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1. Landeskunde des Großherzogtums Oldenburg - S. 27

1918 - Breslau : Hirt
Bodengliederung und Besiedelung. — Geest. 27 nach beiden Richtungen, nach Nordost die Jade von Rastede her mit manchem kleinen Zufluß, darunter die Wapel, nach Südwesten die Quellbäche der bei Oldenburg mündenden Haaren und die Bäten des Ammerlandes. Ammerland (= Land am Meer, d. h. am Zwischenahner Meer) im engeren Sinne wird das Gebiet des Amtes Westerstede genannt. Es ist fast ganz eben und ohne bedeutende Bodenerhebungen und Senkungen und dacht sich nach Südwesten zum Zwischenahner Meer und Aper Tief ab, dessen zahlreiche Quellbäche alle in dieser Richtung fließen. Waldumkränztes Acker- oder Wiesenland neben zusammenhängenden herrlichen Waldungen, in denen die Eiche vorherrscht, Kiefern- und Tannenbestände auf Heide- boden, Buchen auf Lehmgrund und in feuchten Niederungen Erlen und Eschen machen diese Landschaft zur anmutigsten des Herzogtums. Der Holzreichtum hat als besonderes Gewerbe den Schiffbau, die Stellmachern und Kunsttischlerei hervorgerufen. Da die Rasenfläche oft mit Eisenstein durchsetzt ist, so leidet die Wiesenkultur an dem eisenhaltigen Quell- und Moorwasser. Das Zwischenahner Meer, 526 ha (f. Bild 11, S. 54), hat einen Umfang von etwa 11 km, so das; die Stadt Oldenburg mit Osternburg bequem darin Platz finden könnte. Es ist ein freundlicher Binnensee, dessen tiefste Stellen sich im Nordosten befinden. Drei Bäche speisen ihn, der Abfluß erfolgt durch zwei Bäche, welche nach ihrer Ver- eiuiguug als Aue der Vehne zufließen. Kornfelder, Wiesen und Waldungen umrahmen den See, und in seiner Tiefe tummeln sich Barsche, Hechte, Aale, Brassen, Zander, Bleie und Stinte. Die Fischerei ist staatlich und an F. L. Bodes in Bremen für etwa 2500 Mark jährlich verpachtet. Die An- » lieger des Sees haben am Ufer seit alten Zeiten das Recht zu fischen. Die Friesische Wede am Bockhorn, Zetel und Neuenburg, der Haupt- bestandteil des Amtes Varel, ist ein Geestrücken, der nach Osten vorspringt und mit der Anhöhe von Dangast so nahe an das Meer tritt, daß er hier den Deich ersetzt. Im Westen begrenzen sie die großen Moore Ostfries- lands, im Süden die Wapel und zwei Hochmoore, das Jührdener und das Leugener Feld, an dessen Nordende das Große Bullenmeer liegt, ein einsamer, flacher Moorsee, der von sandigen kahlen Ufern umgeben ist. Die Bäche der Friesischen Wede fließen nach Nord oder Nordost. Auf den Tonlagern der Anhöhen hat sich um Bockhorn eine bedeutende Ziegelindustrie entwickelt. Der ganze Strich von Varel westwärts bis zur Landesgrenze ist noch immer reich bewaldet. Das Neuenburger Holz, 569 ha, zwischen Bockhorn und Neuenburg, der Rest früherer viel größerer Waldungen, ist ein Forst, der fast ganz auf Ton steht und deshalb überwiegend Eichen aufzuweisen hat. Die Ortschaften Bockhorn, Grabstede und Astede üben noch das Recht, ihr Rindvieh im Holz zu weiden, aus. Innerhalb desselben liegt die „große Schar", der „Urwald" genannt, ein Verhältnis- mäßig kleines Gebiet, ein Ausschlußforst, in welchem die Natur sich frei entwickeln darf, weil die Hand des Menschen nur selten hineingreift, um wertvolle Stämme herauszuholen. Hier wächst alles durcheinander: Eichen, nicht so dick wie die im Hasbruch, aber zahlreich in Gemeinschaft, von arm- dickem Efeu und anderen Schlinggewächsen umklammert, so daß die alters- grauen Stämme wie bärtige Riesen erscheinen, Rot- und Weißbuchen,

