Hilfe und Dokumentation zu WdK-Explorer

Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 94

1910 - Berlin : Singer
— 94 — dieser Interessengegensatz war durch keinen Frieden, sondern nur dadurch zu beseitigen, daß entweder die eine oder die andere Nation siegte. Die Besetzung Hannovers durch französische Truppen hatte den Zweck, dies deutsche Land als eine Einfallspforte englischer Waren auf das europäische Festland zu sperren, womit nun freilich auch die Demarkationslinie verletzt war, die zu respektieren sich Frankreich im Frieden von Basel gegen Preußen verpflichtet hatte. Aber in Berlin fehlte der Mut, gegen den dreisten Vertragsbruch ernsthaften Einspruch zu erheben. Dagegen gelang es der englischen Regierung, Oesterreich und Rußland zu einem neuen Kriege gegen Frankreich aufzureizen. Im April 1805 war diese neue Koalition geschlossen, die so reaktionär war, wie ihre Vorgängerinnen. Aber die drei Mächte hatten inzwischen gelernt, wie schwer es war, Frankreich niederzuringen, und sie bemühten sich, den preußischen Staat als Vierten im Bunde zu gewinnen. Nun begann der preußischen Regierung das Feuer auf den Nägeln zu brennen; sie wollte es nicht mit Frankreich, aber auch nicht mit der englisch-französisch-russischen Koalition verderben. Nach wie vor unfähig, eine klare und konsequente Politik zu treiben, half sie sich durch ein klägliches Gaukelspiel. Aus die Drohung des Zaren, seine Truppen durch preußisches Gebiet marschieren zu lassen, machte sie das Heer mobil, aber als nun Napoleon ohne eine Anfrage in Berlin tat, womit der Zar erst gedroht hatte, als er französische Truppen durch preußisches Gebiet marschieren ließ, da versprach der preußische König dem Zaren seine Hilfe. Er sandte den Grafen Haugwitz mit einer Kriegsdrohung an Napoleon, allein als der Gesandte an sein Reiseziel gelangt war, hatte Napoleon die verbündeten Oesterreicher und Russen am 2. Dezember 1805 in der Schlacht bei Austerlitz entscheidend aufs Haupt geschlagen, und nun beeilte sich der preußische Gesandte, ein Schutz- und Trutzbündnis mit Napoleon abzuschließen, das alsbald von dem preußischen Könige genehmigt wurde. Es war eine Politik, wie sie elender, feiger und nichtswürdiger noch von keinem Staate getrieben worden ist. Ihre erste Folge war, daß Oesterreich am 26. Dezember 1805 den Frieden von Schönbrunn schließen mußte. Oesterreich verstand sich darin zu Gebietsabtretungen von 1140 Quadratmeilen mit beinahe 800 000 Einwohnern. Einen großen Teil davon erhielten wieder Bayern, Württemberg und Baden; dazu wurden Bayern und Württemberg von Napoleon

2. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 160

1910 - Berlin : Singer
— 160 — Zugleich mit der Verkündigung des Dreiklassenwahlrechts in der spukhaften Versassung des Dreikönigsbündnisses wurde es durch einen widergesetzlichen Gewaltstreich für den preußischen Staat oktroyiert, wo seit dem 8. April 1848 das allgemeine, gleiche, geheime Wahlrecht feierlich als Landesgesetz verkündet worden war. Die Bourgeoisie fügte sich in ihrer Masse dem Schlage, den ihr die preußischen Junker ins (Besicht versetzten. Dieselben liberalen Staatsmänner, die Ende März 1849 in Frankfurt die Reichsverfassung beschworen hatten, als ein Palladium, woran nicht mehr gedeutelt und gedreht werden dürfe, fanden sich ein Vierteljahr später, Ende Juni 1849, in Gotha zusammen und beschlossen mit gleicher Wucht, den Leichenraub der preußischen Regierung an der deutschen Revolution anzuerkennen, einschließlich der Dreiklassenwahl. Nicht ganz so weit ging ein anderer Teil der bürgerlichen Opposition, der vorwiegend aus kleinbürgerlichen Elementen bestand, aber weiter brachte er es auch nicht, als daß er auf eine Versammlung in Köthen beschloß, sich am parlamentarischen Leben überhaupt nicht zu beteiligen, solange die Dreiklassenwahl bestehe. Die einzigen Lichtblicke in diesem traurigen Niedergänge der Revolution waren die Ausstände, in denen um die Reichsverfassung gekämpft wurde. Sie waren von vornherein aus-sichts- und hoffnungslos, aber sie retteten wenigstens die Ehre der Revolution. Es geschah namentlich, wo sich die Arbeiter an ihnen beteiligten, denen es nicht auf den sehr mäßigen Liberalismus der Verfassung, und noch viel weniger auf den hohenzollernfchen Erbkaiser, sondern nur darauf ankam, die Souveränität des Volkes gegenüber dem fürstlichen Despotismus zu verteidigen. Diese Ausstände, die in Dresden, an einzelnen Orten der preußischen Rheinlande, am umfangreichsten aber in Baden und in der bayerischen Rheinpfalz ausbrachen, wurden überall durch preußische Truppen niedergeschlagen, unter den furchtbaren Greueln, die immer und an jedem Ort den Sieg der sogenannten Ordnung begleiten. In der Reichsverfassungskampagne fiel dann auch das einzige Blatt, das sich im ganzen Verlaufe der deutschen Revolution stets auf der Höhe der Ereignisse gehalten hatte, die Neue Rheinische Zeitung, die von Karl Marx, Friedrich Engels und ihren nächsten Gesinnungsgenossen in Köln gegründet und geleitet worden war. Marx wurde als angeblicher Ausländer aus dem preußischen Staate ausgewiesen,

3. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 162

1910 - Berlin : Singer
— 162 — Nachdem dies von Born trefflich redigierte Blatt den Boden bereitet hatte, berief das Zentralkomitee einen Arbeiterkongreß nach Berlin, der am 25. August zusammentrat und von 40 Teilnehmern besucht wurde, die 35 Arbeitervereinigungen aus Berlin, Breslau, Hamburg, Leipzig, Königsberg, München und anderen großen Städten vertraten. Auf der Tagesordnung des Kongresses standen: Garantie der Arbeit durch den Staat, staatliche Unterstützungen industrieller Arbeiterassoziationen, staatliche Versorgung aller hilflosen und invaliden Arbeiter, Beschränkung der übermäßigen Arbeitszeit, Reform des Steuerwesens im Interesse der arbeitenden Klassen, Abschaffung aller Lebensmittelfteuern, Nationalschule mit unentgeltlichem Unterricht, kostenlose Rechtspflege und Einsetzung von Arbeitsministerien in den einzelnen deutschen Staaten, die aus der freien Wahl der arbeitenden Klassen hervorgehen sollten. Ueber alle diese Punkte wurde in zehntägigen Verhandlungen beraten, wobei allerdings noch ein ziemliches Durcheinander der Meinungen hervortrat. Wichtiger als die theoretischen Beschlüsse des Kongresses war das Organisationsstatut, das er für die Arbeiter entwarf, ein umfassender Bau von Lokal- und Bezirkskomitees mit der Spitze eines Zentralkomitees, das nach Leipzig verlegt und mit der Herausgabe eines Bundesblattes betraut wurde, das unter dem Namen der Verbrüderung, wie sich der neue Bund nannte, wiederum unter Borns Leitung erschien. Das Zentralkomitee sollte beaufsichtigt und je nachdem neu gewählt werden durch die jährlich mindestens einmal stattfindende Generalversammlung aller deutschen Arbeiter. Dieser Bund breitete sich über einen großen Teil Deutschlands aus, namentlich durch eine Reihe von Bezirkskongressen, die in Altenburg, Leipzig, Hamburg, Heidelberg, Nürnberg und an anderen Orten stattfanden. In allen politischen Krisen der Revolutionsjahre hielt er sich durchaus wacker, während seine sozialen Bestrebungen nicht ganz so einwandsfrei waren. Er hatte sein soziales Programm allzu reichlich ausgestattet, und je zahlreicher die Stellen waren, an die er seinen Hebel anzusetzen versuchte, um so mehr zersplitterten sich seine Kräfte. Seine Versuche, der kapitalistischen Produktionsweise schon den Prozeß zu machen, ehe das Proletariat die politische Macht erobert hatte, führten zu Enttäuschungen und Verlusten. Immer aber trug das Organ des Bundes viel dazu bei, das Klassenbewußtsein der Arbeiter zu wecken und zu schärfen.

4. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 164

1910 - Berlin : Singer
— 164 — waren ehemalige Mitglieder des Kommunistenbundes als treibende Kräfte tätig. Sie schlossen sich dann wieder zusammen, als mit dem Ende der Reichsverfassungskampagne der weiße Schrecken über Deutschland herrschte. Wie vor 1848, war eine revolutionäre Propaganda innerhalb Deutschlands nur als geheime Organisation möglich, und öffentlich war sie nicht anders möglich, als vom Auslande her. Damit sah es aber übel aus, da in der deutschen Flüchtlingsschaft die allerbuntesten Elemente durcheinander gemischt waren, und jeder Versuch, diese Menge zu einer einheitlichen Aktion zusammenzufassen von vornherein aussichtslos war oder, wo er dennoch gewagt wurde, alsbald unter unerbaulichen Zänkereien im Sande verlief. Dazu fuhren die Regierungen fort, die Flüchtlinge zu drangsalieren, und in der Schweiz hatten sie auch vollen Erfolg. Wie jedesmal vorher und nachher versagte das schweizerische Asylrecht gerade in dem Augenblicke, wo es am notwendigsten war, seine Kraft zu zeigen. Binnen Jahr und Tag räumte die Schweiz, unter dem Drucke der deutschen Regierungen, mit den 11000 deutschen Flüchtlingen aus, die auf ihrem Boden eine Zuflucht gesucht hatten. Der einzige ernsthafte Versuch, die deutsche Emigration als eine wirksame Kraft in die deutschen Geschicke eingreifen zu lassen, ging von Marx und Engels aus. Sie reorganisierten den Bund der Kommunisten, dessen alte Mitglieder sich fast alle in London zusammengefunden hatten. In Deutschland waren aber noch manche Bundesmitglieder tätig, natürlich im Geheimen, und es war auch gelungen, die einflußreichsten Mitglieder der Arbeiterverbrüderung in die Organisation des Bundes einzuspannen. Allein im Laufe des Sommers 1850 trat immer klarer hervor, daß die Revolution unaufhaltsam im Sande verrinne. Statt darüber zu klagen ober zu schelten, untersuchten Marx und Engels wissenschaftlich, weshalb diese Wenbung der Dinge nicht aufzuhalten sei; sie erkannten, daß wie die Hanbels-frife von 1847 die Mutter der Revolution gewesen, so die allmählich wieber eingetretene und im Jahre 1850 zu voller Blüte gelangte inbustrielle Prosperität die Mutter der Gegenrevolution sei. Mit biefer Erkenntnis, die Marx und Engels offen ausfprachen, gerieten sie in einen unversöhnlichen Gegensatz zu den revolutionären Träumen der (Emigration. Auch im Kommuniftenbunbe kam es barüber im September 1850

5. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 168

1910 - Berlin : Singer
— 168 — Patow, Schwerin, der zehn Jahre früher im Ministerium Ccnnphausen-Hansemann gesessen hatte. So brachte die Bourgeoisie ohne alles eigene Verdienst wieder einen Fuß in den Steigbügel. Allzu schwer hatte sie unter der reaktionären Wirtschaft der fünfziger Jahre nicht gelitten. Der industrielle Aufschwung dieses Jahrzehnts tröstete sie über das Verpuffen ihres, politischen Ehrgeizes. Sie nahm alles reaktionäre Ungemach; gern in den Kauf, wenn nur das Proletariat geknebelt blieb-und die Geschäfte gut gingen. Beides leistete oder schien doch> die Reaktion zu leisten. Metall- und Textilindustrie, Kohlen--und Eisenproduktion nahmen einen gewaltigen Aufschwung, die ozeanische Dampfschiffahrt gedieh, nicht zuletzt durch die' massenhafte Auswanderung, und das Netz der Eisenbahnen: spann sich durch den steigenden Gütertransport immer dichter aus. Das große Kapital begann auch in Deutschland in seine Blüte zu treten, und einem ersten Gründungsschwindel folgte nach der Handelskrise von 1857 schon ein erster kleiner Krach. Indessen bei aller Hasenherzigkeit der Bourgeoisie machten ihre guten Geschäfte selbst sie schließlich rebellisch. Die deutsche Zerrissenheit legte der schrankenlosen Entfaltung der kapitalistischen Produktionsweise gar zu drückende Fesseln an. Die Ehe- und Niederlassungsbeschränkungen, die die einzelnen deutschen Staaten trennten und das Kapital an der freien Verfügung über die Arbeiterklasse hinderten, der Mangel an diplomatischem Schutz im Auslande, der die deutsche Konkurrenz auf dem Weltmarkt empfindlich beschwerte — diese und andere Folgen des Partikularismus wurden für die Bourgeoisie um so unerträglicher, je mehr sie über alles bisherige Maß hinauswuchs. So gern sie auf die deutsche Freiheit verzichtete, wenn nur die Profite anschwollen, so sehr drängten die anschwellenden Profite sie auf die deutsche Einheit. Als Organ dieser (Einheitsbestrebungen gründete sie den Kongreß deutscher Volkswirte, auf dem ihre literarischen Bediensteten, die Nichts-als-Freihändler, wie sie damals genannt wurden, für die deutsche Einheit als wirtschaftliche Notwendigkeit, für Freizügigkeit und Gewerbefreiheit, für die schleunigste Wegräumung aller feudal-zünftigen Schranken, kurzum für alle Interessen des Kapitalismus lärmende Trommeln rühren mußten. Selbstverständlich versprachen sie nicht nur der Bourgeoisie, sondern auch dem Kleinbürgertum und der Arbeiterklasse die Wiederkehr des tausendjährigen Reiches von dem

6. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 171

1910 - Berlin : Singer
- 171 — Huldigungen, die ihm dargebracht wurden. Es blieb alles so, wie es zu Manteuffels Zeit gewesen war, höchstens daß die allzu kleinlichen polizeilichen Scherereien hier oder da ein wenig gemildert oder ein paar reaktionäre Beamte pensioniert wurden, die dem Prinzen von Preußen vordem allzu empfindlich auf die Hühneraugen getreten hatten. Während das Junkertum, das sich trotzig im Herrenhause verschanzte, dem liberalen Ministerium nicht um Handbreite nachgab, war unter den Liberalen des Jubelns kein Ende über die sogenannte Neue Aera, und selbst die entschiedenen Elemente der bürgerlichen Opposition, die sich bis dahin an den Dreiklassenwahlen wegen deren widergesetzlichen Ursprungs nicht beteiligt hatten, gaben nunmehr ihre Obstruktion auf und opferten sogar das allgemeine Wähln echt Es gelang denn auch, in den Wahlen, die gleich nach Beginn der Regentschaft im Jahre 1858 stattfanden, eine liberale Mehrheit ins Abgeordnetenhaus zu bringen, so sehr sich Sie Land-räte dagegen gesträubt und trotz der liberalen Ministe.' die reaktionäre Wahlagitation unbekümmert betrieben hatte.l, wie nur je in den Tagen Manteuffels. Ehe diese Mehrheit jedoch ihre Lebensfähigkeit erproben konnte, brach im Frühjahr 1859 ein großer Krieg aus. zwischen Frankreich und Sardinien auf der einen, Oesterreich auf der anderen Seite. Die Handelskrise von 1857 hatte überall in Europa neues ßeben erweckt; in Italien regten sich die alten (Einheitsbestrebungen, und namentlich in Oberitalien richtete sich eine schnell anwachsende Volksbewegung gegen den schmählichen Druck der österreichischen Fremdherrschaft. Jedoch wußte sich die savoyische Dynastie, die über das Königreich Sardinien herrschte und in dem Grafen Eavour einen liberalen, aber zugleich energischen und geschickten Minister besaß, dieser Bewegung zu bemeistern. Sie wandte sich, zu ichwach, um aus eigene Faust mit dem österreichischen Staat anzubinden, an den falschen Bonaparte, der seit dem Staatsstreiche vom Dezember 1851 auf dem französischen Kaiserthron saß, und sie fand bei ihm geneigtes Gehör. Dieser Abenteurer brauchte einen glücklichen und populären Krieg, um fein sinkendes Ansehen aufzufrischen; die Handelskrise von 1857 hatte die französische Arbeiterklasse wieder aufgeweckt und auch die französische Bourgeoisie mit bangen Zweifeln erfüllt, ob ihr der Bonapartismus bnuernb die guten Geschäfte sichern könne, um derentwillen sie ihm die politische Herrschaft abgetreten hatte.

7. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 172

1910 - Berlin : Singer
— 172 — Gegenüber der Gefahr, die ihm von Frankreich und Sardinien drohte, begehrte Oesterreich die Hilfe des deutschen Bundes und namentlich des preußischen Staates. Es entstand auch eine gewisse nationale Aufregung in Deutschland, die freilich ganz unklar war und eine bedenkliche Neigung entfaltete, reaktionärem Franzosenhaß zu verfallen. Am unklarsten von allen war der preußische Prinzregent, und er setzte sich mit großer Gewalt mitten zwischen zwei Stühle; er mobilisierte das preußische Heer, was eine halbe Drohung gegen Frankreich, und er beanspruchte den Oberbefehl über das deutsche Bundesheer, was eine halbe Drohung gegen Oesterreich war. Die einzige Wirkung dieser sinn- und ziellosen Politik war, daß Frankreich und Oesterreich den Frieden von Villafranca schloffen, durch den Oesterreich die Lombardei an Sardinien abtrat, um sich die Oberherrschaft in Deutschland zu sichern, und daß die preußische Politik einmal wieder das Gespött auf allen europäischen Gassen war. Die nationale Bewegung Deutschlands endete in einem nationalen Katzenjammer, der sich in einem allgemeinen Hader austobte. Da aber keine der hadernden Parteien die Hand an die Wurzel des Uebels, an die dynastische Vielherrschaft in Deutschland, legen wollte, so gebaren die kreisenden Berge nur ein Mäus-letn und dazu ein totes: die papierne Reichsverfassung, die die Frankfurter Nationalversammlung im Frühjahr 1849 beschlossen hatte. Um sie scharte sich der Nationalverein, der im Herbst 1859 entstand, feinen stärksten Stützpunkt in der Bourgeoisie der Mittel- und Kleinstaaten hatte und die Einigung Deutschlands unter der preußischen Spitze aus sein Banner schrieb. In Preußen war die erste Session des neuen Abgeordnetenhauses unter dem Drucke der Kriegsereignisse ohne Ergebnisse verflossen; in der zweiten Session kam das liberale Ministerium mit feiner ersten großen Maßregel ans Tageslicht, mit der Forderung einer umfassenden Heeresreform, die den Staatshaushalt mit einer jährlichen Mehrausgabe von ziemlich zehn Millionen Talern belastete. Vom militärische technischen Standpunkt hatte der Plan in seiner Art Hand und Fuß, zumal da er die allgemeine Wehrpflicht viel gründlicher durchführen wollte, als bis dahin geschehen war. Auch kam er den Wünschen der Bourgeoisie insofern entgegen, als sie sich darüber klar geworden sein mußte, daß die deutsche Einheit unter preußischer Spitze nicht ohne ein schlagfertiges preußisches Heer zu haben war. Aber daneben war die Heeresreorganisation

8. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 174

1910 - Berlin : Singer
— 174 — Prinzregent als König Wilhelm T. sein Nachfolger geworden. Schon bei seiner Thronbesteigung hatte er durch eine kümmerliche Amnestie, voll tückischer Fallstricke und Klauseln, vor aller Welt bekundet, daß er noch immer der alte Reaktionär sei und den 18. März 1848 in gutem Gedächtnis habe; eben dies bekundete er nun auch in der Mischung von Angst und Wut, womit er ein so harmloses Gebilde wie die neue Fortschrittspartei betrachtete. Als Gegenzug erließ er ein Manifest, worin er verkündete, daß er durch eine feierliche Krönung in Königsberg für das unoerjährbare Recht der Krone von Gottes Gnaden zeugen werde, und bei der Krönung selbst erging er sich in so herausfordernden Redensarten, daß feine absolutistische Unbelehrbarfeit allen Wählern von noch einigem Selbstbewußtsein klar werden mußte. In der Tat gewann bei den neuen Wahlen, die wenige Wochen nach der Krönung im Dezember 1861 stattfanden, die Fortschrittspartei auf einen Schlag 161 Mandate, und sie begann nun ihre fchärfere Opposition mit der äußerst bescheidenen Forderung, den Etat, der bisher nur in einigen großen Summen ausgeworfen zu werden pflegte, unter deren Deckmantel die Minister allerlei Mogeleien gegen den Willen des Parlaments betreiben konnten, mehr zu spezialisieren. Dieser Antrag ging am 6. März durch, worauf das Ministerium, in hoher (Entrüstung über das angebliche Mißtrauensvotum, das Abgeordnetenhaus auslöste, aber dann wenige Tage darauf sich selbst trollte. Das zweite liberale Ministerium in Preußen fand dasselbe schmähliche, aber auch dasselbe verdiente Ende wie das erste. Die Krone berief darauf ein neues Ministerium, das aus bureaukratisch-feudalen Elementen zusammengesetzt war und die Frage: Königliches oder parlamentarisches Regiment? zur Wahlparole machte, feine wirklichen Hoffnungen aber nicht auf diese alberne Phrase, sondern auf Wahlbeeinfluffungen setzte, wie sie gleich schmählich selbst unter Manteuffel noch nicht an der Tagesordnung gewesen waren. Dagegen erklärte die Fortschrittspartei die Verfassung für gefährdet, wenn das Abgeordnetenhaus nicht fein Budgetrecht ausüben dürfe; sie sagte, wenn die Verfassung nur dazu dienen falle, Geld und Soldaten in größerem Maße zu beschaffen, als es ohne sie möglich gewesen wäre, so hätte sie keinen Wert. Mit diesem dürftigen Gemeinplatz beschied sich jedoch die Fortschrittspartei, und den Vorwurf, ein parlamentarisches Regi-

9. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 179

1910 - Berlin : Singer
— 179 — schickte den Landtag am 13. Oktober 1863 nach Hause. Danach erhob sich die Frage: Was nun?, die Lassalle in einem zweiten Vortrage über Verfassungswesen zu beantworten unternahm. Er führte aus, daß die Fortschrittspartei, wenn sie auf dem Wege papierener Proteste und Resolutionen verharren wolle, dem Ministerium Bismarck unterliegen müsse, wie es denn auch geschehen ist. Was ihr Lassalle dagegen anempfahl, die gründliche Beseitigung des nur für die Regierung nützlichen Scheinkonstitutionalismus, indem das Abgeordnetenhaus jede Verhandlung mit der Regierung ablehne, bis diese ihre verfassungswidrigen Ausgaben eingestellt hätte, war einleuchtend genug, um für den Augenblick selbst die Fortschrittspartei stutzig zu machen. Ohne eine Volksvertretung, die den Staatsgläubigern die nötige Bürgschaft bot, war das Ministerium Bismarck ebenso auf den Sand des Bankerotte gesetzt, wie ehedem der oormärzliche Absolutismus. Vielleicht hätte die Fortschrittspartei auch mit sich reden lassen, wenn Lassalles Vorschlag sich darauf beschränkt hätte, ihr den Sieg in ihrem augenblicklichen Streit mit Bismarck zu sichern. Aber Lassalles Taktik ging — und er selbst machte daraus am wenigsten ein Hehl — in ihren praktischen Wirkungen weit über den konkreten Fall hinaus; sie machte der jämmerlichen preußischen Verfassung überhaupt den Prozeß, und die Bourgeoisie wußte sehr gut, weshalb sie sich trotz atlebem an eine Verfassung klammerte, die ihr zwar mit Löffeln, aber dem Proletariat mit Scheffeln genommen hatte. Deshalb verwarf die Fortschrittspartei nach kurzem Schwanken den Vorschlag Lassalles. Aber, von ihrem bösen Gewissen geplagt, tat sie noch ein übriges: ihre Blätter fielen mit Schmähungen und Berichtigungen über Lassalle her, als ob er im Interesse Bismarcks die bürgerlichen Freiheitshelben habe verraten wollen. In dieser Lage der Dinge traten deutsche Arbeiter mit der Bitte um Hilfe und Rat an Lassalle heran, Duetten. Blos, Die deutsche Revolution, im Stuttgarter Parteiverlag. Ebenda: Marx, Revolution und Konterrevolution in Deutschland, und Mehring, Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, im zweiten Bande. L a s s a l l e , Reden und Schriften, herausgegeben von Bernstein, im Berliner Parteiverlage. 12’

10. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 181

1910 - Berlin : Singer
- 181 — oder soweit sie wirklich durch Fach- und Fortbildungsunterricht den Arbeitern nutzen konnten, war es darauf abgesehen, einen Stab intelligenter Arbeiter für die kapitalistischen Ausbeutungszwecke heranzuzüchten. Jedoch auf solche Weise läßt sich das moderne Proletariat nicht lange täuschen, und sobald es sich auf sich selbst zu besinnen begann, beeilte sich die Bourgeoisie mit plumpem Ungeschick, den Scheidungsprozeß nicht zu verlangsamen, sondern zu beschleunigen. Als sich im Jahre 1862 in Berlin und in Leipzig einige selbständige Regungen der Arbeiterklasse bemerkbar machten, die zunächst nur auf die Einberufung eines allgemeinen Arbeiterkongresses mit einem für die Bourgeoisie völlig unverfänglichen Programm abzielten, stießen sie auf den heftigen Widerstand der Fortschrittspartei. Das mußte natürlich die Arbeiter argwöhnisch machen, und zwar um so mehr, als sie die schon früh einsetzenden Bemühungen Bismarcks, sie durch Almosen an sich zu locken und dann als Kanonenfutter gegen die Bourgeoisie zu oerwenben, sehr entschieben zurückgewiesen hatten. Ebenso gehässig erwies sich der Nationalverein gegen die Arbeiter; er schloß sie von der Mitgliedschaft aus, inbem er ihnen nicht gestattete, die Jahresbeiträge in Teilzahlungen zu leisten; die Arbeiter mußten es als bitteren Hohn empsin-ben, wenn er ihnen bafür empfahl, sich als „Ehrenmitglieder" zu betrachten. Im November 1862 kam es noch einmal zu einer Ver-siänbigung, inbem sich die Fortschrittspartei mit der Einberufung eines allgemeinen Arbeiterkongresses einverftanben erklärte und ihn zu unterstützen versprach, falls er gehörig vorbereitet würde. Allein sie legte dem Leipziger Zentralkomitee, das nunmehr mit den Vorbereitungen des Kongresses beauftragt wurde, so viele Hinberniffe in den Weg, daß besten Mitglieber balb nicht mehr aus noch ein wußten. Da sie sich selbst auch noch keineswegs über die historischen Aufgaben der mobernen Arbeiterbewegung klar waren, so wanbten sie sich an Lassalle. Sie waren auf ihn aufmerksam geworben durch einen Vortrag, den er, gleichzeitig mit feinem ersten Vortrage über Verfassungswesen, in einem Berliner Hanb-wereerverein gehalten hatte. Wie feine Vorträge über Verfassungswesen bestimmt gewesen waren, die Bourgeoisie vor einer Wieberholung der Fehler zu warnen, die sie im Jahre 1848 begangen hatte, so sollte dieser Vortrag „über den besonderen Zusammenhang der gegenwärtigen Geschichtsperiode mit der Idee des Arbeiterstandes" die Arbeiter darauf hin-
   bis 10 von 418 weiter»  »»
418 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 418 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer
Auswahl:
Filter:

