Bodengliederung und Besiedelung. — Geest.
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nach beiden Richtungen, nach Nordost die Jade von Rastede her mit manchem
kleinen Zufluß, darunter die Wapel, nach Südwesten die Quellbäche der
bei Oldenburg mündenden Haaren und die Bäten des Ammerlandes.
Ammerland (= Land am Meer, d. h. am Zwischenahner Meer) im engeren
Sinne wird das Gebiet des Amtes Westerstede genannt. Es ist fast ganz
eben und ohne bedeutende Bodenerhebungen und Senkungen und dacht
sich nach Südwesten zum Zwischenahner Meer und Aper Tief ab, dessen
zahlreiche Quellbäche alle in dieser Richtung fließen. Waldumkränztes
Acker- oder Wiesenland neben zusammenhängenden herrlichen Waldungen,
in denen die Eiche vorherrscht, Kiefern- und Tannenbestände auf Heide-
boden, Buchen auf Lehmgrund und in feuchten Niederungen Erlen und
Eschen machen diese Landschaft zur anmutigsten des Herzogtums. Der
Holzreichtum hat als besonderes Gewerbe den Schiffbau, die Stellmachern
und Kunsttischlerei hervorgerufen. Da die Rasenfläche oft mit Eisenstein
durchsetzt ist, so leidet die Wiesenkultur an dem eisenhaltigen Quell- und
Moorwasser. Das Zwischenahner Meer, 526 ha (f. Bild 11, S. 54),
hat einen Umfang von etwa 11 km, so das; die Stadt Oldenburg mit
Osternburg bequem darin Platz finden könnte. Es ist ein freundlicher
Binnensee, dessen tiefste Stellen sich im Nordosten befinden. Drei Bäche
speisen ihn, der Abfluß erfolgt durch zwei Bäche, welche nach ihrer Ver-
eiuiguug als Aue der Vehne zufließen. Kornfelder, Wiesen und Waldungen
umrahmen den See, und in seiner Tiefe tummeln sich Barsche, Hechte,
Aale, Brassen, Zander, Bleie und Stinte. Die Fischerei ist staatlich und an
F. L. Bodes in Bremen für etwa 2500 Mark jährlich verpachtet. Die An- »
lieger des Sees haben am Ufer seit alten Zeiten das Recht zu fischen.
Die Friesische Wede am Bockhorn, Zetel und Neuenburg, der Haupt-
bestandteil des Amtes Varel, ist ein Geestrücken, der nach Osten vorspringt
und mit der Anhöhe von Dangast so nahe an das Meer tritt, daß er hier
den Deich ersetzt. Im Westen begrenzen sie die großen Moore Ostfries-
lands, im Süden die Wapel und zwei Hochmoore, das Jührdener und
das Leugener Feld, an dessen Nordende das Große Bullenmeer liegt,
ein einsamer, flacher Moorsee, der von sandigen kahlen Ufern umgeben
ist. Die Bäche der Friesischen Wede fließen nach Nord oder Nordost.
Auf den Tonlagern der Anhöhen hat sich um Bockhorn eine bedeutende
Ziegelindustrie entwickelt. Der ganze Strich von Varel westwärts bis zur
Landesgrenze ist noch immer reich bewaldet. Das Neuenburger Holz,
569 ha, zwischen Bockhorn und Neuenburg, der Rest früherer viel größerer
Waldungen, ist ein Forst, der fast ganz auf Ton steht und deshalb überwiegend
Eichen aufzuweisen hat. Die Ortschaften Bockhorn, Grabstede und Astede
üben noch das Recht, ihr Rindvieh im Holz zu weiden, aus. Innerhalb
desselben liegt die „große Schar", der „Urwald" genannt, ein Verhältnis-
mäßig kleines Gebiet, ein Ausschlußforst, in welchem die Natur sich frei
entwickeln darf, weil die Hand des Menschen nur selten hineingreift, um
wertvolle Stämme herauszuholen. Hier wächst alles durcheinander: Eichen,
nicht so dick wie die im Hasbruch, aber zahlreich in Gemeinschaft, von arm-
dickem Efeu und anderen Schlinggewächsen umklammert, so daß die alters-
grauen Stämme wie bärtige Riesen erscheinen, Rot- und Weißbuchen,
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28
Das Herzogtum Oldenburg.
junge und alte, wankend, im Sturze von entgegenstrebenden Nachbarn
aufgehalten, oder vermodert als Behausung der zahlreichen Käfer, unter
den Bäumen ein undurchdringliches Dickicht von wilden Rosen, Brom-
beeren, Dornen: dies alles, vielleicht nicht im grellen Sonnenlichte, sondern
im Halbdunkel des scheidenden Sommertages gesehen, hat schon manchem
Naturfreund heilige Schauer eingeflößt und die Maler aus weiter Ferne
angelockt.
Die Jeverische Geest beginnt gleich hinter Sande. Wir sind am
Ende der Geest überhaupt angelangt. Vom Schloßturm zu Jever schauen
wir südlich zum Staatsforst Upjever hinüber, nach der anderen Seite aber
entzückt unser Auge das fruchtbare, flache Marschland, welches bis zum
Kranz der Deiche reicht.
Die Besiedelung ist auch auf diesem Teile der Geest nicht gleichmäßig. Auf
dem Lande fällt wieder die Neigung zur zerstreuten Wohnweise auf. So löst sich auch
die Hauptstadt vom Kern der Altstadt aus allmählich in Einzelgehöfte auf. Olden-
bürg hat über 30000 Einwohner, mit den Ortschaften Eversten, Nadorst, Donnerschwee
und Osternburg, die aber zu besonderen Gemeinden gehören, 40000 Einwohner. Die
Bedeutung Oldenburgs besteht zunächst darin, daß es Haupt- und Residenzstadt des
Großherzogtums und der Sitz der Hof- und höchsten Staatsbehörden und einer Ober-
postdirektion, der Stäbe der 37. Infanterie- und der 19. Feldartillerie-Brigade ist.
Hier stehen das Oldenburgische Infanterie-Regiment Nr. 91 und der Stab und die erste
Abteilung des Feldartillerie-Regiments Nr. 62 und im benachbarten Osternburg das
Oldenburgische Dragoner-Regiment Nr. 19. Die Stadt bietet ein freundliches Bild.
