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bis an die Elbe zurückgejagt. So war also nur Krieg
und Kriegsgeschrei in jenen Landen, und Noth und
Elend überall. Die Menschen sielen unter den Streichen
des blutigen Kampfes, die Äcker wurden wüste, die Städte
und Dörfer gingen in Flammen auf. Das Land wäre
am Ende ganz verloren gewesen, hätte nicht Gottes weise
Hand eine andere Wendung in jene verworrenen Dinge
gebracht. Bisher waren nämlich die Markgrafen nur
Statthalter und Diener des deutschen Kaisers gewesen,
der diese Würde nach Belieben vergab. Der deutsche
Kaiser Lothar schenkte aber im Jahre 1133 einem Grafen
von Ballenstädt, Albrecht dem Bären, dessen Ge-
schlecht von einer Burg den Namen die Anhaltiner
führte, die Markgrafschaft Nordsachsen erb- und eig en-
thümlich. Dieser Albrecht, der den Beinamen der
Bär von seinem Muthe und seiner Tapferkeit hatte, war
ein vortrefflicher Fürst. Da das Land ihm eigenthümlich
gehörte, so war es ihm um so ernstlicher darum zu thun,
Beherrscher eines blühenden Reichs und nicht einer Wüste
zu sein. Zuerst begann er damit, die Wenden zurück-
zutreiben. Der Kampf war furchtbar, endlich behielt
Albrecht die Oberhand. Er eroberte die Städte Bren-
nabor und Havelberg, nahm die Priegnitz ein und drang
bis an den Oderfluß vor. Die bisherige Nordmark
nannte er nun Alt mark, das eroberte Land die Neu-
mark. Jetzt bekam auch das Reich einen neuen Namen.
Albrecht nannte es die Markgrafschaft Branden- >
bürg und sich selbst Markgraf von Brandenburg.
Nachdem er sich so nach außen hin Ruhe verschafft
hatte, half er auch dem Lande selbst auf. Aus Holland,
Seeland, Friesland und Flandern zog er viele Familien
in sein menschenleeres Reich, und diese Einwanderer,
recht fleißige Menschen, ließen sich an der Elbe, Havel
und Spree nieder. Hier bauten sie eifrig den Äcker,
legten Dämme gegen die Wasserfluthen an und machten
große Strecken Heideland urbar. Albrecht selbst ließ
Städte, z. B. Berlin, Spandau, Bernau, Stendal,
Pritzwalk, und in denselben christliche Kirchen bauen.
Er berief Prediger in das Land, welche in den Tempeln
das heilbringende Wort Jesu in deutscher Sprache ver-
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Extrahierte Personennamen: Lothar Albrecht_dem_Bären Albrecht Albrecht Albrecht Albrecht Albrecht Albrecht
Extrahierte Ortsnamen: Havelberg Oderfluß Brandenburg Holland Seeland Friesland Berlin Spandau Bernau Stendal Pritzwalk Jesu
10
Versicherung, daß, wenn die Fürstenfamilie zu Pommern
aussterben würde, dies Land an Brandenburg fallen
sollte. Wir werden in der Folge hören/ wie diese
Schenkung wirklich in Erfüllung ging.
Nachher regierten Johann I. und Otto Iii. Auch
von ihnen wird viel Rühmliches erzählt. Die Feinde,
welche Brandenburg angriffen, wurden zurückgeschlagen,
und wenn dies auch mitunter den Markgrafen schwer
wurde, so zagten sie doch nicht und errangen auch glück-
lich den Sieg. Ihr Land vergrößerten sie durch die
jetzige Neumark und gaben der bisherigen Neumark den
Namen Mittelmaß Die Ukermark erhielten sie durch
Heirath; die Stadt und das Land Lebus kauften sie.
Und sowohl die alten, als auch die neuen Landestheile
blühten sichtlich mehr'ünd mehr auf, und der Wohlstand
stieg. Man baute die Städte Frankfurt an der Oder,
Landsberg an der Warthe und mehrere andere. Man
machte Moräste trocken, und es wurden schöne Korn-
felder und Wiesen daraus; man pflanzte Obstbäume
und bebaute Garten und Acker besser. In den Städten
wohnten viele Handwerker, die mancherlei Gewerbe
trieben und schon gute Waare lieferten, mit der man
Handel nach dem Auslande hin trieb. Dadurch ver-
schaffte man den Einwohnern einträgliche Erwerbszweige.
