Gebiet der Weser.
83
2) Rechts: der Solling, zwischen dessen ziemlich steilem Abhang und
dem Reinhartswald sich die Weser bei Karlshafen durchdrängt, beginnt
nördlich von Adelepsen und erhebt sich im Moosberge So. von Holz-
minden bis zu 512 m.. Seine Forste überlagern eine Strecke von 9 Uumln.
Einzelne Hügel-und Waldzüge zwischen Leine und Weser, wie Elvas, Vogler,
Hils, Ith, Lauensteiner Berge u. s. w. machen die Verbindung mit dem
Deister und links mit dem Süntel, welcher nur durch ein Seitenthal
vom Deister getrennt ist und als eine Kette schön bewaldeter Berge unter
dem Namen östliche Weserkette bis zur Weser zieht und mit dem 171m.
hohen Jakobsberge an der Scharte endet. —
Nur wenige Stunden davon ist die nördlichste Erhebung des norddeutschen Ge-
birgsystems, die Reh burger Berge, 168 w., nahe dem flachgelegenen halbbesnmps--
ten Sleinhnder See. Auf den lichten Stellen des waldigen Süntel und der
Weserberge gibts reizende Aussichten, besonders auf dem Großen Süntel, 446 ra.,
auf der Lüh den er Klippe, die 364 m. hoch ihre Wand gegen Rinteln schroff ab-
senkt, ferner auf der 362 m. hohen Pasch enbnrg, deren unteren Vorsprung die
Trümmer der Schauenburg zieren, und auf dem Hohenstein.
Von diesen Standpunkten sieht man in das lachende Thal der von Ost nach West
(von der Nähe Hamelns bis über Rinteln hinab) sich drehenden Weser, an deren
linkem oder südl. Ufer bald wieder bebaute und bewaldete Höhen aufwärts ziehen. Das
ganze Thal ist über 6 Stunden lang, an manchen Stellen über eine Stunde breit,
wenn man den sanft ansteigenden Fuß der nördl. und südl. Berge nicht mitrechnet,
denn sonst würde die Breite an 2 Stunden enthalten. „Schwerlich, sagt ein neuerer
Reisender, gibt es im nördlichsten Deutschland eine schönere Gegend, wo kein Fuß breit
unangebaut liegt, wo die reichen Aecker der Thalfläche und die trefflich gehaltenen For-
sten des aufsteigenden Gebiets den reichen Boden und den Fleiß der umwohnenden
Menschen beurkunden." Und grade dieses Thal ist es, dessen Hälfte am rechten Ufer
in der deutschen Vorzeit den berühmten Namen Jdistavisns geführt hat. Das
ganze mittlere Wesergebiet ist durch wichtige Vorfälle in der altdeutschen Geschichte
merkwürdig geworden. Ehe die dortigen Volkschaften nebst vielen Nachbarn sich den
Sachsen anschlössen und gemeinsam mit ihnen ein großes Volk ausmachten, hießen die,
so ostwärts vom Teutoburger Wald bis zum Harzgebirg wohnten, Cherusker; die auf
der Westseite Brukterer und Marser, und grenzten im Diemelgebiet an die
Chatten. Diese tapferen Völker retteten Deutschland vom römischen Joch, und ihnen
ist das heutige Dasein eines deutschen Volkes zu danken. Hermann der Cherusker
leitete den Ausstand und vernichtete das römische Heer nnweit der Grotenbnrg im
Jahre 9 nach Christi Geburt. 6 Jahre später suchten die Römer die erlittene Schmach
zu rächen. Ihr Feldherr Germanikus siel mit Heeresmacht ins Land, hätte aber bald
das gleiche Loos gehabt wie Varns. Nur durch Geschicklichkeit zog er sich glücklich
aus dem Teutoburger Wald und rüstete Flotten am Rheinstroni, um an der Nordsee
Zu landen. Von der Mündung der Ems zog er mit 100,000 Mann, ohne den ver-
hängnisvollen Bergwald zu berühren, an die Weser und setzte in der Gegend von
6'
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien]]
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Asien — Süd ost-Inseln.
