331
den heftigen Stürmen, welche hier ebenso wie auf dem wilden Meere ungehindert
wirken, schädlich, indem, wenn die Luft davon angefüllt wird, die Aussicht fehlt und
sowohl die Haut, als die Augen leiden. Das ist der so berüchtigte Wind Samum.
Die Hitze des Samum ist manchmal so ausnehmend groß, daß es schwer ist, sich
eine Vorstellung' von ihrer Heftigkeit zu machen, ohne sie wirklich erfahren zu haben;
aber sie kann mit der Hitze eines großen Backofens verglichen werden in dem Augen-
blick, wo man das Brot herausnimmt. Wenn er zu wehen beginnt, so nimmt die
Atmosphäre ein beunruhigendes Aussehen an. Der in diesem Klima sonst so klare
Himmel wird düster und trüb, die Sonne verliert ihren Glanz und erscheint mit
violetter Farbe. Die Luft ist nicht wolkig, aber grau und dick und in der That
mit einem ausnehmend feinen Staube angefüllt, welcher überall hineindringt. Dieser
Wind, immer leicht und reißend, ist anfangs nicht auffallend heiß, aber seine Hitze
nimmt zu in dem Maße, als er anhält.
Das Eigenthümliche der Sahara, das ihr eben den Namen Wüste gegeben
hat, ist der beinahe vollkommene Mangel an Pflanzen. Weder Wald noch
Gebüsch, noch eine Graslage bedeckt den Erdboden. Die Sahara ist das Bild des
Todes, denn in ihr giebt es keine Bewegung, kein Leben. Keine Löwen und Ga-
zellen durchstreifen sie, denn diese wohnen im Walde und an Quellen; kein Adler
kreiset über den regungslosen Sandflächen, denn hier findet er keinebeute, daselbst
das gefallene Vieh sich sofort auflöst. Tage lang wandert die Karavane, ohne ein
grünes, stacheliges Pflänzchen zu sehen. Lautlose Stille, ewiges Einerlei webt über
der Wüste und füllt das Herz mit allen Schrecken der tiefsten Einsamkeit. Wohl
wechseln nach Tagereisen Felsriffe, Kieselgeröll mit Flugsand, Hügeln und Thal-
senkungen: aber selbst diese Abwechselung ist einförmig. Eineameise oder Eidechse,
die von der Sonnenglut zu leben scheint, zu sehen, ist ein wichtiges Ereigniß für
die Reisenden, von dem sie sich Tage lang unterhalten.
Nur wo die Wüste vom Meere begrenzt wird oder an demselben liegt, findet
man einige Salzpflanzen, und in der Nähe der übrigen Grenzen der Wüste einige
dornige Büsche. Eine Ausnahme machen die Oasen, welche man mit Inseln im
Sandmeere oder mit Flecken auf einem Parderfell verglichen hat. Der erstgenannte
Vergleich ist indessen nicht ganz richtig, indem die Oasen nicht wie die Inseln über
ihre Umgebung sich erheben, sondern sich unter dieselbe hinabsenken. Sie entstehen
nämlich dort, wo sich in den Vertiefungen eine kleine Aue oder ein See aus
dem Regenwasser ansammelt, oder wo Quellen unterhalb einer der Hochflächen
entspringen.
64. Der Sinai.
In seltsamen Umrissen, düster und drohend steigen die Vorgebirge des Sinai in
die Höhe, steil und wild durcheinander geworfen, als wollten sic jeden Zutritt zu dem
innern Heiligthum verwehren. Von der Glut der Sonne geschwärzt, von dem An-
prall der Gewitterstürme zerrissen, bald überhängend, bald senkrecht aufgerichtet, neh-
men die Felsen immer wundersamere Formen an. Ueber die rothbrauncn Flächen
der Granitwände sieht man hier und dort wilde Streifen von dunkelblauer Stahlfarbe
gezogen, gleich als hätte der Blitz darin seine Feucrbahn durchlaufen, als hätte der
Finger Gottes auf diese Felsen seinen Namen geschrieben. Die Thäler des Sinai
sind zum Theil wüst und öde, mit ungeheuren Steinblöckcu und Felsengeröll über-
lagert oder mit Triebsand bedeckt; andere dagegen sind fruchtbar und wohlbcwässert.
In den Betten der Winterströme wächst Gebüsch und Weide genug für die Herden
eines wandernden Hirtenvolkes. Ein Thal besonders, welches sich durch die Berg-
strecken windet, ist lieblich. Dort blüht die vaterländische Königskerze auf sonnigen
Hügeln. Hochstämmige Dattelpalmen treten am Quell gesellig zusammen. Pracht-
volle Schmetterlinge gaukeln durch die klare Luft, und während das freigelassene
Kameel des Pilgers am Ginster rupft, lockt ihn selber ein Honiggeruch in das baum-
hohe Tamariskengebüsch, an dessen Zweigen das Manna wie geronnene Thautropfen,
wie wcißglänzende Perlen hängt. Von hier aus tritt man in das Scheikthal, welches
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
333
Höhlen findet) beruhte Palästinas Schutz gegen Syrien. Es enthielt eine große
Menge Städte, von denen noch zahlreiche Neberrreste zu finden sind. Sie ver-
dankten einen großen Theil ihrer Macht und ihres Reichthums dem Karavanen-
handel, der im Alterthum so wichtig war; noch jetzt gehen hier nicht selten Kara-
vanen hindurch.
' 2.
