130 Kap. 121. Das russ. u. mongol. Reich. Kap. 122. Das griech. Kaiserthum.
Kap. 121. Das russische Reich und das Reich der Mongolen.
(1.) Das russische Keich war 862 durch drei normannische Brder aus dem schwedischen Stamm Ru gegrndet worden. Der lteste derselben fturik, der zu Nowgorod sa, wurde nach dem Tode seiner Brder Allein-Herrscher. Sein Sohn Igor nahm Kiew ein, und dessen Wittwe Olga trat 955 zum Christenthum der. Rurik's Urenkel, Wladimir der Groe, 988 nahm sodann den griechisch-katholischen Glauben an (). Kap. 99) und herrschte vom Dnjepr bis zur Dna.
Nach seinem Tode verlor 'das Reich durch viele Erbtheilungen seine Ein-heit und zerfiel in viele Frsteuthmer, die einander bekriegten und von angrenzenden Vlkern bedrngt wurden.
Unter diesen Theilfrste nthmer n waren Moskau, Kiew und Wladi-mir die wichtigsten. Nowgorod gab sich eine freistdtische Verfassung. Die West russischen Provinzen wurden den Russen von den Polen entrissen.
Als in der ersten Hlfte des dreizehnten Jahrhunderts die Mongolen ein-brachen, machten diese sich die meisten Theilfrstenthmer zinsbar. Der mos-kowitische Grofrst Iwan I. widerstand ihnen inde schon nicht ohne Erfolg; aber erst der kraftvolle Iwan Wasiljewitsch (1462 1505) machte Rußland von der Herrschaft der Mongolen vollends frei.
Zwan Iv. der Schreckliche, sein Enkel, nahm den Titel Czar an, er-richtete die Strelitzen (eine Leibgarde), vereinigte Kasan und Astrachan mit seinem Reiche und nannte sich Selbstherrscher aller Reuen. Er starb 1584, und mit seinem Nachfolger Feodor erlosch 1598 der Manns-stamm Rurik's. (Forts. Kap. 149, 2).
Die Mongolenmacht, die seit dem dreizehnten Jahrhundert fr den europnchen Osten so bedrohlich wurde, hatte Temud schin, ein Oberhaupt tartarisch-mongolischer Horden, gegrndet, indem er als Dschingischan (t>. i. allgemeiner Chan) die Chowa-resmier (Turkomanen aus Chvrasan (Khiwa) zwischen dem Indus und kaspischen Meer) unterwarf und in Rußland eindrang, wo unter seinem toohn und Nachfolger Oktai die russischen Theilfrsten groenteils unterjocht wurden.
Nachdem die Mongolen auch Ungarn und Schlesien verheert und be: Lieg-nitz 1241 zwar gesiegt hatten, aber vor den christlichen Waffen (besonders nach ihrer Niederlage bei Olmtz) wieder nach dem Osten gewichen waren, setzten sie ihre Er-oberungen in Asien fort, bis das groe Mongolenreich in vier Chanate (China, Persien, Kaptschak und Dschagatai) zerfiel. Unter dem grausamen Tlmur oder Tamerlan (13691405), der ganz Westasien und Rußland eroberte, erhob sich die tartarisch-mongolische Herrschaft noch einmal zu einer ungeheuren Macht, lste sich aber gleichfalls durch Uneinigkeit wieder auf.
Kap. 122. Das griechische Kaisertum vom 12. bis 15. Jahrhundert und die Herrschaft der Osmanen.
Nach dem Erlschen der macedonischen Dynastie 1056 (Kap. 109) gelangte Isaak Eomnenus zum Thron, trat ihn aber nach zwei Jahren an Eon-staut in Ducas ab, unter dessen Nachkommen der grte Theil von Kleinasien an die Seldschucken verloren gieng. Mit Alexius I. kam wieder die 1081 Dynastie der Eomnenen auf den Thron. Er und fein Nachfolger be-nahmen sich standhaft in den Conflicten mit den Kreuzfahrern und hielten die Seldschucken von weiterem Vordringen ab.