Um die alte Festung mit dem Großherzoglichen Residenzschloß ziehen sich an den Wasser-
läufen die wohlgepflegten Wallanlagen mit Linden und hundertjährigen Ulmen. Die
neueren Stadtteile dehnen sich gemächlich aus, und die nach künstlerischen Entwürfen
erbauten, von Gärten umgebenen neueren Häuser der Dobbenstadt im Schmucke der
Blumen und Büsche liegen in unmittelbarer Nähe des Everstenholzes und an Teichen,
die von Schwänen belebt werden. Hier erheben sich die Neubauten des Staats-;
Ministeriums und des Landtagsgebäudes. Am schönen Schloßgarten entlang strömt die
Hunte und dann über ein Stauwerk, das uns mit seinem Wasserfall das reizende
Bild eines Gebirgsortes vorspiegelt, zu dem belebten Hafen am Stau. (S. Bild 12
und 13, S. 55/56.)
Schon sehr früh entstand neben der Burg am Hunteknie, die zuerst 1108 nnt
Sicherheit urkundlich als Aldenborch nachzuweisen ist, an der alten Verkehrsstrahe
von Jever nach Bremen und Wildeshausen eine Ansiedelung, die seit den ältesten
Zeiten mit dem Geestrücken bei Osternburg durch einen Damm verbunden war. Der
Sachsenherzog Heinrich der Löwe hielt nach dem Tode Graf Christians I. (1167) die Burg
bis zu seinem Sturze besetzt. Im 13. und 14. Jahrhundert blühte der Ort, der sich
nördlich vom Schlosse gebildet hatte, schnell auf, und die steigende Bedeutung der
Gemeinde bewog Graf Conrad I. 1345, auf seine grundherrschaftlichen Rechte zu ver-
zichten und der Stadt einen Freibrief zu erteilen, der in der Urschrift im Stadtarchiv
aufbewahrt wird. Damit hing eine Erweiterung der Stadt zusammen, deren Mauern
nun an das Burggebiet heraugeführt wurden. Oldenburg hat an den Geschicken des
Grafenhauses Anteil genommen, und namentlich Graf Anton Günthers Hofhaltung
brachte einen bedeutenden Aufschwung. Nach seinem Tode sank es zur Landstadt
herab. Es war auch zur dänischen Zeit noch eine ziemlich starke Festung. Aber gegen
das Ende des 18. Jahrhunderts begann man die Werke niederzulegen, das 19. sprengte
die Fesseln völlig, und nun durchschnitten die Straßen die Wälle, der Torzwang hörte
auf. Mit dem Einzug der jüngeren Linie des Hauses Holstein-Gottorp 1773, der unser
Herrscherhaus angehört, begann ein frisches Leben auf allen Gebieten. Unter der
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_der_Löwe Heinrich Anton_Günthers Günthers
30
Das Herzogtum O>denburg.
also einen heiligen Hain gehabt haben. Zu Donnerschwee lag ein gräfliches Schloß,
das seit 1436 verschollen ist; hier wohnte die unglückliche Gräfin Jngeborg, als ihr
Gemahl Ocko tom Broke gefangengenommen war, dieselbe, die ihrem Vater Graf
Moritz (t 1420) das in der Krypta der Dorfkirche zu Rastede noch erhaltene Grab-
denkmal für die Klosterkirche herstellen ließ.
Das Kloster Rastede war mit der Geschichte des Grafenhauses eng verbunden,
es entstand abseits der alten Heerstraße von Oldenburg über Wiefelstede, wo 1067
die erste Kirche im Ammerland gegründet wurde, nach Jeverland. Rastede hieß ur-
sprünglich Radestad. Die Ulrichskirche im Dorfe wurde 1059 von Graf Huno gegründet.
Aus dem 12. Jahrhundert stammt die noch erhaltene Krypta. Die übrigen Teile der
Dorfkirche sind jünger. Bald nach der Gründung entstand durch die Freigebigkeit
Graf Hunos das Benediktinerkloster, dessen Altäre 1091 geweiht wurden. Bald nach
1300 wurde hier die Geschichte des Klosters Rastede geschrieben, die wichtigste Quelle
für die Geschichte Oldenburgs im Mittelalter. Im Jahre 1336 schrieb der Mönch
Gloystein die niederdeutsche Handschrift des Sachsenspiegels, die mit Bildern reich
verziert ist und jetzt dem Großherzog gehört. In der Reformationszeit wurde das
Kloster 1529 eingezogen. Graf Anton Günther ließ die alte Abtei niederwerfen und
dafür ein neues Gebäude mit einem Turm errichten, die Klosterkirche aber wurde wieder-
hergestellt. So wurde Rastede seine glanzvolle Sommerresidenz mit einem Marstall
und einer Reitschule, die viele vornehme Herren besuchten. Das Kloster, die Kirche
und Graf Anton Günthers Bauten sind jetzt verschwunden. Von der Klosterkirche,
einer flachgedeckten Säulenbasilika, sind einige Reste wiederaufgefunden und im Park
aufgestellt worden. An der Stelle des Klosters erhebt sich in herrlichen Park- und
Gartenanlagen das Schloß, der Lieblingssitz der großherzoglichen Familie im Früh-
ling und im Sommer. Das Versailles von Oldenburg ist Rastede einst von einem
französischen Gaste genannt worden. Rastede hat 1230 Einwohner und ist ein be-
liebter Ausflugsort mit regem Gärtnereibetrieb und zahlreichen Ziegeleien. Der
Mittelpunkt des eigentlichen Ammerlandes ist die Ortschaft Westerstede, 1494 Ein-
wohner, von Busch, Wiese und Ackerland in buntem Wechsel umgeben. Die Gemeinde
hat einen reichen Waldbestand, namentlich an Eichen. Die Kirche wurde in der ersten
Hälfte des 12. Jahrhunderts durch Schenkungen der Herren von Fikensolt begründet.