473
die Aetnagegeud, in zehnfach vergrößertem Maßstabe zum Aeqnator und unter tropische
Regen verpflanzt; steigen doch Vulkane dieser Inseln eben so hoch und noch höher
empor als der Aetna! Der Talama oder Ophir und der Pik von Jndrapura,
beide auf Sumatra, haben über 3500 m., der Sem eru und der Slamat auf Java
ebensoviel, der Merapi auf Java 2900 m.; weiter im Osten anf Sumbawa hatte, der
Tumbora, eiuer der wüthendsten aller Vulkane, vor dem Ausbruch im April 1815,
welcher direkt und indirekt über 40000 Menschen das Leben kostete und wobei sein
Doppelgipfel zusammenstürzte, 4500 m., während er jetzt nur noch 2850 m. hoch ist. —
Unter den 43 Vulkanen, die in 2 Parallelreihen die Insel Java durchziehen, sind 23
thätige, denen als charakteristisches Merkmal namentlich die Erzeugung ungeheurer
Schwefelmaffen eigentümlich ist. *)
Was die einheimische Bevölkerung betrifft, so ist schon oben gesagt, daß sie zur
malaiischen Rasse gehört. Im Innern Bürneos, auf östlichen Inseln, selbst auf den
Philippinen, gibt es indes auch schwarze Volkschaften oder Negritos, wie auf Neu-
guinea, unter verschiedenen Namen (Papuas, Haraforas jc.), die als Urbesitzer zu be-
trachten sind und weit herwärts uach Westen verbreitet waren, ehe sie vou den Malaien
theils verdrängt, theils ausgerottet wurdeu. Daß bei den Malaien anf Java und
Sumatra sich flüchtende Buddhisten aus den Hinduländern einfanden und ihre Lehre
verbreiteten, ist gewiß, aber mit der aufstrebenden Macht der Malakkaner erhielt auch
der Islam große Herrschaft. Außerdem gab es hie und da chinesische Niederlassungen.
So stand es, als die Europäer erschienen, von denen die Spanier auf den Philippinen
sich festsetzten, und die Portugiesen als Besieger des Reichs von Malakka im Süden.
Die Holländer folgten und sind auf mehreren Inseln und Juselküsten im Suuda- und
Molukken-Archipel zur vorherrschenden Macht geworden. Manche der einheimischen
Jnselfürsten haben ihre Lande völlig verloren oder nur als Vasallen behalten; derer, die
auf Gebirgen, besonders im Innern der großen Inseln, sich unabhängig behauptet haben,
gibt es indes noch viele.
Bekanntlich war Holland im 17. und 13. Jahrhundert eine blühende Republik und
trotz seiner Kleinheit einer der bedeutendsten Staaten Europas; ein weit verzweigter
Kolonialbesitz hatte besonders dazu beigetragen. Heutzutage steht es anders. Holland
heißt zwar ein Königreich, allein seine Macht ist weit schwächer. Es hat wichtige Ko-
lonien, namentlich Ceylon und das Capland eingebüßt, und manche Produkte, die es
ehemals allein auf den Markt Europas brachte, kommen jetzt auch aus Kolonien andrer
Staaten. Um so mehr hat die holländische Regierung die Notwendigkeit eingesehen,
daß auf ihren glücklich geretteten Besitz in Ostindien eine größere Sorgfalt als früher
gewendet werden müsse. Sie sucht sich also auf geschickte Weise dort mehr zu festigen
und ihre Herrschaft auszudehnen, benimmt sich milder und loyaler gegen die in ihrer
Art nicht uucivilisirten Malaien, und ahmt in vielen Stücken der englischen Kolonial-
Verwaltung nach. Die alte Krämerpolitik, den Gewürzbau, damit die Preise nicht
*) Weiße Wolken von schwefelsauren Gasen umkränzen beständig die Kronen
jener hoheu Spitzen und beweisen die unaufhörliche Thätigkeit innerhalb ihrer riesigen
Massen; das Giftthal am Abhang des Papandayang ist eine jener Stellen, wo
das Gas in Verbindung mit Kohlensäure ausströmt — ein Umstand, der die Fabel
vom gifthanchenden Baume Upas veranlaßt hat.
Schacht, Lehrb. d. Geographie 8. Aufl. qi
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592 Afrika — Senegambien und Ober-Guinea.
die von der Abdachung des Koug gebildet wird, die Beninküste hinzu. An dem
einförmigen, mit Kokospalmen geschmückten Gestade gibt es keine geschlossenen Baien,
keine Mündungen (außer denen des Niger) von bedeutender Breite, wenige Vorgebirge,
die hoch über den Meeresspiegel hervorragen, und von unzähligen Flüssen nnr einige, die
zu beschissen sind. Heiß, beinahe wie in Senegambien, befördert der fruchtbare Boden
eine noch kräftigere Vegetation, vor allen im Nigerdelta, wo z. B. der schattenreiche
Wollbanm eine Höhe von 30 m. im Stamm, 10 und mehr Meter im Umfang
erreicht, so daß häufig ein Kahn für 100 Personen aus einem Stück gehauen wird.
