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1. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 474

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
474 Schleswig einzog und von Abel freundlich auf seiner Burg auf der Möveninsel empfangen wurde. Den Sommerabend brachten sie in einem kleinen Hause zu, welches an einer Brücke lag, die die Insel mit dem Festlande verband, und ver- trieben sich die Zeit bis spät in die Nacht beim Würfel- und Bretispiel. Eben war Erich in ein Spiel mit einem Ritter verliest, als Abel plötzlich hereintrat und das Gespräch ans ihre früheren Zwistigkeiten brachte. „Gedenkst du noch der Zeiten," schrie er, „wo du Schleswig plündertest und meine Tochter nackt und bloß in's Elend jagtest?" „Sei getrost!" erwiderte der König, „ich habe noch so viel, daß ich deiner Tochter wieder zu neuen Schuhen verhelfen kann." Diese Worte aber reizten noch mehr den Zorn Abel's; er erklärte den König für seinen Gefangenen lind übergab ihn einem Ritter mit der Weisung ihn wegzuführen, wohin er wolle. Dieser ließ ihn ergreifen, fesseln und in ein Boot bringen, welches unter der nahen Brücke bereit lag. Man ruderte mitten auf die Schlei nach Osten zu. Bald aber hörte man starke Ruderschläge und laute Stimmen hinter sich. Der König selbst ward aufmerksam und wandte sich mit Fragen an seine Begleiter. Gleich darauf bemerkten sie die Umrisse eines Bootes, das sich ihnen ra>ch näherte. Der König erkannte in dem Führer desselben seinen Tod- feind Lauge Gudmundson und sah sich einem sicheren Tode preisgegeben. Aus seine dringende Bitte ward ein Priester aus der Nähe von Miffunde herbeigeholt, dem er dann mit angsterfülltem Herzen beichtete. Darauf erschlug ihn Gud- mundson mit eigner Hand und ließ den Leichnam, mit Ketten beschwert, in die Schlei senken. Bald aber fanden Ftzcker die Leiche und begruben sie. Doch als Abel dies erfuhr, ließ er sie wieder ausgraben und feierlich in der Domkirche zu Schleswig beisetzen. Dann ichwnr er mit 24 Rittern starke Eide, daß er den Tod seines Bruders nicht befohlen habe, sondern, daß des Königs Feinde ohne sein Vorwissen den Mord vollzogen hätten. Die däni>chen Großen glaubten seinen Worten und wählten ihn zu ihrem Könige. Kaum fühlte Abel sich sicher auf dem dänischen Thron, als er einen Zug gegen die Friesen vorzubereiien begann, weil sie sich weigerten, ihm Zins und Steuer zu zahlen. Er hegte aber auch einen alten Zorn gegen die trotzigen Be- wohner der Inseln, die ihn als Herzog nicht hatten anerkennen wollen, und dachte sie mit der Macht seines Reiches in einem Feldzuge zu unterwerfen. Aber es war schwer die Friesen zu bezwingen. Das Gebiet derselben, das jetzige Eidersted, war damals noch von Meerengen und Fiüsien durchschnitten und bestand aus drei Inseln, die man die Utlande d. h. die Außenlande nannte. Deshalb begann Abel mitten im Winter, als alle Gewässer und Moore fest zugefroren waren, seinen Zug und lagerte zum Schrecken der Friesen auf der Borgeest an der Milden- burg, um über die mit Eis bedeckte Eider zu rücken. Aber die Frie>en, um das Bild ihres heiligen Christian, das auf einem Wagen dahergesührt ward, geschart, zogen ihm entgegen über den Deich auf das tzis und gelosten, wenn sie den Sieg gewännen, so wollten sie den heiligen Christian mit dem allerbesten Golde be- schlagen lassen. Und es geschah, wie ihre alte Chronik erzählt, daß Gott den Frieien Gnade gab und plötzlich so starker Regen vom Himmel siel, daß sie kaum ihren Heiligen von dem berstenden Eise retten konnten. Während so die Friesen in großen Ehren nach Hause zogen, mußte Asel eiligst unter großen Verlusten seinen Rückzug antreten, um aus der gefährlichen Marsch herauszukommen. Aber schon in dem heißen, alle Marschgräben austrocknenden Sommer stand er wieder mit großer Macht an der '1' ildendurg, woschrffe bereit lagen, das Heer die Eider hinunterzufahren. Südlich von Oldensworth schlug er sein Lager auf und ver- heerte und brandschatzte alles umliegende Land. Die Noth der Außenlande rief hier Slammesgenossen auf ihrer alten Thiugstätte, am Bauermaunswege, zu- sammen, wo sie alle aus einem Munde riefen, daß der große Kaiser Karl ihre Voreltern durch seine kai erliche Macht freigegeben hätte, und ehe sie König Abel huldigen oder Schatz und Zins zahlen wollten, wollten sie alle darum sterben oder König Abel solle sterben. Daraus richtete jede Harde ihr Banner aus, und um 7 Fahnen geschart zogen sie dem königlichen Lager zu. Eben begann es zu

2. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 140

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
140 208. Der Schwanritter. (Sage.) Herzog Gottfried von Brabant war gestorben, ohne männliche Erben zu hinterlassen; er hatte aber in einer Urkunde gestiftet, dasz sein Land der Herzogin und seiner Tochter verbleiben sollte. Hieran kehrte sich jedoch Gotttried’s Bruder, der mächtige Herzog von Sachsen, wenig, sondern bemächtigte sich, aller Klagen der Witwe und Waise unerachtet, des Landes, das nach deutschem Rechte auf keine Weiber erben könne. Die Herzogin beschlosz daher, bei dem König zu klagen; und als bald darauf Karl nach Niederland zog, kam sie mit ihrer Tochter dahin und begehrte Recht. Dahin war auch der Sachsenherzog gekommen und wollte der Klage zur Antwort stehen. Es ereignete sich aber, dasz der König durch ein Fenster schaute; da erblickte er einen weiszen Schwan, der schwamm den Rhein herauf und zog an einer silbernen Kette, die hell glänzte, ein Schifflein nach sich; in dem Schiff aber ru’nete ein schlafender Ritter, sein Schild war sein Hauptkissen, und neben ihm lagen Helm und Panzer; der Schwan steuerte gleich einem geschickten See- manne und brachte sein Schiff an das Gestade. Karl und der ganze Hof verwunderten sich höchlich ob diesem seltsamen Ereignisz; jedermann vergasz der Klagen der Frauen und lief hinab dem Ufer zu. Unterdessen war der Ritter erwacht und stieg aus der Barke ; wohl und herrlich empfing ihn der König, nahm ihn selbst zur Hand und führte ihn gegen die Burg. Da sprach der junge Held zu dem Vogel: „Flieg deinen Weg wohl, lieber Schwan ! wann ich dein wieder bedarf, will ich dir schon rufen.“ Sogleich schwang sich der Schwan und fuhr mit dem Schifflein aus aller Augen weg. Jedermann schaute den fremden Gast neugierig an ; Karl ging wieder zu seinem Gericht und wies jenem eine Stelle unter den anderen Fürsten an. Die Herzogin von Brabant, in Gegenwart ihrer schönen Tochter, hub nunmehr ausführlich zu klagen an, und hernach vertheidigte sich auch der Herzog von Sachsen. Endlich erbot er sich zum Kampf für sein Recht, und die Herzogin solle ihm einen Gegner stellen, das ihre zu bewähren. Da erschrak sie heftig; denn er war ein auserwählter Held, an den sich niemand wagen würde; vergebens liesz sie im ganzen Saale die Augen umgehen, keiner war da, der sich ihr erhoben hätte. Ihre Tochter klagte laut und weinte; da erhub sich der Ritter, den der Schwan in’s Land ge- führt hatte, und gelobte, ihr Kämpfer zu sein. Hierauf wurde von beiden Seiten zum Streit gerüstet, und nach einem langen und hartnäckigen Ge- fecht war der Sieg endlich auf Seiten des Schwanritters. Der Herzog von Sachsen verlor sein Leben, und der Herzogin Erbe wurde wieder frei und ledig. Da neigten sie und die Tochter sich dem Helden, der sie erlöst hatte, und er nahm die ihm angetragene Hand der Jungfrau mit dem Be- ding an : dasz sie nie und zu keiner Zeit fragen solle, woher er gekommen, und welches sein Geschlecht sei, denn auszerdem müsse sie ihn verlieren. Der Herzog und die Herzogin bekamen zwei Kinder, die waren wohl gerathen ; aber immer mehr fing es an, ihre Mutter zu drücken, dasz sie gar nicht wuszte, wer ihr Vater war; und endlich that sie an ihn die ver- botene Frage. Der Ritter erschrak herzlich und sprach: „Nun hast du selbst unser Glück zerbrochen und mich am längsten gesehen.“ Die Herzogin bereute es, aber zu spät; alle Leute fielen ihm zu Füszen und baten ihn zu bleiben. Der Held waffnete sich, und der Schwan kam mit demselben Schifflein geschwommen ; darauf kiiszte er beide Kinder, nahm Abschied von seinem Gemahl und segnete das ganze Volk, dann trat er in das Schiff, fuhr seine Strasze und kehrte nimmer wieder. Der Frau

3. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 190

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
190 der Zöllner sprang zum Dach hinan und blickt' in den Tumult hinaus. „Barmherziger Himmel, erbarme dich! Verloren! verloren! Wer rettet mich?" Die Schollen rollten Schuß auf Schuß von beiden Ufern, hier und dort; von beiden Ufern riß der Fluß die Pfeiler sammt den Bogen fort. Ter bebende Zöllner mit Weib und Kind — er heulte noch lauter, als Strom und Wind. Die Schollen rollten Stoß auf Stoß an beiden Enden, hier und dort; zerborsten und zertrümmert schoß ein Pfeiler nach dem andern fort. Bald nahte der Mitte der Umsturz sich. „Barmherziger Himmel, erbarme dich!" Hoch auf dem fernen Ufer stand ein Schwarm von Gaffern, groß und klein, und jeder schrie und rang die Hand; doch mochte niemand Retter sein. Der bebende Zöllner mit Weib und Kind durchheulte nach Rettung den Strom und Wind. Wann klingst du, Lied vom braven Mann, wie Orgelton und Glockenklang? Wohlan, so nenn' ihn, nenn' ihn dann! Wann nennst du ihn, o braver Sang? Bald nahet der Mitte der Umsturz sich: O braver Mann, braver Mann, zeige dich! Rasch galopiert ein Graf hervor, auf hohem Roß, ein edler Graf. Was hielt des Grafen Hand empor? Ein Beutel war es, voll und straff. „Zweihundert Pistolen sind zugesagt dem, welcher die Rettung der Armen wagt!" Wer ist der Brave? Jst's der Graf? Sag' an, mein braver L-ang, sag' an! Der Graf, beim höchsten Gott, war brav; doch weiß ich einen bravern Mann. O braver Mann, braver Mann, zeige dich! Schon naht das Verderben sich fürch- terlich. Und immer höher schwoll die Flui, und immer lauter schnob der Wind, und immer tiefer sank der Muth. — „O Netter, Retter, komm geschwind!" Stets Pfeiler bei Pfeiler zerborstund brach; laut krachten und stürzten die Bogen nach. „Halloh! halloh! frisch auf! gewagt!" Hoch hielt der Graf den Preis empor. Ein jeder hört's, doch jeder zagt; aus Tausenden tritt keiner vor. Vergebens durchheulte mit Weib und Kind der Zöllner nach Rettung den Strom und Wind. Sieh', schlecht und recht ein Bauersmann am Wanderstabe schritt daher, mit grobem Kittel angethan, an Wuchs und Antlitz hoch und hehr. Er hörte den Grafen, vernahm sein Wort und schaute das nahe Verderben dort. Und kühn in Gottes Namen sprang er in den nächsten Fischerkahn. Trotz Wirbel, Sturm und Wogendrang kam der Erretter glücklich an. Doch wehe! der Nachen war allzu- klein, der Netter von allen zugleich zu sein. Und dreimal zwang er seinen Kahn trotz Wirbel, Sturm und Wogendrang, und dreimal kam er glücklich an, bis ihm die Rettung ganz gelang. Kaum waren die letzten im sichern Port, so rollte das letzte Getrümmer fort. „Hier", rief der Graf, „mein wackrer Freund, hier ist der Preis! Komm her, nimm hin!" Sag' an, war das nicht brav gemeint? Bei Gott, der Graf trug hohen Sinn; doch höher und himmlischer wahrlich schlug das Herz, das der Bauer im Kittel trug. „Mein Leben ist für Geld nicht feil; arm bin ich zwar, doch hab' ich satt. Dem Zöllner werd' Euer Geld zu Theil, der Hab' und Gut verloren hat!" So rief er mit herzlichem Biedcrton und wandte den Rücken und ging davon.

4. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 201

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
201 Sie haben Stahlgewand begehrt und hießen satteln ihre Pferd', zu reiten nach dem Riesen. Jung Roland, Sohn des Milon, sprach: „Lieb' Vater! hört! ich bitte! Vermeint ihr mich zu jung und schwach, daß ich mit Riesen stritte, doch bin ich nicht zu winzig mehr, euch nachzutragen euren Speer- samt eurem guten Schilde." Die sechs Genossen ritten bald vereint nach den Ardennen, doch als sie kamen in den Wald, da thäten sie sich trennen. Roland ritt hinter'm Vater her; wie wohl ihm war, des Helden Speer, des Helden Schild zu tragen! Bei Sonnenschein und Mondenlicht streiften die kühnen Degen; doch fanden sie den Riesen nicht in Felsen und Gehegen. Zur Mittagsstund' am vierten Tag der Herzog Milon schlafen lag in einer Eiche Schatten. Roland sah in der Ferne bald ein Blitzen und ein Leuchten, davon die Strahlen in dem Wald die Hirsch' und Reh' aufscheuchten; er sah, es kam von einem Schild, den trug ein Riese, groß und wild, vom Berge niedersteigend. Roland gedacht' im Herzen sein: „Was ist das für ein Schrecken! Soll ich den lieben Vater mein im besten Schlaf erwecken? Es wachet ja sein gutes Pferd, es wacht sein Speer, sein Schild und Schwert, es wacht Roland, der junge." Roland das Schwert zur Seite band, Herrn Milon's starkes Waffen, die Lanze nahm er in die Hand und that den Schild aufraffen. Herrn Milon's Roß bestieg er dann und ritt ganz fachte durch den Tann, den Vater nicht zu wecken. Und als er kam zur Felsenwand, da sprach der Rief' mit Lachen: „Was will doch dieser kleine Fant auf solchem Rosse machen? Sein Schwert ist zwier so lang als er, vom Rosse zieht ihn schier der Speer, der Schild will ihn erdrücken." Jung Roland rief: „Wohlauf zum Streit! Dich reuet noch dein Necken. Hab' ich die Tartsche lang und breit, kann sie mich besser decken; ein kleiner Mann, ein großes Pferd, ein kurzer Arm, ein langes Schwert, muß eins dem andern helfen." Der Riese mit der Stange schlug auslangend in die Weite; jung Roland schwenkte schnell genug sein Roß noch auf die Seite. Die Lanz' er aus den Riesen schwang, doch von dem Wunderschilde sprang auf Roland sie zurücke. Jung Roland nahm in großer Hast das Schwert in beide Hände; der Riese nach dem feinen faßt; er war zu unbehende: mit flinkem Hiebe schlug Roland ihm unter'm Schild die linke Hand, daß Hand und Schild entrollten. Dem Riesen schwand der Muth dahin, wie ihm der Schild entrissen; das Kleinod, das ihm Kraft verliehn, mnßt' er mit Schmerzen missen. Zwar lief er gleich dem Schilde nach, doch Roland in das Knie ihn stach, daß er zu Bodey stürzte. Roland ihn bei den Haaren griff, hieb ihm das Haupt herunter; ein großer Strom von Blute lief in's tiefe Thal hinunter. Und aus des Todten Schild hernach Roland das lichte Kleinod brach und freute sich am Glanze. Dann barg er's unter'm Kleide gut und ging zu einem Quelle; da wusch er sich von Staub und Blut Gewand und Waffen helle. Zurücke ritt der jung' Roland, dahin, wo er den Vater fand, noch schlafend bei der Eiche. Er legt' sich an des Vaters Seit', vom Schlafe selbst bezwungen, bis in der kühlen Abendzeit Herr Milon aufgesprungen:

5. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 209

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
209 Lange lauerte das Gelage; endlich, wenn das Mahl spat beendet war, be- gab sich der Wirth mit den Seinigen in den abgesonderten Frauenraum, die Mannen aber schliefen meistens in der Halle, indem die Bänke zurück- geschoben und Polster und Thierfelle auf dem Boden ausgebreitet wurden. — Anders aber kam es, wenn das Gefolge seinen Herrn auf kriegerische Fahrten begleitete. Da zogen sie theils zu Rosse, theils zu Fuße aus; wohnte aber der Häuptling in der Nähe des Meeres, dann gingen sie auf den hellbemalten Barken waghalsig auf die Wogen der Nordsee und trotzten wochenlang allen Gefahren, um Ruhm und Beute zu gewinnen. Fiel der Häuptling in der Schlacht, so gebot die Ehre den Mannen, ihn zu rächen und wo möglich mit ihm zu sterben; die Ueberlebenden aber bestatteten ihn festlich und prunkvoll. Auf hohem Scheiterhaufen ward der Leichnam ver- brannt mit Waffen, Leibroß und Hunden; oder auch man setzte den Todten auf sein Roß und schüttete um und über ihn einen hohen Leichenhügel und umritt mit Klagegesang die Trauerstätte. Bei seefahrenden Völkern kam es auch wohl vor, daß der gefallene Häuptling in die Höhlung des Schiffes an den Mast gelegt ward; dann häufte man um ihn Beute und Waffen, schlug sein Banner an den Mast, hißte alle Segel auf und sandte den Todten mit günstigem Fahrwind in die hohe See. Dieselbe gemüthvolle Pflichttreue, dieselbe Innigkeit der Hingebung bewährten die Deutschen in der Ehe. Mann und Weib verbanden sich darin für das ganze Leben, um einander lieb zu sein über alles auf Erden und alles mit einander zu theilen. So lebte das Ehepaar in unantastbarer Keuschheit; Ehebruch war fast unerhört, wenn aber dennoch einmal dies Verbrechen vorkam, so war Tod die Strafe. Auch für verlorene Unschuld gab es keine Verzeihung: nicht Schönheit, nicht Jugend, nicht Reichthum vermochte einem gefallenen Mädchen einen Mann zuzuführen. Sich nach dem Tode des Mannes wieder zu vermählen brachte der Frau Unehre, bei manchen Stämmen war es verboten. Nicht selten begleitete das Weib den Gemahl sogar in die Schlacht, um ihn zu wilderer Tapferkeit zu befeuern, seiner Wunden zu pflegen und den Gefallenen zu bestatten und vielleicht zu rächen. Ueberhaupt ehrten die Deutschen in dem weiblichen Gemüthe, das oft das Richtige sieht, ohne sich der Gründe klar bewußt zu werden, etwas Geheimnißvolles und Göttliches, dem sie sich gern unterwarfen; manche edle Jungfrau, die sieh ganz dem Dienst der Gottheit widmete, galt für eine Seherin, durch welche sich der Wille der Himmlischen offenbare. Edle Sitte bewiesen sie auch in der Ausübung der Gastfreundschaft. Den Fremden beherbergte man, ohne ihn erst auszufragen, wer er sei und woher er komme. Solange er im Hause war, durfte niemand ihn beleidigen, im Nothfalle war es des Wirthes Pflicht, ihn auf Tod und Leben zu beschützen. Nicht minder zeigte sich in der Naturreligion unserer heidnischen Vor- fahren oftmals eine tiefe und gemüthvolle Anschauung. Als höchsten Gott verehrten sie den Allvater Wodan, den Spender des Lichtes, der ihnen zugleich als Schlachtenlenker erschien. Ihn glaubten sie umgeben von den Vaterländisches Lesebuch. j4 I

6. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 143

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
143 zu denken, bis er endlich am vierten Tage in einen wilden unwegsamen Wald gerieth und sich völlig verirrte. Hier wäre er wohl verloren ge- wesen trotz aller seiner Stärke; aber als er laut über sein Miszgeschick klagte, kam der Zwergkönig Hügel auf kohlschwarzem Rosse daher. Sein Kleid war von weiszer Seide und mit Gold durchwirkt; auf dem Haupte trug er eine prachtvolle Krone mit so glänzenden Edelsteinen, dasz der dunkle Wald davon erleuchtet ward. Er begrüszte Siegfried freundlich, als ob er ihn lange gekannt hätte, dann aber gebot er ihm schnell zu flie- hen, weil ganz in der Nähe ein Drache hause, der eine schöne Jungfrau gefangen halte; „wenn dieser dich erblickt,“ sagte er, „so muszt du dein junges Leben in diesem Walde verlieren.“ Da freute sich Siegfried, der gefangenen Kriemhild so nahe zu sein, und er erklärte dem Zwerge, dasz er gerade gekommen sei, um sie zu befreien, aber erschrocken riefeugelc „Du willst dich solches Dinges unterfangen? Hättest du auch den halben Erdkreis bezwungen, so würde dir das doch nichts helfen; die Jungfrau müsztest du hierauf dem Felsen lassen. Denn den Schlüssel zu demselben bewahrt der Riese Kuperan, und ehe du auf die Höhe gelangtest, müsztest du mit ihm. einen Kampf bestehen, wie er auf Erden noch nicht gekämpft worden ist.“ Gerade dies aber lockte den kühnen Siegfried, und was auch der gute Eugel sagte, um ihn zu warnen, so blieb er doch fest entschlossen, die geraubte Kriemhild aus allen Gefahren zu erretten. 3. Wie Siegfried den Riesen besiegte. Nun führte der Zwerg den Helden an die Seite des Felsens, wo des Riesen Behausung war. Siegfried rief laut in die Höhle hinein. Sofort trat Kuperan hervor, bewaffnet mit einer weit über die Bäume hinausragenden Stange von Stahl, deren vier Kanten messerscharf waren und die einen Klang gab wie eine Kirchenglocke. „Was willst du, junger Bursch, in diesem Walde?“ sprach der Riese. „Ich will die Jungfrau erlösen,“ antwortete Siegfried, „welche auf diesem Felsen gefangen sitzt.“ „Hoho!“ sagte jener, „du kleiner Wicht, da müsztest du erst noch einige Ellen wachsen.“ Jetzt holte der Riese mit seiner Stange aus, um Siegfried niederzu- schlagen ; aber dieser sprang schnell und gewandt fünf Klafter weit zurück, und sausend fuhr die Stange tief in die Erde hinein. Ehe Kuperan sie aber wieder herausgezogen hatte, sprang Siegfried hinzu und schlug ihm mit seinem scharfen Schwerte fürchterliche Wunden. Von Schmerz über- wältigt, liesz der Riese seine Stange fahren und floh in die Höhle zurück. Aber bald trat er schrecklich gewaffnet wieder hervor. Ein goldener Harnisch deckte seine Brust; an der Seite trug er ein riesiges scharfes Schwert, in der Linken aber einen Schild so grosz wie ein Thor und einen Schuh dick, und auf dem Haupte hatte er einen Helm von hartem Stahl, der leuchtete wie der Glanz der Sonne auf den Meereswellen. Und nun begann wieder der harte Kampf zwischen den beiden. Laut hallten die Schläge durch den dunklen Wald, und die Funken stoben aus den Helmen, dasz die Finsternisz davon erhellt ward. Aber Siegfried unterlief das lange Schwert des Riesen und hieb ihm den Panzer in Stücke und brachte dem Unhold sechszehn tiefe Wunden bei, so dasz ihm das Blut vom Leibe troff. Da flehte Kuperan um sein Leben, und Siegfried sagte : „Gern will ich es dir schenken, wenn du mir schwörst, mir die Jungfrau gewinnen zu helfen.“ Das schwur der Riese, und so war zwischen beiden Friede gemacht; Sieg- fried risz sich selbst sein Untergewand vom Leibe und verband mitleidig seines Feindes Wunden damit. 4. Wie der Riese wegen seiner Treulosigkeit getüdtet ward. Als der siegreiche Held auf den Felsen hinauf eilte, um Kriemhild zu suchen, nahm der tückische Riese, der hinter ihm herging, die günstige

7. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 145

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
145 Aber kaum hatte Siegfried zu essen angefangen, da erhub sich ein Getöse, als stürzten die Berge zusammen. Aengstlich fuhren die Zwerge .auseinander, sich zu verstecken, undkriemhild sprach: „Jetzt, edler Held, wird es unser Ende sein. Nun naht der Drache heran, von seinem Schnau- zen kommt das Getöse.“ Aber Siegfried blieb getrost und ermuthigte auch die Jungfrau. Da sah man einen hellen Feuerschein, der kam aus dem Rachen des noch meilenweit entfernten Ungeheuers. Aengstlich zog Kriemhild den Jüngling in eine Höhle herein, um hier das Weitere zu er- warten. Da erschien der Drache ; wie er an den Felsen heranflog, bebte die ganze Erde ringsumher. Sofort trat Siegfried aus der Höhle, mit der Rechten das Schwert führend, das ihm der Riese gezeigt hatte. Fürchter- liche Schläge versetzte er dem Drachen, aber dieser risz ihm mit seinen Krallen den Schild weg, und so fühlte er immer schrecklicher die Glut, die aus dem Rachen des Ungethüms hervorgehaucht ward; sie erhitzte den Felsen so, als wär’ er glühendes Eisen. Unerträglich ward endlich die Qual, immer gieriger züngelten rothe und blaue Flammen ihm entgegen. Endlich muszte er (liehen, doch vergasz er nicht Kriemhildens; schnell zog er sie mit in eine kleine Höhle hinein, in welche der Drache ihnen nicht folgen konnte. Hier erblickte er einen unendlichen Schatz von Gold und Edelgestein ; es war der Hort des unterirdischen Zwergenvolkes, der Nibe- lungen, welche vor dem Getöse des Kampfes ängstlich geflohen waren; Siegfried aber meinte, dasz es der Schatz des Drachen sei. Nach einiger Zeit, als er sich erholt hatte, ergriff er wieder sein Schwert und begann den Kampf von neuem. Die Glut der blauen und rothen Flammen, die das Unthier gegen ihn spie, brachte ihn wieder in grosze Noth; er muszte auf die Seite springen, aber nun versuchte das Un- geheuer mit seinem Schwänze ihn zu umringe,ln, und nur mit genauer Noth entging er diesen Umarmungen. 'Von den wiederholten Schlägen aber und von der gewaltigen Hitze begann allmählich die Hornhaut des Drachen weich zu werden; als Siegfried das merkte, nahm er alle seine Kraft zu- sammen und führte einen so gewaltigen Hieb auf das Thier, dasz er es von oben bis unten mitten hindurch spaltete und die eine Hälfte vom Rande des Felsens in die Tiefe sank. 6. Wie Siegfried und Kriemhild heimkehrten. So war Kriemhild gerettet, und freudenvoll eilte sie auf ihren Befreier zu. Aber der war von der ungeheueren Anstrengung bis zum Tode er- schöpft ; ohnmächtig sank er [zusammen, und lange lag er bewusztlos da. Darüber erschrak Kriemhild so, dasz auch ihr die Sinne vergingen und sie wie eine Todte neben dem Helden lag. Endlich nach langer Zeit schlug Siegfried die Augen auf; als er aber die Jungfrau wie todtneben sichsah, brach er in laute Klagen aus upd rief: „0 weh mir, dasz ich dies erleben soll! Die ich in Freuden ihrem Vater wieder heimführen wollte, die musz ich nun todt ihm bringen? Des werd’ ich ewig klagen müssen.“ Das hörte der Zwerg Engel, der sich inzwischen, wie es stille auf dem Fels geworden war, wieder herangewagt hatte. Schnell kam er herbei und sagte: „Sei nur getrost! ich will der Jungfrau ein Kraut eingeben, dasz sie bald wieder gesund wird.“ So that er, und alsbald schlug sie die Augen wieder auf. Da fiel sie freudenvoll ihrem Retter Siegfried um den Hals und küszte ihn auf den Mund. Engel aber sprach: „Du hast uns Zwerge von dem bösen Riesen, dem wir dienen muszten, befreit; dafür wollen wir nun auch dir dienen und dir helfen, wo wir können.“ Darnach führte er Siegfried und Kriemhild in seine Wohnung, und hier erholten sie sich bei köstlichen Speisen und Getränken vollends von den über- standenen Mühen und Aengsten. Dann nahmen sie Abschied von dem Vaterländisches Lesebuch. i a
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