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Extrahierte Personennamen: Igor_nahm_Kiew Olga Feodor Oktai Isaak_Eomnenus Isaak
Extrahierte Ortsnamen: Moskau Kiew Kasan Astrachan Ungarn Asien China Persien Kaptschak Westasien Ducas Kleinasien
— 57 —
An der südöstlichen Grenze des deutschen Reiches entstanden auf oströmischem Gebiete kleinere slavische Staaten (Kroatien, Serbien u. a.), welche indessen keine wesentliche Bedeutung gewannen.
Von Rußland ist bis zum Ende des Mittelalters nicht viel die Rede. Der Beginn der Staatenbildung ist freilich schon auf die zweite Hälfte des neunten Jahrhunderts zurückzuführen, als die normannischen Waräger unter Rurik von Nowgorod (Naugard) am Jlmensee aus eine Reihe von kleinen Staaten gründeten. Von diesen nahm das Großfürstentum zu Kiew den ersten Rang ein. Kiew war schon damals eine alte Stadt, die Hauptstation des uralten Handelsweges, welcher längs dem Dnjepr vom Schwarzen Meer zur Ostsee führte. Um das Jahr 1000 wurde auch hier durch Wladimir d. Gr. das Christentum — aber das griechisch-katholische ! — eingeführt. Im dreizehnten Jahrhundert kam fast ganz Rußland unter die Herrschaft der Mongolen.
Ungarn.
Die Ungarn legten am Ende des zehnten Jahrhunderts ihre Raubgewohnheiten ab, unterließen ihre Streiszüge, durch welche sie ein Jahrhundert lang Deutschland, Italien und Ostrom, zuweilen sogar Frankreich ge-brand sch atzt hatten, und gewöhnten sich, besonders unter Stefan dem Heiligen, an Ackerbau und friedliche Beschäftigung. Unter Kaiser Heinrich Iii. wurden sie vorübergehend dem deutschen Reiche lehnspflichtig. Das Geschlecht des Arpad herrschte bis 1300. Das Land ward schon damals in Gespan-schasten (Komitate, comes = ispan) geteilt.
Kirchliches Leben. Die Cluniaeenser.
Im neunten Jahrhundert begann ein neues Leben auch für die itirdjc. Infolge der Übertragung des Kaisertums auf die Franken war es den Päpsten (Nikolaus I.) gelungen, im ganzen Abendlande die Anerkennung als höchste geistliche Autorität zu erlangen. Vorzüglich in den Klöstern wurde die Lehre vou der höchsten Gewalt des Papstes ausgebildet, da die Äbte sich der Unterordnung unter die Bischöse zu entziehen trachteten und nur vom päpstlichen Stuhle abhängig sein wollten. Falsche Urkunden, welche die Steigerung der päpstlichen Macht zum Zwecke hatten, kamen seit dem neunten Jahrhundert zum Vorschein. Die bekanntesten sind die pseudo-istdorischen Dekretalen (Sammluug von päpstlichen Verordnungen).
Die Abhängigkeit der Päpste teils von den Kaisern, teils von römischen Parteien, und die Sittenlosigkeit, deren sie sich zu manchen Zeiten schuldig
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Extrahierte Personennamen: Stefan Heinrich_Iii Heinrich Nikolaus_I. Nikolaus_I.