Der Turin ist an vier Ecktürmchen zu erkennen. In Westerstede endigte mit einem Ge-
fecht am 6. November 1813 die französische Gewaltherrschaft in Oldenburg. Nördlich
von Westerstede war Burgforde'als Schutzwehr gegen die Ostfriesen eins der Herr-
schaftlichen festen Häuser, 1749 erhielt es der Amtmann Manch von Wirten als Mann-
lehen mit dem Namen Wittenheim; nach dem Tode seines Enkels fiel das Gut an
die Landesherrschaft zurück. Nur die Burgstelle ist erhalten. Deutlicher treten die
Umrisse der alten Burganlage von Münsingen in der Nähe des Gutes Fikensolt
hervor. Auch hier sind alle Baulichkeiten verschwunden. Mit Fikensolt war seit
der Mitte des 18. Jahrhunderts das Gut der Herren von Kobrink verbunden. Das
Gut Seggern war einst der Sitz eines jener alten Adelsgeschlechter des Ammer-
landes, die samt und sonders schon vor der ausgreifenden Gewalt der gräflichen Landes-
Herrschaft verschwunden sind. Um das Zwischenahner Meer und sonst in dieser
Gemeinde wohnten im Mittelalter die Herren von Aschwede, Kaihausen, Zwischen-
ahn und Elmendorf. Die Herren von Elmendorf vertauschten schon 1331 ihren Besitz
und die Fischereigerechtigkeit auf dem Meere an die Grafen von Oldenburg gegen
Güter im Hasegau. Das Gut Eihausen allein hat sich erhalten, es ist im Besitze der
Familie Bothe. Das Dorf Zwischenahn, etwa 1350 Einwohner, durch Dampfer
mit dem gegenüberliegenden Dreibergen (das nach künstlich aufgeworfenen Hügeln
benannt ist) verbunden, liegt auf einem Hügelrücken am Südende des schönen Sees,
der alljährlich das Ziel vieler Erholungsbedürftiger ist. Es hat ein Kurhaus und schön-
gelegene Gasthäuser, unmittelbar am See sind zahlreiche Landhäuser erstanden; daher
hat die Gemeinde ein Gebiet erworben und zu einem frei zugänglichen Strandpark
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Allgemeines. — Staatsverfassung.
3
Das Großherzogliche Wappen enthält auf einem Hauptschilde
mit sechs Feldern für Norwegen, Schleswig, Holstein, Stormarn, Dith-
Marschen und Kniphausen einen Mittelschild mit fünf Feldern für die roten
oldenburgischen Balken auf goldenem Grunde oben links, das goldene
Delmenhorster 5treuz auf blauem Grunde oben rechts, das goldene Lübecker
Kreuz auf blauem Grunde mit darüber schwebender Bischofsmütze unten
links, das von Rot und Silber geschachte Wappen für Birkenfeld unten
rechts und auf der von unten eingepfropften Spitze den goldenen Jeverischen
Löwen auf blauem Grunde. Die Zentralbehörden des Großherzogtums
führen diesen Mittelschild des großen Wappens.
Die Staatsverwaltung wird unter dem Eroßherzog von einem dem
Landtage verantwortlichen Staatsministerium geleitet. Es umfaßt
folgende Ministerien: 1. des Großherzoglichen Hauses und der Auswärtigen
Angelegenheiten,- 2. des Innern; 3. der Justiz; 4. der Kirchen und Schulen;
5. der Finanzen. Es gibt aber nur drei Minister, dem Minister des Innern
sind auch die Ministerien des Großherzoglichen Hauses und der Auswärtigen
Angelegenheiten und dem Minister der Justiz das Ministerium der Kirchen
und Schulen übertragen. Das Finanzministerium verwaltet auch das
Eisenbahnwesen, den Hochbau im Herzogtum Oldenburg, das Forstwesen,
die Domänen und das Vermessungs- und Katasterwesen. Die drei Minister
bilden mit Sitz und Stimme das Gesamtministerium, dem eine Reihe von
Angelegenheiten übertragen ist, worüber die einzelnen Minister nicht selb-
ständig entscheiden können. Unter dem Gesamtministerium stehen die
Verwaltungsgerichte und das Oberverwaltungsgericht.
Der Landtag hat nur eine Kammer und ist als die gesetzliche Ver-
tretung aller Staatsbürger des Großherzogtums berufen, ihre auf der
Verfassung beruhenden Rechte geltend zu machen, an der Gesetzgebung
mitzuwirken, die Steuern zu bewilligen und den Staatshaushalt fest-
zustellen. Er hat das Recht, über alle Staatsangelegenheiten von der
Regierung Auskunft zu begehren. Dem Großherzog bleibt das volle Veto
gewahrt, er ernennt und entläßt die Minister nach freiem Ermessen. Fürst
und Volk sind aufeinander angewiesen, ohne ihre Einigung entsteht kein
Gesetz. Der Landtag wird jährlich auf Grund allgemeiner, unmittelbarer
und geheimer Wahlen berufen, er hat jetzt 45 Abgeordnete. Wahlberechtigt
und wählbar ist jeder Deutsche, der zur Zeit der Wahl das 25. Lebensjahr
vollendet hat und seit mindestens drei Jahren im Großherzogtum wohnt.
Wer 40 Jahre alt ist, hat bei der Ausübung des Wahlrechtes zwei Stimmen.
Die Wahl erfolgt für fünf Jahre in 29 Wahlkreisen, deren Abgrenzung alle
20 ^ahre geprüft werden muß. Die Abgeordneten erhalten die Reisekosten
erstattet und beziehen Tagegelder.
Für die allgemeinen Landesausgaben besteht eine Zentralkasse,
wozu die drei Landesteile in bestimmtem Verhältnis ihre Beiträge zu zahlen
haben. Sonst geht die Finanzverwaltung der Landesteile eigene Wege.
Die Rechtspflege ist durch Reichsgesetz geregelt. Das Reichsgericht
in Leipzig ist die Spitze des Rechtszuges. Das Oberlandesgericht in Olden-
bürg steht unter Aufsicht des Staatsministeriums und ist zugleich vor-
gesetzte Dienstbehörde für das Landgericht und die Amtsgerichte. Das
1*
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32
Das Herzogtum Oldenburg.
sind in ganz Deutschland rühmlichst bekannt, Vareler Tabakmaschinen haben einen
Weltruf erlangt, eine Lederfabrik stellt hauptsächlich Treibriemen her, Ziegeleimaschinen
werden auf den Markt gebracht. Auch in mechanischer Weberei, in Buch- und Kunst-
druckerei, Tabak- und Zigarrenfabrikation zeichnet sich Varel aus. Die Stadt liegt
im Knotenpunkt der Bahnen nach Oldenburg, Jever, Brake—nordenham, Neuenbürg-
Westerstede. Sie ist der Sitz eines Amtes und eines Amtsgerichtes, hat eine Bau-
gewerkschule, eine Realschule und ein Seminar. Die Kirche trägt mit dem stumpfen,
trotzigen Turm den Charakter der friesischen Festungskirchen (f. Bild 16, S. 58).
