christi Bayern Oesterreich Ungarn
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Die Weltgeschichte.
der spielende Knabe und der gebückte Greis, der Kranke
auf seinem Lager, die einsame Witwe und der Priester
im'tempel. Das Blut floß in Strömen, und alle Stra-
ßen waren mit Leichnamen bedeckt. Diese satanischen
Greuel verübten nicht etwa Wilde, sondern Christen,
an demjenigen Orte, wo ehedem das größte Muster der
Tugend Liehe gepredigt Hatte. Als die Mörder keine
Kraft mehr in den von Blut triefenden Händen hatten,
eilten sie triumphirend zum heiligen Grabe, und brüll-
ten hier dem, der so oft seinen Schülern zugerufen hatte:
liebet eure Feinde, mit wildem Jauchzen ein Loblied zu.
Gottfried von Bouillon wurde im Jahr Io9y feyerlich
zum König von Jerusalem gekrönt, und die Sieger
machten sich Hofnung, diesen so schnell gegründeten neuen
französischen Staat in Asten bald befestigt und mit vielen
Eroberungen vermehrt zu sehen. In dieser Absicht verei-
nigten sich verschiedene Haufen abergläubiger Krieger so-
gar durch ein unsinniges Gelübde, denn sie schworen,
daß sie die Waffen gegen die Ungläubigen, d. i. gegen die
Türken und Araber, nie ilttderlegm wollten. Eine Ge-
sellschaft dieser blinden Eiferer, die ein Haus nicht weit
vom ehemaligen Tempel Salomons bewohnten, gab
sich den Namen der Tempelherren, und bildete im
Jahr ii 18 einen förmlichen Orden, der -Olden der
Tempelherren genannt; eine andere Gesellschaft aber,
die in dem Hospital des heiligen Johannes die kranken
und verwundeten Kreuzfahrer verpflegte, gab sich im Jahr
liio den Namen der Johannitterritter. Auch die eu-
ropäischen Großen wurden jetzt von diesem wilden Feuer
entflammt, und die deutschen Kaiser, die Könige von
Frankreich, England und Ungarn und viele andere Re-
genten schickten von Zeit zu Zeit neue Heere Europäer nach
Asien. Der Kaiser Conrad z führte allein eine Armee
von 70,020 Rittern, die vielen Haufen von Fußknechten
nicht
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Extrahierte Personennamen: Gottfried_von_Bouillon Johannes Conrad
Extrahierte Ortsnamen: Jerusalem Frankreich England Ungarn Asien
Die Geschichte nach Christi Geburt. 207
nicht gerechnet, gegen die Türken; allein dies zahllose,
schöne und tapfere Heer, das ganz Asien hätte erobern
können, wurde aufgerieben. Eben so gieng es den Heer-
schaaren, die die nächsten Kreuzzüge unternahmen, und
sogar der Kaiser Friedrich der Erst?, so wie der König
von Frankreich Ludwig 9 verloren beyde, jener im Jahr
1180 und dieser im Jahr 1270, das Leben und zugleich
320,0*02 tapfere Krieger. Gleichwohl erlosch die toben-
de Flamme des Zorns der Europäer gegen die Türken und
Araber noch immer nicht; im Gegentheil errichtete des
umgekommenen Kaisers Friedrichs Sohn, Herzog Frie-
drich von Schwaben, im Jahr 1190 einen neuen Or-
den, der aus lauter deutschen Edelleuten bestand, und
ebenfalls wie der Tempelherren - und Johanniterorden das
Gelübde beschwören mußte, theilö der Kranken und Ver-
wundeten zu pflegen, theils gegen die Ungläubigen zu
fechten. Dies ist der noch jetzt bestehende deutsche Rit-
terorden. Endlich gegen den Schluß des dreyzehntm
Jahrhunderts hatten die schwärmerischen europäischen Krie-
ger alle Eroberungen in Asien wieder eingebüßt, und die
tollen Kreuzzüge nahmen ein Ende: Europa hatte eines
unsinnigen Einfalls wegen, den ein alberner Mönch aus-
heckte und ein stolzer Pabst durchsetzte, über sechs Mil-
lionen Menschen und mit denselben unsägliche Schätze
verloren. Viele der größten fürstlichen und adelichen
Geschlechter waren dadurch zu Grunde gegangen; auch
hatte die Abwesenheit der Regenten aus ihren Staaten Un-
ordnungen aller Art in ihren Ländern angerichtet. Am
kläglichsten wurden Deutschland, England und Frankreich
zerrüttet. Dagegen gewann durch diese Heerzüge die
Geistlichkeit, und vornemlich der Pabst: denn viele Tau-
send Rrtter verkauften, ehe sie zum Kampfe giengen, ih-
re Güter. Weil nun in diesen Zecken außer dem Adel
fast niemand Capckale hatte, als die Klöster: so kauften
diese
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Ludwig Friedrichs
Extrahierte Ortsnamen: Christi Asien Frankreich_Ludwig Friedrichs Schwaben Asien Europa Deutschland England Frankreich
Die Weltgeschichte.