2. Landeskunde des Großherzogtums Oldenburg - S. 28

1918 - Breslau : Hirt
28 Das Herzogtum Oldenburg. junge und alte, wankend, im Sturze von entgegenstrebenden Nachbarn aufgehalten, oder vermodert als Behausung der zahlreichen Käfer, unter den Bäumen ein undurchdringliches Dickicht von wilden Rosen, Brom- beeren, Dornen: dies alles, vielleicht nicht im grellen Sonnenlichte, sondern im Halbdunkel des scheidenden Sommertages gesehen, hat schon manchem Naturfreund heilige Schauer eingeflößt und die Maler aus weiter Ferne angelockt. Die Jeverische Geest beginnt gleich hinter Sande. Wir sind am Ende der Geest überhaupt angelangt. Vom Schloßturm zu Jever schauen wir südlich zum Staatsforst Upjever hinüber, nach der anderen Seite aber entzückt unser Auge das fruchtbare, flache Marschland, welches bis zum Kranz der Deiche reicht. Die Besiedelung ist auch auf diesem Teile der Geest nicht gleichmäßig. Auf dem Lande fällt wieder die Neigung zur zerstreuten Wohnweise auf. So löst sich auch die Hauptstadt vom Kern der Altstadt aus allmählich in Einzelgehöfte auf. Olden- bürg hat über 30000 Einwohner, mit den Ortschaften Eversten, Nadorst, Donnerschwee und Osternburg, die aber zu besonderen Gemeinden gehören, 40000 Einwohner. Die Bedeutung Oldenburgs besteht zunächst darin, daß es Haupt- und Residenzstadt des Großherzogtums und der Sitz der Hof- und höchsten Staatsbehörden und einer Ober- postdirektion, der Stäbe der 37. Infanterie- und der 19. Feldartillerie-Brigade ist. Hier stehen das Oldenburgische Infanterie-Regiment Nr. 91 und der Stab und die erste Abteilung des Feldartillerie-Regiments Nr. 62 und im benachbarten Osternburg das Oldenburgische Dragoner-Regiment Nr. 19. Die Stadt bietet ein freundliches Bild. Um die alte Festung mit dem Großherzoglichen Residenzschloß ziehen sich an den Wasser- läufen die wohlgepflegten Wallanlagen mit Linden und hundertjährigen Ulmen. Die neueren Stadtteile dehnen sich gemächlich aus, und die nach künstlerischen Entwürfen erbauten, von Gärten umgebenen neueren Häuser der Dobbenstadt im Schmucke der Blumen und Büsche liegen in unmittelbarer Nähe des Everstenholzes und an Teichen, die von Schwänen belebt werden. Hier erheben sich die Neubauten des Staats-; Ministeriums und des Landtagsgebäudes. Am schönen Schloßgarten entlang strömt die Hunte und dann über ein Stauwerk, das uns mit seinem Wasserfall das reizende Bild eines Gebirgsortes vorspiegelt, zu dem belebten Hafen am Stau. (S. Bild 12 und 13, S. 55/56.) Schon sehr früh entstand neben der Burg am Hunteknie, die zuerst 1108 nnt Sicherheit urkundlich als Aldenborch nachzuweisen ist, an der alten Verkehrsstrahe von Jever nach Bremen und Wildeshausen eine Ansiedelung, die seit den ältesten Zeiten mit dem Geestrücken bei Osternburg durch einen Damm verbunden war. Der Sachsenherzog Heinrich der Löwe hielt nach dem Tode Graf Christians I. (1167) die Burg bis zu seinem Sturze besetzt. Im 13. und 14. Jahrhundert blühte der Ort, der sich nördlich vom Schlosse gebildet hatte, schnell auf, und die steigende Bedeutung der Gemeinde bewog Graf Conrad I. 1345, auf seine grundherrschaftlichen Rechte zu ver- zichten und der Stadt einen Freibrief zu erteilen, der in der Urschrift im Stadtarchiv aufbewahrt wird. Damit hing eine Erweiterung der Stadt zusammen, deren Mauern nun an das Burggebiet heraugeführt wurden. Oldenburg hat an den Geschicken des Grafenhauses Anteil genommen, und namentlich Graf Anton Günthers Hofhaltung brachte einen bedeutenden Aufschwung. Nach seinem Tode sank es zur Landstadt herab. Es war auch zur dänischen Zeit noch eine ziemlich starke Festung. Aber gegen das Ende des 18. Jahrhunderts begann man die Werke niederzulegen, das 19. sprengte die Fesseln völlig, und nun durchschnitten die Straßen die Wälle, der Torzwang hörte auf. Mit dem Einzug der jüngeren Linie des Hauses Holstein-Gottorp 1773, der unser Herrscherhaus angehört, begann ein frisches Leben auf allen Gebieten. Unter der

3. Landeskunde des Großherzogtums Oldenburg - S. 30

1918 - Breslau : Hirt
30 Das Herzogtum O>denburg. also einen heiligen Hain gehabt haben. Zu Donnerschwee lag ein gräfliches Schloß, das seit 1436 verschollen ist; hier wohnte die unglückliche Gräfin Jngeborg, als ihr Gemahl Ocko tom Broke gefangengenommen war, dieselbe, die ihrem Vater Graf Moritz (t 1420) das in der Krypta der Dorfkirche zu Rastede noch erhaltene Grab- denkmal für die Klosterkirche herstellen ließ. Das Kloster Rastede war mit der Geschichte des Grafenhauses eng verbunden, es entstand abseits der alten Heerstraße von Oldenburg über Wiefelstede, wo 1067 die erste Kirche im Ammerland gegründet wurde, nach Jeverland. Rastede hieß ur- sprünglich Radestad. Die Ulrichskirche im Dorfe wurde 1059 von Graf Huno gegründet. Aus dem 12. Jahrhundert stammt die noch erhaltene Krypta. Die übrigen Teile der Dorfkirche sind jünger. Bald nach der Gründung entstand durch die Freigebigkeit Graf Hunos das Benediktinerkloster, dessen Altäre 1091 geweiht wurden. Bald nach 1300 wurde hier die Geschichte des Klosters Rastede geschrieben, die wichtigste Quelle für die Geschichte Oldenburgs im Mittelalter. Im Jahre 1336 schrieb der Mönch Gloystein die niederdeutsche Handschrift des Sachsenspiegels, die mit Bildern reich verziert ist und jetzt dem Großherzog gehört. In der Reformationszeit wurde das Kloster 1529 eingezogen. Graf Anton Günther ließ die alte Abtei niederwerfen und dafür ein neues Gebäude mit einem Turm errichten, die Klosterkirche aber wurde wieder- hergestellt. So wurde Rastede seine glanzvolle Sommerresidenz mit einem Marstall und einer Reitschule, die viele vornehme Herren besuchten. Das Kloster, die Kirche und Graf Anton Günthers Bauten sind jetzt verschwunden. Von der Klosterkirche, einer flachgedeckten Säulenbasilika, sind einige Reste wiederaufgefunden und im Park aufgestellt worden. An der Stelle des Klosters erhebt sich in herrlichen Park- und Gartenanlagen das Schloß, der Lieblingssitz der großherzoglichen Familie im Früh- ling und im Sommer. Das Versailles von Oldenburg ist Rastede einst von einem französischen Gaste genannt worden. Rastede hat 1230 Einwohner und ist ein be- liebter Ausflugsort mit regem Gärtnereibetrieb und zahlreichen Ziegeleien. Der Mittelpunkt des eigentlichen Ammerlandes ist die Ortschaft Westerstede, 1494 Ein- wohner, von Busch, Wiese und Ackerland in buntem Wechsel umgeben. Die Gemeinde hat einen reichen Waldbestand, namentlich an Eichen. Die Kirche wurde in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts durch Schenkungen der Herren von Fikensolt begründet. Der Turin ist an vier Ecktürmchen zu erkennen. In Westerstede endigte mit einem Ge- fecht am 6. November 1813 die französische Gewaltherrschaft in Oldenburg. Nördlich von Westerstede war Burgforde'als Schutzwehr gegen die Ostfriesen eins der Herr- schaftlichen festen Häuser, 1749 erhielt es der Amtmann Manch von Wirten als Mann- lehen mit dem Namen Wittenheim; nach dem Tode seines Enkels fiel das Gut an die Landesherrschaft zurück. Nur die Burgstelle ist erhalten. Deutlicher treten die Umrisse der alten Burganlage von Münsingen in der Nähe des Gutes Fikensolt hervor. Auch hier sind alle Baulichkeiten verschwunden. Mit Fikensolt war seit der Mitte des 18. Jahrhunderts das Gut der Herren von Kobrink verbunden. Das Gut Seggern war einst der Sitz eines jener alten Adelsgeschlechter des Ammer- landes, die samt und sonders schon vor der ausgreifenden Gewalt der gräflichen Landes- Herrschaft verschwunden sind. Um das Zwischenahner Meer und sonst in dieser Gemeinde wohnten im Mittelalter die Herren von Aschwede, Kaihausen, Zwischen- ahn und Elmendorf. Die Herren von Elmendorf vertauschten schon 1331 ihren Besitz und die Fischereigerechtigkeit auf dem Meere an die Grafen von Oldenburg gegen Güter im Hasegau. Das Gut Eihausen allein hat sich erhalten, es ist im Besitze der Familie Bothe. Das Dorf Zwischenahn, etwa 1350 Einwohner, durch Dampfer mit dem gegenüberliegenden Dreibergen (das nach künstlich aufgeworfenen Hügeln benannt ist) verbunden, liegt auf einem Hügelrücken am Südende des schönen Sees, der alljährlich das Ziel vieler Erholungsbedürftiger ist. Es hat ein Kurhaus und schön- gelegene Gasthäuser, unmittelbar am See sind zahlreiche Landhäuser erstanden; daher hat die Gemeinde ein Gebiet erworben und zu einem frei zugänglichen Strandpark