Dies Alles setzte die Unterthanen in Thätigkeit und er-
höhete den Wohlstand. Salzwedel war damals schon
eine reiche Handelsstadt. Vorzüglich ist von den Regen-
ten Brandenburgs aus dieser Zeit Otto, genannt mit
dem Pfeile, zu merken. Er war ein landesväterlicher
Fürst, der mit wahrer Liebe seine Unterthanen glücklich
zu machen suchte. Er beförderte Handel und Gewerbe
und gehörte zu den gebildetsten Männern seiner Zeit.
Dazu war er auch ein mächtiger Held und führte mehrere
Kriege. In einem derselben gegen den Herzog von
Pommerellen erwarb er die Landestheile Stolpe und
Schlawe, in einem andern gegen den Erzbischof von
Magdeburg erging's ihm aber schlecht. Otto wünschte
nämlich, seinen Bruder zum Erzbischof von Magdeburg
erwählt zu sehen. Doch das schlug fehl, denn die Wahl
siel auf einen andern Mann. Darüber erzürnte Otto
i
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Extrahierte Personennamen: Johann_I. Johann_I. Otto Otto Stolpe Otto Otto
15
die Städte einen starken Handel in's Ausland und ver-
dienten viel Geld. Darum war ,hier Wohlstand, aber
auch zugleich Pracht, Aufwand, Üppigkeit und Schwel-
gerei. Die Jugend recht fleißig unterrichten zu lassen,
daran dachte man nicht; es war selten, daß ein Bürger
lesen, und noch seltener, daß er schreiben konnte.
In der übelsten Lage befand sich der Landmann.
Wehrlos, wie er war, mußte er Alles über sich ergehen
lassen. Er war Eigenbehöriger der Adlichen, der Städte,
oder der Klöster, und mußte für die arbeiten, welche
seine Herren waren. Er selbst hatte von dem Ackerbaue
und der Viehzucht wenig. Daher fristete er auch nur
kümmerlich sein Leben. Manche Menschen beschäftigten
sich mit dem Heringsfange in der Ostsee, denn zu der
damaligen Zeit konnte man dieser Fische dort so viele fan-
gen, daß ein ganzer Wagen voll nur zwei Pfennige kostete.
Wenn Angelegenheiten verhandelt werden sollten,
die das ganze Land betrafen, so versammelte der Fürst
die Abgeordneten des Adels, der Geistlichkeit und der
Städte. Man besprach hier, wie am besten das Land
verwaltet werden könnte, man bestimmte die Abgaben,
man beschloß gute Einrichtungen für den Ackerbau, für
die Viehzucht und für den Handel. Zu einer andern
Zeit kam man zusammen, um Gericht zu halten und
Recht zu sprechen. Dann versammelten sich die Abge-
ordneten unter freiem Himmel, blieben an vier Wochen
dort und schlichteten alle Streitsachen der Gegend. Der
Bauer wurde von Bauern, der Bürger von Bürgern,
der Edelmann von Edelleuten gerichtet, und wenn auch
ein Gesetzbuch da war, welches das Recht bestimmte, so
wurde doch vielfach nach Herkommen, Gebräuchen un-
Freiheitsbriefen entschieden.
Zur damaligen Zeit hatte man auch schon Münzen.
Sie hießen Brakteaten, Hohlpfennige, Blechpfennige,
Finkenaugen und Schillinge. Diese Münzen aber galten
nur für Ein Jahr. Acht Tage vor Jacobi wurden sie
alle ungültig, man lieferte sie ab und, bekam neues
Geld wieder, jedoch nicht ganz so viel, um die Münz-
kosten zu decken. Wer 14 Pfennige ablieferte, bekam
12 neue zurück.
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16
Achte Erz ah lung.
