140
208. Der Schwanritter.
(Sage.)
Herzog Gottfried von Brabant war gestorben, ohne männliche Erben
zu hinterlassen; er hatte aber in einer Urkunde gestiftet, dasz sein Land
der Herzogin und seiner Tochter verbleiben sollte. Hieran kehrte sich
jedoch Gotttried’s Bruder, der mächtige Herzog von Sachsen, wenig, sondern
bemächtigte sich, aller Klagen der Witwe und Waise unerachtet, des
Landes, das nach deutschem Rechte auf keine Weiber erben könne.
Die Herzogin beschlosz daher, bei dem König zu klagen; und als
bald darauf Karl nach Niederland zog, kam sie mit ihrer Tochter dahin
und begehrte Recht. Dahin war auch der Sachsenherzog gekommen und
wollte der Klage zur Antwort stehen. Es ereignete sich aber, dasz der
König durch ein Fenster schaute; da erblickte er einen weiszen Schwan,
der schwamm den Rhein herauf und zog an einer silbernen Kette, die
hell glänzte, ein Schifflein nach sich; in dem Schiff aber ru’nete ein
schlafender Ritter, sein Schild war sein Hauptkissen, und neben ihm lagen
Helm und Panzer; der Schwan steuerte gleich einem geschickten See-
manne und brachte sein Schiff an das Gestade. Karl und der ganze Hof
verwunderten sich höchlich ob diesem seltsamen Ereignisz; jedermann
vergasz der Klagen der Frauen und lief hinab dem Ufer zu. Unterdessen
war der Ritter erwacht und stieg aus der Barke ; wohl und herrlich empfing
ihn der König, nahm ihn selbst zur Hand und führte ihn gegen die Burg.
Da sprach der junge Held zu dem Vogel: „Flieg deinen Weg wohl, lieber
Schwan ! wann ich dein wieder bedarf, will ich dir schon rufen.“ Sogleich
schwang sich der Schwan und fuhr mit dem Schifflein aus aller Augen
weg. Jedermann schaute den fremden Gast neugierig an ; Karl ging
wieder zu seinem Gericht und wies jenem eine Stelle unter den anderen
Fürsten an.
Die Herzogin von Brabant, in Gegenwart ihrer schönen Tochter, hub
nunmehr ausführlich zu klagen an, und hernach vertheidigte sich auch der
Herzog von Sachsen. Endlich erbot er sich zum Kampf für sein Recht,
und die Herzogin solle ihm einen Gegner stellen, das ihre zu bewähren.
Da erschrak sie heftig; denn er war ein auserwählter Held, an den sich
niemand wagen würde; vergebens liesz sie im ganzen Saale die Augen
umgehen, keiner war da, der sich ihr erhoben hätte. Ihre Tochter klagte
laut und weinte; da erhub sich der Ritter, den der Schwan in’s Land ge-
führt hatte, und gelobte, ihr Kämpfer zu sein. Hierauf wurde von beiden
Seiten zum Streit gerüstet, und nach einem langen und hartnäckigen Ge-
fecht war der Sieg endlich auf Seiten des Schwanritters. Der Herzog von
Sachsen verlor sein Leben, und der Herzogin Erbe wurde wieder frei und
ledig. Da neigten sie und die Tochter sich dem Helden, der sie erlöst
hatte, und er nahm die ihm angetragene Hand der Jungfrau mit dem Be-
ding an : dasz sie nie und zu keiner Zeit fragen solle, woher er gekommen,
und welches sein Geschlecht sei, denn auszerdem müsse sie ihn verlieren.
Der Herzog und die Herzogin bekamen zwei Kinder, die waren wohl
gerathen ; aber immer mehr fing es an, ihre Mutter zu drücken, dasz sie
gar nicht wuszte, wer ihr Vater war; und endlich that sie an ihn die ver-
botene Frage. Der Ritter erschrak herzlich und sprach: „Nun hast du
selbst unser Glück zerbrochen und mich am längsten gesehen.“ Die
Herzogin bereute es, aber zu spät; alle Leute fielen ihm zu Füszen und
baten ihn zu bleiben. Der Held waffnete sich, und der Schwan kam mit
demselben Schifflein geschwommen ; darauf kiiszte er beide Kinder, nahm
Abschied von seinem Gemahl und segnete das ganze Volk, dann trat er
in das Schiff, fuhr seine Strasze und kehrte nimmer wieder. Der Frau
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Extrahierte Personennamen: Gottfried_von_Brabant Karl Karl Karl Karl
142
211. Der hörnene Siegfried.
(Deutsche Heldensage.)