4. Landeskunde des Großherzogtums Oldenburg - S. 3

1918 - Breslau : Hirt
Allgemeines. — Staatsverfassung. 3 Das Großherzogliche Wappen enthält auf einem Hauptschilde mit sechs Feldern für Norwegen, Schleswig, Holstein, Stormarn, Dith- Marschen und Kniphausen einen Mittelschild mit fünf Feldern für die roten oldenburgischen Balken auf goldenem Grunde oben links, das goldene Delmenhorster 5treuz auf blauem Grunde oben rechts, das goldene Lübecker Kreuz auf blauem Grunde mit darüber schwebender Bischofsmütze unten links, das von Rot und Silber geschachte Wappen für Birkenfeld unten rechts und auf der von unten eingepfropften Spitze den goldenen Jeverischen Löwen auf blauem Grunde. Die Zentralbehörden des Großherzogtums führen diesen Mittelschild des großen Wappens. Die Staatsverwaltung wird unter dem Eroßherzog von einem dem Landtage verantwortlichen Staatsministerium geleitet. Es umfaßt folgende Ministerien: 1. des Großherzoglichen Hauses und der Auswärtigen Angelegenheiten,- 2. des Innern; 3. der Justiz; 4. der Kirchen und Schulen; 5. der Finanzen. Es gibt aber nur drei Minister, dem Minister des Innern sind auch die Ministerien des Großherzoglichen Hauses und der Auswärtigen Angelegenheiten und dem Minister der Justiz das Ministerium der Kirchen und Schulen übertragen. Das Finanzministerium verwaltet auch das Eisenbahnwesen, den Hochbau im Herzogtum Oldenburg, das Forstwesen, die Domänen und das Vermessungs- und Katasterwesen. Die drei Minister bilden mit Sitz und Stimme das Gesamtministerium, dem eine Reihe von Angelegenheiten übertragen ist, worüber die einzelnen Minister nicht selb- ständig entscheiden können. Unter dem Gesamtministerium stehen die Verwaltungsgerichte und das Oberverwaltungsgericht. Der Landtag hat nur eine Kammer und ist als die gesetzliche Ver- tretung aller Staatsbürger des Großherzogtums berufen, ihre auf der Verfassung beruhenden Rechte geltend zu machen, an der Gesetzgebung mitzuwirken, die Steuern zu bewilligen und den Staatshaushalt fest- zustellen. Er hat das Recht, über alle Staatsangelegenheiten von der Regierung Auskunft zu begehren. Dem Großherzog bleibt das volle Veto gewahrt, er ernennt und entläßt die Minister nach freiem Ermessen. Fürst und Volk sind aufeinander angewiesen, ohne ihre Einigung entsteht kein Gesetz. Der Landtag wird jährlich auf Grund allgemeiner, unmittelbarer und geheimer Wahlen berufen, er hat jetzt 45 Abgeordnete. Wahlberechtigt und wählbar ist jeder Deutsche, der zur Zeit der Wahl das 25. Lebensjahr vollendet hat und seit mindestens drei Jahren im Großherzogtum wohnt. Wer 40 Jahre alt ist, hat bei der Ausübung des Wahlrechtes zwei Stimmen. Die Wahl erfolgt für fünf Jahre in 29 Wahlkreisen, deren Abgrenzung alle 20 ^ahre geprüft werden muß. Die Abgeordneten erhalten die Reisekosten erstattet und beziehen Tagegelder. Für die allgemeinen Landesausgaben besteht eine Zentralkasse, wozu die drei Landesteile in bestimmtem Verhältnis ihre Beiträge zu zahlen haben. Sonst geht die Finanzverwaltung der Landesteile eigene Wege. Die Rechtspflege ist durch Reichsgesetz geregelt. Das Reichsgericht in Leipzig ist die Spitze des Rechtszuges. Das Oberlandesgericht in Olden- bürg steht unter Aufsicht des Staatsministeriums und ist zugleich vor- gesetzte Dienstbehörde für das Landgericht und die Amtsgerichte. Das 1*