2so
den die Mörder ihr Vorbild und ihren Herren nannten,
au6 Angst freylich auch als ihren Herren bekannten,
aber — wer kann cs den Bedauernswürdigen verdenken!
—- mit ihrem Herzen, das ihn ja aus dem giftigen Mun-
de solcher Rel'gionsprediger gewiß nicht kennen lernen
konnte, verleugntem. Als der Pabst hörte, daß Ferdi-
nand einen — wie cr's nannte — so ächtchrisilichen
Eifer ze ge, gab er ihm den Titel des Rechtgläubigen
oder Calbplischen Königs, welchen Titel die Könige
von Spanien noch jetzt fuhren. Nächst diesem Titel und
nächst den vielen Reichthümern, welche thm die Henker
au-Z den Häusern der geflüchteten, oder hingepichteten
Mauren und Juden zuschleppten, verschaffe sich Ferdinand
such ungeheure Schatze durch die Entdeckung von America,
von welcher merkwürdigen Begebenheitjhr bald mehr hören
sollet»
Gsschicbte des ftanrösjschen Staats.
So wie um diese Zeit die deutschen Fürsten und
Herren sich einander befehdeten, so übten jetzt auch die
Franzosen das leidige Faustrecht, Die Könige konnten
dies Unwesen nicht hindern, weil sie an den mächtigen
Herzogen der Normandie, die, wie Ihr wisset, zu
Ende des vorigen Zeitraums Könige von England gewor-
den waren, große Widersacher hatten. Mit der Zckt
eroberten diese Normanner sogar noch mehrere Provinzen
von Frankreich. Zum Glück, wen« man so sagen
kann — gaben die Kreuzzüge den adelrchen Raufbolden
eine andere Beschäftigung: denn beydeö Franzosen und
Normanner vergaßen ihre Fehden und innerlichen Kriege
und grenzen zu Hunderttausendcn ins gelobte Land, um
rs den Ungläubigem Zu entreißen. Viele Großen des
Reichs, nebst einer unzähligen Menge Edelleute, Bür-
ger, Bauren, Mönche und Missethäter nahmen das
Kreuz
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Extrahierte Personennamen: Ferdinand Ferdinand
Extrahierte Ortsnamen: Calbplischen_Königs Spanien England Frankreich
Die Geschichte nach Christi Geburt, is *
Kreuz und rannten nach Asien. Nur dir Könige blieben
fürs erste noch von dieser wunderlichen Sucht frey, und
eben dieö halte die Folge, daß daö Ansehen der bisher Zu
einer großen Macht gestiegenen Echnsleule vermindert und
dagegen die Macht der Könlste wieder vergrößert wurde.