TM Hauptwörter (50)50

# Name Treffer  
0 27
1 1
2 0
3 37
4 27
5 30
6 14
7 88
8 3
9 19
10 40
11 3
12 6
13 15
14 0
15 12
16 54
17 63
18 21
19 18
20 0
21 3
22 42
23 0
24 79
25 54
26 1
27 1
28 2
29 2
30 38
31 1
32 1
33 3
34 15
35 6
36 3
37 36
38 107
39 19
40 8
41 90
42 0
43 0
44 5
45 28
46 1
47 0
48 1
49 24

TM Hauptwörter (100)100

# Name Treffer  
0 38
1 4
2 0
3 21
4 16
5 6
6 9
7 0
8 34
9 11
10 16
11 17
12 15
13 9
14 1
15 8
16 60
17 48
18 9
19 4
20 1
21 147
22 0
23 6
24 43
25 0
26 7
27 32
28 68
29 1
30 1
31 0
32 2
33 3
34 3
35 2
36 11
37 1
38 1
39 5
40 2
41 18
42 30
43 5
44 9
45 17
46 2
47 27
48 112
49 50
50 36
51 2
52 16
53 0
54 26
55 0
56 0
57 3
58 0
59 6
60 53
61 10
62 49
63 1
64 62
65 2
66 0
67 0
68 6
69 1
70 39
71 10
72 10
73 1
74 8
75 41
76 70
77 37
78 4
79 16
80 2
81 2
82 25
83 1
84 36
85 0
86 0
87 20
88 0
89 0
90 0
91 26
92 170
93 5
94 22
95 57
96 3
97 13
98 49
99 1

TM Hauptwörter (200)200

# Name Treffer  
0 569
1 35
2 23
3 28
4 3
5 15
6 407
7 67
8 4
9 23
10 7
11 22
12 138
13 55
14 49
15 2
16 12
17 15
18 17
19 55
20 76
21 8
22 1
23 3
24 110
25 270
26 2
27 1
28 128
29 12
30 12
31 36
32 99
33 88
34 203
35 7
36 28
37 0
38 22
39 70
40 14
41 0
42 97
43 207
44 16
45 14
46 51
47 83
48 89
49 15
50 34
51 20
52 100
53 19
54 80
55 24
56 2
57 10
58 7
59 173
60 12
61 5
62 10
63 7
64 35
65 11
66 12
67 61
68 22
69 0
70 32
71 24
72 14
73 21
74 13
75 41
76 107
77 8
78 22
79 10
80 25
81 251
82 61
83 53
84 105
85 5
86 16
87 60
88 35
89 166
90 51
91 36
92 0
93 51
94 17
95 81
96 33
97 30
98 21
99 10
100 41
101 35
102 69
103 43
104 119
105 2
106 24
107 72
108 7
109 82
110 56
111 13
112 43
113 135
114 138
115 50
116 8
117 1
118 6
119 114
120 7
121 55
122 22
123 230
124 81
125 98
126 15
127 143
128 0
129 125
130 23
131 275
132 5
133 49
134 103
135 20
136 163
137 59
138 26
139 12
140 34
141 1
142 206
143 69
144 14
145 44
146 0
147 7
148 35
149 14
150 6
151 6
152 257
153 60
154 35
155 25
156 32
157 14
158 4
159 145
160 47
161 12
162 1
163 2
164 6
165 30
166 122
167 49
168 136
169 23
170 11
171 14
172 39
173 132
174 24
175 588
176 27
177 264
178 140
179 57
180 18
181 0
182 146
183 171
184 273
185 73
186 36
187 59
188 30
189 5
190 0
191 56
192 19
193 112
194 14
195 138
196 111
197 35
198 11
199 55