1. Wie Siegfried hörnen ward.
In Niederland wohnte in uralter Zeit ein König, Namens Siegmund,
der weithin berühmt war durch seine grosze Macht. Dessen Sohn hiesz
Siegfried; der Knabe war aber von unbändiger Kraft, und all’ sein Trachten
ging dahin, dasz er in die Fremde zöge, um Abenteuer zu bestehen. End-
lich gab der König dem Wunsche seines Sohnes nach und liesz ihn ziehen.
Siegfried kam bald in ein Dorf, das vor einem Walde lag. Dort ver-
dang er sich bei einem Schmidt, um sich Waffen schmieden zu lernen.
Aber er schlug so gewaltig auf das Eisen, dasz dieses zersprang und der
Ambos in die Erde getrieben ward. Der Meister fürchtete sich deshalb
vor ihm und suchte des wilden Gesellen sich wieder zu entledigen. Er
schickte ihn daher in den nahen Wald zu einem Köhler; aber unterwegs
muszte Siegfried an der Höhle eines gräulichen Drachen oder Lindwurmes
vorbei, und dieser, dachte der Meister, würde den jungen Helden todten.
Wirklich fuhr der Drache auf den nichts ahnenden Wanderer los, aber
Siegfried wehrte sich und erschlug ihn. Darauf ging er weiter und gerieth
bald in eine Wildnisz, in welcher es von Drachen, Kröten und anderem
giftigen Gewürm wimmelte. Ohne sich zu besinnen, risz er eine Menge
der stärksten Bäume aus der Erde, warf sie auf die Unthiere und zündete
dann den ganzen Holzstosz an. Aber von der Glut begann die Hornhaut
der Ungetlnime zu schmelzen, und ein Strom von dieser Masse flosz unter
dem brennenden Haufen hervor. Neugierig tauchte Siegfried seinen Finger
hinein, und siehe da! als er erkaltet war, hatte ihn eine undurchdringliche
Hornhaut überzogen. Da bestrich sich der Held den ganzen Leib aus
diesem trägen Strom, und so ward er ganz mit Horn überzogen, also dasz
ihn kein Schwert verwunden konnte; nur zwischen den Schultern blieb
auf dem Rücken eine Stelle, die er nicht zu erreichen vermochte. An dieser
sollte er frühzeitig den Tod empfangen.
2. Wie Siegfried Kriemhilden suchte.
Hierauf zog Siegfried auf weitere Abenteuer in die Ferne und kam
nach Worms, am Rheine, wo der König Gibich herrschte. Derselbe hatte
drei Söhne und eine wunderschöne Tochter, Namens Kriemhild. Gern
hätte Siegfried diese als seine Gemahlin heimgeführt, und auch sie war
dem herrlichen jungen Helden gewogen: aber eines Mittags, als sie, in
Gedankenverloren, in einem offenen Fenster stand, kam ein riesiger Drache
durch die Luft dahergeflogen und entführte sie, um sie zu seiner Gemahlin
zu machen. Von dem Feuer, welches er ausathmete, ward die Burg so hell
erleuchtet, als ob sie in Flammen stünde. Er trug sie aber weit, weit weg
in eine ungeheure Berghöhle, wo er sie mit Speise und Trank reichlich
versorgte und ihr alle Liebe und Freundlichkeit erwies; aber die Jung-
frau weinte und klagte und sehnte sich nach ihrem elterlichen Hause, und
dabei fürchtete sie sich vor dem gräulichen Ungethüm, denn wenn es ath-
mete, so zitterte und bebte der Berg unter ihm.
Der König Gibich schickte Boten aus nach allen Richtungen, um
seine verlorene Tochter zu suchen, aber keiner fand eine Spur von ihr.
Darüber war viele, viele Tage lang groszes Trauern und Klagen in der
Königsburg. Siegfried aber ward indessen ein gewaltiger Held von solcher
Stärke, dasz er Bären lebendig erjagte und zum Spott an die Bäume hing.