Das Innere ist neu ausgestattet, über dem prachtvollen Altar von Munstermann
stellt im Gewölbe ein altes Deckengemälde den Grafen Gerd von Oldenburg dar.
In der Friesischen Wede steht Bockhorn im Mittelpunkt einer eigenartigen
Ziegelindustrie, die Ausfuhr der Bockhorner Klinker ins Reich, nach Dänemark, Ruh--
land, Schweden und anderen Ländern wächst beständig. Der Ton, der hierzu verwendet
wird, findet sich nur in dieser Gegend; er verglast bei stärkerem Feuer an der Ober-
fläche. Die so in den Ringöfen gewonnenen Steine, die man an ihrer dunkelblauen
Färbung erkennen kann, sind besonders hart und werden deshalb vorzugsweise zu
Chausseen und Fuhwegen, zu Wasserbauten und sonst verwendet. Im Amte Varel
wurden 1912 in 27 Ziegeleien rund 60 Millionen Klinker gemacht. Das alte Schloß
in Neuenburg, von Graf Johann Vii. von 1579 bis 1582 erbaut, war der Witwensitz
der Gemahlin Graf Anton Günthers. Als der Dichter Graf Friedrich Leopold von
Stolberg hier als Vorsitzender des Landgerichts wohnte, traf ihn der für sein ganzes
Leben verhängnisvolle Schlag, daß er seine Gattin Agnes von Witzleben verlor. Im
Schloß sind jetzt Wohnräume für ein Lehrerinnenseminar eingerichtet. Der Flecken
Zetel, 1200 Einwohner, hat mechanische Baumwollwebereien; die früher aus-
gedehnte Hausindustrie hat aufgehört.
Zu den Geestrandstädten mutz auch Jever gerechnet werden; es liegt auf einer
ausgedehnten Sanddüne, die durch eine schmale Zunge mit der Geest zusammen-
hängt und sonst unmittelbar zur Marsch abfällt. Jever, eine sehr alte Ansiedelung,
„Gauort" (Gavari) des Gaues Ostringen, trat schon früh mit seinem kirchlichen und
wirtschaftlichen Zubehör selbständig neben dem Gau auf. Die erste Burg legte um
1385 der Häuptling Ede Wimmeken hier an. Als diese zerstört war, baute Haje Harlda
nach Ostern 1428 eine neue, von der die ältesten Teile des heutigen Schlosses stammen.
Der Turm steht frei auf dem Binnenhose, weithin sichtbar als ein Wahrzeichen des
Jeverlandes (f. Bild 15, S. 57) Fräulein Maria, die Letzte der Häuptlingsfamilie,
erhob 1536 Jever zur Stadt und befestigte es; sie begründete 1573 das Gymnasium
und beschäftigte den Bildschnitzer Meister Adrian, um die schöne, im Audienzsaal noch
erhaltene kunstvolle Eichenholzdecke zu schnitzen, und den Bildhauer Meister Johann de
Schulte aus Breda, der das Denkmal ihres Vaters Edo Wimmeken Ii. in der Stadt-
kirche schuf. Sie vermachte Jeverland dem Hause Oldenburg und starb 1575. Sie
hat neuerdings neben dem Amtsgebäude von Harro Magnussen ein schönes Denkmal
erhalten. Bis zum Jahre 1818 sind die Befestigungen der Stadt entfernt worden, und
Jever wurde wieder eine offene Stadt. In den Anlagen auf den ehemaligen Festungs-
wällen erheben sich die Denkmäler des Geschichtschreibers Schlosser, der 1776 in Jever
geboren wurde, und des Chemikers Mitscherlich aus der Gemeinde Neuende in Jeverland
(geboren 1794). Durch die „Getreuen", die dem Fürsten Bismarck alljährlich 101 Kibitz-
eier verehrten und zum Dank einen silbernen Kiebitz-Prunkbecher für ihr Versamm-
lungszimmer erhielten, ist Jever in der ganzen Welt berühmt geworden. Jever besitzt
ein Altertumsmuseum. Die Stadt ist der Mittelpunkt des Jeverlandes insofern, als
von hier aus ein lebhafter Viehhandel betrieben wird. Sie ist der Sitz eines Amtes
und eines Amtsgerichtes.
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Extrahierte Personennamen: Munstermann Gerd_von_Oldenburg Graf_Johann_Vii Johann Anton_Günthers Günthers Friedrich_Leopold_von
Stolberg Friedrich Leopold Agnes_von_Witzleben Haje_Harlda Fräulein_Maria Maria Adrian Meister_Johann_de
Schulte Johann Harro_Magnussen Schlosser Mitscherlich
Allgemeine Zahlennachweise. — Geschichtliche Entwicklung.
5
Allgemeine Abersicht.
qkrn Ein- wohner auf 1 qkrn Evan- gelische Katho- liken Andere Christen Juden
Herzogt. Oldenburg 5384,63 391 246 73 291 114 97 089 2093 950
Fürstentum Lübeck. 541,66 41 300 76 40 442 811 32 15
Fürstent. Birkenfeld 502,83 50 496 100 40 094 9 608 234 560
Grvßh. Oldenburg . 6429,12 483 042 75 371 650 107 508 2359 1525
Das Verhältnis der Bekennwisse des Großherzogtuins.
