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1. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 140

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
140 208. Der Schwanritter. (Sage.) Herzog Gottfried von Brabant war gestorben, ohne männliche Erben zu hinterlassen; er hatte aber in einer Urkunde gestiftet, dasz sein Land der Herzogin und seiner Tochter verbleiben sollte. Hieran kehrte sich jedoch Gotttried’s Bruder, der mächtige Herzog von Sachsen, wenig, sondern bemächtigte sich, aller Klagen der Witwe und Waise unerachtet, des Landes, das nach deutschem Rechte auf keine Weiber erben könne. Die Herzogin beschlosz daher, bei dem König zu klagen; und als bald darauf Karl nach Niederland zog, kam sie mit ihrer Tochter dahin und begehrte Recht. Dahin war auch der Sachsenherzog gekommen und wollte der Klage zur Antwort stehen. Es ereignete sich aber, dasz der König durch ein Fenster schaute; da erblickte er einen weiszen Schwan, der schwamm den Rhein herauf und zog an einer silbernen Kette, die hell glänzte, ein Schifflein nach sich; in dem Schiff aber ru’nete ein schlafender Ritter, sein Schild war sein Hauptkissen, und neben ihm lagen Helm und Panzer; der Schwan steuerte gleich einem geschickten See- manne und brachte sein Schiff an das Gestade. Karl und der ganze Hof verwunderten sich höchlich ob diesem seltsamen Ereignisz; jedermann vergasz der Klagen der Frauen und lief hinab dem Ufer zu. Unterdessen war der Ritter erwacht und stieg aus der Barke ; wohl und herrlich empfing ihn der König, nahm ihn selbst zur Hand und führte ihn gegen die Burg. Da sprach der junge Held zu dem Vogel: „Flieg deinen Weg wohl, lieber Schwan ! wann ich dein wieder bedarf, will ich dir schon rufen.“ Sogleich schwang sich der Schwan und fuhr mit dem Schifflein aus aller Augen weg. Jedermann schaute den fremden Gast neugierig an ; Karl ging wieder zu seinem Gericht und wies jenem eine Stelle unter den anderen Fürsten an. Die Herzogin von Brabant, in Gegenwart ihrer schönen Tochter, hub nunmehr ausführlich zu klagen an, und hernach vertheidigte sich auch der Herzog von Sachsen. Endlich erbot er sich zum Kampf für sein Recht, und die Herzogin solle ihm einen Gegner stellen, das ihre zu bewähren. Da erschrak sie heftig; denn er war ein auserwählter Held, an den sich niemand wagen würde; vergebens liesz sie im ganzen Saale die Augen umgehen, keiner war da, der sich ihr erhoben hätte. Ihre Tochter klagte laut und weinte; da erhub sich der Ritter, den der Schwan in’s Land ge- führt hatte, und gelobte, ihr Kämpfer zu sein. Hierauf wurde von beiden Seiten zum Streit gerüstet, und nach einem langen und hartnäckigen Ge- fecht war der Sieg endlich auf Seiten des Schwanritters. Der Herzog von Sachsen verlor sein Leben, und der Herzogin Erbe wurde wieder frei und ledig. Da neigten sie und die Tochter sich dem Helden, der sie erlöst hatte, und er nahm die ihm angetragene Hand der Jungfrau mit dem Be- ding an : dasz sie nie und zu keiner Zeit fragen solle, woher er gekommen, und welches sein Geschlecht sei, denn auszerdem müsse sie ihn verlieren. Der Herzog und die Herzogin bekamen zwei Kinder, die waren wohl gerathen ; aber immer mehr fing es an, ihre Mutter zu drücken, dasz sie gar nicht wuszte, wer ihr Vater war; und endlich that sie an ihn die ver- botene Frage. Der Ritter erschrak herzlich und sprach: „Nun hast du selbst unser Glück zerbrochen und mich am längsten gesehen.“ Die Herzogin bereute es, aber zu spät; alle Leute fielen ihm zu Füszen und baten ihn zu bleiben. Der Held waffnete sich, und der Schwan kam mit demselben Schifflein geschwommen ; darauf kiiszte er beide Kinder, nahm Abschied von seinem Gemahl und segnete das ganze Volk, dann trat er in das Schiff, fuhr seine Strasze und kehrte nimmer wieder. Der Frau

2. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 201

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
201 Sie haben Stahlgewand begehrt und hießen satteln ihre Pferd', zu reiten nach dem Riesen. Jung Roland, Sohn des Milon, sprach: „Lieb' Vater! hört! ich bitte! Vermeint ihr mich zu jung und schwach, daß ich mit Riesen stritte, doch bin ich nicht zu winzig mehr, euch nachzutragen euren Speer- samt eurem guten Schilde." Die sechs Genossen ritten bald vereint nach den Ardennen, doch als sie kamen in den Wald, da thäten sie sich trennen. Roland ritt hinter'm Vater her; wie wohl ihm war, des Helden Speer, des Helden Schild zu tragen! Bei Sonnenschein und Mondenlicht streiften die kühnen Degen; doch fanden sie den Riesen nicht in Felsen und Gehegen. Zur Mittagsstund' am vierten Tag der Herzog Milon schlafen lag in einer Eiche Schatten. Roland sah in der Ferne bald ein Blitzen und ein Leuchten, davon die Strahlen in dem Wald die Hirsch' und Reh' aufscheuchten; er sah, es kam von einem Schild, den trug ein Riese, groß und wild, vom Berge niedersteigend. Roland gedacht' im Herzen sein: „Was ist das für ein Schrecken! Soll ich den lieben Vater mein im besten Schlaf erwecken? Es wachet ja sein gutes Pferd, es wacht sein Speer, sein Schild und Schwert, es wacht Roland, der junge." Roland das Schwert zur Seite band, Herrn Milon's starkes Waffen, die Lanze nahm er in die Hand und that den Schild aufraffen. Herrn Milon's Roß bestieg er dann und ritt ganz fachte durch den Tann, den Vater nicht zu wecken. Und als er kam zur Felsenwand, da sprach der Rief' mit Lachen: „Was will doch dieser kleine Fant auf solchem Rosse machen? Sein Schwert ist zwier so lang als er, vom Rosse zieht ihn schier der Speer, der Schild will ihn erdrücken." Jung Roland rief: „Wohlauf zum Streit! Dich reuet noch dein Necken. Hab' ich die Tartsche lang und breit, kann sie mich besser decken; ein kleiner Mann, ein großes Pferd, ein kurzer Arm, ein langes Schwert, muß eins dem andern helfen." Der Riese mit der Stange schlug auslangend in die Weite; jung Roland schwenkte schnell genug sein Roß noch auf die Seite. Die Lanz' er aus den Riesen schwang, doch von dem Wunderschilde sprang auf Roland sie zurücke. Jung Roland nahm in großer Hast das Schwert in beide Hände; der Riese nach dem feinen faßt; er war zu unbehende: mit flinkem Hiebe schlug Roland ihm unter'm Schild die linke Hand, daß Hand und Schild entrollten. Dem Riesen schwand der Muth dahin, wie ihm der Schild entrissen; das Kleinod, das ihm Kraft verliehn, mnßt' er mit Schmerzen missen. Zwar lief er gleich dem Schilde nach, doch Roland in das Knie ihn stach, daß er zu Bodey stürzte. Roland ihn bei den Haaren griff, hieb ihm das Haupt herunter; ein großer Strom von Blute lief in's tiefe Thal hinunter. Und aus des Todten Schild hernach Roland das lichte Kleinod brach und freute sich am Glanze. Dann barg er's unter'm Kleide gut und ging zu einem Quelle; da wusch er sich von Staub und Blut Gewand und Waffen helle. Zurücke ritt der jung' Roland, dahin, wo er den Vater fand, noch schlafend bei der Eiche. Er legt' sich an des Vaters Seit', vom Schlafe selbst bezwungen, bis in der kühlen Abendzeit Herr Milon aufgesprungen:

3. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 212

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
212 Seine wandernde Hofhaltung in der ungarischen Ebene war die größte, bunteste und reichste jener Zeit. Häuptlinge und Königskindcr deutscher und slavischer Stämme bildeten neben den Fürsten der Hunnen und stamm- verwandten Völker seinen Hofstaat. Unter der Leibwache, die im Ringe um den schön geschnitzten Zaun seines Hofes lag, dienten Männer aus fast allen Völkern zwischen Persien und den Pyrenäen; edle Gothenfürsten neigten ehrfurchtsvoll ihr Haupt vor seinem Befehl; Königskinder aus Thüringen und fränkischen Landen wurden als Geiseln an seinem Hofe er- zogen neben Sprößlingen der Wanderstämme an der Wolga und der tar- tarischen Ebene; unterworfene Völker der Ostsee führten ihm Zobel - und Otternfelle aus dem Eise des Nordens zu; Gesandte aus Rom und Con- stantinopel harrten furchtsam am Hofthor, um seine zornigen Befehle ent- gegenzunehmen oder ihm demüthig kostbare Geschenke zu Füßen zu legen. Nachdem er zuerst sich gegen Osten gewandt und Griechenland ver- wüstet hatte, aber durch ein unermeßliches Lösegeld zum Abzüge bewogen war, zog er im Jahre 451 durch Deutschland nach Gallien (dem heutigen Frankreich), in dessen südlichem Theile inzwischen die Westgothen nach ge- waltigen Wanderungen ein geordnetes Reich gegründet hatten. Deutsch- . land ward auf diesem Durchzuge der Hunnen furchtbar verwüstet, wie ein Heuschreckenschwarm verheerten sie alles Land. Am Rheine warfen sich 10,000 Burgunder dem Wcltstürmer Attila entgegen, aber vergeblich: in heldenmüthigcm Kampfe gingen sie ruhmvoll unter. Nun aber vereinigten sich die Westgothcn und die Römer, um durch gemeinsame Anstrengung die Bildung des Abendlandes und das Christenthum zu schützen. Der römische Feldherr A6t ius und der Gothenkönig Th eo d ori ch brachten ein ge- waltiges Heer zusammen und trafen in den weiten Ebenen von Chalons an der Marne, wohin Attila sich gezogen hatte, um für seine zahllose Reiterei Raum zu gewinnen, mit dem Feinde zusammen. Dort sammelten sich die Völker des Morgenlandes und die Völker des Abendlandes und standen sich gegenüber in heißer Erwartung des Kampfes, der das Schicksal Europa's entscheiden sollte. Attila hatte die Nebermacht der Masse, der Einheit und der Fcldherrngabe; aber auf der Seite der Abendländer stritt die Begeisterung für alles Große der alten Welt, für das Christenthum, für die Freiheit und den eigenen Herd, Deutsche aber fochten auf beiden Seiten, ja der Kern aller deutschen Völker stand hier feindlich gespalten sich gegenüber, und welches Heer den Sieg gewann, die Deutschen wurden immer geschlagen. Das mörderische Schlachten begann; mit der höchsten Erbitterung kämpften beide Heere. Der tapfere Theodorich kam ums Leben, aber sein Sohn Thorismund nahm blutige Rache. Die West- gothen entschieden die Schlacht. Nachdem schon gegen 200,000 Menschen gefallen waren, wich Attila zurück, und das Abendland war gerettet. Attila hatte schon einen großen Scheiterhaufen von Pferdcsätteln errichten lassen, um sich darauf zu verbrennen, wenn er verfolgt worden und unterlegen wäre. Aber er entkam. Thorismund ward auf den noch blutigen Schild erhoben, und unter dem Jauchzen der Sieger zum Könige der Westgothen

4. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 461

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
461 drei Schiffen die Seefahrt begonnen hätten, wie vor ihren Streitäxten und langen Schwertern die Picten und Skoten überall gewichen seien, und die Schilderung von der Fruchtbarkeit der Insel und der Schlaffheit der Einwohner immer neue Scharen ihrer Landsleute herübergezogen habe. Mit ihnen kamen, so heißt es weiter, auch die Söhne der Helden und die wegen ihrer Schönheit hochgepriesene Tochter des Hengist, Rowena: als sie einst bei einem Gelage dem Könige Vor- tigern einen goldenen Becher mit Wein unter deutschem Gruße darbrachte, ward er so von ihrer Anmuth ergriffen, daß er sie zu seiner Gemahlin nahm und ihrem Vater das Land Kent zum bleibenden Wohnsitz schenkte. Aber die Briten sahen mit Unwillen, wie Vortigern die Fremdlinge begünstigte, stießen ihn vom Thron und wählten seinen Sohn zum Könige, der den Sachsen feindlich gesinnt war und ihnen kein Land mehr einräumen wollte. Da schlug sich Hengist auf die Seite der Picten und Skoten; doch die Briten widerstanden den vereinigten Heeren ihrer Feinde mit aller Macht; Horsa fiel in der Schlacht, und Hengist, der nie geflohen, mußte sich nach mehreren Niederlagen zurückziehen. Als aber der junge König der Briten getödtet war und sein Vater, Vortigern, den Thron wieder be- stiegen hatte, kehrte Hengist mit seinen Mannen zurück. Zur Besiegelung des Friedens ward nun ein großes Fest zwischen den Sachsen und Briten veranstaltet. Aber die Sachsen erschienen mit langen Messern (Säxen genannt) unter ihren Gewändern und stürzten auf den Ruf ihres Führers: Ergreift eure Säxen! auf die Briten ein, erschlugen 300 Edle und machten den König zu ihrem Gefangenen. Da griffen alle Briten zu den Waffen und führten vier große Heereshaufen gegen Hengist und seinen Sohn heran. Die Sachsen aber spalteten mit ihren Streit- äxten und Schwertern furchtbar die Leiber ihrer Feinde und gaben nicht eher den Kampf auf, als bis 4000 Briten erschlagen waren. Diese flohen voll Schrecken nach London und wagten die Sachsen nie wieder anzugreifen. Hengist abernannte sich jetzt König von Kent. Dem Beispiele der siegreichen Sachsen folgten jetzt auch die Jüten und Angeln und erschienen überall an den Küsten mit ihren Schiffen. Die Briten empfingen sie mit lautem Kriegsgeschrei, und unzählige eilten aus den benachbarten Ort- ' schäften herbei, die Landung zu hindern; sie kämpften bis zum Anbruch der Nacht, aber immer vergebens gegen die starken Leiber der Fremden. Muthlos zogen sie sich endlich zurück in die unwegsamen Gebirge von Wales oder verließen ihre Heimat und wanderten aus nach Frankreich. Die Angelsachsen nahmen jetzt das ganze Land in Besitz und gründeten im südlichen Theile der Insel sieben Königreiche. Doch wie einst in ihrer alten Heimat am Hofe ihrer Könige von den Sängern die Thaten der Helden in schöner Rede besungen wurden, so bewahrten auch jetzt in fremdem Lande die Angelsachsen in Liedern und Sagen das Andenken an ihre früheren Wohnsitze. In unserem Lande aber entschwand bald jede Erinnerung an das Alterthum unseres Volkes, als die Auswanderung im sechsten Jahrhundert zu Ende war, da der nördliche Theil der Halbinsel fremden, dänischen Volksstäm- men zufiel und die Reste der alten anglischenbevölkerung die Sprache der Sieger annahmen, im Süden aber des Landes schönste Hälfte, die Ostküste Holsteins, von den Wenden in Besitz genommen ward.

5. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 143

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
143 zu denken, bis er endlich am vierten Tage in einen wilden unwegsamen Wald gerieth und sich völlig verirrte. Hier wäre er wohl verloren ge- wesen trotz aller seiner Stärke; aber als er laut über sein Miszgeschick klagte, kam der Zwergkönig Hügel auf kohlschwarzem Rosse daher. Sein Kleid war von weiszer Seide und mit Gold durchwirkt; auf dem Haupte trug er eine prachtvolle Krone mit so glänzenden Edelsteinen, dasz der dunkle Wald davon erleuchtet ward. Er begrüszte Siegfried freundlich, als ob er ihn lange gekannt hätte, dann aber gebot er ihm schnell zu flie- hen, weil ganz in der Nähe ein Drache hause, der eine schöne Jungfrau gefangen halte; „wenn dieser dich erblickt,“ sagte er, „so muszt du dein junges Leben in diesem Walde verlieren.“ Da freute sich Siegfried, der gefangenen Kriemhild so nahe zu sein, und er erklärte dem Zwerge, dasz er gerade gekommen sei, um sie zu befreien, aber erschrocken riefeugelc „Du willst dich solches Dinges unterfangen? Hättest du auch den halben Erdkreis bezwungen, so würde dir das doch nichts helfen; die Jungfrau müsztest du hierauf dem Felsen lassen. Denn den Schlüssel zu demselben bewahrt der Riese Kuperan, und ehe du auf die Höhe gelangtest, müsztest du mit ihm. einen Kampf bestehen, wie er auf Erden noch nicht gekämpft worden ist.“ Gerade dies aber lockte den kühnen Siegfried, und was auch der gute Eugel sagte, um ihn zu warnen, so blieb er doch fest entschlossen, die geraubte Kriemhild aus allen Gefahren zu erretten. 3. Wie Siegfried den Riesen besiegte. Nun führte der Zwerg den Helden an die Seite des Felsens, wo des Riesen Behausung war. Siegfried rief laut in die Höhle hinein. Sofort trat Kuperan hervor, bewaffnet mit einer weit über die Bäume hinausragenden Stange von Stahl, deren vier Kanten messerscharf waren und die einen Klang gab wie eine Kirchenglocke. „Was willst du, junger Bursch, in diesem Walde?“ sprach der Riese. „Ich will die Jungfrau erlösen,“ antwortete Siegfried, „welche auf diesem Felsen gefangen sitzt.“ „Hoho!“ sagte jener, „du kleiner Wicht, da müsztest du erst noch einige Ellen wachsen.“ Jetzt holte der Riese mit seiner Stange aus, um Siegfried niederzu- schlagen ; aber dieser sprang schnell und gewandt fünf Klafter weit zurück, und sausend fuhr die Stange tief in die Erde hinein. Ehe Kuperan sie aber wieder herausgezogen hatte, sprang Siegfried hinzu und schlug ihm mit seinem scharfen Schwerte fürchterliche Wunden. Von Schmerz über- wältigt, liesz der Riese seine Stange fahren und floh in die Höhle zurück. Aber bald trat er schrecklich gewaffnet wieder hervor. Ein goldener Harnisch deckte seine Brust; an der Seite trug er ein riesiges scharfes Schwert, in der Linken aber einen Schild so grosz wie ein Thor und einen Schuh dick, und auf dem Haupte hatte er einen Helm von hartem Stahl, der leuchtete wie der Glanz der Sonne auf den Meereswellen. Und nun begann wieder der harte Kampf zwischen den beiden. Laut hallten die Schläge durch den dunklen Wald, und die Funken stoben aus den Helmen, dasz die Finsternisz davon erhellt ward. Aber Siegfried unterlief das lange Schwert des Riesen und hieb ihm den Panzer in Stücke und brachte dem Unhold sechszehn tiefe Wunden bei, so dasz ihm das Blut vom Leibe troff. Da flehte Kuperan um sein Leben, und Siegfried sagte : „Gern will ich es dir schenken, wenn du mir schwörst, mir die Jungfrau gewinnen zu helfen.“ Das schwur der Riese, und so war zwischen beiden Friede gemacht; Sieg- fried risz sich selbst sein Untergewand vom Leibe und verband mitleidig seines Feindes Wunden damit. 4. Wie der Riese wegen seiner Treulosigkeit getüdtet ward. Als der siegreiche Held auf den Felsen hinauf eilte, um Kriemhild zu suchen, nahm der tückische Riese, der hinter ihm herging, die günstige

6. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 145

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
145 Aber kaum hatte Siegfried zu essen angefangen, da erhub sich ein Getöse, als stürzten die Berge zusammen. Aengstlich fuhren die Zwerge .auseinander, sich zu verstecken, undkriemhild sprach: „Jetzt, edler Held, wird es unser Ende sein. Nun naht der Drache heran, von seinem Schnau- zen kommt das Getöse.“ Aber Siegfried blieb getrost und ermuthigte auch die Jungfrau. Da sah man einen hellen Feuerschein, der kam aus dem Rachen des noch meilenweit entfernten Ungeheuers. Aengstlich zog Kriemhild den Jüngling in eine Höhle herein, um hier das Weitere zu er- warten. Da erschien der Drache ; wie er an den Felsen heranflog, bebte die ganze Erde ringsumher. Sofort trat Siegfried aus der Höhle, mit der Rechten das Schwert führend, das ihm der Riese gezeigt hatte. Fürchter- liche Schläge versetzte er dem Drachen, aber dieser risz ihm mit seinen Krallen den Schild weg, und so fühlte er immer schrecklicher die Glut, die aus dem Rachen des Ungethüms hervorgehaucht ward; sie erhitzte den Felsen so, als wär’ er glühendes Eisen. Unerträglich ward endlich die Qual, immer gieriger züngelten rothe und blaue Flammen ihm entgegen. Endlich muszte er (liehen, doch vergasz er nicht Kriemhildens; schnell zog er sie mit in eine kleine Höhle hinein, in welche der Drache ihnen nicht folgen konnte. Hier erblickte er einen unendlichen Schatz von Gold und Edelgestein ; es war der Hort des unterirdischen Zwergenvolkes, der Nibe- lungen, welche vor dem Getöse des Kampfes ängstlich geflohen waren; Siegfried aber meinte, dasz es der Schatz des Drachen sei. Nach einiger Zeit, als er sich erholt hatte, ergriff er wieder sein Schwert und begann den Kampf von neuem. Die Glut der blauen und rothen Flammen, die das Unthier gegen ihn spie, brachte ihn wieder in grosze Noth; er muszte auf die Seite springen, aber nun versuchte das Un- geheuer mit seinem Schwänze ihn zu umringe,ln, und nur mit genauer Noth entging er diesen Umarmungen. 'Von den wiederholten Schlägen aber und von der gewaltigen Hitze begann allmählich die Hornhaut des Drachen weich zu werden; als Siegfried das merkte, nahm er alle seine Kraft zu- sammen und führte einen so gewaltigen Hieb auf das Thier, dasz er es von oben bis unten mitten hindurch spaltete und die eine Hälfte vom Rande des Felsens in die Tiefe sank. 6. Wie Siegfried und Kriemhild heimkehrten. So war Kriemhild gerettet, und freudenvoll eilte sie auf ihren Befreier zu. Aber der war von der ungeheueren Anstrengung bis zum Tode er- schöpft ; ohnmächtig sank er [zusammen, und lange lag er bewusztlos da. Darüber erschrak Kriemhild so, dasz auch ihr die Sinne vergingen und sie wie eine Todte neben dem Helden lag. Endlich nach langer Zeit schlug Siegfried die Augen auf; als er aber die Jungfrau wie todtneben sichsah, brach er in laute Klagen aus upd rief: „0 weh mir, dasz ich dies erleben soll! Die ich in Freuden ihrem Vater wieder heimführen wollte, die musz ich nun todt ihm bringen? Des werd’ ich ewig klagen müssen.“ Das hörte der Zwerg Engel, der sich inzwischen, wie es stille auf dem Fels geworden war, wieder herangewagt hatte. Schnell kam er herbei und sagte: „Sei nur getrost! ich will der Jungfrau ein Kraut eingeben, dasz sie bald wieder gesund wird.“ So that er, und alsbald schlug sie die Augen wieder auf. Da fiel sie freudenvoll ihrem Retter Siegfried um den Hals und küszte ihn auf den Mund. Engel aber sprach: „Du hast uns Zwerge von dem bösen Riesen, dem wir dienen muszten, befreit; dafür wollen wir nun auch dir dienen und dir helfen, wo wir können.“ Darnach führte er Siegfried und Kriemhild in seine Wohnung, und hier erholten sie sich bei köstlichen Speisen und Getränken vollends von den über- standenen Mühen und Aengsten. Dann nahmen sie Abschied von dem Vaterländisches Lesebuch. i a

7. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 148

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
148 und begaben sich dann auf die Verfolgung. Diese Uebereilung sollte ihnen theuer zu stehen kommen. 3. Wie sie auf dem Wülpensande kämpften. Die Normannen waren indessen auf ihrer Rückfahrt an eine wüste und ein- same Insel der Nordsee, den Wülpensand, gekommen, und da es ihnen nicht einfiel, dasz sie von den Friesen noch eingeholt werden könnten, so beschlossen sie, hier sich einige Tage von den Anstrengungen der Seereise auszuruhen. Aber plötzlich erschienen die sie verfolgenden Könige. Ein grimmiger Kampferhub sich um die Landung: die Friesen sprangen bis an die Achsel in’s Wasser, um das Ufer zu gewinnen, aber vom Lande her flogen die Pfeile so dicht, als wenn Schnee- flocken vom Sturme getrieben werden, und das Meer röthete sich vom Blute der Verwundeten. Vor allen glänzten der kühne Wate und König Herwig durch Tapferkeit hervor. Endlich erreichten sie das Ufer, indem sie die Nor- mannen mehr und mehr zurückdrängten, aber die Nacht brach herein, ehe die Feinde überwältigt waren. Da schlossen die Kämpfenden Waffen- stillstand, und beide Heere lagerten die Nacht hindurch neben einander auf dem Wülpensande. Aber schon mit Tagesanbruch begann der' Kampf von neuem. Hin und her wogte der Streit; bald waren die Normannen, bald die Friesen im Vortheil, voran aber kämpften stets die Könige und ihre Haupthelden. Da stiesz Hettel auf den alten Normannenkönig Ludwig, den Vater Hartmuts, und obwohl er an riesigem Wuchs ihm nicht gleichkam, so sprang er doch unverzagt auf ihn ein, um seinen Todfeind niederzuschlagen. Fürchterlich rasselten die Hiebe auf die Helme und die Panzer der beiden : in ängstlicher Spannung sahen die Heere auf den Zweikampf ihrer Führer und vergaszen fast der eigenen Arbeit. Endlich aber erspähte Ludwig eine Blösze an seinem Gegner; sein Schwert drang tief in Hettels Seite hinein und streckte ihn todt zu Boden. Da erhoben die Friesen ein Wuthgeheul, und um ihren König zu rächen, stürmten sie mit unwidersteh- licher Gewalt auf die Normannen ein. Vor allen tobte Wate, einem wüthenden Eber vergleichbar; die Funken sprühten unter den unablässigen wuchtigen Schlägen seines Schwertes. Wohl wurden die Normannen weiter zurückgedrängt, aber auch dieser Tag brachte noch keine Entscheidung: bis tief in das Abend- dunkel hinein kämpfte man, denn die Friesen wollten aus Zorn über den Fall ihres Königs nichts von Waffenstillstand hören, und erst als der Sänger Horand im Kampfgewühl statt eines Feindes seinen eigenen Neffen erschlagen hatte und schmerzlich ausrief: „hier wird die Schlacht zum Mord“, erst da ward den Fein- den für die Nacht Waffenruhe gewährt. Wahrscheinlich würde nun der dritte Tag den Friesen völligen Sieg und die Befreiung der entführten Jungfrauen gebracht haben; aber in der Nacht schifften mit feiger List die Normannen sich ein und führten Gudrun und ihre Ge- fährtinnen mit sich hinweg, indem sie drohten, sie zu ertränken, wenn sie einen Laut von sich gäben. Am frühen Morgen gewahrten die Friesen den schänd- lichen Betrug: Wate liesz laut sein Heerhorn erklingen, dasz man es meilenweit hörte, und der junge Ortewin drängte, den Ausreiszern sofort nachzusetzen, aber der kluge Frute prüfte Wind und Wellen und fand, dasz die Normannen schon einen viel zu groszen Vorsprung gewonnen hätten, als dasz man sie noch ein- holen könnte; in ihren befestigten Burgen aber die Feinde anzugreifen, seien die Friesen viel zu sehr geschwächt. So muszten sie denn nach langer Be- rathung den schweren Entschlusz fassen, unverrichteter Sache nach Hause zu fahren und die Rache sowie die Befreiung der Entführten auf eine spätere Zeit zu verschieben , wo die, welche jetzt noch im Knaben- und Jünglingsalter stän- den , zu Männern herangewachsen wären. Vorher aber begruben sie mit lauter Klage ihre Todten, und namentlich dem geliebten König Hettel schütteten sie einen gewaltigen Grabhügel auf; auch den von den Normannen zurückgelassenen Leichen erwiesen sie die letzte Ehre.
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