Doch auch er fand trotz seines rastlosen Suchens nirgends die geraubte
Jungfrau. Da verfolgte einmal sein treuester Hund eine seltsame Spur,
und Siegfried jagte ihm eifrig nach, ohne an Schlaf oder Trank und Speise
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192
Die Naben ziehen krächzend zumal
nach dem Hochgericht, zu halten ihr Mahl.
„Wen flechten sie auf das Rad zur
Stund' ?
Was hat er gethan? wie ward es kund?"
Die Sonne bracht' es an den
Tag!
36. Kolumbus.
„Was willst du, Fernando, so trüb'
und bleich?
Du bringst mir traurige Mär!"
„Ach, edler Feldherr, bereitet Euch!
nicht länger bezähm' ich das Heer!
Wenn jetzt nicht die Küste sich zeigen will,
so seid Ihr ein Opfer der Wuth;
sie fordern laut wie Stnrmgebrüll
des Feldherrn heil'ges Blut."
Und eh' noch dem Ritter das Wort
entflohn,
da drängte die Menge sich nach,
da stürmten die Krieger, die wüthenden,
schon
gleich Wogen in's stille Gemach,
Verzweiflung im wilden, verlöschenden
Blick,
auf bleichen Gesichtern der Tod! —
„Verräther! wo ist nun dein gleißendes
Glück?
jetzt rett' uns vom Gipfel der Noth!
Du giebst uns nicht Speise, so gieb uns
dein Blut!
Blut!" rief das entzügelte Heer. —
Sanft stellte der Große den Felsenmuth
entgegen dem stürmenden Meer.
„Befriedigt mein Blut euch, so nehmt es
und lebt!
Doch bis noch ein einziges Mal
die Sonne dem feurigen Osten entschwebt,
vergönnt mir den segnenden Strahl.
Beleuchtet der Morgen kein rettend
Gest ad,
so biet' ich dem Tode mich gern;
bis dahin verfolgt noch den muthigen
Pfad
und trauet der Hülfe des Herrn!"
Die Würde des Helden, sein ruhiger
Blick
besiegte noch einmal die Wuth.
Sie wichen vom Haupte des Führers
zurück
ltnb schonten sein heiliges Blut.
„Wohlan denn, es sei noch! doch hebt
sich der Strahl
und zeigt uns kein rettendes Land,
so siehst du die Sonne zum letzten Mal,
so zittre der strafenden Hand!"
Geschlossen war also der eiserne Bund;
die Schrecklichen kehrten zurück. —-
Es thue der leuchtende Morgen nun kund
des duldenden Helden Geschick!
Die Sonne sank, der Tag entwich;
des Helden Brust ward schwer.
Der Kiel durchrauschte schauerlich
das weite, wüste Meer.
Die Sterne zogen still herauf,
doch ach! kein Hoffnungsstern!
Und von des Schiffes ödem Lauf
blieb Land und Rettung fern.
Vom Trost des süßen Schlafs ver-
bannt,
die Brust voll Gram, durchwacht,
nach Westen blickend unverwandt,
der Held die düstre Nacht.
„Nach Westen, o nach Westen hin
beflügle dich, mein Kiel!
Dich grüßt noch sterbend Herz und Sinn,
du meiner Sehnsucht Ziel!
Doch mild, o Gott, von Himmelshöhn
blick auf mein Volk herab!
Laß sie nicht trostlos untergehn
im wüsten Flutengrab!"
Es sprach's derheld, von Mitleid weich;
da — horch! welch eiliger Tritt?
„Noch einmal, Fernando, so trüb' und
bleich?
Was bringt dein bebender Schritt?"
„Ach, edler Feldherr, es ist geschehn!
Jetzt hebt sich der östliche Strahl!"
„Sei ruhig, mein Lieber, von himm-
lischen Höhn
entwand sich der leuchtende Strahl.
Es waltet die Allmacht von Pol zu Pol,
mir lenkt sie zum Tode die Bahn."
„Leb' wohl denn, mein Feldherr, leb'
ewig wohl!
ich höre die Schrecklichen nahn!"
Und eh' noch dem Ritter das Wort
entflohn,
da drängte die Menge sich nach ;
da stürmten die Krieger, die wüthenden,
schon
gleich Wogen in's stille Gemach.
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201
Sie haben Stahlgewand begehrt
und hießen satteln ihre Pferd',
zu reiten nach dem Riesen.
Jung Roland, Sohn des Milon,
sprach:
„Lieb' Vater! hört! ich bitte!