Bekenntnisse 1855 Zahl Prozent 1900 Zahl | Prozent 1910 Zahl j Prozent
Evangelische .... 213 128 74,22 309 510 77,54 371 650 76.04
Katholiken..... 71 991 25,07 86 920 21,77 107 508 22,26
Andere Christen. . . 550 0,19 1 391 0,35 2 359 0,48
Juden ...... 1 494 0,52 1 359 0,34 1 525 0,32
Gesamtbevölkerung . 287 163 — 399 180 — 483 042
Die geschichtliche Entwicklung Oldenburgs ist durch ein Herrscherhaus geleitet
worden, das seit den ältesten Zeiten mit den Interessen des Landes verbunden ist und
eine Reihe hervorragender Führer des Volkes hervorgebracht hat. Als eins der ältesten
Dynastengeschlechter saßen die Ahnherren des Großherzogs dereinst im Süden des
Herzogtums mit bedeutendem Grundbesitz auf dem Hausgute des Sachsenherzogs
Widukind, von dem sie mütterlicherseits wahrscheinlich abstammten. Von Wildes-
hausen, wo Widukinds Enkel Waltbert 851 ein Chorherrenstift begründete, kam
Egilmar I., der Erbe des im Ammerlande begüterten Grafen Huno und seines linder-
losen Sohnes Friedrich, um 1100 als ein mächtiger Graf in dieses Grenzgebiet der
Sachsen und der Friesen. Graf Egilmars Enkel teilten den Hausbesitz. Die ältere
Linie blieb in Wildeshausen und erlosch im Mittelalter. Die jüngere begründete in
Oldenburg ein Staatswesen, das sich auch nach der vorübergehenden Besitznahme
durch Herzog Heinrich den Löwen als lebensfähig erwies. Die Grafen drangen von
der Geest in die Wesermarschen vor und standen an der Seite des Erzbischofs Gerhard
von Bremen, als 1234 der Widerstand der Stedinger, die an der Weser zu beiden
Seiten der Huntemündung saßen, in der Schlacht bei Altenesch gebrochen wurde.
Die Grafen stießen schon früh ihren Hausbesitz im Süden des heutigen Herzogtums
ganz ab und verlegten den Schwerpunkt ihrer Macht nach dem Ammerlande, wo sie
ihre Landeshoheit immer mehr zu befestigen verstanden. Graf Konrad I. förderte
die Entwicklung der Stadt Oldenburg, indem er ihr 1345 nach dem Vorbilde Bremens
einen Freibrief erteilte. Hundert Jahre später bestieg Graf Dietrichs Sohn Christian
1448 den dänischen Königsthron. Sein Bruder Graf Gerd von Oldenburg trat zu
Herzog Karl dem Kühnen von Burgund in ein Dienstverhältnis, erfüllte Nordwest-
deutschland mit Kriegslärm, erlag aber schließlich den Angriffen des Bischofs Heinrich
von Münster, eines Grafen von Schwarzburg. Im 16. Jahrhundert wurden Staats-
gebiet und Hoheitsrechte erheblich erweitert: die Schlacht bei Hartwarden 1514
brachte die Eroberung der Wesermarschen in Stadland und Butjadingen, die Refor-
mation eine wesentliche Steigerung der Staatsgewalt; Fräulein Maria von Jever
hinterließ ihre Herrschaft, die von Edo Wimmeken dereinst begründet war, 1575 dem
Grafen Johann Vii. von Oldenburg, welches nun mit der Insel Wangeroog an die
Nordsee vorrückte. Graf Johanns Sohn Anton Günther (1603—1667) verstand
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Extrahierte Personennamen: Birkenfeld Egilmar_I. Friedrich Friedrich Egilmars Heinrich Heinrich Gerhard Konrad_I. Graf_Dietrichs Christian Gerd_von_Oldenburg Karl Karl Heinrich
von_Münster Heinrich Schwarzburg Maria_von_Jever Maria Johann_Vii Johann Johanns Johanns Anton_Günther Günther
6
Das Großherzogtum Oldenburg.
es, mit großer Klugheit und Geschicklichkeit in den Stürmen des Dreißigjährigen Krieges
seine Neutralität zu wahren, und er erwarb den Weserzoll, der den bremischen Kauf-
mann im Laufe der Zeit schwer belastete, dem Oldenburger Lande aber eine wesent-
liche Steigerung seiner Staatseinnahmen brachte. Mit ihm starb die Grafenlinie ans,
und nach seinem Tode fiel die Grafschaft Oldenburg-Delmenhorst an Dänemark,
Jeverland an Anhalt-Zerbst, Varel und Kniphausen an seinen nicht lehnsberechtigten
Sohn Graf Anton von Aldenburg. Der dänischen Herrschaft verdankte Oldenburg
die von Graf Anton Günther vorbereitete Bauernbefreiung (1668—1693) und nach
der Weihnachtsflut von 1717 den neuen Deichring um Vutjadingen. Nachdem die
dänische Fremdherrschaft etwa hundert Jahre gedauert hatte, bestieg Herzog Friedrich
August von der jüngeren Linie des Hauses Gottorp durch ein Entgegenkommen seiner
Verwandten den Thron, und die Grafschaft wurde zum Herzogtum erhoben. Olden-
bürg war wieder auf sich gestellt, und unter der Führung eines fleißigen Beamten-
tums arbeitete die Bevölkerung mit Erfolg an der Hebung der Landeswohlfahrt. Auf
Herzog Friedrich August folgte im Alter von dreißig Jahren sein Neffe Peter Friedrich
Ludwig (1785—1829). Er hat es nicht leicht gehabt. Denn die Revolutions-
kriege und Napoleons Gewaltherrschaft zogen auch Oldenburg in Mitleidenschaft. Er
mußte 1803 auf den ertragreichen Weserzoll verzichten und erhielt dafür Wildeshausen
und das Münsterland. Zu den protestantischen Landesteilen traten damit katholische.
Das Hochstift Lübeck, dessen Inhaber der Herzog bis dahin für seine Person gewesen
war, wurde dem Staate einverleibt. Er sah sich gezwungen, in den Rheinbund ein-
zutreten, hielt sich aber vorsichtig zurück, als 1809 Herzog Friedrich Wilhelm von Braun-
schweig, verfolgt von Rheinbundtruppen, durch Stedingen nach Elsfleth zog, um sich
nach England einzuschiffen. Zwei Jahre später wurde Herzog Peter von Napoleon
aus seinem Lande vertrieben, und Oldenburg wurde ein Teil der Allemagne fransaise.
Er begab sich nach Rußland zum Zaren Alexander I., dessen Schwester Katharina sich
mit seinem Sohne Herzog Georg vermählt hatte, und kehrte erst nach der Schlacht
bei Leipzig nach Oldenburg zurück. Auf dem Wiener Kongreß wurde ihm statt eines
Gebietszuwachses in der Nähe des Herzogtums das ferngelegene Birkenfeld zuge-
wiesen, und der Zar überließ ihm für die Leiden der Franzosenzeit auch Jeverland.