Extrahierte Ortsnamen: Kroatien Serbien Kiew Kiew Ostsee Ungarn Deutschland Italien Ostrom Frankreich
Volks- u. Slaatsverhältnisse. §. it. Staatseinrichtungen. 919
serlichen Gewalt durch die geringen Prärogrative, welche sie
den Fürsten und Stammältesien verschiedener nomadischer Völ-
kerschaften gelassen hat. — Dagegen werden die Adels-
ordnung Peters Iii. und die Städteordnnng der Kai-
serin Katharina Ii., ebenso wie die genannte Erbfolgeord-
nung, als unabänderliche Reichsgesctze betrachtet. Ferner ha-
den die letzten beiden Kaiser wiederholt erklärt „ihren Willen
den Gesetzen des Reichs unterordnen zu wollen." Endlich
liegt auch i,t der durch großen Grundbesitz und traditionelle
Gewohnheit bedeutenden Macht der Aristokratie ein beachtens-
wertstes Gegengewicht gegen den Mißbrauch der kaiserlichen
Selbstherrschaft. —
Der Adel Rußlands besteht theils aus erblichem Ge-
schlechts- und Brief-, theils aus Beamten-Adel, welcher letz-
tere entweder erblich oder blos persönlich ist. Die Rechte
dieser Adelsklassen sind verschieden, zum Theil aber sehr be-
deutend, und knüpfen sich mehr oder weniger an die von
Peter I. festgesetzte Rangordnung, nach welcher der ge-
sammte Beamtenstand in 14 Klassen getheilt und bestimmt
wurde, daß die adelige Geburt an sich keinen Rang gewähren
sollte, der erst durch den Staatsdienst zu erringen sey. Nach
derselben gehören die Beamten der ersten 8 Rangklassen und
deren Nachkommen zum erblichen, die übrigen zum persönlichen
Adel. — Die Zahl der zum Adel gehörigen Personen beträgt,
mit Einschluß des sehr zahlreichen, aber nach der Pacificirung
Polens bis auf c. 363200 K. verminderten polnischen Adels,
Liber 1 Million*); von ihnen ist ungefähr die Hälfte nicht-
russischen, sondern polnischen, tatarischen, deutschen Blutes. —
Einen eigentlichen Bürg erstand, nach dem deutschen
Begriffe des Worts, gibt es in Rußland nur in den Ostsee-
Provinzen und in Finnland. Insofern man jedoch die nicht-
adeligen städtischen Grundbesitzer, die Kaufleute**), Zunftpflich-
*) Schon für das Jahr 1836 wurde der Erbadel zu 538160, der
Dienstadel ;u 153195 K. angegeben, ohne den polnischen und finnischen
Adel zu rechnen.
**) Man unterscheidet Kaufleute erster, zweiter und dritter Gilde,
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— 44
Oestereich: Ostgalizien und Lodomirien, 1400 Q.-M. Rußland: Ostlithauen, 2000 Q.-M.
1774. Friede zu Kutschuk -Kainardsche. Rußland erhält As'ow und einen Theil der Krim, sowie freie Schifffahrt auf allen türkischen Meeren, giebt aber seine Eroberungen in der Moldau und Wallachei zurück. Die Tartaren in der Krim werden unabhängig von der Türkei.
1780 begründet Rußland gegen die Uebermacht Englands zur See die bewaffnete Seeneutralität zur Sickerung des Handelsverkehrs. Ihr treten Dänemark, Schweden und bald auch Preußen, Oestereich, Frankreich, Spanien bei.
1. Neutrale schiffe haben freie Schifffahrt von Hafen zu Hafen.
2. Feindliches Eigenthum ist in neutralen Schiffen frei.
3. Eine nur nominelle Blokade ist unzulässig.
Potemkin, einer der vielen Günstlinge Katharina's, beherrscht, obgleich er weder Staatsmann noch Feldherr ist, 16 Jahr lang die Kaiserin und das Reich (+ 1791). Er beginnt die Ausführung von Katharinas Plan. die Türken ans Europa zu vertreiben und das griechische Kaiserthum wiederherzustellen. 1782 mit der Einverleibung der Krim (Taimen). Diese verödet bald unter der willkürlichen und grausamen Verwaltung Potemkin's.
1787—92. Zweiter Türkenkrieq Katharina s im Bunde^mit Oestereich. Die russischen Heere unter Potemkin und Su-warofs und die östreichischen unter Laudon u. dem Prinzen v. Koburg erringen mehrere Siege u. erobern mehrere Festungen. Da nach Zoseph's Ii. Tode (1790) Oestereich Frieden schließt, so schließt auch Rußland (nach Potemkin's Tode, 1791) im Jan. 1792 den Frieden zu Zaschy, durch welchen es das^Land zwischen Bug und Dnsestr behält.
1793 u. 95. Zweite und dritte Th eilun g Polens s. S. 63.
§. 26. Das osmanische Reich.
Das osmanische Reich verdankt von dieser Periode an bei der Schwäche seiner Sultane, den unglücklichen Kriegen gegen das immer mehr erstarkende Rußland und der sittlichen Ver-derbniß der Osmanen seine Erhaltung nur der gegenseitigen Eifersucht der europäischen Mächte.
1736-39. Krieg mit Rußland s. S. 43.
1768—74 n.\ Erster und zweiter Krieg der Türken gegen 1787 92. J Katharina Ii. von Rußland s. oben.