Vermeint ihr mich zu jung und schwach,
daß ich mit Riesen stritte,
doch bin ich nicht zu winzig mehr,
euch nachzutragen euren Speer-
samt eurem guten Schilde."
Die sechs Genossen ritten bald
vereint nach den Ardennen,
doch als sie kamen in den Wald,
da thäten sie sich trennen.
Roland ritt hinter'm Vater her;
wie wohl ihm war, des Helden Speer,
des Helden Schild zu tragen!
Bei Sonnenschein und Mondenlicht
streiften die kühnen Degen;
doch fanden sie den Riesen nicht
in Felsen und Gehegen.
Zur Mittagsstund' am vierten Tag
der Herzog Milon schlafen lag
in einer Eiche Schatten.
Roland sah in der Ferne bald
ein Blitzen und ein Leuchten,
davon die Strahlen in dem Wald
die Hirsch' und Reh' aufscheuchten;
er sah, es kam von einem Schild,
den trug ein Riese, groß und wild,
vom Berge niedersteigend.
Roland gedacht' im Herzen sein:
„Was ist das für ein Schrecken!
Soll ich den lieben Vater mein
im besten Schlaf erwecken?
Es wachet ja sein gutes Pferd,
es wacht sein Speer, sein Schild und
Schwert,
es wacht Roland, der junge."
Roland das Schwert zur Seite band,
Herrn Milon's starkes Waffen,
die Lanze nahm er in die Hand
und that den Schild aufraffen.
Herrn Milon's Roß bestieg er dann
und ritt ganz fachte durch den Tann,
den Vater nicht zu wecken.
Und als er kam zur Felsenwand,
da sprach der Rief' mit Lachen:
„Was will doch dieser kleine Fant
auf solchem Rosse machen?
Sein Schwert ist zwier so lang als er,
vom Rosse zieht ihn schier der Speer,
der Schild will ihn erdrücken."
Jung Roland rief: „Wohlauf zum
Streit!
Dich reuet noch dein Necken.
Hab' ich die Tartsche lang und breit,
kann sie mich besser decken;
ein kleiner Mann, ein großes Pferd,
ein kurzer Arm, ein langes Schwert,
muß eins dem andern helfen."
Der Riese mit der Stange schlug
auslangend in die Weite;
jung Roland schwenkte schnell genug
sein Roß noch auf die Seite.
Die Lanz' er aus den Riesen schwang,
doch von dem Wunderschilde sprang
auf Roland sie zurücke.
Jung Roland nahm in großer Hast
das Schwert in beide Hände;
der Riese nach dem feinen faßt;
er war zu unbehende:
mit flinkem Hiebe schlug Roland
ihm unter'm Schild die linke Hand,
daß Hand und Schild entrollten.
Dem Riesen schwand der Muth dahin,
wie ihm der Schild entrissen;
das Kleinod, das ihm Kraft verliehn,
mnßt' er mit Schmerzen missen.
Zwar lief er gleich dem Schilde nach,
doch Roland in das Knie ihn stach,
daß er zu Bodey stürzte.
Roland ihn bei den Haaren griff,
hieb ihm das Haupt herunter;
ein großer Strom von Blute lief
in's tiefe Thal hinunter.
Und aus des Todten Schild hernach
Roland das lichte Kleinod brach
und freute sich am Glanze.
Dann barg er's unter'm Kleide gut
und ging zu einem Quelle;
da wusch er sich von Staub und Blut
Gewand und Waffen helle.
Zurücke ritt der jung' Roland,
dahin, wo er den Vater fand,
noch schlafend bei der Eiche.
Er legt' sich an des Vaters Seit',
vom Schlafe selbst bezwungen,
bis in der kühlen Abendzeit
Herr Milon aufgesprungen:
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Extrahierte Personennamen: Roland Roland Roland Roland Roland Roland Roland Roland Roland Roland Roland Roland Roland Roland Roland
209
Lange lauerte das Gelage; endlich, wenn das Mahl spat beendet war, be-
gab sich der Wirth mit den Seinigen in den abgesonderten Frauenraum,
die Mannen aber schliefen meistens in der Halle, indem die Bänke zurück-
geschoben und Polster und Thierfelle auf dem Boden ausgebreitet wurden.