Der Jordan hat, wie gesagt, das Eigenthümliche, daß sein ganzer Lauf durch
eine große Einsenkung in das Land bestimmt wird. Diese Einsenkung ist sehr
breit, selbst bis zu einer Tagereise, und der Strom selbst hat eine im Vergleich
damit unbedeutende Breite. Auf beiden Seiten wird diese Einsenkung von hohen
und steilen Klippen begrenzt. Der Boden ist nicht mit fruchtbarer Erde bedeckt,
sondern besteht aus kahlem Kalkfelsen, woraus die seltene Erscheinung hervorgeht,
daß der Fluß in einer unfruchtbaren Wüste läuft. Wir verstehen nun, wie Jo-
hannes in der Wüste predigen und zugleich im Jordan taufen konnte, was sonst,
wenn der Jordan wie andere Flüsse wäre, schwer zu begreifen sein müßte.
Der noch junge Strom ergießt sich bald in einen kleinen See mit Namen
Merom. Wenn der Schnee auf den Bergen schmilzt, schwillt dieser See hoch
an; aber in der trockenen Zeit ist er ein Schilfboden. Hier war es, wo Josua einen
großen Sieg über viele Bergfürsten gewann, wodurch das Quellenland des Jordan
in die Hände der Israeliten kam. Von lhier fließt er in den See G e n e z a r e t h,
welcher nach der Provinz auch das Galiläische Meer und nach der daran
liegenden Stadt Liberias genannt worden ist. Die größte Länge desselben
folgt der Richtung des Flusses und beträgt 2 Meilen, die Breite ungefähr ^/4 Meile.
Auf der westlichen Seite liegt das schöne galiläische Bergland, auf der östlichen
vas wüste Felsengebirge der Gadarener. Er ist von einer Alpennatur umgeben,
welche ihm Aehnlichkeit mit dem Genfer See giebt. Von dem westlichen Hoch-
land sieht der Betrachter auf das fruchtbare Küstenland des Sees nieder und die
majestätischen Bergketten der Ostseite hinan. Gen Norden erblickt er des Liba-
nons schneebedeckte Kuppen und tiefer hinab den Libanonwald. Näber gegen den
See zeigt sich im Norden Naphthalim und Sebulons Berglandschaft, und
im Südwesten, nur 2'/? Meilen vom See, erhebt sich der kegelförmige Tabor.
Der See ist klar, das Wasser oben warm, am Boden sehr kalt durch das von den
Bergen zuströmende Wasser. !Das häufig gestörte Gleichgewicht zwischen der kalten
Luft der Berge und der warmen der Thäler verursacht, daß dieser See so oft von
Stürmen heimgesucht wird, daß man ihn in unserer Zeit nur ganz nahe an den
Küsten befährt. Er ist reich an trefflichen Fischen. Die Fruchtbarkeit des ihn
umgebenden Thales ist berühmt. Die Bergumgebung bietet so große Wärmever-
schiedenheiten dar, daß das mannigfaltigste Pflanzenleben sich hier auf einem kleinen
Raum entwickeln kann. Die Dattelpalme, welche Hitze verlangt, und der Wal-
nußbaum, welcher Kühlung bedarf, gedeihen dort, ebenso deroel- undderfeigen-
baum; die Weinrebe bringt hier einen außerordentlichen Reichthum an Trauben.
3.
Vom Genezareth an hat der Jordan ein bedeutendes Gefälle, aber je weiter
er sich entfernt, desto langsamer fließt er. In der Nähe des Sees ist das Thal
noch grasreich, aber weiter hinab zeigt es sich als nackte Felseinöde. Weiter süd-
lich von Jericho ist dies Thal mit einem salzhaltigen, sandartigen und so weichen
Lehm bedeckt, daß Pferde bis an die Knie einsinken.
Jericho bildet eine Oase am Jordan. Es ist von Bergen umgeben und
war im Alterthum, als die Quellen eingefriedigt und reingehalten wurden, ein
reich bewässerter Garten in einer heißen Landschaft, beinahe >/2 Meile breit und
dreimal so lang. Hier standen Palmen mit den süßesten Datteln, Reben mit
den köstlichsten Trauben und der berühmte Balsambusch. Bei Jericho ist von
Osten her einer der natürlichen Eingänge in das eigentliche Palästina; hier war
es auch, wo die Israeliten eindrangen.
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer], T48: [Fluß Meer See Strom Land Wasser Mündung Kanal Lauf Ostsee], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee]]
Extrahierte Personennamen: Palästinas
Extrahierte Ortsnamen: Syrien Jordan Liberias Libanonwald Naphthalim Tabor Jericho Jordan Jericho
414
Gefährlicher für den Menschen sind aber die Holzbohrmuscheln, die man
ihrer wurmförmigen Gestalt wegen Bohrwürmer nennt. Diese kleinen
und doch dem Menschen so gefährlichen Thiere vernichten vielleicht mehr
Millionen lu-s echtesten Werthes, als die nutzlose Perle Tausende eines
eingebildeten Werthes einbringt; denn indem sie Bollwerke und Schleusen
der Häfen und der gefährdeten Marschländer zerstören, untergraben sie die
unentbehrlichsten aller großen Bauwerke, und indem sie die Schiffe zernagen,
zwingen sie den Menschen, das schon ohnedies kostbare Schiff für die Seereise
noch mit einem kupfernen Panzer zu umgeben.
116. Die Polypen oder Koralleutmere.
Aus weicher Gallerte gebildet, scheibenförmig gestaltet, sternförmig
gezeichnet, und durch bewegliche Anhängsel in sternförmiger Ordnung
geschmückt, schwimmen in allen offenen Meeren die groszen Quallen
frei umher, während kleinere
Thiere gleicher Gestaltung
mit inneren steinernen Ge-
rüsten in heiszen Gegenden
auf dem Boden flacher Felsen-
küsten festgesiedelt sind.