5. Landeskunde des Großherzogtums Oldenburg - S. 32

1918 - Breslau : Hirt
32 Das Herzogtum Oldenburg. sind in ganz Deutschland rühmlichst bekannt, Vareler Tabakmaschinen haben einen Weltruf erlangt, eine Lederfabrik stellt hauptsächlich Treibriemen her, Ziegeleimaschinen werden auf den Markt gebracht. Auch in mechanischer Weberei, in Buch- und Kunst- druckerei, Tabak- und Zigarrenfabrikation zeichnet sich Varel aus. Die Stadt liegt im Knotenpunkt der Bahnen nach Oldenburg, Jever, Brake—nordenham, Neuenbürg- Westerstede. Sie ist der Sitz eines Amtes und eines Amtsgerichtes, hat eine Bau- gewerkschule, eine Realschule und ein Seminar. Die Kirche trägt mit dem stumpfen, trotzigen Turm den Charakter der friesischen Festungskirchen (f. Bild 16, S. 58). Das Innere ist neu ausgestattet, über dem prachtvollen Altar von Munstermann stellt im Gewölbe ein altes Deckengemälde den Grafen Gerd von Oldenburg dar. In der Friesischen Wede steht Bockhorn im Mittelpunkt einer eigenartigen Ziegelindustrie, die Ausfuhr der Bockhorner Klinker ins Reich, nach Dänemark, Ruh-- land, Schweden und anderen Ländern wächst beständig. Der Ton, der hierzu verwendet wird, findet sich nur in dieser Gegend; er verglast bei stärkerem Feuer an der Ober- fläche. Die so in den Ringöfen gewonnenen Steine, die man an ihrer dunkelblauen Färbung erkennen kann, sind besonders hart und werden deshalb vorzugsweise zu Chausseen und Fuhwegen, zu Wasserbauten und sonst verwendet. Im Amte Varel wurden 1912 in 27 Ziegeleien rund 60 Millionen Klinker gemacht. Das alte Schloß in Neuenburg, von Graf Johann Vii. von 1579 bis 1582 erbaut, war der Witwensitz der Gemahlin Graf Anton Günthers. Als der Dichter Graf Friedrich Leopold von Stolberg hier als Vorsitzender des Landgerichts wohnte, traf ihn der für sein ganzes Leben verhängnisvolle Schlag, daß er seine Gattin Agnes von Witzleben verlor. Im Schloß sind jetzt Wohnräume für ein Lehrerinnenseminar eingerichtet. Der Flecken Zetel, 1200 Einwohner, hat mechanische Baumwollwebereien; die früher aus- gedehnte Hausindustrie hat aufgehört. Zu den Geestrandstädten mutz auch Jever gerechnet werden; es liegt auf einer ausgedehnten Sanddüne, die durch eine schmale Zunge mit der Geest zusammen- hängt und sonst unmittelbar zur Marsch abfällt. Jever, eine sehr alte Ansiedelung, „Gauort" (Gavari) des Gaues Ostringen, trat schon früh mit seinem kirchlichen und wirtschaftlichen Zubehör selbständig neben dem Gau auf. Die erste Burg legte um 1385 der Häuptling Ede Wimmeken hier an. Als diese zerstört war, baute Haje Harlda nach Ostern 1428 eine neue, von der die ältesten Teile des heutigen Schlosses stammen. Der Turm steht frei auf dem Binnenhose, weithin sichtbar als ein Wahrzeichen des Jeverlandes (f. Bild 15, S. 57) Fräulein Maria, die Letzte der Häuptlingsfamilie, erhob 1536 Jever zur Stadt und befestigte es; sie begründete 1573 das Gymnasium und beschäftigte den Bildschnitzer Meister Adrian, um die schöne, im Audienzsaal noch erhaltene kunstvolle Eichenholzdecke zu schnitzen, und den Bildhauer Meister Johann de Schulte aus Breda, der das Denkmal ihres Vaters Edo Wimmeken Ii. in der Stadt- kirche schuf. Sie vermachte Jeverland dem Hause Oldenburg und starb 1575. Sie hat neuerdings neben dem Amtsgebäude von Harro Magnussen ein schönes Denkmal erhalten. Bis zum Jahre 1818 sind die Befestigungen der Stadt entfernt worden, und Jever wurde wieder eine offene Stadt. In den Anlagen auf den ehemaligen Festungs- wällen erheben sich die Denkmäler des Geschichtschreibers Schlosser, der 1776 in Jever geboren wurde, und des Chemikers Mitscherlich aus der Gemeinde Neuende in Jeverland (geboren 1794). Durch die „Getreuen", die dem Fürsten Bismarck alljährlich 101 Kibitz- eier verehrten und zum Dank einen silbernen Kiebitz-Prunkbecher für ihr Versamm- lungszimmer erhielten, ist Jever in der ganzen Welt berühmt geworden. Jever besitzt ein Altertumsmuseum. Die Stadt ist der Mittelpunkt des Jeverlandes insofern, als von hier aus ein lebhafter Viehhandel betrieben wird. Sie ist der Sitz eines Amtes und eines Amtsgerichtes.

