Die Geschichte nach Christi Geburt. 207
nicht gerechnet, gegen die Türken; allein dies zahllose,
schöne und tapfere Heer, das ganz Asien hätte erobern
können, wurde aufgerieben. Eben so gieng es den Heer-
schaaren, die die nächsten Kreuzzüge unternahmen, und
sogar der Kaiser Friedrich der Erst?, so wie der König
von Frankreich Ludwig 9 verloren beyde, jener im Jahr
1180 und dieser im Jahr 1270, das Leben und zugleich
320,0*02 tapfere Krieger. Gleichwohl erlosch die toben-
de Flamme des Zorns der Europäer gegen die Türken und
Araber noch immer nicht; im Gegentheil errichtete des
umgekommenen Kaisers Friedrichs Sohn, Herzog Frie-
drich von Schwaben, im Jahr 1190 einen neuen Or-
den, der aus lauter deutschen Edelleuten bestand, und
ebenfalls wie der Tempelherren - und Johanniterorden das
Gelübde beschwören mußte, theilö der Kranken und Ver-
wundeten zu pflegen, theils gegen die Ungläubigen zu
fechten. Dies ist der noch jetzt bestehende deutsche Rit-
terorden. Endlich gegen den Schluß des dreyzehntm
Jahrhunderts hatten die schwärmerischen europäischen Krie-
ger alle Eroberungen in Asien wieder eingebüßt, und die
tollen Kreuzzüge nahmen ein Ende: Europa hatte eines
unsinnigen Einfalls wegen, den ein alberner Mönch aus-
heckte und ein stolzer Pabst durchsetzte, über sechs Mil-
lionen Menschen und mit denselben unsägliche Schätze
verloren. Viele der größten fürstlichen und adelichen
Geschlechter waren dadurch zu Grunde gegangen; auch
hatte die Abwesenheit der Regenten aus ihren Staaten Un-
ordnungen aller Art in ihren Ländern angerichtet. Am
kläglichsten wurden Deutschland, England und Frankreich
zerrüttet. Dagegen gewann durch diese Heerzüge die
Geistlichkeit, und vornemlich der Pabst: denn viele Tau-
send Rrtter verkauften, ehe sie zum Kampfe giengen, ih-
re Güter. Weil nun in diesen Zecken außer dem Adel
fast niemand Capckale hatte, als die Klöster: so kauften
diese
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Ludwig Friedrichs
Extrahierte Ortsnamen: Christi Asien Frankreich_Ludwig Friedrichs Schwaben Asien Europa Deutschland England Frankreich
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Die Weltgeschichte»
hatte sich an einem schwülen Tage in den Fluß Cydnus
(jetzt Salcph genannt) gestürzt, um sich abzukühlen,
bekam aber durch die plötzliche Verkältung einen Schlag-
fluß, der seinem berühmten Leben ein Ende machte. Sein
Sohn Heinrich 6 folgte ihm. Dieser Fürst hat in der
Geschichte den Namen der Grausame t den er auch mit
Recht verdient. Eö war nemlich sein Schwager, Wil-
helm , König von Sicilien, ohne Erben verstorben, und
er wollte dies Reich in Besitz nehmen, als die Sicilianer
einen «eigenen König ^ancred wählten. Bald darauf starb
jedoch auch dieser ^ancrcd, und die Gemali» desselben,
Stdylle, übergab dem Kaiser Sicilien willig, bat sich
aber für ihren jungen Prinzen Wilhelm das Fürstenthum
Darcnt aus. Heinrich versprach dem Prmzen dieses
Land; als er sich aber im Besitze von Sicilien sähe, ließ
er dem schuldlosen, einzigen Sohne der Mutter die Augen
aussiechen, ihn entmannen und in einen Kerker werfen,
die Mutter aber sammt ihrer Tochter in ein Kloster sper-
ren. Als er diese unmenschliche Grausamkeit verübt hat-
te, unternahm er einen Kreuzzug. Cs giengcn zu glei-
cher Zeit drey große Heere nach Asien, wovon er eins
rommandirte» Er führte das seinige durch Italien, um
auf dicsim Wege sich an den Sicilianern zu rachen, die
sich gegen ihn empört hatten. Er überwand zwar die
Aufrührer, wüthete aber wie ein Tieger gegen sie. Ei-
nen Nachkömmling des normannischen Fürstens, Na-
mens Jornarrdl, ließ er nackend auf einen glücnden
eisernen Thron fesseln, und ihm eine glüende Krone auf
den Kopf nageln, weil dieser unglückliche Mann sich den
Verdacht zugezogen hatte, als strebe er nach der Krone
von Sicilien» Diese teufelische Grausamkeit empörte das
Herz jedes seiner Unterthancn gegen ihn; ehe es jedoch
Zum vollen Ausbruche des Aufruhrs kam, starb er im
Jahr 1197 Zu Mssrrm plötzlich, wie man glaubt, an
Gift.