Wo die Gewächse des
Landes Blätter und Blüten
treiben, da keimen im Meere
aus steinernen Bäumen und
Gesträuchen lebendige, em-
pfindende Thiere, welche wie
Blumen,mit unzähligen Fibern
zitternd, in allen Farben des
Bcgenbogens schillern. Diese
steinernen Gewächse gliedern
sich zweigartig, feder- und
sternartig in tausend Gestal-
ten. Manche kriechen am
Boden wie niedrige Moose,
andere sprossen in Form der
Aloe- und Kaktusgewächse,
andere verzweigen sich wie
Hirschgeweihe, wie zierliche
Fächer und Blumengewinde,
andere erheben sich wie
prachtvolle Gedern und pyra-
midenartige Cypressen, noch andere gruppieren sich zu Felsenklippen,
zu riesigen Mauern und Burgen und ragen wie Thurraspitzen bis an den
Spiegel des Meeres.
Die Baumeister dieser Felsenburgen sind winzige Meerpolypen,
oft nur von der Grosze eines Nadelknopfs. Das Schwächste berührt
sich mit dem Stärksten - das Kleinste wirkten seiner ausdauernden Ver-
einigung staunenswürdig Groszes. Schwache mikroskopische Gallcrt-
Fslierchen trotzen den Stürmen der Jahrtausende; sie brechen die wüthen-
den Meereswogen, denen keine menschliche Kunst zu widerstehen vermag.
Sie haben als die ältesten Geschöpfe der Erde ihre Bauten schon vor un-
zähligen Jahren in der Urgeschichte unseres Planeten begonnen und bauen
etzt noch fort und fort wie firn die Ewigkeit.
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T13: [Kirche Dom Zeit Bau Denkmal Kunst Tempel Bild Werk Stadt]]
TM Hauptwörter (200): [T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T28: [Blatt Blüte Pflanze Baum Wurzel Frucht Stengel Zweig Erde Samen], T84: [Körper Kopf Tier Fuß Bein Insekt Eier Zahn Nahrung Haut], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne]]
gedachte und selbst das Herzogthum Schleswig, wie es von.etzt an genannt wurde,
mit seinen holsteinschen Besitzungen verbinden wollte, murrten die Juten, wollten
Waldemar nicht als Herzog anerkennen und griffen endlich zu den Waffen. Ger-
hard aber drang siegreich in Jütland vor, so daß seine Feinde vor ihm zurück-
weichen und ihre Güter der Verwüstung preisgeben mußten. Aber mitten in
seinem Siegeszuge überfiel ihn plötzlich zu Randers eine so heftige Krankheit, daß
er sein Ende nahe glaubte und sich das heilige Abendmahl reichen ließ. Die
Dünen hofften auf seinen Tod und jubelten laut. Als sie aber hörten, daß er
sich erhole, thaten sie sich zusammen zu heimlichem Rathe. Ein jütischer Ritter,
Niels Ebbesen, schlich sich mit 60 Gefährten heimlich bei Nacht in die Stadt, und eben
hatte sich Gerhard zur Ruhe begeben, da drangen die Verschworenen in sein Gemach
und erstachen den kranken Grafen meuchlings auf seinem Bette (I- April 1340).
Aber zwei Jahre später wurde der schmähliche Tod Gerhards durch seine
Söhne, Heinrich und Klaus, gerächt. Die jütischen Aufrührer wurden vollständig
besiegt, Niels Ebbesen, den die Dänen als den Retter ihres Vaterlandes preisen,
in der Schlacht getödtet und sein Leichnam auf's Rad geflochten.
11. Herzog Adolf Viii.
Im Jahre 1440 war Reichstag zu Kolding. Hier übertrug der König
Christoph von Dänemark mit ausgestreckter Fahne, wie es sich gehörte, dem Grafen
Adolf von Holstein das Herzogthum Schleswig für sich und seine Erben zu Lehn.
Damit war ein langer blutiger Krieg um das Herzogthum beendet, worin viele
edle Männer, auch der hochgepriesene Bruder Adolfs, Heinrich, gefallen waren.
Mit frommem Dankgefühl gegen Gott blickte Adolf auf den glücklichen Ausgang
der laugen Kämpfe zurück und gründete mehrere geistliche Pfründen, damit das
Andenken an jene Zeiten für alle Zukunft bewahrt werde. Aber um welchen
Preis war die Selbständigkeit Schleswigs gewonnen? Die Kräfte des Volkes
waren erschöpft und viele Gegenden des Landes, Eidersted, Angeln, Schwansen,
Alsen, das Land Oldenburg und Femarn furchtbar verwüstet. Die Sitten des
Volkes waren verwildert, die Ritter befehdeten sich und beraubten die Bürger in
den Städten. Die Bauern wurden vielfach geknechtet. Freilich lebte noch in
vielen Gegenden ein freier und kräftiger Bauernstand, der die Waffen zu führen
wußte, aber sie hatten vergessen, daß ihre Väter einst dem Grafen Klaus, dem
Sohnegerhard's, gelobt hatten, nicht mehr Todtschlag mit Todtschlag zu vergelten.