Den Großherzogstitel, der ihm wie Karl August von Sachen-Weimar zugesprochen
wurde, nahm erst sein Nachfolger bei seiner Thronbesteigung an. In der folgenden
Friedenszeit hat Herzog Peter Friedrich Ludwig sein Staatswesen neu geordnet und
gut geleitet. Die Gemeinden, die in der Franzosenzeit auf das ärgste zerrüttet waren,
befreite er von ihren Schulden. Er ordnete das Finanzwesen des Staates, sorgte für
Kunst und Wissenschaft und verbesserte nach der Flut von 1825 den Deichring. Seine
edle, vornehme Haltung, sein unverdrossener Fleiß, seine friderizianische Staats-
gesinnung blieb den Untertanen in dankbarer Erinnerung. Unter seinem Sohne Groß-
herzog Paul Friedrich August, einem Herrscher von großer Arbeitstreue und Kenntnis
der öffentlichen Verhältnisse, trat Oldenburg 1848 in die Reihe der Verfassungsstaaten
ein. Großherzog Nikolaus Friedrich Peter (f 1900) überließ schon im ersten Jahre
seiner Regierung Preußen gegen eine Entschädigung das Gebiet von Wilhelmshaven
und erwarb von den Bentinckschen Erben, den Nachkommen Graf Antons von Alden-
bürg, Varel und Kniphausen. Bei der Lösung der Schleswig-Holsteinischen Frage
erhielt er als Landzuwachs einige kleine holsteinische Gebiete zur Abrundung des
Fürstentums Lübeck und eine Million Taler, die er zur Erweiterung des Hausfidei-
kommisses verwendete. In dem Kampf um die Einigung des Vaterlandes trat er ent-
schlössen auf die Seite Preußens, und mit Begeisterung nahmen Fürst und Volk an
den Ereignissen des großen Krieges gegen Frankreich teil. Dann brachte das Deutsche
Reich in der langen Friedenszeit den großen politischen und wirtschaftlichen Auf-
schwung, dessen Oldenburg auch unter Großherzog Friedrich August (seit 1900)
sich erfreut hat, bis die Kulturhöhe Deutschlands eine Welt von neiderfüllten Feinden
gegen sich heraufbeschwor.
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Extrahierte Personennamen: Anton_von_Aldenburg Anton_Günther Günther Friedrich
August Friedrich August Friedrich_August Friedrich August Peter_Friedrich
Ludwig_( Friedrich Ludwig Napoleons Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Peter_von_Napoleon Napoleon Alexander_I. Alexander_I. Katharina Georg Birkenfeld Karl_August_von_Sachen-Weimar Karl August Peter_Friedrich_Ludwig Friedrich Ludwig Paul_Friedrich_August Friedrich August Nikolaus Friedrich_Peter_( Friedrich Friedrich Friedrich August
Extrahierte Ortsnamen: Oldenburg Anhalt-Zerbst Varel Oldenburg Napoleons Oldenburg Rheinbund Rheinbundtruppen Elsfleth England Oldenburg Leipzig Oldenburg Oldenburg Wilhelmshaven Varel Fürstentums_Lübeck Frankreich Deutsche
Reich Oldenburg Deutschlands
Bodengliederung und Besiedelung. — Die Marschen.
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die dort so breit ist roie der Bosporus bei Konstantinopel, Bremerhaven
und das preußische Geestemünde. Das große Wer? der Weserkorrektion
hat Bremen 1887 begonnen und 1894 fertiggestellt. Durch Leitdämme
ist vermittelst großer Senkstücke eine neue gerade Stromrinne geschaffen,
die großen Krümmungen sind verkürzt, die kurzen scharfen ganz beseitigt.
Spaltungen des Stromes sind durch Abschließung des einen. Arms auf-
gehoben, und umfangreiche Baggerungen haben die Gestalt des Strom-
bettes verbessert. So Wird durch die Flutwelle eine viel größere Wasser-
menge als früher nach oben geschafft, und die Ebbe, die nun tiefer abfällt,
spült und vertieft das Strombett. Auf diese Weise bildet die bedeutend
vergrößerte Stromkraft selbst ein geräumiges Bett aus. Der Tiefgang der
Seeschiffe, die nach Bremen hinaufkommen, ist von 3 auf 6 in gehoben
und noch im Steigen begriffen. Die Platenbildung Wird nun dauernd ver-
hindert. — Durch eine im Anschluß an die Weserkorrektion ausgeführte
Huntekorrektion ist von 1893 bis 1899 das Flußbett bis Oldenburg von
2 auf reichlich 3,75 m tiefer gelegt Worden, um größeren Schiffen als bisher
Zugang zu verschaffen; damit ist aber auch die Abwässerung der anliegenden
Länderteile Wesentlich erleichtert, und der Moorriemer Kanal, Welchen man
zur Entwässerung von Moorriem mit großen hosten vom Wolfsdeich bei
Bornhorst bis Käseburg unterhalb von Elsfleth hergestellt hat, wird durch
die Huntekorrektion in der Lösung seiner Aufgabe wesentlich unterstützt.
Durch die Weserkorrektion veranlaßt ist der Bau eines großen Süßwasser-
kanals, der lediglich den Zweck der Zuwässerung hat und von der Weser
beim Beckumer Siel nach Butjadingen geführt worden ist.
Die Besiedelung der Marschen ist im ganzen gleichmäßig. Die Bevölkerung
drängt sich nur an wenigen Punkten, die für Handel und Schiffahrt an der Weser
günstig liegen, zu größeren Ortschaften zusammen. Am Ausgang des Iadebusens
ist der Reichskriegshafen Wilhelmshaven entstanden. Für einen Handelshafen wäre
der Platz nicht günstig gewesen. Die Hunteniederung und das Niederungsland an der
Weser südlich und nördlich von der Huntemündung sind im 12. Jahrhundert plan-
mäßig besiedelt worden, die neuen Bewohner fühlten sich bald als Gemeinschaft und
nannten sich Stedinger. Unterhalb der Stadt Oldenburg entstand als eine Ansiedelung
von Holländern das Kirchspiel Holle. Später siedelten sich Nonnen in Blanken-
bürg an auf Gütern, die fünf Ritter von Graf Johann von Oldenburg gekauft hatten.