6. Landeskunde des Großherzogtums Oldenburg - S. 5

1918 - Breslau : Hirt
Allgemeine Zahlennachweise. — Geschichtliche Entwicklung. 5 Allgemeine Abersicht. qkrn Ein- wohner auf 1 qkrn Evan- gelische Katho- liken Andere Christen Juden Herzogt. Oldenburg 5384,63 391 246 73 291 114 97 089 2093 950 Fürstentum Lübeck. 541,66 41 300 76 40 442 811 32 15 Fürstent. Birkenfeld 502,83 50 496 100 40 094 9 608 234 560 Grvßh. Oldenburg . 6429,12 483 042 75 371 650 107 508 2359 1525 Das Verhältnis der Bekennwisse des Großherzogtuins. Bekenntnisse 1855 Zahl Prozent 1900 Zahl | Prozent 1910 Zahl j Prozent Evangelische .... 213 128 74,22 309 510 77,54 371 650 76.04 Katholiken..... 71 991 25,07 86 920 21,77 107 508 22,26 Andere Christen. . . 550 0,19 1 391 0,35 2 359 0,48 Juden ...... 1 494 0,52 1 359 0,34 1 525 0,32 Gesamtbevölkerung . 287 163 — 399 180 — 483 042 Die geschichtliche Entwicklung Oldenburgs ist durch ein Herrscherhaus geleitet worden, das seit den ältesten Zeiten mit den Interessen des Landes verbunden ist und eine Reihe hervorragender Führer des Volkes hervorgebracht hat. Als eins der ältesten Dynastengeschlechter saßen die Ahnherren des Großherzogs dereinst im Süden des Herzogtums mit bedeutendem Grundbesitz auf dem Hausgute des Sachsenherzogs Widukind, von dem sie mütterlicherseits wahrscheinlich abstammten. Von Wildes- hausen, wo Widukinds Enkel Waltbert 851 ein Chorherrenstift begründete, kam Egilmar I., der Erbe des im Ammerlande begüterten Grafen Huno und seines linder- losen Sohnes Friedrich, um 1100 als ein mächtiger Graf in dieses Grenzgebiet der Sachsen und der Friesen. Graf Egilmars Enkel teilten den Hausbesitz. Die ältere Linie blieb in Wildeshausen und erlosch im Mittelalter. Die jüngere begründete in Oldenburg ein Staatswesen, das sich auch nach der vorübergehenden Besitznahme durch Herzog Heinrich den Löwen als lebensfähig erwies. Die Grafen drangen von der Geest in die Wesermarschen vor und standen an der Seite des Erzbischofs Gerhard von Bremen, als 1234 der Widerstand der Stedinger, die an der Weser zu beiden Seiten der Huntemündung saßen, in der Schlacht bei Altenesch gebrochen wurde. Die Grafen stießen schon früh ihren Hausbesitz im Süden des heutigen Herzogtums ganz ab und verlegten den Schwerpunkt ihrer Macht nach dem Ammerlande, wo sie ihre Landeshoheit immer mehr zu befestigen verstanden. Graf Konrad I. förderte die Entwicklung der Stadt Oldenburg, indem er ihr 1345 nach dem Vorbilde Bremens einen Freibrief erteilte. Hundert Jahre später bestieg Graf Dietrichs Sohn Christian 1448 den dänischen Königsthron. Sein Bruder Graf Gerd von Oldenburg trat zu Herzog Karl dem Kühnen von Burgund in ein Dienstverhältnis, erfüllte Nordwest- deutschland mit Kriegslärm, erlag aber schließlich den Angriffen des Bischofs Heinrich von Münster, eines Grafen von Schwarzburg. Im 16. Jahrhundert wurden Staats- gebiet und Hoheitsrechte erheblich erweitert: die Schlacht bei Hartwarden 1514 brachte die Eroberung der Wesermarschen in Stadland und Butjadingen, die Refor- mation eine wesentliche Steigerung der Staatsgewalt; Fräulein Maria von Jever hinterließ ihre Herrschaft, die von Edo Wimmeken dereinst begründet war, 1575 dem Grafen Johann Vii. von Oldenburg, welches nun mit der Insel Wangeroog an die Nordsee vorrückte. Graf Johanns Sohn Anton Günther (1603—1667) verstand