— Anders aber kam es, wenn das Gefolge seinen Herrn auf kriegerische
Fahrten begleitete. Da zogen sie theils zu Rosse, theils zu Fuße aus;
wohnte aber der Häuptling in der Nähe des Meeres, dann gingen sie auf
den hellbemalten Barken waghalsig auf die Wogen der Nordsee und trotzten
wochenlang allen Gefahren, um Ruhm und Beute zu gewinnen. Fiel der
Häuptling in der Schlacht, so gebot die Ehre den Mannen, ihn zu rächen
und wo möglich mit ihm zu sterben; die Ueberlebenden aber bestatteten ihn
festlich und prunkvoll. Auf hohem Scheiterhaufen ward der Leichnam ver-
brannt mit Waffen, Leibroß und Hunden; oder auch man setzte den Todten
auf sein Roß und schüttete um und über ihn einen hohen Leichenhügel
und umritt mit Klagegesang die Trauerstätte. Bei seefahrenden Völkern
kam es auch wohl vor, daß der gefallene Häuptling in die Höhlung des
Schiffes an den Mast gelegt ward; dann häufte man um ihn Beute und
Waffen, schlug sein Banner an den Mast, hißte alle Segel auf und sandte
den Todten mit günstigem Fahrwind in die hohe See.
Dieselbe gemüthvolle Pflichttreue, dieselbe Innigkeit der Hingebung
bewährten die Deutschen in der Ehe. Mann und Weib verbanden sich
darin für das ganze Leben, um einander lieb zu sein über alles auf Erden
und alles mit einander zu theilen. So lebte das Ehepaar in unantastbarer
Keuschheit; Ehebruch war fast unerhört, wenn aber dennoch einmal dies
Verbrechen vorkam, so war Tod die Strafe. Auch für verlorene Unschuld
gab es keine Verzeihung: nicht Schönheit, nicht Jugend, nicht Reichthum
vermochte einem gefallenen Mädchen einen Mann zuzuführen. Sich nach
dem Tode des Mannes wieder zu vermählen brachte der Frau Unehre, bei
manchen Stämmen war es verboten. Nicht selten begleitete das Weib den
Gemahl sogar in die Schlacht, um ihn zu wilderer Tapferkeit zu befeuern,
seiner Wunden zu pflegen und den Gefallenen zu bestatten und vielleicht zu
rächen. Ueberhaupt ehrten die Deutschen in dem weiblichen Gemüthe, das
oft das Richtige sieht, ohne sich der Gründe klar bewußt zu werden, etwas
Geheimnißvolles und Göttliches, dem sie sich gern unterwarfen; manche
edle Jungfrau, die sieh ganz dem Dienst der Gottheit widmete, galt für eine
Seherin, durch welche sich der Wille der Himmlischen offenbare.
Edle Sitte bewiesen sie auch in der Ausübung der Gastfreundschaft.
Den Fremden beherbergte man, ohne ihn erst auszufragen, wer er sei und
woher er komme. Solange er im Hause war, durfte niemand ihn beleidigen,
im Nothfalle war es des Wirthes Pflicht, ihn auf Tod und Leben zu
beschützen.
Nicht minder zeigte sich in der Naturreligion unserer heidnischen Vor-
fahren oftmals eine tiefe und gemüthvolle Anschauung. Als höchsten Gott
verehrten sie den Allvater Wodan, den Spender des Lichtes, der ihnen
zugleich als Schlachtenlenker erschien. Ihn glaubten sie umgeben von den
Vaterländisches Lesebuch. j4
I
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469
folgte dem andern. Endlich schied man von einander, und Knud ging nach dem
nahen Haraldsted, der Burg seines Bruders. Hier empfängt er Botschaft von
Magnus, der ihn zu einer geheimen Unterredung im benachbarten Walde einladet.