Dieser hatte die Bauern zusammenberufen und ihnen das Verwerfliche der Mut-
rache vorgestellt: „Wem das Gute und der Friede lieb ist", sprach er, „der gehe
zur rechten Hand, die andern zur linken." Da war keiner auf der linken stehen
geblieben. Jetzt gab Adolf strenge Gesetze gegen den Friedensbruch und die
Selbsthülfe und schützte auch die Bauern vor den Bedrückungen der Ritter. Auch
die Wohlfahrt der Städte lag ihm sehr am Herzen; er berief Abgeordnete der-
selben zu den Landtagen, die zu Bornhövd gehalten wurden, und auf denen das
Wohl des ganzen Landes berathen wurde. So stellte er überall mit großer Weis-
heit geordnete Zustände wieder her. Mit seinen Nachbarn, den Ditmarsen und
den norddeutschen Hansastädten, lebte er in Frieden und Freundschaft und suchte
den Handel derselben auf alle Weise zu befördern. So erfreute er sich nicht nur
in hohem Grade der Liebe seiner Unterthanen, sondern stand auch bei den Fürsten
und Völkern der benachbarten Länder in großem Ansehen. Als der König
Christoph von Dänemark ohne Erben gestorben war, da gedachten die Großen des
Reiches ihn zu ihrem Könige zu wählen. Adolf war damals erst sieben und vierzig
Jahre alt und durfte sich die Kraft und die Fähigkeit zutrauen, ein größeres Reich
mit Ehren zu regieren; aber er hatte, obwohl zum zweitenmal vermählt, keine
Kinder; er hatte schon in seiner Jugend die Dänen als seine Feinde anzusehen
gelernt, war mit Haß gegen dieselben herangewachsen und hatte gegen sie in
manchen Schlachten gefochten. Schwerlich hätte es auch den Bewohnern seiner
Lande gefallen, wenn er die dänische Krone annähme; die Schleswiger hatten
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T34: [Schweden König Gustav Dänemark Preußen Krieg Polen Adolf Frieden Holstein], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T97: [Heinrich Herzog Graf Erzbischof König Grafe Kaiser Stadt Herr Mainz], T117: [Schleswig Däne Insel Holstein Eider Preußen Schanz Jütland Dänemark Karl], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten]]
Extrahierte Personennamen: Niels_Ebbesen Gerhard Gerhards Heinrich Heinrich Klaus Niels_Ebbesen Adolf Adolf Christoph_von_Dänemark Adolf_von_Holstein Adolf Adolfs Adolfs Heinrich Heinrich Adolf Adolf Klaus Adolf Christoph_von_Dänemark Adolf Adolf
479
Schleswig mit lauter Stimme dem versammelten Volke, daß der Rath der Holsten
zum Besten ihrer Lande den König Christian von Dänemark zu einem Herzoge
von Schleswig und Grafen zu Holstein erkoren habe. Der neue Landesherr
stellte darauf eine Urkunde aus, worin er die Rechte und Freiheiten seiner Unter-
thanen feierlich anerkannte. Er erklärte, aus periönlicher Gunst und keineswegs
in seiner Eigenschaft als König von Dänemark sei er erwählt worden. Bei allen
Heiligen schwur er für sich und seine Nachkommen, das Recht der Lande treu zu
bewahren. Diese aber sollten ewig zusammen bleiben ungetheilt; kein Krieg solle
geführt werden, außer zum Nutzen derselben und mit Einwilligung des Landtags;
die Einwohner aber sollten über die Königsau und die Elbe hinaus nicht zum
Kriegsdienste verpflichtet >ein.
Als die Lübecker, welche für den Grafen Otto gewesen waren, hörten, daß
die Stände das Wort, welches sie ihnen gegeben hatten, gebrochen und den König
Christian zu ihrem Landesfürsten erwählt hätten, wurden sie sehr unwillig und
ließen zum Andenken daran diese Worte niederschreiben: „Also wurden dieholsten
Dänen und gaben sich aus freien Stücken ohne Schwerterschlag unter den König
von Dänemark, wogegen ihre Vorfahren manches Jahr gewesen waren und es
binderten mir wehrhafter Hand. Denn sie führten manchen Krieg mit den Dänen,
wobei ihnen die Städte der Hansa mit großem Volk und großen Kosten behülflich
waren. Auch war mancher Herr und Fürst und ritterlicher Mann in dem Streite
gefallen, weil sie den Dänen nicht Unterthan, sondern frei sein wollten. Und das
alles hatten die Holsten zu der Zeit vergessen und wurden freiwillig zu eigen, und
das machte die Gierigkeit der Holsten und die Verschlagenheit der Dänen; denn
der König erkaufte sie mit Geld und Gabe und mancherlei Versprechungen und
gelobte allen Schloßhauptlemen, sie sollten lebenslang die Schlösser behalten.
So wurden sie durch Eigennutz verblendet und gaben das Gut des ganzen Landes
um kleinen Vortheils willen preis. Ihnen aber ward nicht einmal gehalten, was
ihnen versprochen war; denn der König nahm ihnen die Schlösser noch in dem-
selben Jabre und setzte andere Hauptleute darauf."
13. Die Kriege mit den Ditmarsen.
Die Ditmarsen (die Bewohner der Volks- oder deutschen Marschen) waren
unabhängig von den holsteinschen Grafen und wollten nicht von Fürsten regiert
werden. Alle Angriffe auf ihre Freiheit wehrten sie mit Kraft und Muth ab. Jeder
wehrhafte Mann war zur Vertheidigung des Landes verpflichtet; eine große Streit-
axt und ein kurzes Schwert waren die von Alters her gebräuchlichen Waffen; mit
vollendetem vierzehnten Jahre mußte der junge Ditmarse an den Waffenübungen
seines Kirchspiels theilnehmen. Zum Schutze gegen die Angriffe der Holsten dienten
die sogenannten Hammen: „das waren Landwehren mit zwei oder drei doppelten
Gräben auf einigen Stellen vor der Marsch und mit Holz dicht überwachsen. Da
hindurch ging ein enger, zwei oder drei Steinwürfe weiter Steinweg, der an beiden
Seiten von einem tiefen Graben eingeschlossen war." In das Land führte nur
eine große Landstraße auf Meldorf zu. Die Marschgegend des Landes setzte durch
zahlreiche breite Wassergräben und die Beschaffenheit des Bodens jedem eindringen-
den Feinde große Hindernisse entgegen, welche die Ditmarsen klug zu benutzen
wußten. Das hatte einst Gerhard der Große erfahren müssen. Aber die Enkel
desselben hatten vergessen, wie übel es ihm ergangen, und ließen sich durch stolze
und übermüthige Räthe zu ihrem Unglück verleiten, von neuem einen Angriff gegen
die freien Bauern zu unternehmen. Der Graf Albrecht von Holstein fand durch
einen Sturz mit dem Pferde einen frühen Tod, als er Zwingburgen an der Grenze
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T34: [Schweden König Gustav Dänemark Preußen Krieg Polen Adolf Frieden Holstein], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat]]
TM Hauptwörter (200): [T117: [Schleswig Däne Insel Holstein Eider Preußen Schanz Jütland Dänemark Karl], T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit], T97: [Heinrich Herzog Graf Erzbischof König Grafe Kaiser Stadt Herr Mainz]]
Extrahierte Personennamen: Christian_von_Dänemark Otto Christian Muth Albrecht_von_Holstein Albrecht