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Extrahierte Personennamen: Katharina Katharina Ii
Extrahierte Ortsnamen: Ostgalizien Englands Schweden Frankreich Spanien Katharinas Europa Polens
34
Achter Zeitraum.
einen nachtheiligen Türkenkrieg, den er als Bundesgenosse
Rußlands begonnen hatte, und durch den Aufstand der
Niederländer, welche er in ihren sorgfältig bewahrten Vor-
rechten beeinträchtigen wollte, bis an seinen frühzeitigen
Tod beschäftigt. In Holland unterdrückte Friedrich
Wilhelm 2 (1737) die Angriffe der Patrioten auf die
Rechte des Erbstatthalters durch einen unblutigen Feldzug;
er ahnete aber damals nicht, als er die oranische Familien-
sache zur Angelegenheit des Staates erhob, daß eine Par-
thei noch nicht vernichtet genannt werden kann, wenn
ste nur gewaltsanl unterdrückt worden ist. Sieben Jahre
spater zeigten sich die wichtigen Folgen dieses politischen
Mißgriffes. — Spanien, Portugal und Italien
äußerten damals wenige sichtbare Spuren höherer Lebens-
kraft; die spatere Zeit bestätigte es, daß sie sich in ihren
politischen Formen überlebt hatten. Rußlands Uebcrge-
wicht drückte mächtig ans Polen und die Pforte. Po-
len und sein König verschwanden, nachdem drei Monarchen
das böse Beispiel der ersten Theilung dieses Reiches bereits
im Jahre 1772 gegeben hatten, in der dritten Theilung
ganz aus der Reihe der europäischen Mächte und der ge-
krönten Häupter; das kleine Kurland ward im Norden,
wie einige Zeit vorher die Krimm, dem russischen Riesin-
reiche einverleibt; die Türkei hatte gleichfalls, nach einem
unglücklichen Kriege, einen ansehnlichen Strich Landes der
siegreichen Katharina überlassen müssen, und dadurch ihre
höher steigende Ohnmacht vor Europa so beurkundet, daß
bereits der Plan der Vertreibung der Türken aus
Europa an der politischen Tagesordnung war, und nur
vielleicht durch die große Staatsumbildung Frankreichs in
jenem Zeitpuncte aufgehalten ward. Dieselbe Begebenheit
gab auch der Politik des thätigen Gustav 3 eine andere
Richtung. Denn nachdem er, während Katharina 2 im
Türkenkricge beschäftigt war, sie selbst vom finnischen Meer-
busen aus in der Nähe ihrer Hauptstadt zu bedrohen ge-
sucht hatte, erneuerte er im eilig abgeschlossenen Frieden
von Werelä das vorige Verhältniß mit Rußland, und
rüstete sich zum Kampfe für die Sache der Bourbone in
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Extrahierte Personennamen: Friedrich
Wilhelm Friedrich Wilhelm Katharina Gustav Gustav Katharina
Extrahierte Ortsnamen: Holland Spanien Portugal Italien Polen Kurland Europa Europa Frankreichs Werelä
Achter Zeitraum.
7 26
von Posen angenommen hakte, gleichfalls eine neue
Verfassung >) gegeben, welche an die Stelle der auf-
gehobenen Verfassung des Herzogthums Warschau trat. —
Der polnische Reichstag zerfallt nach dieser Verfassung in
Zwei Kammern, in die des Senats (mit 30 lebensläng-
lichen Mitgliedern) und in die der gewählten 60 Land bo-
ten; er wird aller zwei Jahre zu einer Sitzung von 14
Tagen berufen, wo er über die Auflagen und Gesetze be-
rathschlagt, die ihm der König durch den Staatsrath vor-
legen laßt. Wie richtig aber der Kaiser Alexander selbst den
politischen Charakter volksvertretcnder Verfassungen würdigte,
bezeugte seine Rede 2), womit er (27 Apr. 1818) den pol-
nischen Reichstag eröffnete. — Das Königreich Polen, ge-
theilt in 8 Woywodschaften, enthalt aus 2200 Q. M. eine
Bevölkerung von 3,438,728 Menschen, unter welchen sich
227,300 Juden befinden.
826.
Rußland.