Arglos, ohne Panzer, nur mit einem Schwerte umgürtet, und von zwei Rittern
und zwei Knappen begleitet, reitet der Herzog dem Walde zu. Auf dem Wege er-
hebt der Bote des Magnus, ein sächsischer Sänger, seine Stimme und beginnt zu
singen von der Untreue der schönen Kriemhild gegen ihre Brüder. Aber Knud ver-
steht nicht die Warnung und reitet weiter in den Wald. Magnus sitzt auf einem
Baumstamm und empfängt seinen Vetter mit zärtlichen Umarmungen. Verwun-
dert fühlt Knud einen Panzer unter seinen Gewändern, aber Magnus schützt
vor, einen Bauernhof überfallen und ausplündern zu wollen. Vergeblich mahnte
ihn Knud die heilige Festzeit nicht zu entweihen. Wie sie noch mitten im Gespräche
sind, sieht der Herzog von allen Seiten Männer mit klirrenden Waffen aus dem
Walde hervortreten, und plötzlich springt Magnus auf, stürzt sich mit den Worten:
„Jetzt gilt es die Nachfolge im Reiche!" auf ihn, und noch hat Knud sein Schwert
kaum zur Hälfte gezogen, als jener ihm mit einem furchtbaren Streiche den Schädel
spaltet. Die Verschworenen durchbohrten nur noch seine Leiche. Das geschah am
6. Januar 1131.
Magnus frohlockte — aber unsägliches Elend brachte seine That über Däne-
mark und Schleswig, ein blutiger Bürgerkrieg entbrannte; die Brüder des Er-
schlagenen erhoben sich zu offenem Kampfe, um den Mord zu rächen. Sie stellten
dem bestürzten Volke öffentlich die blutige Leiche und das zerfetzte Gewand zur
Schau; alle verfluchten die Mörder und ergriffen gegen Niels und Magnus die
Waffen. Als Lothar die Kunde von der Mordthat vernahm, ward er nicht wenig
betrübt, weil ein dem Kaiser und dem Reiche so freundlich gesinnter Fürst seinen
Untergang gefunden habe. Darum erschien er mit einem großen Heere an dem
Danevirk, um den traurigen Tod des trefflichen Knud zu rächen, und zwang den
Magnus Buße zu zahlen und ihn als seinen Oberherrn anzuerkennen. Aber in
Dänemark dauerte der Bürgerkrieg noch drei Jahre fort, bis endlich Magnus in
einer entscheidenden Schlacht seinen Tod fand. Hülflos und verlassen floh der
greise König Niels und suchte eine Zuflucht in der Stadt Schleswig. Die Ein-
wohner aber hielten das Andenken ihres ermordeten Herzogs hoch, und die Mit-
glieder der Gilde, welcher Knud angehört hatte, hatten geschworen, seinen Tod
blutig zu rächen. Wie der König in die Stadt gezogen war und die Geistlichkeit in
langem Zuge zum feierlichen Empfange ihm entgegen kam, tönte plötzlich die Glocke,
die Thore schlossen sich, und von allen Seiten stürmten die Bürger in Waffen herbei.
Ein Kampf auf den Straßen begann; aber ehe der König noch seine Burg auf der
Möveninsel erreicht hatte, sank er tödtlich getroffen im Kreise seiner Getreuen zu
Boden. So waren Vater und Sohn als Sühne für die Gewaltthat gegen den
Vetter gefallen. Knud's Bruder aber ward König von Dänemark.
7. Waldemar der Sieger und Adolf Iv.
Im Jahre 1218 war ein glänzender Hoftag in Schleswig; Waldemar, der
siegreiche König von Dänemark, ließ hier in feierlicher Versammlung der Großen
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TM Hauptwörter (200): [T31: [Jahrhundert Schweden Norwegen Dänemark König Ende Jahr Anfang England Mitte], T97: [Heinrich Herzog Graf Erzbischof König Grafe Kaiser Stadt Herr Mainz], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T41: [König Siegfried Held Hagen Mann Günther Frau Gudrun Kriemhild Tod], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat]]
Extrahierte Personennamen: Knud Magnus Magnus Magnus Kriemhild Knud Magnus Knud Magnus Magnus Knud Magnus Magnus Knud Magnus Magnus Niels Magnus Magnus Lothar Knud Magnus Magnus Magnus Magnus Niels Knud Adolf Waldemar