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_6 Heinrich Wilhelm Heinrich Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Sicilien Sicilien Asien Italien Sicilien
*22 Die Weltgeschichte.
sägliche Äeute. Am wildesten bewiesen sich hier die
Franzosen; sie plünderten sogar die Kirchen dieser ihrer
Mitchristen, und französische Offiziere tanzten mit den
Damen im innern Heiligthum des Sophientempels, nach-
dem sie den Altar beraubt und die Stadt mit Blut erfüllt
hatten. So wurde also Constantinvpel, die blühendste
christliche Stadt, zum erstenmal von Chtisken erobert,
aber nicht christlich, sondern satanisch behandelt: denn
die Kreuzfahrer, die doch das Gelübde gethan hatten,
gegen Ungläubige zu fechten, verheerten sie, als wäre
sie das Schlupflager einer Horde Straßenräuber. Man
nennt diese Eroberung die Eroberung der Lateiner j war-
um, das möget Ihr errathen. Balduin wurde zum
Kaiser ausgerufen, und sein erster kaiserlicher Befehl traf
den Thronrauber, dem das Urtheil zuerkannt wurde, von
einer hohen Säule heruntergeftürzt zu werden. Noch
waren von der eigentlichen kaiserlichen Familie einige
Prinzen vorhanden, die während der Unruhen die Flucht
genommen hatten. Diese fieheten die Araber und Bul-
garen um Beystand gegen die Lateiner; und beyde Völ-
ker, obgleich ehemalige Feinde des griechischen Reichs,
gaben ihnen mitleidig die Hand und leisteten ihnen Hülfe.
Balduin wurde geschlagen, gefangen genommen, und
die Sieger hieben ihm Arme und Beine ab, den zerstüm-
melten Körper aber gaben sie den wilden Thieren preis.
Zwar wußte sich fein Bruder, Heinrich, des Throns zu
bemächtigen; aber auch er wurde endlich getödtet, und
Constantinopel kam wieder in die Hände der Griechen.
Unterdessen Menschenblut in dem einen christlichen Kaiser-
thume floß, wüthete das Schwerdt auch in dem andern:
denn auch die Partheyen Otto's und Phisipps würgten
sich einander. Der letztere wurde bald darauf, wiewohl
ohne Otto's Verschulden, vom Psalzgrafen ¿)ifo voll
Wittelödach aus Privatrache ermordet, und jener erhielt
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Extrahierte Personennamen: Balduin Balduin Heinrich Heinrich Schwerdt
Die Weltgeschichte.
2so
den die Mörder ihr Vorbild und ihren Herren nannten,
au6 Angst freylich auch als ihren Herren bekannten,
aber — wer kann cs den Bedauernswürdigen verdenken!
—- mit ihrem Herzen, das ihn ja aus dem giftigen Mun-
de solcher Rel'gionsprediger gewiß nicht kennen lernen
konnte, verleugntem. Als der Pabst hörte, daß Ferdi-
nand einen — wie cr's nannte — so ächtchrisilichen
Eifer ze ge, gab er ihm den Titel des Rechtgläubigen
oder Calbplischen Königs, welchen Titel die Könige
von Spanien noch jetzt fuhren. Nächst diesem Titel und
nächst den vielen Reichthümern, welche thm die Henker
au-Z den Häusern der geflüchteten, oder hingepichteten
Mauren und Juden zuschleppten, verschaffe sich Ferdinand
such ungeheure Schatze durch die Entdeckung von America,
von welcher merkwürdigen Begebenheitjhr bald mehr hören
sollet»
Gsschicbte des ftanrösjschen Staats.
So wie um diese Zeit die deutschen Fürsten und
Herren sich einander befehdeten, so übten jetzt auch die
Franzosen das leidige Faustrecht, Die Könige konnten
dies Unwesen nicht hindern, weil sie an den mächtigen
Herzogen der Normandie, die, wie Ihr wisset, zu
Ende des vorigen Zeitraums Könige von England gewor-
den waren, große Widersacher hatten. Mit der Zckt
eroberten diese Normanner sogar noch mehrere Provinzen
von Frankreich. Zum Glück, wen« man so sagen
kann — gaben die Kreuzzüge den adelrchen Raufbolden
eine andere Beschäftigung: denn beydeö Franzosen und
Normanner vergaßen ihre Fehden und innerlichen Kriege
und grenzen zu Hunderttausendcn ins gelobte Land, um
rs den Ungläubigem Zu entreißen. Viele Großen des
Reichs, nebst einer unzähligen Menge Edelleute, Bür-
ger, Bauren, Mönche und Missethäter nahmen das
Kreuz
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Extrahierte Personennamen: Ferdinand Ferdinand
Extrahierte Ortsnamen: Calbplischen_Königs Spanien England Frankreich
Die Geschichte nach Christi Geburt, is *
Kreuz und rannten nach Asien. Nur dir Könige blieben
fürs erste noch von dieser wunderlichen Sucht frey, und
eben dieö halte die Folge, daß daö Ansehen der bisher Zu
einer großen Macht gestiegenen Echnsleule vermindert und
dagegen die Macht der Könlste wieder vergrößert wurde.