Das Kloster wurde in der Reformationszeit eingezogen und 1632 von Graf Anton
Günther zu einem Armen- und Waisenhaus gemacht. Jetzt ist es eine Bewahr- und
Pflegeanstalt für unheilbare Geisteskranke und gemeingefährliche Kranke. Das an-
grenzende Moorgebiet heißt Wüsting. In Neuenhuntorf wurde 1683 der berühmte
russische Generalfeldmarschall Graf Burchard Christoph von Münnich geboren.
Stedingen wird heute nur das Land an der Ollen südöstlich von Hunte bis zur Weser
genannt. An der Ollen und der Weser entlang ziehen sich langgestreckte Ortschaften.
Der freundliche Flecken Berne, 727 Einwohner, ist in der Mitte des 12. Jahrhunderts
entstanden. Der Kirchturm ist ein Wahrzeichen für ganz Stedingen. Bei Alten-
esch im Amte Delmenhorst, wo am 27. Mai 1234 die Stedinger nach hartnäckigem
Kampfe von einem Kreuzheere besiegt wurden, erinnert ein Denkmal an den Ver-
zweiflungskampf des Bauernvolkes. Das Gebiet der Gemeinden Altenhuntorf, Barden-
fleth und Neuenbrok wird Moorriem genannt. An der Weser, in der Nähe der
Huntemündung, an der Bahn von Hude nach Brake liegt Elsfleth, 1856 zur Stadt
erhoben, 2300 Einwohner. Der Reedereibestand ist geringer geworden. Da die Segel-
schiffahrt immer mehr zurückging, wurde unter dem Druck der Verhältnisse 1896 eine
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Extrahierte Personennamen: Graf_Johann_von_Oldenburg Johann Anton
Günther Günther Graf_Burchard_Christoph_von_Münnich
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Das Herzogtum Oldenburg.
Heringsfischerei-Aktiengesellschaft gegründet. Bei Elsfleth wurde einst der Weserzoll
erhoben, der Graf Anton Günther 1623 verliehen war und eine wichtige Einnahme-
quelle des oldenburgischen Staates wurde. Der Zoll wurde Oldenburg 1803 ab-
gesprochen, hörte aber erst am 7. Mai 1820 auf. Ein Denkmal an der Weser erinnert
an die Einschiffung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Braunschweig-Ols nach Eng-
land am 7. August 1809.
An der Grenze Stedingens und des friesischen Stadlandes entstand an der
Brake zu Harrien eine Ortschaft, die sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu
größerer Bedeutung entwickelte. 1856 wurde Brake zur Stadt erhoben. Die An-
legung von Bremerhaven (1830), der Wettbewerb von Nordenham und die Eröffnung
der Geestebahn von Bremen nach Bremerhaven hemmten die Entwicklung der Stadt.
Ein neuer Aufschwung trat ein seit dem Bau der Bahn von Hude nach Brake. Neue
Dampferlinien wurden errichtet, der Binnenhafen (f. Bild 19, 6.59) erweitert, im An-
schluß an die Weserkorrektion ein Pier gebaut und eine direkte Bahnverbindung nach
Oldenburg geschaffen. Brake hat jetzt etwa 5500 Einwohner, ist 6itz eines Amtes, Amts-
gerichts, Seeamts und Hauptzollamts und besitzt eine Realschule. Eine Motorenfabrik ist
jüngst errichtet worden. Brake ist der wichtigste oldenburgische Hafenplatz mit ausgedehnter
Reederei. Es besteht ein geschlossener Freihafenbezirk binnendeichs neben dem Bahnhof
und draußen ein Pier von etwa einem Kilometer Länge für große und größte Schiffe
bis zu 7,5 m Tiefgang. Brakes Schiffsverkehr beruht in erster Linie auf der Einfuhr be-
sonders von Getreide, aber auch von Holz, Kohlen und Salpeter. Es ist ein Umschlags-
platz, die größten Geschäfte sind Speditionsgeschäfte. Von hier fuhren die Dampfer
der Oldenburgisch-Portugiesischen Dampfschiffs-Reederei-Aktiengesellschaft in regel-
mäßiger Fahrt nach Portugal und Marokko. Nordwestlich von Brake liegt in der Marsch
der Flecken Ovelgönne, 550 Einwohner, als Markt für Rindvieh und Pferde von
Wichtigkeit. Hier war früher ein gräfliches Vorwerk und eine Festung, die 1514 als
Zwingburg (llbelgegönnt?) gegen die Rüstringer Friesen errichtet war. In der grünen
Marsch, durch schattige Straßen mit einer Reihe von Ortschaften verbunden, ist
Rodenkirchen ein Sammelpunkt landwirtschaftlicher Interessen, Sitz der größten
Molkereigenossenschaft des Deutschen Reiches. Zur Erinnerung an die Niederlage
der Friesen 1514 ist in Hartwarden ein Denkmal errichtet worden. Zum Amte Brake
gehört auch Land Würden rechts von der Weser, ein alter Besitz des oldenburgischen
Hauses. Es bildet die Gemeinde Dedesdorf, die hinter hohen Deichen im flachen,
fruchtbaren Marschland sich großen Wohlstandes erfreut. Eine Dampffähre verbindet
Dedesdorf mit dem Bahnhof von Kleinensiel. Zu Land Würden gehört die Luneplate,
856 ha, eine eingedeichte wertvolle Privatbesitzung, und die Bullenplate, die Domanial-
gut ist. Von Dedesdorf ist der Marschenhof des Dichters Hermann Allmers in Rechten-
fleth leicht zu erreichen.
Wo das alte Butjadingen an der Heete bei Atens an Stadland grenzte, nicht
weit von Eoldewärf, das durch einen Sieg der Friesen über die Oldenburger und
Bremer 1368 berühmt geworden ist, faßten vor 500 Jahren die Bremer festen Fuß
und erlangten mit dem Bau der Friedeburg 1407 die Herrschaft über Stadland, But-
jadingen und Land Würden. Friesischen Häuptlingen mußten sie aber weichen, und
1514 gelang es Oldenburg, das Mündungsgebiet der Weser in seine Hand zu bringen.