Extrahierte Ortsnamen: Magnus Schleswig Dänemark Schleswig
143
zu denken, bis er endlich am vierten Tage in einen wilden unwegsamen
Wald gerieth und sich völlig verirrte. Hier wäre er wohl verloren ge-
wesen trotz aller seiner Stärke; aber als er laut über sein Miszgeschick
klagte, kam der Zwergkönig Hügel auf kohlschwarzem Rosse daher. Sein
Kleid war von weiszer Seide und mit Gold durchwirkt; auf dem Haupte
trug er eine prachtvolle Krone mit so glänzenden Edelsteinen, dasz der
dunkle Wald davon erleuchtet ward. Er begrüszte Siegfried freundlich,
als ob er ihn lange gekannt hätte, dann aber gebot er ihm schnell zu flie-
hen, weil ganz in der Nähe ein Drache hause, der eine schöne Jungfrau
gefangen halte; „wenn dieser dich erblickt,“ sagte er, „so muszt du dein
junges Leben in diesem Walde verlieren.“ Da freute sich Siegfried, der
gefangenen Kriemhild so nahe zu sein, und er erklärte dem Zwerge, dasz
er gerade gekommen sei, um sie zu befreien, aber erschrocken riefeugelc
„Du willst dich solches Dinges unterfangen? Hättest du auch den halben
Erdkreis bezwungen, so würde dir das doch nichts helfen; die Jungfrau
müsztest du hierauf dem Felsen lassen. Denn den Schlüssel zu demselben
bewahrt der Riese Kuperan, und ehe du auf die Höhe gelangtest, müsztest
du mit ihm. einen Kampf bestehen, wie er auf Erden noch nicht gekämpft
worden ist.“ Gerade dies aber lockte den kühnen Siegfried, und was auch
der gute Eugel sagte, um ihn zu warnen, so blieb er doch fest entschlossen,
die geraubte Kriemhild aus allen Gefahren zu erretten.
3. Wie Siegfried den Riesen besiegte.
Nun führte der Zwerg den Helden an die Seite des Felsens, wo des
Riesen Behausung war. Siegfried rief laut in die Höhle hinein. Sofort trat
Kuperan hervor, bewaffnet mit einer weit über die Bäume hinausragenden
Stange von Stahl, deren vier Kanten messerscharf waren und die einen
Klang gab wie eine Kirchenglocke. „Was willst du, junger Bursch, in diesem
Walde?“ sprach der Riese. „Ich will die Jungfrau erlösen,“ antwortete
Siegfried, „welche auf diesem Felsen gefangen sitzt.“ „Hoho!“ sagte
jener, „du kleiner Wicht, da müsztest du erst noch einige Ellen wachsen.“
Jetzt holte der Riese mit seiner Stange aus, um Siegfried niederzu-
schlagen ; aber dieser sprang schnell und gewandt fünf Klafter weit zurück,
und sausend fuhr die Stange tief in die Erde hinein. Ehe Kuperan sie
aber wieder herausgezogen hatte, sprang Siegfried hinzu und schlug ihm
mit seinem scharfen Schwerte fürchterliche Wunden. Von Schmerz über-
wältigt, liesz der Riese seine Stange fahren und floh in die Höhle zurück.
Aber bald trat er schrecklich gewaffnet wieder hervor. Ein goldener
Harnisch deckte seine Brust; an der Seite trug er ein riesiges scharfes
Schwert, in der Linken aber einen Schild so grosz wie ein Thor und einen
Schuh dick, und auf dem Haupte hatte er einen Helm von hartem Stahl,
der leuchtete wie der Glanz der Sonne auf den Meereswellen. Und nun
begann wieder der harte Kampf zwischen den beiden. Laut hallten die
Schläge durch den dunklen Wald, und die Funken stoben aus den Helmen,
dasz die Finsternisz davon erhellt ward. Aber Siegfried unterlief das lange
Schwert des Riesen und hieb ihm den Panzer in Stücke und brachte dem
Unhold sechszehn tiefe Wunden bei, so dasz ihm das Blut vom Leibe troff.
Da flehte Kuperan um sein Leben, und Siegfried sagte : „Gern will ich es
dir schenken, wenn du mir schwörst, mir die Jungfrau gewinnen zu helfen.“
Das schwur der Riese, und so war zwischen beiden Friede gemacht; Sieg-
fried risz sich selbst sein Untergewand vom Leibe und verband mitleidig
seines Feindes Wunden damit.