Diese für den Thron glückliche Veränderung bewerkstelligte
vornemlich fchdrvlg der Dicke. Er schwächte den Ueder-
ni u ist des Adeln, räumte dagegen den Bürgern mehrere
Frcyheiten ein und legte eben dadurch den Grund zu ei-
nem neuen Reichsstande, dem Bürgttstllnde, der bisher
in Frankreich nichts gegolten hatte. Kaum war das
Land v-n dieser Seite zu einiger Rlche gekommen, als die
Könige von England den Einfall bekamen, nebst der Nor-
mandie und den übrigen Besitzungen noch mehrere fran-
zösische Länder zu erobern. Nun hatten also die Franzo-
sen außer den Kreuzzügen auch noch beständige Kriege mit
diesen ihren nahen Feinden, die 300 Jahre dauerten und
zwischen beyden Nationen einen unauslöschlichen Haß er-
zeugten. Philipp August, ein listiger, thätiger und
tapferer König, war eben mit einem Kreuzzuge beschäf-
tigt, als er hörte, daß die Engländer ihm ins Reich ge-
fallen feyn. Er kam zurück, schlug sie und eroberte so-
gar die Normandie. Um sich gegen die Besiegten sowohl
als gegen seine Großen in Respekt zu erhalten, dankte er
im Frieden, wie bisher gewöhnlich war, feine Soldaten
nicht ab, ì sondern war der erste, der ein stcheudès
Heer im Solde behielt. Nicht so glücklich, aber lie-
benswürdiger und edelmüthiger, als er, war der hetstge
Ludwig, der vom Jahr ¡2-26 bis 1270 regierte und
unter die besten französischen Könige gehört. In einet
Krankheit gelobte er Gott einen Kreuzzug» Wirklich zog er
nach erhaltener Genesung, ganz gegà den Willen seines
Volkes, das ihn gerne im Reiche behalten harte, gegen
den Sultan von Aezyten, wurde aber von diesem gefan-
aeu
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Extrahierte Personennamen: Philipp_August Philipp August Ludwig Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Christi Asien Frankreich England
26 t
Die Geschichte' nach' Christi' Geburt-
Bruder, Johann, in Verbindung mit dem treulosen König
von Frankreich das ohnehin unglückliche England von al-
len Seiten und die erschrockenen Engländer sehnten sich
nach ihrem König mit dem heftigsten Verlangen. Da
entschloß sich Blondín, des Königs Kapellmeister, sei«
nen Herrn aufzusuchen, sollte er auch bis ans Ende der
Welt gehen. Er wußte, daß Heinrich ihn gefangen
hielt, aber der Ort war ihm ein Gehcimniß. Der treue
Diener reiste von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorj>
und allenthalben erkundigte er sich nach seinem Könige»
Endlich kam er an den Ort, wo der Thurm war und er--
fuhr, daß in demselben rin vornehmer Gefangener ver-
wahrt werde. Er eilte dahin, stellte sich an die Thür
desselben und fieng ein Lied au zu singen, das Richard
in Vereinigung mit dem Blondin ehemals componirt
hatte. Mit der ersten Hälfte des Liedes machte der Sän-
ger eine Pause, und im Thurme fieng nun der Gefangene die
andere Hälfte an. Blondín erkannte seines Königs
Stimme, eilte voll Entzücken fort und kam wie geflügelt
«ach England, wo er die geängstigten Großen in den
Stand setzte, den gefangenen König, wiewohl nicht an-
ders , als gegen cm sehr großes Lösegeld, von seinen
Fesseln zu befrepen. Wenn Euch diese Treue eines Die-
ners gegen seinen Herrn gefallt, so versäumet uicht, ein
gleiches zu thun, sobald Euch die Vorsehung die Gele«
genheit dazu anbietet. Rlchñl'd eilte sogleich in seine
geliebte Insel und grif den eidbrüchigen Philipp
gustan. Es kam jedoch zu keiner Hauptschlacht, denn
beyde Partheyen verglichen sich« Zuletzt verlohr Richard
im Jahr 1199 das Leben, da er das Schloß eines feiner
aufrührerischen Großen belagerte. Weil seine ganze Re-
gierung kriegerisch war und er außer feiner Güte und sei-
nem Edelmuthe beständig eine ausnehmende Tapferkeit
zeigte, fo gab man ihm den schönen Namen Löwenherz. Er
, R 3 bin«-
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Extrahierte Personennamen: Johann Johann Heinrich Heinrich Philipp Philipp