Diese für den Thron glückliche Veränderung bewerkstelligte
vornemlich fchdrvlg der Dicke. Er schwächte den Ueder-
ni u ist des Adeln, räumte dagegen den Bürgern mehrere
Frcyheiten ein und legte eben dadurch den Grund zu ei-
nem neuen Reichsstande, dem Bürgttstllnde, der bisher
in Frankreich nichts gegolten hatte. Kaum war das
Land v-n dieser Seite zu einiger Rlche gekommen, als die
Könige von England den Einfall bekamen, nebst der Nor-
mandie und den übrigen Besitzungen noch mehrere fran-
zösische Länder zu erobern. Nun hatten also die Franzo-
sen außer den Kreuzzügen auch noch beständige Kriege mit
diesen ihren nahen Feinden, die 300 Jahre dauerten und
zwischen beyden Nationen einen unauslöschlichen Haß er-
zeugten. Philipp August, ein listiger, thätiger und
tapferer König, war eben mit einem Kreuzzuge beschäf-
tigt, als er hörte, daß die Engländer ihm ins Reich ge-
fallen feyn. Er kam zurück, schlug sie und eroberte so-
gar die Normandie. Um sich gegen die Besiegten sowohl
als gegen seine Großen in Respekt zu erhalten, dankte er
im Frieden, wie bisher gewöhnlich war, feine Soldaten
nicht ab, ì sondern war der erste, der ein stcheudès
Heer im Solde behielt. Nicht so glücklich, aber lie-
benswürdiger und edelmüthiger, als er, war der hetstge
Ludwig, der vom Jahr ¡2-26 bis 1270 regierte und
unter die besten französischen Könige gehört. In einet
Krankheit gelobte er Gott einen Kreuzzug» Wirklich zog er
nach erhaltener Genesung, ganz gegà den Willen seines
Volkes, das ihn gerne im Reiche behalten harte, gegen
den Sultan von Aezyten, wurde aber von diesem gefan-
aeu
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Extrahierte Personennamen: Philipp_August Philipp August Ludwig Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Christi Asien Frankreich England
26 t
Die Geschichte' nach' Christi' Geburt-
Bruder, Johann, in Verbindung mit dem treulosen König
von Frankreich das ohnehin unglückliche England von al-
len Seiten und die erschrockenen Engländer sehnten sich
nach ihrem König mit dem heftigsten Verlangen. Da
entschloß sich Blondín, des Königs Kapellmeister, sei«
nen Herrn aufzusuchen, sollte er auch bis ans Ende der
Welt gehen. Er wußte, daß Heinrich ihn gefangen
hielt, aber der Ort war ihm ein Gehcimniß. Der treue
Diener reiste von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorj>
und allenthalben erkundigte er sich nach seinem Könige»
Endlich kam er an den Ort, wo der Thurm war und er--
fuhr, daß in demselben rin vornehmer Gefangener ver-
wahrt werde. Er eilte dahin, stellte sich an die Thür
desselben und fieng ein Lied au zu singen, das Richard
in Vereinigung mit dem Blondin ehemals componirt
hatte. Mit der ersten Hälfte des Liedes machte der Sän-
ger eine Pause, und im Thurme fieng nun der Gefangene die
andere Hälfte an. Blondín erkannte seines Königs
Stimme, eilte voll Entzücken fort und kam wie geflügelt
«ach England, wo er die geängstigten Großen in den
Stand setzte, den gefangenen König, wiewohl nicht an-
ders , als gegen cm sehr großes Lösegeld, von seinen
Fesseln zu befrepen. Wenn Euch diese Treue eines Die-
ners gegen seinen Herrn gefallt, so versäumet uicht, ein
gleiches zu thun, sobald Euch die Vorsehung die Gele«
genheit dazu anbietet. Rlchñl'd eilte sogleich in seine
geliebte Insel und grif den eidbrüchigen Philipp
gustan. Es kam jedoch zu keiner Hauptschlacht, denn
beyde Partheyen verglichen sich« Zuletzt verlohr Richard
im Jahr 1199 das Leben, da er das Schloß eines feiner
aufrührerischen Großen belagerte. Weil seine ganze Re-
gierung kriegerisch war und er außer feiner Güte und sei-
nem Edelmuthe beständig eine ausnehmende Tapferkeit
zeigte, fo gab man ihm den schönen Namen Löwenherz. Er
, R 3 bin«-
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Extrahierte Personennamen: Schwerdt Carl
der_Große Knut Eduards Eduards Wilhelm Harald Eduards Eduards