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1. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 140

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
140 208. Der Schwanritter. (Sage.) Herzog Gottfried von Brabant war gestorben, ohne männliche Erben zu hinterlassen; er hatte aber in einer Urkunde gestiftet, dasz sein Land der Herzogin und seiner Tochter verbleiben sollte. Hieran kehrte sich jedoch Gotttried’s Bruder, der mächtige Herzog von Sachsen, wenig, sondern bemächtigte sich, aller Klagen der Witwe und Waise unerachtet, des Landes, das nach deutschem Rechte auf keine Weiber erben könne. Die Herzogin beschlosz daher, bei dem König zu klagen; und als bald darauf Karl nach Niederland zog, kam sie mit ihrer Tochter dahin und begehrte Recht. Dahin war auch der Sachsenherzog gekommen und wollte der Klage zur Antwort stehen. Es ereignete sich aber, dasz der König durch ein Fenster schaute; da erblickte er einen weiszen Schwan, der schwamm den Rhein herauf und zog an einer silbernen Kette, die hell glänzte, ein Schifflein nach sich; in dem Schiff aber ru’nete ein schlafender Ritter, sein Schild war sein Hauptkissen, und neben ihm lagen Helm und Panzer; der Schwan steuerte gleich einem geschickten See- manne und brachte sein Schiff an das Gestade. Karl und der ganze Hof verwunderten sich höchlich ob diesem seltsamen Ereignisz; jedermann vergasz der Klagen der Frauen und lief hinab dem Ufer zu. Unterdessen war der Ritter erwacht und stieg aus der Barke ; wohl und herrlich empfing ihn der König, nahm ihn selbst zur Hand und führte ihn gegen die Burg. Da sprach der junge Held zu dem Vogel: „Flieg deinen Weg wohl, lieber Schwan ! wann ich dein wieder bedarf, will ich dir schon rufen.“ Sogleich schwang sich der Schwan und fuhr mit dem Schifflein aus aller Augen weg. Jedermann schaute den fremden Gast neugierig an ; Karl ging wieder zu seinem Gericht und wies jenem eine Stelle unter den anderen Fürsten an. Die Herzogin von Brabant, in Gegenwart ihrer schönen Tochter, hub nunmehr ausführlich zu klagen an, und hernach vertheidigte sich auch der Herzog von Sachsen. Endlich erbot er sich zum Kampf für sein Recht, und die Herzogin solle ihm einen Gegner stellen, das ihre zu bewähren. Da erschrak sie heftig; denn er war ein auserwählter Held, an den sich niemand wagen würde; vergebens liesz sie im ganzen Saale die Augen umgehen, keiner war da, der sich ihr erhoben hätte. Ihre Tochter klagte laut und weinte; da erhub sich der Ritter, den der Schwan in’s Land ge- führt hatte, und gelobte, ihr Kämpfer zu sein. Hierauf wurde von beiden Seiten zum Streit gerüstet, und nach einem langen und hartnäckigen Ge- fecht war der Sieg endlich auf Seiten des Schwanritters. Der Herzog von Sachsen verlor sein Leben, und der Herzogin Erbe wurde wieder frei und ledig. Da neigten sie und die Tochter sich dem Helden, der sie erlöst hatte, und er nahm die ihm angetragene Hand der Jungfrau mit dem Be- ding an : dasz sie nie und zu keiner Zeit fragen solle, woher er gekommen, und welches sein Geschlecht sei, denn auszerdem müsse sie ihn verlieren. Der Herzog und die Herzogin bekamen zwei Kinder, die waren wohl gerathen ; aber immer mehr fing es an, ihre Mutter zu drücken, dasz sie gar nicht wuszte, wer ihr Vater war; und endlich that sie an ihn die ver- botene Frage. Der Ritter erschrak herzlich und sprach: „Nun hast du selbst unser Glück zerbrochen und mich am längsten gesehen.“ Die Herzogin bereute es, aber zu spät; alle Leute fielen ihm zu Füszen und baten ihn zu bleiben. Der Held waffnete sich, und der Schwan kam mit demselben Schifflein geschwommen ; darauf kiiszte er beide Kinder, nahm Abschied von seinem Gemahl und segnete das ganze Volk, dann trat er in das Schiff, fuhr seine Strasze und kehrte nimmer wieder. Der Frau

2. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 201

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
201 Sie haben Stahlgewand begehrt und hießen satteln ihre Pferd', zu reiten nach dem Riesen. Jung Roland, Sohn des Milon, sprach: „Lieb' Vater! hört! ich bitte! Vermeint ihr mich zu jung und schwach, daß ich mit Riesen stritte, doch bin ich nicht zu winzig mehr, euch nachzutragen euren Speer- samt eurem guten Schilde." Die sechs Genossen ritten bald vereint nach den Ardennen, doch als sie kamen in den Wald, da thäten sie sich trennen. Roland ritt hinter'm Vater her; wie wohl ihm war, des Helden Speer, des Helden Schild zu tragen! Bei Sonnenschein und Mondenlicht streiften die kühnen Degen; doch fanden sie den Riesen nicht in Felsen und Gehegen. Zur Mittagsstund' am vierten Tag der Herzog Milon schlafen lag in einer Eiche Schatten. Roland sah in der Ferne bald ein Blitzen und ein Leuchten, davon die Strahlen in dem Wald die Hirsch' und Reh' aufscheuchten; er sah, es kam von einem Schild, den trug ein Riese, groß und wild, vom Berge niedersteigend. Roland gedacht' im Herzen sein: „Was ist das für ein Schrecken! Soll ich den lieben Vater mein im besten Schlaf erwecken? Es wachet ja sein gutes Pferd, es wacht sein Speer, sein Schild und Schwert, es wacht Roland, der junge." Roland das Schwert zur Seite band, Herrn Milon's starkes Waffen, die Lanze nahm er in die Hand und that den Schild aufraffen. Herrn Milon's Roß bestieg er dann und ritt ganz fachte durch den Tann, den Vater nicht zu wecken. Und als er kam zur Felsenwand, da sprach der Rief' mit Lachen: „Was will doch dieser kleine Fant auf solchem Rosse machen? Sein Schwert ist zwier so lang als er, vom Rosse zieht ihn schier der Speer, der Schild will ihn erdrücken." Jung Roland rief: „Wohlauf zum Streit! Dich reuet noch dein Necken. Hab' ich die Tartsche lang und breit, kann sie mich besser decken; ein kleiner Mann, ein großes Pferd, ein kurzer Arm, ein langes Schwert, muß eins dem andern helfen." Der Riese mit der Stange schlug auslangend in die Weite; jung Roland schwenkte schnell genug sein Roß noch auf die Seite. Die Lanz' er aus den Riesen schwang, doch von dem Wunderschilde sprang auf Roland sie zurücke. Jung Roland nahm in großer Hast das Schwert in beide Hände; der Riese nach dem feinen faßt; er war zu unbehende: mit flinkem Hiebe schlug Roland ihm unter'm Schild die linke Hand, daß Hand und Schild entrollten. Dem Riesen schwand der Muth dahin, wie ihm der Schild entrissen; das Kleinod, das ihm Kraft verliehn, mnßt' er mit Schmerzen missen. Zwar lief er gleich dem Schilde nach, doch Roland in das Knie ihn stach, daß er zu Bodey stürzte. Roland ihn bei den Haaren griff, hieb ihm das Haupt herunter; ein großer Strom von Blute lief in's tiefe Thal hinunter. Und aus des Todten Schild hernach Roland das lichte Kleinod brach und freute sich am Glanze. Dann barg er's unter'm Kleide gut und ging zu einem Quelle; da wusch er sich von Staub und Blut Gewand und Waffen helle. Zurücke ritt der jung' Roland, dahin, wo er den Vater fand, noch schlafend bei der Eiche. Er legt' sich an des Vaters Seit', vom Schlafe selbst bezwungen, bis in der kühlen Abendzeit Herr Milon aufgesprungen:

3. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 226

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
226 ehrwürdig. Von tiefer Frömmigkeit erfüllt, legte er auf das Irdische und Gemeine keinen Werth; aber da er zugleich Weltverstand und Beredsamkeit besaß, so war er schon früh in die Händel der Welt eingeweiht worden und wußte, wie mit Menschen und Völkern umzugehen war. Vorzüglich aber zeichnete ihn eine aus innigem Glauben hcrvorgegangene eiserne Festigkeit des Willens aus, und diesen richtete er ganz darauf, die Kirche zu läutern und zu stärken, um durch sie die Welt zu bessern und zu heiligen. Zunächst führte er das Verbot der Priesterehe durch: die Geistlichkeit sollte nicht durch Familienbande an das Irdische geknüpft, sondern bloß von ihm als ihrem unumschränkten Oberherrn abhängig sein. Ferner verbot er strenge die Simonie, d. h. den Verkauf geistlicher Stellen, und legte sich als Pabft die bisher den Fürsten zustehende Macht bei, den Bischöfen und Aebten durch Darreichung des Ringes und des Hirtenstabes das Recht zur Ausübung ihres geistlichen Amtes zu ertheilen. Aber er wollte auch alle weltlichen Fürsten sich unterwerfen. Er erklärte, der Pabft sei der Nach- folger des heil. Petrus und Statthalter Christi auf Erden; die geistliche Herrschaft müsse die weltliche leiten, wie die Sonne den Mond. Bei diesem Manne also brachten die Sachsen ihre Klagen vor. Der Pabst forderte den Kaiser zur Rechenschaft. Als Heinrich sich dieser Zu- muthung weigerte, sprach Gregor den Bann über ihn aus. Anfangs lachte der Kaiser dessen, aber nicht nur alle seine Feinde traten jetzt offen gegen ihn auf, sondern auch diejenigen, welche er mit Wohlthaten überhäuft hatte, verließen ihn, und als endlich sogar die Fürsten drohten, einen anderen Kaiser zu wählen, wenn er sich nicht mit dem Pabst versöhne, da entschloß er sich, nach Italien zu reisen, um mit Gregor Frieden zu machen. Im Winter des Jahres 1077 trat er mit seiner Gemahlin Bertha, die er oft schwer gekränkt hatte, die ihm aber jetzt Böses mit Gutem vergalt, und mit seinem Söhnlein die Pilgerfahrt an. Er kam an die Alpen. Hier hatten ihm seine Feinde, welche wünschten, daß er im Banne bliebe, alle' gebahnten Wege versperrt. Da mußte er einen großen Umweg durch Frank- reich machen und über die Seealpen sich einen Weg nach Italien suchen. Ueber verborgene, kaum dem Gemsjäger gangbare Pfade stieg er mühsam hinan. Und doch war die größte Eile nöthig; denn die Frist, welche ihm die Fürsten gesetzt hatten, neigte sich schon ihrem Ende zu. Endlich war die Höhe des Gebirges erreicht; aber noch größere Mühseligkeiten und Ge- fahren bot die andere Seite dar. Diese war so abschüssig, daß man keinen festen Fuß fassen konnte. Auf Leben und Tod mußte der Versuch gewagt werden. Die Männer krochen auf Händen und Füßen; die Frauen wur- den in Schläuchen von Ochsenhäuten an Seilen hinabgelassen. An den gefährlichsten Stellen wurden die Pferde vorangelassen, indem man ihnen die Beine zusammenband und sie an Stricken hinunter gleiten ließ, wobei mehrere umkamen. Mit beispielloser Geduld bestand Heinrich alle Mühselig- keiten und Gefahren der Reise, um sich nur wieder mit dem Pabste auszusöhnen. Gregor war bei Heinrich's Ankunft gerade auf seiner Reise zum Reichstage nach Augsburg begriffen und eben in Oberitalien angelangt.

4. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 143

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
143 zu denken, bis er endlich am vierten Tage in einen wilden unwegsamen Wald gerieth und sich völlig verirrte. Hier wäre er wohl verloren ge- wesen trotz aller seiner Stärke; aber als er laut über sein Miszgeschick klagte, kam der Zwergkönig Hügel auf kohlschwarzem Rosse daher. Sein Kleid war von weiszer Seide und mit Gold durchwirkt; auf dem Haupte trug er eine prachtvolle Krone mit so glänzenden Edelsteinen, dasz der dunkle Wald davon erleuchtet ward. Er begrüszte Siegfried freundlich, als ob er ihn lange gekannt hätte, dann aber gebot er ihm schnell zu flie- hen, weil ganz in der Nähe ein Drache hause, der eine schöne Jungfrau gefangen halte; „wenn dieser dich erblickt,“ sagte er, „so muszt du dein junges Leben in diesem Walde verlieren.“ Da freute sich Siegfried, der gefangenen Kriemhild so nahe zu sein, und er erklärte dem Zwerge, dasz er gerade gekommen sei, um sie zu befreien, aber erschrocken riefeugelc „Du willst dich solches Dinges unterfangen? Hättest du auch den halben Erdkreis bezwungen, so würde dir das doch nichts helfen; die Jungfrau müsztest du hierauf dem Felsen lassen. Denn den Schlüssel zu demselben bewahrt der Riese Kuperan, und ehe du auf die Höhe gelangtest, müsztest du mit ihm. einen Kampf bestehen, wie er auf Erden noch nicht gekämpft worden ist.“ Gerade dies aber lockte den kühnen Siegfried, und was auch der gute Eugel sagte, um ihn zu warnen, so blieb er doch fest entschlossen, die geraubte Kriemhild aus allen Gefahren zu erretten. 3. Wie Siegfried den Riesen besiegte. Nun führte der Zwerg den Helden an die Seite des Felsens, wo des Riesen Behausung war. Siegfried rief laut in die Höhle hinein. Sofort trat Kuperan hervor, bewaffnet mit einer weit über die Bäume hinausragenden Stange von Stahl, deren vier Kanten messerscharf waren und die einen Klang gab wie eine Kirchenglocke. „Was willst du, junger Bursch, in diesem Walde?“ sprach der Riese. „Ich will die Jungfrau erlösen,“ antwortete Siegfried, „welche auf diesem Felsen gefangen sitzt.“ „Hoho!“ sagte jener, „du kleiner Wicht, da müsztest du erst noch einige Ellen wachsen.“ Jetzt holte der Riese mit seiner Stange aus, um Siegfried niederzu- schlagen ; aber dieser sprang schnell und gewandt fünf Klafter weit zurück, und sausend fuhr die Stange tief in die Erde hinein. Ehe Kuperan sie aber wieder herausgezogen hatte, sprang Siegfried hinzu und schlug ihm mit seinem scharfen Schwerte fürchterliche Wunden. Von Schmerz über- wältigt, liesz der Riese seine Stange fahren und floh in die Höhle zurück. Aber bald trat er schrecklich gewaffnet wieder hervor. Ein goldener Harnisch deckte seine Brust; an der Seite trug er ein riesiges scharfes Schwert, in der Linken aber einen Schild so grosz wie ein Thor und einen Schuh dick, und auf dem Haupte hatte er einen Helm von hartem Stahl, der leuchtete wie der Glanz der Sonne auf den Meereswellen. Und nun begann wieder der harte Kampf zwischen den beiden. Laut hallten die Schläge durch den dunklen Wald, und die Funken stoben aus den Helmen, dasz die Finsternisz davon erhellt ward. Aber Siegfried unterlief das lange Schwert des Riesen und hieb ihm den Panzer in Stücke und brachte dem Unhold sechszehn tiefe Wunden bei, so dasz ihm das Blut vom Leibe troff. Da flehte Kuperan um sein Leben, und Siegfried sagte : „Gern will ich es dir schenken, wenn du mir schwörst, mir die Jungfrau gewinnen zu helfen.“ Das schwur der Riese, und so war zwischen beiden Friede gemacht; Sieg- fried risz sich selbst sein Untergewand vom Leibe und verband mitleidig seines Feindes Wunden damit. 4. Wie der Riese wegen seiner Treulosigkeit getüdtet ward. Als der siegreiche Held auf den Felsen hinauf eilte, um Kriemhild zu suchen, nahm der tückische Riese, der hinter ihm herging, die günstige

5. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 145

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
145 Aber kaum hatte Siegfried zu essen angefangen, da erhub sich ein Getöse, als stürzten die Berge zusammen. Aengstlich fuhren die Zwerge .auseinander, sich zu verstecken, undkriemhild sprach: „Jetzt, edler Held, wird es unser Ende sein. Nun naht der Drache heran, von seinem Schnau- zen kommt das Getöse.“ Aber Siegfried blieb getrost und ermuthigte auch die Jungfrau. Da sah man einen hellen Feuerschein, der kam aus dem Rachen des noch meilenweit entfernten Ungeheuers. Aengstlich zog Kriemhild den Jüngling in eine Höhle herein, um hier das Weitere zu er- warten. Da erschien der Drache ; wie er an den Felsen heranflog, bebte die ganze Erde ringsumher. Sofort trat Siegfried aus der Höhle, mit der Rechten das Schwert führend, das ihm der Riese gezeigt hatte. Fürchter- liche Schläge versetzte er dem Drachen, aber dieser risz ihm mit seinen Krallen den Schild weg, und so fühlte er immer schrecklicher die Glut, die aus dem Rachen des Ungethüms hervorgehaucht ward; sie erhitzte den Felsen so, als wär’ er glühendes Eisen. Unerträglich ward endlich die Qual, immer gieriger züngelten rothe und blaue Flammen ihm entgegen. Endlich muszte er (liehen, doch vergasz er nicht Kriemhildens; schnell zog er sie mit in eine kleine Höhle hinein, in welche der Drache ihnen nicht folgen konnte. Hier erblickte er einen unendlichen Schatz von Gold und Edelgestein ; es war der Hort des unterirdischen Zwergenvolkes, der Nibe- lungen, welche vor dem Getöse des Kampfes ängstlich geflohen waren; Siegfried aber meinte, dasz es der Schatz des Drachen sei. Nach einiger Zeit, als er sich erholt hatte, ergriff er wieder sein Schwert und begann den Kampf von neuem. Die Glut der blauen und rothen Flammen, die das Unthier gegen ihn spie, brachte ihn wieder in grosze Noth; er muszte auf die Seite springen, aber nun versuchte das Un- geheuer mit seinem Schwänze ihn zu umringe,ln, und nur mit genauer Noth entging er diesen Umarmungen. 'Von den wiederholten Schlägen aber und von der gewaltigen Hitze begann allmählich die Hornhaut des Drachen weich zu werden; als Siegfried das merkte, nahm er alle seine Kraft zu- sammen und führte einen so gewaltigen Hieb auf das Thier, dasz er es von oben bis unten mitten hindurch spaltete und die eine Hälfte vom Rande des Felsens in die Tiefe sank. 6. Wie Siegfried und Kriemhild heimkehrten. So war Kriemhild gerettet, und freudenvoll eilte sie auf ihren Befreier zu. Aber der war von der ungeheueren Anstrengung bis zum Tode er- schöpft ; ohnmächtig sank er [zusammen, und lange lag er bewusztlos da. Darüber erschrak Kriemhild so, dasz auch ihr die Sinne vergingen und sie wie eine Todte neben dem Helden lag. Endlich nach langer Zeit schlug Siegfried die Augen auf; als er aber die Jungfrau wie todtneben sichsah, brach er in laute Klagen aus upd rief: „0 weh mir, dasz ich dies erleben soll! Die ich in Freuden ihrem Vater wieder heimführen wollte, die musz ich nun todt ihm bringen? Des werd’ ich ewig klagen müssen.“ Das hörte der Zwerg Engel, der sich inzwischen, wie es stille auf dem Fels geworden war, wieder herangewagt hatte. Schnell kam er herbei und sagte: „Sei nur getrost! ich will der Jungfrau ein Kraut eingeben, dasz sie bald wieder gesund wird.“ So that er, und alsbald schlug sie die Augen wieder auf. Da fiel sie freudenvoll ihrem Retter Siegfried um den Hals und küszte ihn auf den Mund. Engel aber sprach: „Du hast uns Zwerge von dem bösen Riesen, dem wir dienen muszten, befreit; dafür wollen wir nun auch dir dienen und dir helfen, wo wir können.“ Darnach führte er Siegfried und Kriemhild in seine Wohnung, und hier erholten sie sich bei köstlichen Speisen und Getränken vollends von den über- standenen Mühen und Aengsten. Dann nahmen sie Abschied von dem Vaterländisches Lesebuch. i a

6. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 227

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
227 Er erschrak, als er hörte, der Kaiser sei im Anmarsche; denn er vermeinte, Heinrich komme, um sich für die ihm angethane Schmach zu rachen. Und wirklich hätte Heinrich solches thun können; denn die lombardischen Großen und Bischöfe kamen ihm frohlockend entgegen, in der Hoffnung, er würde sic gegen den strengen Gregor anführen. Sie boten ihm alle ihre Hülfe an ; aber Heinrich wies sie mit den Worten ab: „Ich bin nicht gekommen, zu kämpfen, sondern Buße zu thun." Gregor war schnell von seinem Wege abgewichen und in das feste Schloß Kanossa zu seiner Freundin, der reichen Markgrafin Mathilde von Toscana, geflohen. Er freute sich nicht wenig, als er hörte, daß der deutsche König sich als büßender Pilger ihm nahe. Sobald Heinrich in Kanossa anlangte, ließ er durch die Markgräfin den Pabst bitten, ihn vom Bann- spruche zu lösen; er wolle sich jeder Bußübung unterziehen, die der heilige Vater ihm auferlegen würde. Seine Bitte ward ihm gewährt. Gregor verlangte jedoch, daß Heinrich im Büßerhemde vor ihm erscheine. Und der König von Deutschland und Italien mußte, nur mit einem wollenen Hemde angethan, entblößten Hauptes und barfuß im Schloßhofe auf des Pabstes Entscheidung harren. Drei Tage lang stand so der Unglückliche, ohne sich durch Speise und Trank zu erquicken. Die Markgräfin und die anderen Freunde Gregor's wurden durch das Weinen Heinrich's so gerührt, daß sie unter Thränen Fürbitte beim Pabff einlegten; ja einige riefen so- gar, das sei mehr als apostolische Strenge, das sei tyrannenmäßige Grau- samkeit. Endlich am vierten Tage ließ der Pabst den Büßenden vor sich kommen und sprach ihn unter der Bedingung vom Banne los, daß er ruhig nach Deutschland gehe und sich aller königlichen Gewalt cntschlage, bis aus einem Reichstage entschieden sei, ob er König bleiben solle oder nicht. — Einen so harten Bescheid hatte Heinrich doch nicht erwartet. Mit Unwillen und Zorn im Herzen schied er von Gregor, nach der günstigen Stunde sich sehnend, wo er sich rächen könnte. Bald brach er daher den mit ihm geschlossenen Vertrag, aber dies veranlaßte die deutschen Fürsten, den Herzog Rudolf von Schwaben zum König zu wählen. Heinrich kehrte nach Deutschland zurück und be- siegte zwar seinen Gegcnkönig, aber das Reich litt furchtbar durch diese inneren Unruhen, und das kaiserliche Ansehen sank immer tiefer. Da sich endlich sogar seine eigenen Söhne gegen ihn empörten, endete er, der mit so schönen und edlen Gaben ausgerüstete Kaiser, voll Gram sein verlorenes Leben in Lüttich 1106. 8. Die Eroberung Jerusalems. Im Jahre 1094 erschien in Frankreich und Italien ein Mann, der barhaupt und barfuß auf einem Esel ritt. Er nannte sich Peter und war von Amiens in Frankreich. Ein langes Pilgergewand, von einem Strick zusammengehalten, umwallte den hageren Leib. Die dürren Hände hielten ein Crucifix. Seine großen, dunklen Augen glühten in unheirn- 15*

7. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 231

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
231 mit der Begeisterung hin, welche selbst ein Zeichen der Tüchtigkeit ist. Nament- lich hatte er sich Karl den Großen zum Muster genommen. Das Hauptstreben seiner Regierung ging dahin, das unter seinen Vorgängern gesunkene kaiserliche Ansehen wiederherzustellen, namentlich auch in Italien, wo der Pabst und die lombardischen Städte seit den Zeiten Heinrich's Iv. dem Kaiser weigerten, was ihm gehörte. Er unternahm deshalb sechs Feldzüge nach jenem Lande; auf dem fünften aber verweigerte sein mächtiger Vetter, Heinrich der Löwe, Herzog von Baiern und Sachsen, ihm den ferneren Beistand, und obwohl Friedrich die Kniee des stolzen Herzogs flehend umfaßte, zog dieser dennoch mit seinen Truppen ab. Die Folge davon war, daß der Kaiser bei Legn an o im Jahre 1176 von den lombardischen Städten völlig geschlagen wurde und ihnen bedeutende Rechte einräumen mußte. Heinrich der Löwe war unzweifelhaft nächst dem Kaiser der größte Fürst seiner Zeit. Er hatte einen festen, durch ritterliche Uebungen aller Art gekräftigten Körper, ein offenes Gesicht, große schwarze Augen, dunkeles Haar und einen starken schwarzen Bart. Er war ein Feind aller Trägheit und Ueppigkeit, tapfer, streng, ausdauernd, überhaupt in vieler Beziehung seinem Vetter, dem Kaiser, ähnlich. Doch überleuchtete im ganzen das blonde Geschlecht der Hohenstaufen das braune der Welfen (so hieß die Familie Heinrich's nach seinem Urgroßvater Welf), und bei aller Trefflichkeit ist keiner aus diesem Hause dem rothbärtigen Friedrich an Heldensinn uird Kriegsmuth gleichzustellen. Heinrich suchte sich im Norden^von Deutschland in unablässigem Kampfe mit Friesen und Slaven ein großes und unabhängiges Reich zu gründen. Er grollte daher dem Kaiser, der ihm in Italien nutzlos deutsches Blut zu vergeuden schien, und schon während eines früheren Römerzuges desselben hatte er, nur um ihm nicht Beistand leisten zu müssen, einen Kreuzzug unternommen. Von diesem zurückgekehrt, ließ er auf dem Markt zu Braunschweig einen steinernen Löwen als Sinnbild seiner Macht er- richten. Als er nun aber mit dem Kaiser offen gebrochen und der Bruch die Niederlage beilegnano verursacht hatte, erfolgte bald sein Sturz. Aus Italien heimgekehrt, zog Friedrich ihn vor das Reichsgericht und erklärte ihn, da er auf dreimalige Ladung nicht erschien, in die Acht. Alle alten Feinde Heinrich's, alle, die durch seinen Fall zu gewinnen hofften, brachen aktf gegen den letzten Welfen, dem nur Sachsen treu blieb. Seines Namens würdig, schlug der Löwe grimmig um sich her und tilgte zum Theil den Schandfleck des Verrathes durch den Ruhm ungemeiner Tapferkeit. Bis in's dritte Jahr blieb er unbesiegt, obwohl Friedrich selbst gegen ihn ausgezogen war. Den Landgrafen von Thüringen nahm er sogar gefangen. Als aber der Kaiser einen neuen großen Zug gegen ihn ausbrachte, ward der Herzog in Stade eingeschlossen. Niemand blieb ihm treu als die Stadt Lübeck, die sich dem Kaiser nicht eher ergab, als bis sie sich von dem Löwen, dem sie ihre schönsten Freiheiten verdankte, die Erlaubniß einge- holt hatte.
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