7. Landeskunde des Großherzogtums Oldenburg - S. 6

1918 - Breslau : Hirt
6 Das Großherzogtum Oldenburg. es, mit großer Klugheit und Geschicklichkeit in den Stürmen des Dreißigjährigen Krieges seine Neutralität zu wahren, und er erwarb den Weserzoll, der den bremischen Kauf- mann im Laufe der Zeit schwer belastete, dem Oldenburger Lande aber eine wesent- liche Steigerung seiner Staatseinnahmen brachte. Mit ihm starb die Grafenlinie ans, und nach seinem Tode fiel die Grafschaft Oldenburg-Delmenhorst an Dänemark, Jeverland an Anhalt-Zerbst, Varel und Kniphausen an seinen nicht lehnsberechtigten Sohn Graf Anton von Aldenburg. Der dänischen Herrschaft verdankte Oldenburg die von Graf Anton Günther vorbereitete Bauernbefreiung (1668—1693) und nach der Weihnachtsflut von 1717 den neuen Deichring um Vutjadingen. Nachdem die dänische Fremdherrschaft etwa hundert Jahre gedauert hatte, bestieg Herzog Friedrich August von der jüngeren Linie des Hauses Gottorp durch ein Entgegenkommen seiner Verwandten den Thron, und die Grafschaft wurde zum Herzogtum erhoben. Olden- bürg war wieder auf sich gestellt, und unter der Führung eines fleißigen Beamten- tums arbeitete die Bevölkerung mit Erfolg an der Hebung der Landeswohlfahrt. Auf Herzog Friedrich August folgte im Alter von dreißig Jahren sein Neffe Peter Friedrich Ludwig (1785—1829). Er hat es nicht leicht gehabt. Denn die Revolutions- kriege und Napoleons Gewaltherrschaft zogen auch Oldenburg in Mitleidenschaft. Er mußte 1803 auf den ertragreichen Weserzoll verzichten und erhielt dafür Wildeshausen und das Münsterland. Zu den protestantischen Landesteilen traten damit katholische. Das Hochstift Lübeck, dessen Inhaber der Herzog bis dahin für seine Person gewesen war, wurde dem Staate einverleibt. Er sah sich gezwungen, in den Rheinbund ein- zutreten, hielt sich aber vorsichtig zurück, als 1809 Herzog Friedrich Wilhelm von Braun- schweig, verfolgt von Rheinbundtruppen, durch Stedingen nach Elsfleth zog, um sich nach England einzuschiffen. Zwei Jahre später wurde Herzog Peter von Napoleon aus seinem Lande vertrieben, und Oldenburg wurde ein Teil der Allemagne fransaise. Er begab sich nach Rußland zum Zaren Alexander I., dessen Schwester Katharina sich mit seinem Sohne Herzog Georg vermählt hatte, und kehrte erst nach der Schlacht bei Leipzig nach Oldenburg zurück. Auf dem Wiener Kongreß wurde ihm statt eines Gebietszuwachses in der Nähe des Herzogtums das ferngelegene Birkenfeld zuge- wiesen, und der Zar überließ ihm für die Leiden der Franzosenzeit auch Jeverland. Den Großherzogstitel, der ihm wie Karl August von Sachen-Weimar zugesprochen wurde, nahm erst sein Nachfolger bei seiner Thronbesteigung an. In der folgenden Friedenszeit hat Herzog Peter Friedrich Ludwig sein Staatswesen neu geordnet und gut geleitet. Die Gemeinden, die in der Franzosenzeit auf das ärgste zerrüttet waren, befreite er von ihren Schulden. Er ordnete das Finanzwesen des Staates, sorgte für Kunst und Wissenschaft und verbesserte nach der Flut von 1825 den Deichring. Seine edle, vornehme Haltung, sein unverdrossener Fleiß, seine friderizianische Staats- gesinnung blieb den Untertanen in dankbarer Erinnerung. Unter seinem Sohne Groß- herzog Paul Friedrich August, einem Herrscher von großer Arbeitstreue und Kenntnis der öffentlichen Verhältnisse, trat Oldenburg 1848 in die Reihe der Verfassungsstaaten ein. Großherzog Nikolaus Friedrich Peter (f 1900) überließ schon im ersten Jahre seiner Regierung Preußen gegen eine Entschädigung das Gebiet von Wilhelmshaven und erwarb von den Bentinckschen Erben, den Nachkommen Graf Antons von Alden- bürg, Varel und Kniphausen. Bei der Lösung der Schleswig-Holsteinischen Frage erhielt er als Landzuwachs einige kleine holsteinische Gebiete zur Abrundung des Fürstentums Lübeck und eine Million Taler, die er zur Erweiterung des Hausfidei- kommisses verwendete. In dem Kampf um die Einigung des Vaterlandes trat er ent- schlössen auf die Seite Preußens, und mit Begeisterung nahmen Fürst und Volk an den Ereignissen des großen Krieges gegen Frankreich teil. Dann brachte das Deutsche Reich in der langen Friedenszeit den großen politischen und wirtschaftlichen Auf- schwung, dessen Oldenburg auch unter Großherzog Friedrich August (seit 1900) sich erfreut hat, bis die Kulturhöhe Deutschlands eine Welt von neiderfüllten Feinden gegen sich heraufbeschwor.

8. Landeskunde des Großherzogtums Oldenburg - S. 35

1918 - Breslau : Hirt
Bodengliederung und Besiedelung. — Die Marschen. 35 die dort so breit ist roie der Bosporus bei Konstantinopel, Bremerhaven und das preußische Geestemünde. Das große Wer? der Weserkorrektion hat Bremen 1887 begonnen und 1894 fertiggestellt. Durch Leitdämme ist vermittelst großer Senkstücke eine neue gerade Stromrinne geschaffen, die großen Krümmungen sind verkürzt, die kurzen scharfen ganz beseitigt. Spaltungen des Stromes sind durch Abschließung des einen. Arms auf- gehoben, und umfangreiche Baggerungen haben die Gestalt des Strom- bettes verbessert. So Wird durch die Flutwelle eine viel größere Wasser- menge als früher nach oben geschafft, und die Ebbe, die nun tiefer abfällt, spült und vertieft das Strombett. Auf diese Weise bildet die bedeutend vergrößerte Stromkraft selbst ein geräumiges Bett aus. Der Tiefgang der Seeschiffe, die nach Bremen hinaufkommen, ist von 3 auf 6 in gehoben und noch im Steigen begriffen. Die Platenbildung Wird nun dauernd ver- hindert. — Durch eine im Anschluß an die Weserkorrektion ausgeführte Huntekorrektion ist von 1893 bis 1899 das Flußbett bis Oldenburg von 2 auf reichlich 3,75 m tiefer gelegt Worden, um größeren Schiffen als bisher Zugang zu verschaffen; damit ist aber auch die Abwässerung der anliegenden Länderteile Wesentlich erleichtert, und der Moorriemer Kanal, Welchen man zur Entwässerung von Moorriem mit großen hosten vom Wolfsdeich bei Bornhorst bis Käseburg unterhalb von Elsfleth hergestellt hat, wird durch die Huntekorrektion in der Lösung seiner Aufgabe wesentlich unterstützt. Durch die Weserkorrektion veranlaßt ist der Bau eines großen Süßwasser- kanals, der lediglich den Zweck der Zuwässerung hat und von der Weser beim Beckumer Siel nach Butjadingen geführt worden ist. Die Besiedelung der Marschen ist im ganzen gleichmäßig. Die Bevölkerung drängt sich nur an wenigen Punkten, die für Handel und Schiffahrt an der Weser günstig liegen, zu größeren Ortschaften zusammen. Am Ausgang des Iadebusens ist der Reichskriegshafen Wilhelmshaven entstanden. Für einen Handelshafen wäre der Platz nicht günstig gewesen. Die Hunteniederung und das Niederungsland an der Weser südlich und nördlich von der Huntemündung sind im 12. Jahrhundert plan- mäßig besiedelt worden, die neuen Bewohner fühlten sich bald als Gemeinschaft und nannten sich Stedinger. Unterhalb der Stadt Oldenburg entstand als eine Ansiedelung von Holländern das Kirchspiel Holle. Später siedelten sich Nonnen in Blanken- bürg an auf Gütern, die fünf Ritter von Graf Johann von Oldenburg gekauft hatten. Das Kloster wurde in der Reformationszeit eingezogen und 1632 von Graf Anton Günther zu einem Armen- und Waisenhaus gemacht. Jetzt ist es eine Bewahr- und Pflegeanstalt für unheilbare Geisteskranke und gemeingefährliche Kranke. Das an- grenzende Moorgebiet heißt Wüsting. In Neuenhuntorf wurde 1683 der berühmte russische Generalfeldmarschall Graf Burchard Christoph von Münnich geboren. Stedingen wird heute nur das Land an der Ollen südöstlich von Hunte bis zur Weser genannt. An der Ollen und der Weser entlang ziehen sich langgestreckte Ortschaften. Der freundliche Flecken Berne, 727 Einwohner, ist in der Mitte des 12. Jahrhunderts entstanden. Der Kirchturm ist ein Wahrzeichen für ganz Stedingen. Bei Alten- esch im Amte Delmenhorst, wo am 27. Mai 1234 die Stedinger nach hartnäckigem Kampfe von einem Kreuzheere besiegt wurden, erinnert ein Denkmal an den Ver- zweiflungskampf des Bauernvolkes. Das Gebiet der Gemeinden Altenhuntorf, Barden- fleth und Neuenbrok wird Moorriem genannt. An der Weser, in der Nähe der Huntemündung, an der Bahn von Hude nach Brake liegt Elsfleth, 1856 zur Stadt erhoben, 2300 Einwohner. Der Reedereibestand ist geringer geworden. Da die Segel- schiffahrt immer mehr zurückging, wurde unter dem Druck der Verhältnisse 1896 eine