347
70. Der Königstiger.
Der Königstiger ist eine herrliche, wunderschön gezeichnete und
gefärbte Katze. Seine Gestalt ist höher, schlanker und leichter, als die des
Löwen; in der Größe aber steht der Tiger keineswegs hinter jenem zurück.
Ein erwachsener männlicher Tiger erreicht regelmäßig sieben bis achtfußgc-
sammtlängevon dcrschnauze bis zur Schwanzspitze; cs sind aber nicht selten
einzelne sehr alte erlegt worden, bei welchen die in derselben Weise gemessene
Länge neun Fuß crgiebt. Die gewöhnliche Körperlänge beträgt etwas über
fünf Fuß.' Der Leib ist etwas mehr verlängert und gestreckter, der Kops
runder, als der des Löwen, der Schwanz ist lang und quastenlos, die Be-
haarung kurz und glatt und nur an den Wangen bartmäßig verlängert.
Das Weibchen ist kleiner und hat auch einen kürzern Backenbart. Alle
Tiger aber, welche in nördlicher gelegenen Ländern wohnen, tragen ein viel
dichteres und längeres Haarkleid, als diejenigen, deren Heimat die heißen
Tiefländer Indiens sind. Die Zeichnung des Thieres zeigt die schönste
Anordnung von Farben und einen lebhaften Gegensatz zwischen der hellen,
rostgclben Grundfarbe und den dunklen Streifen, welche über sie Hinweg-
laufen. Die Schnurren sind weiß, die Nase ist ungefleckt und der Augen-
stern gelblichbrauu.
Ebensowohl alö in den Dschungeln oder Rohr- und Graswäldcrn
mit wenigen Bäumen, aber viel Gesträuch begegnet man dem Tiger in
großen, hochstämmigen Wäldern, wenn auch immer nur bis zu einer gewissen
Höhe über dem Meeresspiegel. Nach den herdenreichen Alpenweiden in den
Hochgebirgen Asiens geht er niemals empor; umso öfter kommt er dicht
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T27: [Erde Linie Punkt Breite Länge Kreis Ort Meile Winkel Meridian], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T195: [Pferd Tier Hund Schaf Löwe Wolf Rind Mensch Schwein Thiere], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T84: [Körper Kopf Tier Fuß Bein Insekt Eier Zahn Nahrung Haut]]
489
aller Titel enthalten." Gleich nach seinem Regierungsantritt erklärte er,
lieber zu Fuß aus dem Lande gehen zu wollen, als noch länger den unchrist-
lichen Wandel der Geistlichkeit zu dulden. Es war noch Schweres zu thun
übrig ; die Prälaten und die hohen Geistlichen beriefen sich auf ihre alten
Freiheiten, und als Christian die Abstellung der Messe im schleswiger
Dom verlangte, erhob dagegen der Bischof Einspruch : es sei gegen Ehre
und Glimpf, die er höher achte, als sein Leben; er halte fest an den alten
Einrichtungen, bis auf einem Landtage eine Veränderung beliebt werde.
Christian konnte nicht mit seinen Absichten durchdringen und wurde bald
durch Aufruhr in Dänemark von weiteren Schritten abgehalten. Erst als
er in Dänemark mit kräftiger Hand die Macht der katholischen Geistlichkeit
gebrochen und Johann Bugenhagen, einen frommen Pastor aus Wittenberg,
nach Kopenhagen berufen und eine evangelische Kirchenordnung durch ihn
hatte ausarbeiten lassen, konnte er sein Augenmerk den Herzogthümern
wieder zuwenden. Auf dem Landtage vom Jahre 1540 ließ er den ver-
einigten Ständen eine plattdeutsche, von Bugenhagen entworfene Kirchen-
ordnung vorlegen. Aber es erfolgte ein heftiger Widerstand: Wulf
Pogwisch, durch den die Anträge des Königs an die Stande ergingen, war
der erste, der widersprach. Im ganzen protestierten 29 Mitglieder der
Ritterschaft gegen die neue Ordnung mit der Erklärung, daß sie auch selig
zu werden wünschten, aber zu der neuen Lehre nicht übergehen könnten.
Es entstand ein großer Lärm auf dem Rathhause, und Johann Rantzau
bot vergebens seinen ganzen Einfluß auf, die Einwilligung der Stände zu
erhalten. Die Versammlung verlief ohne Entscheidung. Aber schon in
den nächsten Jahren traten große Veränderungen ein. Der letzte katholische
Bischof Ahlefeld starb, und an seine Stelle trat, von Bugenhagen geweiht,
Tilemann von Hussen aus Cleve als erster evangelischer Bischof unseres
Landes. Ein Landtag zu Rendsburg 1542 brachte die kirchlichen Ange-
legenheiten zum Abschluß. Jeder Widerstand war verstummt, und die
Kirchcnordnung Bugenhagen's ward von den Räthen, Prälaten, Ritter-
schaft, Mannen und Städten einträchtig angenommen, beliebt und
bewilligt.