Es kommt ein anderes Fürstenhaus zur Regierung.
storben war, stritt man vier Jahr lang darüber, wem
denn nun das schöne Land anheimfalle. Endlich behielt
der Stärkere die Oberhand. Der Kaiser nahm die Mark-
grafschaft zu sich und gab sie seinem Sohne Ludwig
dem Aelteren. Mit diesem Markgrafen beginnt also die
baiersche Linie in Brandenburg. Viele Fürsten waren
aber dem Baiernhause dieses Besitzthum gar nicht zu
gönnen und suchten dem neuen Fürsten auf alle Weise
zu schaden. Schon in den vier Jahren, während welcher
Niemand im Lande wußte, wer Herr, oder Knecht sei,
war es arg hergegangen. Die Nachbarn hatten an den
Grenzen ein Stück Land nach dem andern an sich gerissen,
und im Innern raubte und plünderte, wem es gut schien.
Zu diesen Plagen kamen nun noch andere, so daß Lud-
wig wirklich eine sehr unglückliche Negierung geführt
hat. Zuerst sielen die Polen und Litthauer in das Land
und hauseten fürchterlich darin. Sie sollen 144 Dörfer
verbrannt und 6000 Menschen gefangen weggeschleppt
haben. Eine solche Noth hatte das Land lange nicht
erlebt. Kaum war dieser Sturm vorüber, als ein
neuer und dazu ganz sonderbarer Feind auftrat. Hin
und wieder ließ sich im Lande ein Mann sehtn, mit
einem Pilgerkleide angethan, welcher erzählte, er komme
von einer Wallfahrt nach dem heiligen Grabe zu Jeru-
salem zurück. Dort habe er leibhaftig den Markgrafen
Waldemar gesehen, denn dieser sei nicht gestorben, son-
dern lebe noch. Solche Rede lief von Mund zu Mund,
von Ort zu Ort. Jeder horchte freudig auf. Der Pil-
ger geht indeß zum Erzbischof von Magdeburg, und als
ihn dieser erst nicht vor sich lassen will, wirft er in einen
leeren Becher den Siegelring des verstorbenen Walde-
mar's. Jeder staunt, und der wunderbare Mann sagt
nun: „Ich selbst bin Markgraf Waldemar. Ich bin
nicht, wie man geglaubt hat, gestorben, sondern habe
damals mich nur für todt ausgeben und einen andern
der brandenburgische Fürstenstamm ausge-
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Waldemar Waldemar
19
Neunte Erzählung.
Das Fürstengeschlechl der Luxemburger erhalt das Land.
§)es Kaisers zwölfjähriger Sohn, Wenzel, wurde Chur«
fürft von Brandenburg, aber Karl selbst führte für ihn
die Regierung. Der neue Staat, den er seinem Hause
erworben, war ihm sehr lieb und theuer, darum sorgte
er wirklich väterlich für das Land. Er ließ viele neue
Gebäude aufführen, damit die Menschen nützliche Be-
schäftigungen fanden; es wurden Flüsse schiffbar gemacht,
um den Handel wieder empor zu bringen. Die Straßen-
räuber sing man ein, und wen man als solchen erwischte,
wurde ohne Ansehen der Person an dem ersten besten
Baume aufgeknüpft. Karl hielt sich selbst recht viel in
der Mark auf. Dann konnte jeder Unterthan zu ihm
kommen, um ihm seine Noth zu klagen, konnte es ihm
selbst anzeigen, wenn ihm Unrecht geschehen war. Und
der Kaiser half, so viel er vermochte, und hielt Ordnung
und Recht im Lande mit starkem Arme. Den Richtern
schärfte er Unpartheilichkeit ein und gab ihnen einen
Siegelring mit der Umschrift: Richtet recht, ihr Men-
schenkinder! — Unter einer solchen Regierung erholte
sich Brandenburg sichtlich. Wir wissen aus jener Zeit,
daß damals in der Mark 171 Städte und Schlösser und
1094 Dörfer waren. Ein Scheffel Weizen galt 16, Rog-
gen und Gerste 10, Hafer 5 Pfennige.