Die abgefallenen Früchte der Oelpalme liegen dort oft x/i m. hoch am Boden. Nähr-,
Würz» und Nutzpflanzen hat Guinea in Menge, und von der Goldküste werden jährlich
an 100000 Unzen feines Waschgold verschifft. — Die Bevölkerung, trotz der ewigeu
Fehden und Menschenjagden im Innern, immer noch zahlreich, theilt sich in viele Staa-
teu und leidet unter Aberglauben und Despotismus mehr als in Senegambien. Dort
hat der Fetischendienst doch mildere Bräuche, in Guinea ist er mit barbarischen Men-
fcheuopferu und mit größerem Priestereinflnß verbunden. Dennoch finden sich löbliche
Eigenschaften im Volke, man schildert es meistens als mäßig, dienstfertig, thätig, gast-
frei, und nur da verderbt, wo Jahrhunderte lang der Verkehr mit europäischen und
amerikanischen Sklavenkäufern statt gehabt, also an vielen Punkten der Seeküste; doch
ist jetzt im ganzen der Sklavenhandel in Ober-Guinea als erloschen zu betrachteu. —
Unter den Negerstaaten sind einige durch Unterjochung andrer mächtig geworden, vor
züglich folgende:
1. Auf der Goldküste das Reich Aschanti*). Es soll 3500 Q. M. und 2 Mill.
E. haben. Man rühmt die Aschautis als tapfre Leute und als sehr geschickt in man«
cherlei Arbeiten ans Thon, Eisen, Gold und Seide. Das Land ist außerordentlich
reich au Produkten aller Art, namentlich auch an Gold, und Gold ist das einzige Geld
welches (als Goldstanb oder in kleinen gewogenen Stücken) im Umlaufe ist. Dieser
Rcichthum an Gold verbreitet einen ungeheuren Luxus, den man in einem Negerlande
nicht vermuthen sollte. Der König ist ein konstitutioneller Monarch, aber mit viel
absoluter Gewalt, die in den scheußlichsten Despotismus ausarten kann; er betrachtet
sich als Herr über Person und Eigenthnm der Unterthanen, ist aber in mancher Hin-
ficht durch gewisse Familieuhänpter (den Feudaladel) und durch gewisse Fundamental-
Gesetze beschränkt, deren Nichtbesolgnng die Entthronung zur Folge haben würde.
Merkwürdig ist es, daß die Thronfolge nicht den Söhnen, sondern stets den Brüdern
zukommt, und daß jeder Thronwechsel mit großartigen Menschenschlächtereien verbunden
ist. Der König und seiu Volk sind Heiden, obwohl es auch ein moslemitisches Quartier
^n der Hauptstadt gibt. Die Muhammedaner sind Haudelslcnte aus den Nigerländern. Der
König muß sich 3333 Weiber halten, welche Zahl, als eine mystische, stets voll erhalten
wird. Die Aschanti-Armee ist die Nation; wenn die Marschordre gegeben ist, schließen-
sich alle tanglichen Männer ihren Compagnien an, Lebensmittel mit sich uehmend.
Geschlageue Generale tobten sich selber. Die Engländer waren schon öfter und sind
auch gegenwärtig wieder in einen nicht gerade glücklich geführten Kampf mit den bar-
*) Man pflegte sonst Gninea in Löwengebirgs-, Pfeffer-, Zahn-, Gold-, Sklaven-
und Beninküste abzntheilen.
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Afrika — Ni gritien.
595
Anbau schon 12 Stunden aufwärts, und die Ortschaften vergrößern sich, namentlich
blüht die Stadt Ediua, deren Klima besonders gesund sein soll, rasch auf. Man
baut Reis und Mais, Arrowroot, Orangen, Ananas, Pisang, Zucker, Kaffee. Indigo
und Baumwolle, und hat der Ansfnhrgegenstände noch außerdem mehrere, B. Maha-
gony-, Tik- und Farbhölzer, Elfenbein, Erdnnß- und Palmenöl, Gummi u. s. w.
Gewerbe, Handel und Bildung haben erkleckliche Fortschritte gemacht und die farbigen
Stämme der Umgegend werden langsam, doch sichtlich in den Kreis des Bildnngs-
ganges gezogen. — Die Verfassung des Staates ist ganz der nordamerikanischen nach-
gebildet und, wie sich bei diesem Staate von selbst verstand, mit Verbot der Sklaverei
und mit Verpflichtung der Kinder zum Schulbesuch.
Frankreich hat seine Comptoirs an der Goldküste (Grand-Bassam, As-
sinie :c.) seit 1871 aufgegeben.
Nigritien oder Sudm.