9. Landeskunde des Großherzogtums Oldenburg - S. 36

1918 - Breslau : Hirt
36 Das Herzogtum Oldenburg. Heringsfischerei-Aktiengesellschaft gegründet. Bei Elsfleth wurde einst der Weserzoll erhoben, der Graf Anton Günther 1623 verliehen war und eine wichtige Einnahme- quelle des oldenburgischen Staates wurde. Der Zoll wurde Oldenburg 1803 ab- gesprochen, hörte aber erst am 7. Mai 1820 auf. Ein Denkmal an der Weser erinnert an die Einschiffung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Braunschweig-Ols nach Eng- land am 7. August 1809. An der Grenze Stedingens und des friesischen Stadlandes entstand an der Brake zu Harrien eine Ortschaft, die sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu größerer Bedeutung entwickelte. 1856 wurde Brake zur Stadt erhoben. Die An- legung von Bremerhaven (1830), der Wettbewerb von Nordenham und die Eröffnung der Geestebahn von Bremen nach Bremerhaven hemmten die Entwicklung der Stadt. Ein neuer Aufschwung trat ein seit dem Bau der Bahn von Hude nach Brake. Neue Dampferlinien wurden errichtet, der Binnenhafen (f. Bild 19, 6.59) erweitert, im An- schluß an die Weserkorrektion ein Pier gebaut und eine direkte Bahnverbindung nach Oldenburg geschaffen. Brake hat jetzt etwa 5500 Einwohner, ist 6itz eines Amtes, Amts- gerichts, Seeamts und Hauptzollamts und besitzt eine Realschule. Eine Motorenfabrik ist jüngst errichtet worden. Brake ist der wichtigste oldenburgische Hafenplatz mit ausgedehnter Reederei. Es besteht ein geschlossener Freihafenbezirk binnendeichs neben dem Bahnhof und draußen ein Pier von etwa einem Kilometer Länge für große und größte Schiffe bis zu 7,5 m Tiefgang. Brakes Schiffsverkehr beruht in erster Linie auf der Einfuhr be- sonders von Getreide, aber auch von Holz, Kohlen und Salpeter. Es ist ein Umschlags- platz, die größten Geschäfte sind Speditionsgeschäfte. Von hier fuhren die Dampfer der Oldenburgisch-Portugiesischen Dampfschiffs-Reederei-Aktiengesellschaft in regel- mäßiger Fahrt nach Portugal und Marokko. Nordwestlich von Brake liegt in der Marsch der Flecken Ovelgönne, 550 Einwohner, als Markt für Rindvieh und Pferde von Wichtigkeit. Hier war früher ein gräfliches Vorwerk und eine Festung, die 1514 als Zwingburg (llbelgegönnt?) gegen die Rüstringer Friesen errichtet war. In der grünen Marsch, durch schattige Straßen mit einer Reihe von Ortschaften verbunden, ist Rodenkirchen ein Sammelpunkt landwirtschaftlicher Interessen, Sitz der größten Molkereigenossenschaft des Deutschen Reiches. Zur Erinnerung an die Niederlage der Friesen 1514 ist in Hartwarden ein Denkmal errichtet worden. Zum Amte Brake gehört auch Land Würden rechts von der Weser, ein alter Besitz des oldenburgischen Hauses. Es bildet die Gemeinde Dedesdorf, die hinter hohen Deichen im flachen, fruchtbaren Marschland sich großen Wohlstandes erfreut. Eine Dampffähre verbindet Dedesdorf mit dem Bahnhof von Kleinensiel. Zu Land Würden gehört die Luneplate, 856 ha, eine eingedeichte wertvolle Privatbesitzung, und die Bullenplate, die Domanial- gut ist. Von Dedesdorf ist der Marschenhof des Dichters Hermann Allmers in Rechten- fleth leicht zu erreichen. Wo das alte Butjadingen an der Heete bei Atens an Stadland grenzte, nicht weit von Eoldewärf, das durch einen Sieg der Friesen über die Oldenburger und Bremer 1368 berühmt geworden ist, faßten vor 500 Jahren die Bremer festen Fuß und erlangten mit dem Bau der Friedeburg 1407 die Herrschaft über Stadland, But- jadingen und Land Würden. Friesischen Häuptlingen mußten sie aber weichen, und 1514 gelang es Oldenburg, das Mündungsgebiet der Weser in seine Hand zu bringen. Der Kampf Bremens und Oldenburgs um den Weserstrom hat lange gedauert; er führte zur Gründung Bremerhavens und zur Ausführung der Weserkorrektion, die auch den oldenburgischen Häfen zugute kam. Handel und Industrie haben Bremer- Häven gegenüber in Nordenham und in den Nachbargebieten der Gemeinde Bieren einen ungeahnten Aufschwung genommen. Nordenham ist in wenigen Zähren so gewachsen, daß es am I.mai 1908 zur Stadt erhoben wurde; es hat jetzt mehr als 8500 Einwohner. Da der Weserstrom bei einer Wassertiefe von 12 m hier an das west- liche Ufer drängt und die Ecke bei Blexen vor den Nordwestwinden Schutz bietet, so