4. Wie der Riese wegen seiner Treulosigkeit getüdtet ward.
Als der siegreiche Held auf den Felsen hinauf eilte, um Kriemhild zu
suchen, nahm der tückische Riese, der hinter ihm herging, die günstige
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Aber kaum hatte Siegfried zu essen angefangen, da erhub sich ein
Getöse, als stürzten die Berge zusammen. Aengstlich fuhren die Zwerge
.auseinander, sich zu verstecken, undkriemhild sprach: „Jetzt, edler Held,
wird es unser Ende sein. Nun naht der Drache heran, von seinem Schnau-
zen kommt das Getöse.“ Aber Siegfried blieb getrost und ermuthigte
auch die Jungfrau. Da sah man einen hellen Feuerschein, der kam aus
dem Rachen des noch meilenweit entfernten Ungeheuers. Aengstlich zog
Kriemhild den Jüngling in eine Höhle herein, um hier das Weitere zu er-
warten. Da erschien der Drache ; wie er an den Felsen heranflog, bebte
die ganze Erde ringsumher. Sofort trat Siegfried aus der Höhle, mit der
Rechten das Schwert führend, das ihm der Riese gezeigt hatte. Fürchter-
liche Schläge versetzte er dem Drachen, aber dieser risz ihm mit seinen
Krallen den Schild weg, und so fühlte er immer schrecklicher die Glut, die
aus dem Rachen des Ungethüms hervorgehaucht ward; sie erhitzte den
Felsen so, als wär’ er glühendes Eisen. Unerträglich ward endlich die
Qual, immer gieriger züngelten rothe und blaue Flammen ihm entgegen.
Endlich muszte er (liehen, doch vergasz er nicht Kriemhildens; schnell zog
er sie mit in eine kleine Höhle hinein, in welche der Drache ihnen nicht
folgen konnte. Hier erblickte er einen unendlichen Schatz von Gold und
Edelgestein ; es war der Hort des unterirdischen Zwergenvolkes, der Nibe-
lungen, welche vor dem Getöse des Kampfes ängstlich geflohen waren;
Siegfried aber meinte, dasz es der Schatz des Drachen sei.
Nach einiger Zeit, als er sich erholt hatte, ergriff er wieder sein
Schwert und begann den Kampf von neuem. Die Glut der blauen und
rothen Flammen, die das Unthier gegen ihn spie, brachte ihn wieder in
grosze Noth; er muszte auf die Seite springen, aber nun versuchte das Un-
geheuer mit seinem Schwänze ihn zu umringe,ln, und nur mit genauer Noth
entging er diesen Umarmungen. 'Von den wiederholten Schlägen aber
und von der gewaltigen Hitze begann allmählich die Hornhaut des Drachen
weich zu werden; als Siegfried das merkte, nahm er alle seine Kraft zu-
sammen und führte einen so gewaltigen Hieb auf das Thier, dasz er es
von oben bis unten mitten hindurch spaltete und die eine Hälfte vom
Rande des Felsens in die Tiefe sank.
6. Wie Siegfried und Kriemhild heimkehrten.
So war Kriemhild gerettet, und freudenvoll eilte sie auf ihren Befreier
zu. Aber der war von der ungeheueren Anstrengung bis zum Tode er-
schöpft ; ohnmächtig sank er [zusammen, und lange lag er bewusztlos da.
Darüber erschrak Kriemhild so, dasz auch ihr die Sinne vergingen und
sie wie eine Todte neben dem Helden lag. Endlich nach langer Zeit schlug
Siegfried die Augen auf; als er aber die Jungfrau wie todtneben sichsah,
brach er in laute Klagen aus upd rief: „0 weh mir, dasz ich dies erleben
soll! Die ich in Freuden ihrem Vater wieder heimführen wollte, die musz
ich nun todt ihm bringen? Des werd’ ich ewig klagen müssen.“
Das hörte der Zwerg Engel, der sich inzwischen, wie es stille auf dem
Fels geworden war, wieder herangewagt hatte. Schnell kam er herbei
und sagte: „Sei nur getrost! ich will der Jungfrau ein Kraut eingeben,
dasz sie bald wieder gesund wird.“ So that er, und alsbald schlug sie die
Augen wieder auf. Da fiel sie freudenvoll ihrem Retter Siegfried um den
Hals und küszte ihn auf den Mund. Engel aber sprach: „Du hast uns
Zwerge von dem bösen Riesen, dem wir dienen muszten, befreit; dafür
wollen wir nun auch dir dienen und dir helfen, wo wir können.“ Darnach
führte er Siegfried und Kriemhild in seine Wohnung, und hier erholten
sie sich bei köstlichen Speisen und Getränken vollends von den über-
standenen Mühen und Aengsten. Dann nahmen sie Abschied von dem
Vaterländisches Lesebuch. i a
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