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Heimatkunde des Grotzherzogtums Hessen. Nr. 18.
sogar von den Kirchtürmen gestohlen. Wie's in der Stadt ist, so ist's auch
auf dem Lande. Bald sind Preußen, bald Österreicher, bald Franzosen
hier. Letztere kommen im März 1793 bei Ober-Flörsheim mit den Preußen
in ein Gefecht, in welchem sie aber unterliegen. Der preußische Feldherr
Blücher weilt in der ersten Hälfte des Jahres 1794 in Gber-Flörsheim
und kämpft von hier aus gegen dieselben Feinde. So ist unsere Gegend
heimgesucht, bis in den Iahren 1797 und 180t das ganze linke Rhein-
ufer französisch wird. Unser Kreis mit Worms gehort nun zum Kreis
(Departement) Donnersberg. Die Äcker der großen Herrengüter, wie sie
noch seit den Bauernkriegen bestanden, werden von den Franzosen zu ge-
ringen preisen verkauft. Die Bauern erhalten dadurch eigenes Land und
gelangen in unserer Gegend nach und nach zu Wohlstand.
Neue Unruhen bringt der große Franzosenkaiser Napoleon durch seine
Kriege in unsere Heimat. Er wird ein Herr über unser deutsches Vater-
land, freilich nur für kurze Zeit. Kls er aus dem fernen Nußland zurück-
getrieben wird, das er auch noch unterwerfen wollte, da befreien sich die
Deutschen wieder von ihm. Das zurückweichende Franzosenheer kommt
durch unsere Orte, und Kngst und Not scheinen wieder zu beginnen, fluch
die Verfolger der Franzosen, die Nüssen, sind keine angenehmen Gäste,'
denn eine ansteckende Krankheit begleitet sie, und wo sie weilen, sterben
viele Leute. Erst von 1815 ab kehrt Nuhe im Lande ein. Worms mit seiner
Umgebung kommt als Teil Nheinhessens zum Großherzogtum Hessen.
Vi. vie Kreisstadt.*)
a) Die Nibelungenstadt Worms.
Es gibt eine schöne Sage, die erzählt uns von einem gewaltigen Helden
Ziegfried, den man auch den Nibelungenhelden nennt. Er hatte nämlich
einem Zwergenvolke, das Nibelungen hieß, einen großen Schatz an Gold
und Edelsteinen, den Nibelungenschatz, abgenommen. Weil dieser Nibe-
lungenheld in Worms gelebt hat und weil der kostbare Nibelungenschatz
jetzt in der Nähe der Stadt im Nheine liegen soll, heißt Worms auch die
Nibelungenstadt. Wie kam nun dieser Nibelungenheld hierher?
5lm Königshofe zu Xanten am Niederrhein lebt der Held Siegfried, der
schon in seinen jungenjahren sehr tapfer ist. (Einen Drachen,**) der die ganze
Gegend unsicher macht, und gegen den die stärksten Helden vergeblich ge-
kämpft haben, erschlägt er in heißem Kampfe. Im Drachenfette badet er
sich, und seine haut wird hörnern und ist nun gegen Schwerthieb und Stich
geschützt. Nur an einer Stelle, zwischen den Schultern, darauf ein Linden-
blatt gefallen war, bleibt er verwundbar. Er zieht nach Norden und be-
*) Die Römerstadt Worms wurde unter „Römerzeit" geschildert.