10. Landeskunde des Großherzogtums Oldenburg - S. 37

1918 - Breslau : Hirt
Bodengliederung und Besiedelung. — Die Marschen. 37 setzte es 1857 der Kaufmann Wilhelm Müller in Atens durch, daß der Norddeutsche Lloyd eine regelmäßige Dampferverbindung zum Versand von Mastvieh und Schafen von Nordenham nach England einrichtete. Nach und nach stieg die Bedeutung Norden- hams, namentlich seit der Lloyd von 1890 an seine New Yorker Schnelldampfer an den Piers laden und löschen ließ (s. Bild 18, S. 59). Es war für den Ort ein Schlag, als 1896 die Lloyddampfer wieder von Bremerhaven in See gingen; dazu kam, daß Brake den Getreideverkehr mehr und mehr an sich zog. Neuerdings aber haben sich unter der Fürsorge des seeliebenden Großherzogs Friedrich August und seiner Regierung der Handelsverkehr und die Industrie in dieser Zukunftsecke Oldenburgs zu einer großen Bedeutung erhoben. Nordenham ist Sitz des Amtes und des Amtsgerichtes, besitzt eine Realschule und hat eine vorzügliche Lage hart an dem tiefen Strom, so daß die Er- Zeugnisse der Industrie unmittelbar in die Schiffe verladen und die Rohstoffe auf dem Wasserweg ohne Umladung bezogen werden können. Auf Blexer Gebiet treffen wir in nächster Nähe der Stadt die Metallwerke „Unterweser"-Aktiengesellschaft in Friedrich- August-Hütte zur Gewinnung von Schwefelsäure, Zink, Blei und Silber mit einer Muffel- (Retorten-) Fabrik und einer Ziegelei, darauf die Superphosphatfabrik für Dünge- mittel A.-G., und die I, Frerichs & Co.-Werft A.-G. bei Einswarden, das jetzt 1950 Einwohner (früher nur 170) zählt. Daran schließt sich die Benzin-Lagerungs- Gesellschaft Bieren und dabei die Anlegeplätze der Weserschiffsgesellschaft, die eine fast stündliche Verbindung mit Geestemünde—bremerhaven unterhalten. Bieren, das an seinem trotzigen alten Kirchturm zu erkennen ist, hat sich auch als Bade- und Luftkurort entwickelt, die Anlagen befinden sich zum Teil aus der Franzosenschanze, der alten Batterie aus der Zeit Napoleons I., wo 1813 zehn Kanoniere und der Kor- poral Lübbe Eilers gefangengenommen wurden, die ihre vorzeitige Erhebung mit dem Tode büßen mußten. Auf dem Kirchhof der alten Friesenkirche erinnert daran ein Gedenkstein. Unbedingt an die See gebunden ist die Aktiengesellschaft Seekabelwerke in Nordenham, die als Weltfirma einen bedeutenden Ruf genießt und die englischen See- kabel zum Teil vom Markt verdrängt hat. Sie hat das zweite deutsch-amerikanische Kabel der Deutsch-Atlantischen Telegraphengesellschaft Köln von Borkum über die Azoren nach New York, 7992 km, in Ostasien von Eelebes nach Jap und Guam und von Schanghai nach Jap für die Deutsch-Niederländische Telegraphengesellschaft Köln, Kabel von 6837 km Gesamtlänge, und viele andere mit den Kabeldampfern von Pod- bielski, Stephan, Großherzog von Oldenburg hergestellt. In Nordenham hat die Deutsche Dampffischereigesellschaft „Nordsee" mit 36 Dampfern in einem besonderen Fischereihafen ihren Hauptbetrieb. Die „Visurgis"-Heringsfischerei gehört mit 32 Fahr- zeugen (1912) zu den größten Unternehmungen dieser Art auf dem Festland. In den Riba-Werken werden frische und nur beste Fische zu einem sehr bekömmlichen Nährpräparat verarbeitet. Riba-Schokolade und Riba-Kakao sind in Sportkreisen sehr geschätzt. Die Midgard, Deutsche Seeverkehrs-Aktiengesellschaft, mit Zweignieder- lassungen in Bremen und Brake, wurde 1905 gegründet. Sie hat die Nordenhamer Hafenanlagen neuzeitlich ausgebaut, Krananlagen, Speicher, eine elektrische Zentrale geschaffen und damit den Seeschiffsverkehr außerordentlich gehoben. Die Einfuhr erstreckte sich bisher in der Hauptsache auf Salpeter, Getreide, Futtermittel, Wolle, Reis. Ausgeführt wurden Kainit und andere Düngesalze und Kaufmannswaren jeder Art. Die Midgard ließ eine größere Anzahl eigener Schiffe in der Ostsee und im Mittelmeer fahren, und viele regelmäßige Linien benutzten die Pieranlagen der Midgard. Nordenham hatte sich so zu einem bedeutenden Umschlagshafen entwickelt. Dies alles ist durch den Krieg in Frage gestellt. Umwandern wir die Küste von Butjadingen von Bieren aus, so kommen wir zu Dorfschaften, die in früheren Zeiten sehr unter den Sturmfluten zu leiden hatten. Waddens lag früher sogar außerhalb des jetzigen Deiches. Dieser Ort ist durch einen
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