Und das Land würde erst in der Folgezeit recht auf-
geblüht sein, wenn Karl länger regiert hätte; aber leider
starb er viel zu früh für die Mark, 1378. Nach seinem
Tode wurde sein elfjähriger Sohn Sigismund Churfürst
von Brandenburg. Nun gerieth das Reich nicht nur in
dasselbe Elend, aus welchem es Karl erlöset hatte; das
Unglück wurde vielmehr noch größer. Sigismund war
gar nicht in seinem Churfürftenthume, sondern hielt sich
in Ungarn auf, dessen König er wurde. In Branden-
burg regierten Statthalter nach Willkür. Was nur an
Geld und Geldeswerth von den Unterthanen zu erhalten
war, was man nur verkaufen, oder verpfänden konnte,
das packte man ein und sandte es nach jenem fernen
2 *
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Extrahierte Personennamen: Wenzel Karl Karl Karl Karl Karl Karl Sigismund_Churfürst
von_Brandenburg Karl Karl Sigismund
20
Königreiche zu Sigismund, der immer in Geldnoth war.
Das Land zu regieren, daran wurde nicht gedacht.
Ordnung und Gesetz und Recht galten nicht. Jeder
hausete nach Belieben. Und alle dieses Unglück erreichte
noch einen höhern Grad, als Sigismund seinem Vetter,
dem Markgrafen Jobst von Mähren, das ganze Chur-
fürstenthum Schulden halber verpfändete. Jobst war ein
harter, geldgieriger Mann. Zweimal kam er in die
Mark, um das zusammengescharrte Geld und Gut in
Empfang zu nehmen und um Ländereien, Forsten und
Zölle zu verkaufen. Hatte er große Summen zusam-
qeschlagen. dann zog er nach Mähren und überließ das
Land sich selbst. Es hat gewiß niemals in einem Reiche
größere Unordnung und schrecklicherer Wirrwarr ge-
herrscht, als damals in Brandenburg. Ob die Menschen
zu Dutzenden an den Landstraßen lagen und ermordet
waren, ob Dörfer und Städte, angezündet von Raub-
gesindel, in lichten Flammen standen, darum kümmerte
man sich nicht. Das waren Dinge, die alle Tage vor-
sielen. Nur Gewalt galt. Die Edelleute waren unter
den Räubern die tollsten. Sie überfielen Städte und
Dörfer, Reifende und Unterthanen und plünderten aus,
wer ihnen vorkam. Es ist wirklich nicht Alle zu beschrei-
best, wie unglücklich unser Vaterland damals war.
Im Jahre 1411 starb Jobst, und da er keine Kinder
hatte, so siel das Land an Sigismund zurück. Dieser
war unterdeß deutscher Kaiser geworden, und die Bran-
denburger, die der guten Negierung des Kaisers Karl
gedachten, freuten sich, daß Sigismund jetzt ihr Chur-
fürst sei, denn sie hofften von ihm Errettung aus ihrer
grenzenlosen Noth. Er versprach auch den Abgeordneten
alles Mögliche, aber nicht durch ihn sollte dem Lande
Erlösung werden. Ein ganz anderer Mann war von
der Vorsehung dazu' ausersehen, Ruhe und Frieden,
Sicherheit und Ordnung in die Mark zurückzuführen.
Ein anderes Fürstenhaus sollte unter Gottes sichtbarem
Beistände unser Vaterland nach und nach zu einer Höhe
erheben, die Niemand geahnet hatte.
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Sigismund Sigismund Jobst_von_Mähren Jobst Sigismund Karl Karl Sigismund
Vorwort.
Ä)!ehrere Hochlöbliche Regierungen hatten die Ge-
wogenheit, bei der Herausgabe meiner Schrift:
Die brandegburgisch-preußische Geschichte.
Für Lehrer an Land- und Stadtschulen,
für die Schuljugend aller Religionsver-
wandten und auch sü r V a ter land s fr e u n d e.
Elberfeld, bei Büschler. Preis 20 Sgr.,
mich aufzufordern, ein kleineres Werk zu schreiben,
das wegen des geringem Preises allen Schülern
der Oberclassen unserer Elementarschulen in die Hände
zu geben sei , da ein Buch für 20 Sgr. nur die
Kinder bemittelter Bürger und Landleute kaufen
könnten. Dieser ehrenvollen, aber auch schwierigen
Aufgabe habe ich mich gern unterzogen, und so übergebe
ich denn das Product meiner Arbeit ehrerbietig ft dem
Publikum. Möge es billigen Anforderungen ent-
sprechen und vorzüglich die mir als Hauptzweck hin-
gestellte Absicht erfüllen, durch diese Erzählungen aus
unserer vaterländischen Geschichte das Vertrauen und
den Hinblick zu Gott zu mehren und stärken und
die Liebe zum Könige und Vaterlande zu befestigen.