Im Osten von Europa hatte sich seit dem Anfange des
achtzehnten Jahrhunderts eine Macht aufgethürmt, die man
vor den Tagen Peters des Großen mehr zu Asien, als zu
Europa zu rechnen gewohnt war. Besonders war sie mit
bedeutendem Gewichte seit dem Regierungsantritte der Kai-
serin Katharina in das System der europäischen Staaten
eingetreten. Die Ostseeprovinzen, Liefland, Esthland und
Jngermannland, hatte bereits Peter 1 von Schweden ge-
wonnen; Katharina vereinigte im Westen noch 6 Millionen
Polen und das Herzogthum Kurland (18 März 1795) mit
ihrem, auch im Süden durch Eroberungen von den Türken
und durch die Unterwerfung Tauriens mächtig vergrößerten.
Reiche. In donnernden Manifesten gegen Frankreich hatte
G Die Verfassung des Königreiches Polen steht in den Eurvp.
Constitue Th. 2, S. 46 ff.
2) Eben d. Th. Z, S. 446 si
V
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Extrahierte Personennamen: Alexander Alexander Katharina Peter_1_von_Schweden Katharina Constitue
Extrahierte Ortsnamen: Polen Europa Asien Europa Esthland Kurland Frankreich Polen Eurvp
l
Die neuere Zeit.
Erste Periode.
Reformation und durch die Reformation herbeige-
führte Kämpfe von 1517 bis in die Mitte des
sicbenzehnten Jahrhunderts.
Erstes Hauplstück.
Sittenzustand und Lage der Dinge zur Zeit des Anfangs
der Reformation.
c*
Om Beginne der neuen Aera waren die europäischen
Völker, wenn wir sie unter einander vergleichen, auf sehr
verschiednen Punkten ihrer Laufbahn angelangt: die Nüssen
durch Iwan Wasiljewitsch vom tatarischen Joche befreit, aber
kaum für den ersten Versuch,einer Kultur empfänglich;
in Polen eine Nation von Adeligen, Bürgerabgeordnete
hie und da znm Handkusse zugelassen, die Gränzen durch
Russen und Türken bedroht, gegen Mitternacht aber er-
weitert, und der Hochmeister des Dentschordens ein Vasall
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232
Elftes Hauptftück.
Wohnung auf schwarzem Grunde lag. Von den Acker-
bauern forderte man im Falle des Bedürfnisses auch noch
Frohnen, und regelmäßig ein bestimmtes, kleines Maß
von Roggen und Saber. Die Vermögenssteuer der Bür-
ger war verschieden, theils wegen der jährlich erneuerten
Schatzung, theils weil die Bürgerschaft in vcrschicdne
Klassen zerfiel. Obenan standen die Stroganow,
welche seit 1607 den Titel „namhafte Leute" führten, in
Ustjug und Perm, auch ostwärts vom Ural, Güter-
ftreckcn und Salzwerke besaßen, zu Bewachung derselben
Landsoldaten mit grobem Geschütze hielten, ihrem Tauf-
namen den des Vaters mit der Endung itsch hinzufüg-
ten, und von Jedem, der die ihnen schuldige Achtung
verletzte, hundert Rubel als Ehrengeld ansprachen. Au-
dre Rechte theilte das bevorzugte Geschlecht der Stroga-
now mit den Großhändlern, die, sowohl für ihre als
des Zaars Rechnung, den auswärtige« Handel führten,
und manche Fremde unter sich zählten: .meistens waren
sic steuerfrei, durften mit oder ohne Maaren über die
Granze reisen, nirgends Brücken- oder Fährgeld bezah-
len, den gerichtlichen Eid ablehnen, für ihren Bedarf
ohne Anzeige und Abgabe Getränke brauen, und 50 Ru-
bel Ehrengeld fordern; über sie, ihre Kinder, Neffen
und Geschäftsträger richtete der Monarch oder ein von
ihm ernannter hoher Beamter; auch konnten sie mit Er-
laubniß des Zaars Erbgüter besitzen. 10 bis 20 Rubel
Ehrengeld gebührte den Grvßhändlerhnndcrten, 5 bis
15 den Tuchhändlerhunderten; zudem hatten sie Anspruch
auf die Zollverwaltung und auf die besten städtischen Aem-
ter, welche ein Bürger bekleiden konnte. Die so eben
genannte dritte und vierte Klasse (je mit 3 Abtheilun«
gen) bestand eigentlich nur in Moskau; allein die Kauf-
leute andrer Städte konnten sich unter jene oder diese
einschreiben lassen. Das schwarze Hundert endlich um-
faßte alle Krämer und andern Städter, denen die Vor-
städtcr und Fteckenbcwohner (auch schatzbare Leute ge-
nannt) vollkommen gleich galten. Höhere Achtung als
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252
Elftes Hauptstück.