So war unsere schleswig-holsteinsche Landeskirche gegründet. Alle
katholischen Einrichtungen verschwanden allmählich. Die Güter und
Pfründen des Bischofs wurden von dem Landesherrn eingezogen, die Bettel-
orden aufgehoben und die Gebäude und Besitzungen derselben meistens den
Stätten überlassen und zu Armenhäusern, Schulen und andern Zwecken
verwandt. Von den größeren, die durch reiche Besitzungen sich auszeichne-
ten, wurden die meisten von dem Landesherrn nach und nach eingezogen
und das Landgebiet in Aemter verwandelt. So sind die Aemter Reinbeck,
Mohrkirchen, Cismar, Lügumkloster, Bcrdesholm, Ahrensboeck, Reinfeld
entstanden. Nur vier Klöster, die ehemaligen Nonnenklöster zu Schleswig,
Preetz, Itzehoe, Uetersen, blieben bestehen, wurden aber zu Versorgungs-
anstalten für unvcrheirathete Töchter des Adels umgestaltet.
Aber trotz der neuen Kirchenordnung dauerte es noch viele Jahre, ehe
Vaterländisches Lesebuch. Z2
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser]]
TM Hauptwörter (100): [T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T34: [Schweden König Gustav Dänemark Preußen Krieg Polen Adolf Frieden Holstein], T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T194: [Kirche Kloster Schule geistliche Gottesdienst Gemeinde Geistliche Leben Staat Priester], T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten], T117: [Schleswig Däne Insel Holstein Eider Preußen Schanz Jütland Dänemark Karl], T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
Extrahierte Personennamen: Christian Christian Johann_Bugenhagen Johann Wulf
Pogwisch Johann_Rantzau Johann Bischof_Ahlefeld Tilemann_von_Hussen Cleve Cismar
238
sohlen, Ottokar s Leben zu schonen, dieser aber einen Preis demjenigen ver-
sprochen, der ihm seinen Gegner todt oder lebendig liefern würde. Furcht-
bar wüthete der Kampf; Ottokar wurde erschlagen; Rudolf, von einem
böhmischen Ritter vom Pferde geworfen, lag unter diesem, und nur sein
Schild, mit welchem er sich bedeckte, rettete ihn vor den Hufen der über
ihn herstürmenden Rosse. Bald hob er sich unter seinem Pferde wieder
empor und errang den Sieg. Ein Ritter aus Ottokar's Heere, von dem
Rudolf beinahe getödtet worden wäre, fiel schwer verwundet in die Hände
der Sieger, die ihn im Zorn niederhauen wollten, weil er das Leben ihres
Königs bedroht hatte; allein Rudolf sprach : „Das verhüte Gott! einen
so tapferen Ritter tobten, hieße dem Reiche unersetzlichen Schaden zufügen."
Er befahl, den Gefangenen sorgfältig zu verbinden und zu verpflegen.
Nach diesem Sieg rückte Rudolf in Böhmen ein und gab dies Land
als Reichslehen dem Sohne Ottokar's, Wenzel. Mit den österreichischen
Landen belehnte er seine beiden Söhne, in der Ueberzeugung, daß er nur dann,
wenn er selbst eine große Hausmacht habe, den großen deutschen Fürsten
gegenüber sein Ansehen wahren könne. Da er auch seine sechs Töchter mit
mächtigen Fürsten vermählte, so stärkte er seine königliche Gewalt so sehr,
daß er sich überall Gehorsam zu erzwingen vermochte.
Mit gleicher Thätigkeit sorgte Rudolf für die Handhabung der Ge-
rechtigkeit und die Herstellung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.
Er durchzog das Reich von einem Ende bis zum andern, saß oft persönlich
zu Gericht und erlaubte einem jeden Zutritt, „denn", sagte er, „ich bin
wahrlich nicht König geworden, um mich vor den Menschen einzuschließen."
Mehrmals gab er Gesetze zur Aufrechthaltung des Landfriedens, welche
von den Ständen des Reiches beschworen werden mußten. Die Uebertreter
traf strenge Strafe. Einst ließ er in Thüringen neunundzwanzig gefangene
Raubritter in seiner Gegenwart zu Erfurt hinrichten. Ueber ein Jahr
verweilte er hier, bis alle Raubschlösser — es waren sechsundsechszig —
gebrochen waren.
Rudolf wünschte die deutsche Krone seinem Sohne Albrecht, der von
seinen Söhnen allein noch am Leben war, zu hinterlassen. Allein die
Fürsten fürchteten die schnell emporstrebende Größe des habsburgischen
Hauses und den finsteren, harten und abschreckenden Sinn Albrecht's. Sie
wichen daher den Anträgen Rudolfs aus. Mißvergnügt verließ dieser
Frankfurt und ging, schon krank und schwach, nach Straßburg. Als er
die Nähe des Todes fühlte, rief er: „Wohlan, nach Speier!" Hier, all
der Begräbnißstätte der Kaiser, wollte er sein Ende erwarten, aber er kam
nur bis Germersheim, wo er in einem Alter von dreiundsiebzig Jahren
starb (1291).