Ich habe aber nicht eine trockene Übersicht, nicht
einen dürren Abriß aus unserer Geschichte geben
wollen, vielmehr bin ich bemüht gewesen, ein für
sich bestehendes Ganzes zu liefern, das, in anmu-
thigen und lehrreichen Erzählungen verfaßt, mit
Wohlgefallen von Kindern und Erwachsenen zu lesen
sei. Dabei habe ich mir gedacht: Jeder Schüler
in den Oberclassen unserer Elementarschulen hat das
Büchelchen in den Händen, um zunächst das Passendste
aus unserer vaterländischen Geschichte daraus kennen
zu lernen, dann auch, um nach demselben Übungen
im mündlichen Ausdrucke, im Erzählen, anzustellen,
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22
Schrecken dachten sie an Jobst und glaubten, §s werde
das Unglück von neuem über sie losbrechen. Aber in
bessere Hände konnte Gott das Schicksal des Landes
nicht legen, nicht deutlicher dem Volke seine Gnade be-
weisen. Hier und da erzählte auch schon dieser und
jener, welch ein vortrefflicher Fürst der Burggraf sei,
und wie er gewiß ganz anders das Land behandeln
werde, als Jobst. Solche Reden machten das Volk auf-
merksam, und begierig erwartete man das Erscheinen
des neuen Pfandinhabers. Er kam. Mit Güte und
Freundlichkeit trat er auf; die Landleute jauchzten über
den gütigen Herrn, die Städte öffneten ihm die Thore,
und wo ein Herz ihm noch nicht so ganz zügethan war,
er gewann es bald durch sein Benehmen. Nur das
adliche Raubgesindel haßte ihn, denn diese Genossen
dachten wohl, daß ihr Reich jetzt zu Ende sei. Sie
widersetzten sich mit offner Gewalt und schwuren, daß,
wenn es auch ein Jahr lang Burggrafen regne, sie
doch nicht aufkommen sollten. Friedrich zog mit Heeres-
macht gegen sie, und sie flohen in ihre Burgen. Dort
hinter den dicken Mauern glaubten sie sich sicher.
Der Burggraf hatte aber eine große 24pfündige Kanone,
seine ganze Artillerie, die man ihrer Schwerfälligkeit
wegen die faule Grete nannte, diese ließ er kommen.
Da sie die erste war, die man in Brandenburg sah, so
erregte sie Staunen und Schrecken. Die Burgen wur-
den zusammengeschossen, die Räuber geriethen in Angst.
Sie ergaben sich, oder wurden gefangen, oder flohen.
Nun kam Ruhe in's Land. Die Straßen wurden sicher,
der Unterthan konnte ohne Angst und Sorgen sein Ge-
schäft betreiben, die Fluren wurden nicht zernichtet und
zertreten. — Während dieser Zeit hatte Sigismund von
Friedrich noch mehr Geld geliehen, so daß er ihm 400,000
Dukaten schuldig war. An Wiederbezahlen konnte der
Kaiser nicht denken. Er verkaufte daher um
obige Summe dem Burggrafen von Nürn-
berg und Grafen von Hohenzollern Frie-
drich Vi. im Jahre 1415 das ganze Chut-.
fürstenthum Brandenburg nebst allen dazu
gehörigen Rechten als erb- und eigenthümlich.
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Extrahierte Personennamen: Jobst Jobst Friedrich Friedrich Sigismund_von
Friedrich Friedrich
23
Friedrich ließ sich darauf in Berlin huldigen.
Diese Stadt wurde von nun an die Residenz der Re-
genten und die Hauptstadt des Landes.
Friedrich Vi. wird in der Geschichte unsers Vater-
landes Churfürst Friedrich I. genannt. Mit ihm fängt
die Reihe der hohenzollerischen Fürsten in Brandenburg
an, und er ist der Stammvater der jetzigen lieben könig-
niglichen Regentenfamilie, welche nach und nach unser
Land zu solcher Macht und zu solchem Glanze und
Wohlstände erhoben hat, daß die Welt das Königreich
Preußen nur mit Achtung nennt.
Die Churfürsten von Brandenburg aus dem
Hause Hohenzollern.