als er folgenden Jahrs schon mit mehreren Fahrzeugen
in die See stach, ernannte er den Knjäs F-evdor Jur-
je witsch Romadanowsky zum Admiral einer Flot.
te, die erst geschaffen werden sollte. Einmal überfiel
ihn ei» schrecklicher Sturm: er blickte furchtlos ans den
Steuermann, und sagte ihm, wie er das Nuder Hand,
haben müsse. „Geh mir vom Leibe", schrie dieser, „das
weiß ich besser als du!" bat aber nach gelungner Ret.
tung seine Grobheit auf den Knieen ab. „Hier ist Nichts
zu verzeihen", sagte Peter: „du hast mich gerettet, und
auch die Antwort dank' ich dir; nimm meine durchnäßte
Kleidung und ein Jahrgcld als Geschenk!" Das waren
nicht etwa spielende Versuche, sondern in Folge davon
entwickelte sich der Plan, zwei große Lebensquellen, die
Ostsee und das schwarze Meer, dem russischen Reich wie-
der zu öffnen. Daher blutige, aber erfolglose Angriffe
auf Asow. Für den nächsten Feldzug beschrieb er In.
genieurs und Artilleristen vom Kaiser, aus Branden-
burg lind Holland, legte bei Worvncsch eine Werste an,
baute 23 Galeeren, 2 Galeasscn, 4 Brander, ei» Kriegs,
schiff, welches er selbst, noch eines, das le Fort als Ad.
miral bestieg, vertraute die eigentliche Leitung der mit
4.4,000 Mann besetzten Flotte dem Viceadmirat de Li-
ma aus Venedig, nahm 40 türkische Fahrzeuge, ver-
nichtete 2 größre, und eroberte endlich am 20. Juli 96
die Festung: Triumph und Denkmünzen verherrlichten
einen Sieg, der ihm den Schlüssel zum schwarzen Meere
überliefert hatte. Sogleich beschloß er innerhalb dreier
Jahre den Ban von 55 Kriegsschiffen des ersten bis
fünften Rangs, von 7 Bombardierschiffen und 4 Bran-
dern zu vollenden; die 9 größten sollten mit den Ein-
nahmen des Staats, 6 des zweiten Rangs voin Patriar-
chen, 2 des dritten Rangs vom kiewschen Metropoliten,
die übrigen von andern Großen und von der Kaufmann-
schaft bestritten werden. Hieran schloß sich der Entwurf,
die Jlawla und Kamischinka durch einen Kanal, und so
den Don mit der Wolga, das schwarze mit dem kaspi-
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690
die Planeten aber ziehen ihre Kreise in abge-
messenen Entfernungen höchst regelmäßig um sie
herum; der Mond endlich ist bloß der Erde zum
Trabanten gegeben. - Noch bewundernswürdi-
ger aber ist die Bescheidenheit, mit der er diese
große Entdeckung, die Frucht eines fast ;6jähri-
gen Brütens so lange zurückhielt, daß die Welt,
die er dadurch erleuchtet hat, sie erst in demsel,
den Zahre erfuhr, da sie ihn selbst verlor.
Xii.
Rußland.
(1464 —16130
Rußland verließen wir an der Grenze einer
neuen Zeit, die durch den kühnen Iwan I. Wa-
siliewitsch, während einer zwey und vierzigjäh-
rigen Negierung hervorgerufen ward. Zwey Din-
ge hauptsächlich vollendete er, die zur Befesti-
gung und Erweiterung feinet! Herrschaft beilru,
gen. Er unterwarf sich den Staat von Nowo-
grod und befreiete sich vom tartarischen
Joche. Von dem erstern wissen wir nehmlich,
daß er durch seine Handeleverbindung mit der
Hansee zu einer Selbstständigkeit gelangt war,
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