Rudolf hat den Ruhm der Gerechtigkeit, Mäßigung und Tapferkeit
sein ganzes Leben hindurch bewahrt. Seine Gestalt war sehr hoch und
schlank, seine Sitten einfach; Speise und Trank genoß er mäßig. Er trug
gewöhnlich ein schlichtes graues Wams, das er sich wohl im Felde selbst
flickte. Wenn er sprach, gewann er durch biedere Zutraulichkeit und war
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T7: [König Kaiser Rudolf Friedrich Sohn Böhmen Haus Karl Ludwig Albrecht], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten], T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T191: [Karl Sohn König Tochter Haus Kaiser Ludwig Herzog Tod Johann], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
Extrahierte Personennamen: Ottokar Ottokar Ottokar Ottokar Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Wenzel Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Albrecht Albrecht Rudolfs Rudolf Rudolf
288
Bodens auf. Der größte und einförmigste von allen diesen Landstrichen ist die
Lüneburger Heide, eine weite Ebene, welche sich ohne Anhöhen und Thäler,
ohne Seen oder auch nur bedeutende Bäche in einer Länge von 10 Meilen durch
das hannoversche Land von Lüneburg bis Celle erstreckt. Zwei Drittel allesbodens
ist hier mit Heidekraut bewachsen, oder bildet Moor- oder Bruchland. Von der
Elbe aus führt durch die Heide außer der Eisenbahn eine Landstraße nach Han-
nover, und wenn diese schon einsam und öde ist, so sind es die Nebenwege noch
mehr. Nur von Zeit zu Zeit nach vielstündiger Wanderung gelangt man zu einem
kleinen, weitläufig gebauten Dorfe. Hat man sich daher in der oft mannshohen
Heide, welche dann und wann nur mit kümmerlichem Nadelholzgebüsche oder
dünnen Fichten- und Kieferwaldungen abwechselt, verirrt, so kann man tagelang
darin umherstreifen, ohne eine bewohnte oder auch nur bebaute Stätte anzutreffen.
Nur von Bienen, deren es hier in so großer Menge giebt, daß man von ihnen
jährlich für 200,000 Thaler Wachs und Honig gewinnt, wird man fast fortwährend
umschwärmt, und man muß sich wohl hüten, sie zu reizen, denn der Fälle sind nicht
wenige, daß sie in dichten Schwärmen über ihre Beleidiger herfallen; ihren grim-
migen Angriffen müssen bisweilen die stärksten und muthigsten Pferde erliegen.
Auch von kleinen, unansehnlichen schwarzen Schafen, Heidschnucken genannt,
welchen die mageren, aber gewürzhaften Heidekräuter ebenso gut bekommen, wie
den Bienen die süßen Blüten derselben, trifft man bisweilen große Herden an;
sie bringen den Einwohnern vielen Nutzen und machen oft den ganzen Reichthum
derselben aus. Sonst sieht man auf dem ganzen Wege durch die Heide selten etwas
Lebendiges, die Scharen von hungerigen Raben noch abgerechnet, welche durch
ihr hohles Gekrächze die traurige Einöde nur noch unheimlicher machen. Die weit
von einander gelegenen Dörfer durchfließt zuweilen ein kleiner Bach, meistens je-
doch nur ein Graben, dessen öliges, eisenhaltiges, unschmackhaftes Wasser seinen
Ursprung im Moorgrunde verräth. Um diese Dörfer herum wächst neben dem
röthlich blühenden Buchweizen mit seinen zierlichen eckigen Blättern auch etwas
Roggen, Gerste, Hafer und Rüben auf dem von mageren Grasplätzen unter-
brochenen, urbar gemachten Sandboden; doch sind diese Felder nur dürftig mit
dünnen, kurzen Hälmchen bedeckt, und die Ernte fällt fast ganz aus, wenn der
Regen nicht rechtzeitig die Bemühungen der Landbauer unterstützt. Einzelne Birken,
Buchen und Eichen, welche man bisweilen in der Nähe der Dörfer erblickt, welche
aber mitunter auch große und schöne Wälder bilden, bringen hier ebenfalls Ab-
wechselung in die Einförmigkeit der Ebene. Einen eigenthümlichen Anblick gewährt
nicht selten das Mauerwerk dieser Dörfer; es besteht nämlich aus über einander
gelegten, mit Moos verstopften Granitblöcken und ist durch die Länge der Zeit mit
Moose dicht überwachsen. Man freut sich aber auch der Reinlichkeit und Wohl-
habenheit, welche sich in den reichen Heidedörfern mit ihren weitläufigen Bauern-
gehöften kund giebt.
37. Hamburg.
Nähert man sich Hamburg auf dem Dampfschiffe von Harburg aus, so erblickt
man einen ungeheuern Wald von Mastbäumen; die Luft ist voll wehenderwimpel
aller Farben und Nationen. Zwischen denselben blähen sich ungeheuere Segel auf,
und schwarze Rauchwolken steigen aus den Schornsteinen der Dampfschiffe. Da-
hinter erheben sich die gewaltigen Speicher für die Waarenvorräthe. An dem mit
Mauern eingefaßten Ufer wogen geschäftige Menschen in allen Farben und Trachten
auf und ab. Hier arbeiten sich Rollwagen die Uferstraße hinauf; dazwischen jagen
Droschken und Reiter, schreien Kofferträger, singen Matrosen, rufen Verkäufer
ihre Waaren aus, haschen Diebe nach fremden Taschen, und treiben sich müssige
Zuschauer umher. Was die Erde Schönes und Kostbares trägt, das steht hier auf-
gestapelt in den gewaltigen Fässern, eisenbeschlagenen Kisten, mächtigen Rollen
und Körben; Waaren, die Hunderttausende werth sind, erscheinen wie auf die
Straßen geworfen. Außer den Menschen drängen sich am Elbufer auch Schiffe
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne], T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute]]
Extrahierte Ortsnamen: Lüneburger_Heide Lüneburg Celle Hamburg Hamburg Harburg
295
jagte auf seinem Zelter, der meilenlange Fluren in Minuten übersprang, hinter-
drein. Emma kam an jenen Felsen, unter dem an 1000 Fuß tief der Abgruud
liegt; der gegenüberstehende Fels war weit und steil; als sie aber Bohdo heran-
nahen hörte, setzte sie über den Abgrund glücklich hinweg, wobei das Roß seinen
Huf 4 Fuß tief in das harte Gestein schlug. Bohdo, der nur auf Emma blickte,
sah den Abgrund nicht, stürzte hinein und gab so dem Flusse den Namen (Bode).