Elfte Erzählung. '
Die Churfürsten Friedrich I. und Friedrich Ii.
88enn wir jetztlesen, daß der Burggraf von Nürnberg
das ganze Churfürstenthum Brandenburg für 400,000
Dukaten kaufte, so sollten wir wohl glauben, daß dies
ein wahrer Spottpreis sei. Und doch ist es nicht so.
Zur damaligen Zeit brachte jene Summe an 72,000
Thaler Zinsen; die Einkünfte unsers Vaterlandes trugen
dem Fürsten aber nicht einmal 50,000 Thaler ein. So
sehr war das Land heruntergekommen. Nur die Mittel-
mark war noch da. Von der Altmark, Priegnitz und
Ukermark hatten die Nachbarn große Stücke inne, und
die übrigen Landestheile waren ganz verloren. Die
Acker hatten sich in Wüsteneien verwandelt, viele Dörfer
lagen in Schutthaufen. Der Adel gehörte größtentheils
zum Raubgesindel, die Städte verarmten, denn der Han-
del stockte, und der unglückliche Landmann wußte nicht,
woher er Brot in dieser Wüste nehmen sollte. An Recht
und Gerechtigkeit wurde nicht gedacht, an Unterricht für
die Jugend fehlte es ganz, und die Religion? Man
kannte sie kaum dem Namen nach. Es gab wohl kein
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Friedrich_Vi Friedrich Friedrich_I. Friedrich_I. Friedrich_I. Friedrich_Ii Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Brandenburg Brandenburg Nürnberg Brandenburg Altmark
5 .
den sind. Worin aber die Wenden mit den Semnonen
übereinkamen, das war die Liebe zur Jagd und zum
Krieg. Bekam das Volk einen Kampf mit andern Völ-
kern, so wählte es sich einen Krolen. Das war ihr An-
führer. Ihm folgten sie mit dicken Keulen, Bogen,
Pfeilen und Streitmessern. Mit großer Tapferkeit foch-
ten sie, aber wohin sie kamen, machten sie Städte und
Dörfer dem Erdboden gleich, ermordeten sie Jung und Alt.
Im Hause war der Hausvater Herr. Mit allen
Hausgenossen konnte er thun und lassen, was er wollte.
Starb der Mann, so wurde die Frau mit ihm verbrannt.
Eltern, die viele Kinder hatten, setzten die Töchter ge-
wöhnlich in Wüsten aus, damit sie verhungerten. Wur-
den die Alten schwach, so brachten ihre Kinder sie um.
Und das war keine Uebelthat, nein, man bat sogar darum,
weil das ganze Volk glaubte, nur diejenigen kämen in
den Himmel, die im Kriege sielen, oder die ermordet
würden; diejenigen aber kämen in die Hölle, welche in
einer Krankheit, oder aus Altersschwäche das Leben ver-
lören. So thaten also die Wenden üble Werke, ohne
daß sie es wußten, denn sie waren in ihrem Glauben irre
gegangen, und das Licht der christlichen Religion hatte
sie" noch nicht erleuchtet. Ihr Götzendienst war wirklich
sehr elend. Sie hatten zwei Hauptgötter, Belbog, den
Schöpfer der Welt und Geber alles Guten, und Zernebog,
den Urheber des Bösen. Jeder Gott hatte noch seine
Untergötter. Diese alle verehrten sie nun in Tempeln,
brachten ihnen Opfer und heiligten ihnen ihre Festtage.
Ungeachtet solches irrigen Glaubens übten sie manche
gute Werke, wie auch der Apostel Paulus sagt: Die Hei-
den haben zwar das Gesetz nicht, aber von Natur thun
sie die Werke des Gesetzes, weil es ihnen von Gott ge-
schrieben ist in ihr Herz und ihr Gewissen. Wollust,
Meineid, Diebstahl, Straßenraub fand man fast gar
nicht bei den Wenden. Ihre Häuser verschlossen sie nie;
daß ihnen etwas gestohlen würde, fürchteten sie nicht.
Den Armen gab Jeder ohne Bitte, den Fremden nahm
man freundlich auf. Und wer dies nicht that, den be-
trachtete man als ehrlos, stieß ihn aus dem Gau, zündete
seine Hütte an und verbrannte siemit allen Habseligkeiten.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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