**) Betrachte das Wormser Stadtwappen, das von einem Drachen gehalten wird!
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T80: [Rhein Stadt Festung Mainz Maas Straßburg Frankreich Metz Elsaß Deutschland], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch]]
TM Hauptwörter (200): [T41: [König Siegfried Held Hagen Mann Günther Frau Gudrun Kriemhild Tod], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T93: [Bayern Baden Hessen Württemberg Königreich Sachsen Franken Schwaben Land Rhein], T71: [Deutschland Krieg Preußen Volk Napoleon Frankreich Macht Frieden Europa Land], T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose]]
Extrahierte Personennamen: Napoleon Siegfried Siegfried
Kreis Worms, bearbeitet von Adolf Trieb. 23
ginnt einen schweren und furchtbaren Kampf mit einem Volke von mächtigen
Zwergen. Nibelungen Meißen sie und hüten einen großen Schatz an rotem
Golde und kostbaren Steinen. Siegfried schlägt die meisten Zwerge nieder
und nimmt ihren König gefangen. Er empfängt den Schatz, aber auch ein
gewaltiges Schwert und die Tarnkappe, welche den, der sie trägt, unsichtbar
macht. So ausgerüstet kommt er nach Worms, wo er sich im Dienste des
Burgundenkönigs Gunter aufs neue als Held auszeichnet. Gunter will eine
riesenstarke Königin, Brunhilde mit Namen, zur Frau haben. Diese nimmt
aber nur den Helden zum Mann, der sie im Kampfe besiegt. Siegfried
mit der Tarnkappe hilft dem Gunter in diesem Kampfe, und der Bur-
gundenkönig siegt. Brunhilde, die von dem! unsichtbaren Siegfried nichts
gemerkt hatte, wird seine Gemahlin. Kriemhilde aber, die schöne Schwester
Gunters, heiratet Siegfried. Da entsteht nach einigen Jahren zwischen
den beiden grauen ein Streit. Vrunhilde glaubt sich durch Kriemhilde schwer
gekränkt, und sie will daher Siegfrieds Gemahlin hart strafen. Für ihre
schlimmen Pläne gewinnt sie einen Kriegsmann ihres Gemahls, den grim-
men Hagen, der den tapferen Siegfried töten will. Letzterer wird zur Jagd
eingeladen. Kls sie sich lagern, fehlt der Wein. Hagen schlägt in verstellter
Freundlichkeit vor, mit Siegfried einen Wettlauf nach einer nahen Quelle
zu unternehmen. Siegfried erreichte diese zuerst. Wie er sich nun nieder-
beugt, um seinen Durst zu löschen, da schleudert ihm der hinterlistige Feind
den eigenen Ger zwischen den Schultern in den Körper. So stirbt der edle
Held. Kriemhilde trauert jahrelang um den geliebten Mann. Später heiratet
sie einen König der Hunnen, um durch diesen Siegfrieds Tod zu rächen. Ts
gelingt. Mit eigner Hand schlägt sie dem grimmen Hagen das Haupt ab.
Den Nibelungenschatz ihres Gemahls hatte sie aber nicht behalten. Der
Mörder Siegfrieds hatte ihn in den Rhein versenkt.*)
b) Worms, die Stadt der Treue.
hast du schon gehört von der alten deutschen Treue, die in unsern Lie-
dern so oft genannt und besungen wird? Weißt du auch, was diese Worte
bedeuten sollen? höre einmal die folgende Geschichte, dann wirst du ver-
stehen, was damit gemeint ist.
Weit von uns weg, im Lande der Sachsen, hält sich der deutsche Kaiser
Heinrich Iv. in einer seiner Burgen auf. 5lber die Bewohner hier haben ihn
nicht gern,' denn gar so viel Geld müssen sie an ihn bezahlen, gar so viele
Soldaten ernähren, die in den Burgen wohnen, welche er in ihrem Lande
erbaut hat. Da bitten sie ihn um Schonung. 5lber als sie rauh abgewiesen
werden, scharen sie sich in großen Haufen zusammen und ziehen vor seine
*) Der Sage nach soll dies bei dem jetzt verschwundenen Orte Lochheim in der
Nähe von Gernsheim geschehen sein. Noch heute erinnern in Worms die Hagen-,
Siegfried-, Kriemhilden- und Brunhildenstraße an die Helden und Frauen jener Zeit.
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
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