Die Bewässerung des Harzes ist im ganzen ziemlich reichlich; überall spru-
deln Quöllen hervor, die sich zu kleinen Bergbächen und Flüssen vereinigen, daher
auch üppiger Wiesen- und Baumwuchs, auf der Hochfläche des Unterharzes sogar
vortrefflicher Getreidebau. Von Bergseen aber ist nicht die Rede. Auf dem
Brocken liegt der Schnee bis in den Mai und Juni hinein. Der ganze Oberharz
hat wenig Frühling, viel Nebel und Regen, etwa 6 Wochen Sommer, ganz dem
Klima von Norwegen und Schweden entsprechend.
Die Harzflüsse sind rein, doch reich an Krebsen und Fischen, besonders Fo-
rellen. Wo die Thäler weit werden, treibt man Leinwandbleicherei; der Flachs-
bau jedoch ist dem Harze fremd. Die Kartoffel ist die einzige Frucht, die dem
Harzer treu bleibt. Wenig Obst gedeiht in diesem Klima, desto mehr stehen Blu-
men, Wald und Wiesen in Flor. An Preißel- und Blaubeeren ist Ueberfluß; sie
werden gesammelt und verkauft. Die Baumarten des Uuterharzes sind Ahorn,
Esche, Ulme, Birke, Rothbuche; an den mildesten Punkten stehen Roßkastanien.
Bei Wernigerode und Blankenburg findet man aber auch die echte Kastanie kleine
Wäldchen bildend. In den Oberharz folgt der Tanne nur die Birke eine Strecke
weit, und noch etwas weiter die „Quitsche", deren rothe Vogelbeeren dem Ober-
harzer zu seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Vogelfänge, gute Dienste leisten. In
der Höhe von 3170 Fuß schwindet am Brocken schon der Baumwuchs, nachdem
er zuvor niedrig und krüppelig geworden; nur das heilsame isländische Moos, die
Berganemone und einige Alpenkräuter fühlen sich auf dem kahlen Scheitel des
nebelumfluteten Vater Brocken wohl.
Im Thierreiche sind die Vögel am zahlreichsten vertreten, und der Spott-
vogel, der Zaunkönig, der Bergfinke, das Goldhähnchen, die Meise, der Zeisig,
der Staar, das Rothkehlchen, der Falke und die Drosseln, welche Heinrich I. den
Harz so lieb machten, sind noch jetzt sehr laut in diesen Waldungen. Die Jagd
liefert noch Eber, Hirsche, besonders viel Rehe; auch wilde Katzen finden sich noch
hin und wieder. Von Hausthieren sind im Harz Ziegen und Schafe, mehr noch
Schweine, besonders aber Rindvieh zu nennen.
Die größten Reichthümer des Harzes aber bestehen in Metallen, welche
durch den Bergbau zu Tage gefördert, in Schmelzhütten geschieden, in Hammer-
werken und Fabriken verarbeitet werden: Silber, Eisen, Kupfer, Blei, Zink,
Steinkohlen, Schwefel, Vitriol ist reichlich vorhanden. Silber gewinnt man noch
46,000 Mark jährlich, Eisen 220,000 Ctr., Kupfer 17,000 Ctr. Die bedeutendste
Silbergrube ist bei Andreasberg in der Berghauptmannschaft Clausthal.
Trotzdem werden die Bergleute und das Volk des Gebirges nicht reich. Die Berg-
werke gehören den Regierungen (Preußen, Braunschweig, Anhalt-Bernburg) oder
reichen Privatleuten. Wer mit eignen Händen Erzadern sprengt, schmelzt, häm-
mert, der hat die Mühe und nicht den Ertrag. Doch freut den Harzer die gute
Ausbeute, als wäre sie sein; denn er ist arm, aber zufrieden, und der Zufriedene
ist am Ende doch der Reichste.
Andere Beschäftigungen der Harzbewohner neben dem Bergbau sind das
Beerenlesen, das Holzhauen, die Kohlenbrennerei und die Vogelstellerei. Die
Beerenleser suchen sich die gelichteten Stellen des Waldes auf, wo sie Erd- und
Himbeeren in Menge finden, die sie dann zum Verkauf austragen. — Die Köhler
führen ein den Sennhirten ähnliches Leben. Ist der Schnee in den Bergen ge-
schmolzen, so ziehen sie mit ihren zweiräderigen Kohlenkarren fort von Weib und
Kind und kehren erst kurz vor Anbruch des Winters wieder heim. Sie sind unter-
allen Harzbewohnern diejenigen, die am längsten im Walde verweilen. Der Köh-
lermeister hat wie der Sennhirt seine Handbuben, dip ihn bei der Arbeit unter-
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T6: [Eisen Gold Silber Kupfer Wasser Blei Metall Salz Kalk Stein], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art]]
TM Hauptwörter (200): [T107: [Eisen Gold Silber Kupfer Blei Metall Salz Zinn Stein Mineral], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T94: [Stadt Fabrik Handel Dorf Schloß Weberei Einwohner Einw. Nähe Bergbau], T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch]]
Extrahierte Personennamen: Emma Bohdo Emma Bode Heinrich_I.