Der Kampf Bremens und Oldenburgs um den Weserstrom hat lange gedauert; er
führte zur Gründung Bremerhavens und zur Ausführung der Weserkorrektion, die
auch den oldenburgischen Häfen zugute kam. Handel und Industrie haben Bremer-
Häven gegenüber in Nordenham und in den Nachbargebieten der Gemeinde Bieren
einen ungeahnten Aufschwung genommen. Nordenham ist in wenigen Zähren so
gewachsen, daß es am I.mai 1908 zur Stadt erhoben wurde; es hat jetzt mehr als
8500 Einwohner. Da der Weserstrom bei einer Wassertiefe von 12 m hier an das west-
liche Ufer drängt und die Ecke bei Blexen vor den Nordwestwinden Schutz bietet, so
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Extrahierte Personennamen: Anton_Günther Günther Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm August Hermann_Allmers
Bodengliederung und Besiedelung. — Die Marschen.
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setzte es 1857 der Kaufmann Wilhelm Müller in Atens durch, daß der Norddeutsche
Lloyd eine regelmäßige Dampferverbindung zum Versand von Mastvieh und Schafen
von Nordenham nach England einrichtete. Nach und nach stieg die Bedeutung Norden-
hams, namentlich seit der Lloyd von 1890 an seine New Yorker Schnelldampfer an den
Piers laden und löschen ließ (s. Bild 18, S. 59). Es war für den Ort ein Schlag, als
1896 die Lloyddampfer wieder von Bremerhaven in See gingen; dazu kam, daß Brake
den Getreideverkehr mehr und mehr an sich zog. Neuerdings aber haben sich unter der
Fürsorge des seeliebenden Großherzogs Friedrich August und seiner Regierung der
Handelsverkehr und die Industrie in dieser Zukunftsecke Oldenburgs zu einer großen
Bedeutung erhoben. Nordenham ist Sitz des Amtes und des Amtsgerichtes, besitzt eine
Realschule und hat eine vorzügliche Lage hart an dem tiefen Strom, so daß die Er-
Zeugnisse der Industrie unmittelbar in die Schiffe verladen und die Rohstoffe auf dem
Wasserweg ohne Umladung bezogen werden können. Auf Blexer Gebiet treffen wir
in nächster Nähe der Stadt die Metallwerke „Unterweser"-Aktiengesellschaft in Friedrich-
August-Hütte zur Gewinnung von Schwefelsäure, Zink, Blei und Silber mit einer Muffel-
(Retorten-) Fabrik und einer Ziegelei, darauf die Superphosphatfabrik für Dünge-
mittel A.-G., und die I, Frerichs & Co.-Werft A.-G. bei Einswarden, das jetzt
1950 Einwohner (früher nur 170) zählt. Daran schließt sich die Benzin-Lagerungs-
Gesellschaft Bieren und dabei die Anlegeplätze der Weserschiffsgesellschaft, die eine
fast stündliche Verbindung mit Geestemünde—bremerhaven unterhalten. Bieren,
das an seinem trotzigen alten Kirchturm zu erkennen ist, hat sich auch als Bade- und
Luftkurort entwickelt, die Anlagen befinden sich zum Teil aus der Franzosenschanze,
der alten Batterie aus der Zeit Napoleons I., wo 1813 zehn Kanoniere und der Kor-
poral Lübbe Eilers gefangengenommen wurden, die ihre vorzeitige Erhebung mit
dem Tode büßen mußten. Auf dem Kirchhof der alten Friesenkirche erinnert daran
ein Gedenkstein.
Unbedingt an die See gebunden ist die Aktiengesellschaft Seekabelwerke in
Nordenham, die als Weltfirma einen bedeutenden Ruf genießt und die englischen See-
kabel zum Teil vom Markt verdrängt hat. Sie hat das zweite deutsch-amerikanische
Kabel der Deutsch-Atlantischen Telegraphengesellschaft Köln von Borkum über die
Azoren nach New York, 7992 km, in Ostasien von Eelebes nach Jap und Guam und von
Schanghai nach Jap für die Deutsch-Niederländische Telegraphengesellschaft Köln,
Kabel von 6837 km Gesamtlänge, und viele andere mit den Kabeldampfern von Pod-
bielski, Stephan, Großherzog von Oldenburg hergestellt. In Nordenham hat die
Deutsche Dampffischereigesellschaft „Nordsee" mit 36 Dampfern in einem besonderen
Fischereihafen ihren Hauptbetrieb. Die „Visurgis"-Heringsfischerei gehört mit 32 Fahr-
zeugen (1912) zu den größten Unternehmungen dieser Art auf dem Festland. In
den Riba-Werken werden frische und nur beste Fische zu einem sehr bekömmlichen
Nährpräparat verarbeitet. Riba-Schokolade und Riba-Kakao sind in Sportkreisen sehr
geschätzt. Die Midgard, Deutsche Seeverkehrs-Aktiengesellschaft, mit Zweignieder-
lassungen in Bremen und Brake, wurde 1905 gegründet. Sie hat die Nordenhamer
Hafenanlagen neuzeitlich ausgebaut, Krananlagen, Speicher, eine elektrische Zentrale
geschaffen und damit den Seeschiffsverkehr außerordentlich gehoben. Die Einfuhr
erstreckte sich bisher in der Hauptsache auf Salpeter, Getreide, Futtermittel, Wolle,
Reis. Ausgeführt wurden Kainit und andere Düngesalze und Kaufmannswaren jeder
Art. Die Midgard ließ eine größere Anzahl eigener Schiffe in der Ostsee und im
Mittelmeer fahren, und viele regelmäßige Linien benutzten die Pieranlagen der
Midgard. Nordenham hatte sich so zu einem bedeutenden Umschlagshafen entwickelt.
Dies alles ist durch den Krieg in Frage gestellt.
Umwandern wir die Küste von Butjadingen von Bieren aus, so kommen wir
zu Dorfschaften, die in früheren Zeiten sehr unter den Sturmfluten zu leiden hatten.
Waddens lag früher sogar außerhalb des jetzigen Deiches. Dieser Ort ist durch einen
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm_Müller Wilhelm Friedrich_August Friedrich August Napoleons_I. Eilers Stephan