Beide Namen heißen so viel als: das Land der Schwarzen
hinter der Sahara. Insbesondere verstand man darunter nicht das
Küstenland, sondern das Innere, woselbst man sich einen großen Fluß, den
Niger oder Strom der Schwarzen dachte, der es der Länge nach von W.
nach O. durchströme und sich entweder mit dem Nil vereine, oder in einen
See ergieße. Lange Zeit war das Nigerland ein Räthsel. Man wußte
nur, daß einzelne Oasen der westlichen Sahara von Tuaregs, der östlichen
aber von halbschwarzen Tibbns bewohnt würden, daß beide dem Kara-
wanenhandel sowohl mit Steinsalz, wovon es mächtige Lager in der Sa-
harü. gebe, als auch mit Gold, Elfertbeiu und Sklaven, förderlich seien, und
daß die Karawanen sich vorzüglich nach Timbuktu, einer großen Stadt am
Niger richteten. Näheres zu erfahren war schwer, bis endlich in den letzten
70 Jahren sich allmählich das Räthsel löste. Man kennt jetzt die Gegend,
wo die Sahara aufhört, mau ist mehrseitig ins Innere Nigritiens einge-
drnngen, hat neue Seen, Ströme und Berge, neue Völker und Städte ge-
sehen, und der Niger, weit entfernt vom Nil, ist als Dscholiba oder
Quorra mit ganz andrer Richtung erschienen. Der Name Nigritien
oder Sndsn ist aber dem Lande geblieben, welches im N. von der Sahara,
begrenzt wird, im S. bis an den Aeqnator, im W. bis an den Fuß der
innern Bergländer von Senegambien und Guinea und im O. bis an die
zwischen Kordofsn und Darsur liegende Steppe und bis an den Fuß der
abessiuischeu Gebirge reicht*). Die Heimat der Negerrasse erstreckt sich
allerdings viel weiter und nimmt auch den größten Theil Hochafrikas ein.
*) Die arabische Bevölkerung des Nigerlandes dagegen versteht unter Sndän jetzt
gewöhnlich nur die Landstriche von Bornn bis Timbuktn, schließt also das Reich Bornn,
sowie Wadai und Darsur, selbst Timbnktu davon aus. In der ägyptischen Geschäfts-
spräche heißen insbesondere alle Besitzungen des Vicekönigs oberhalb des eigentlichen
Aegyptens Sudänland (Biled-el-Sudän).
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Extrahierte Ortsnamen: Afrika Ediua Frankreich Sahara Niger Timbuktu Niger Nigritiens Niger Sahara Guinea
Afrika —
Geschichte.
563
platzen zunächst auf Völkerschaften zu stoßen, die der vieljährige Umgang mit den
Sklavenhändlern verdorben hatte. Erst seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts
erwachte die Lust, Afrika kenneu zu lernen; vorzüglich ließen es sich Engländer und
Deutsche angelegen sein, das seit Jahrtausenden über dem Erdtheil liegende Dunkel
„quid novi ex Africa?" - zu lichten (S. o.) Geographische Gesellschaften bildeten
sich zur Unterstützung muthvoller, mit Kenntnissen ausgerüsteter Männer, die allen Be-
schwerden und Gefahren zum Trotz sich ans Werk machten. An der Spitze dieser
Reisenden steht Mungo Park, der erste wissenschaftlich gebildete Europäer, dem es
(1795) gelang, bis au den Niger vorzudringen; 10 Jahre später ward er auf einer
zweiten Reise in einem Gefecht mit Häuptlingen der Hauffa erschlagen. Anch Missio-
nare wurden von der Entdeckungslust ergriffen, und so wagte man von allen Seiten
sich in Afrika hinein, vom Senegal, von der abessiniscken Küste, von Tripoli, von Kairo
den Nil hinauf, vom Cap, vom Golf Benins, von der West- und Ostküste der Süd-
Hälfte. Viele büßten als Opfer dieses Strebens ihr Leben ein; ihre Namen aber sind
so unsterblich wie die Namen derer, die glücklich wieder in die Heimat zurück kamen;
denn was sie der Erd- und Völkerkunde und allen Zweigen der Naturwissenschaft für
Dienste geleistet, so wie die künftige Hebung der Landes- und Volkskultur, die sie den
Eingebornen der Afrikaner möglich gemacht, ist nicht hoch genng zu schätzen.
Die Hoffnung, daß auch den Negervölkern die Morgenröthe einer neuen bürger-
licheu und geistigen Entwicklung anbrechen wird, ist kein leerer Traum. Sie ist es um
so weniger, als der Sklavenhandel, diese alte eingewurzelte Gewohnheit der Afrikaner,
der seit 350 Jahren durch christliche Regierungen und Kanfleute so sehr begünstigt ward,
daß man die Zahl der aus Afrika fortgeschleppten Menschen auf mehr als 40 Millionen
schätzt, gegenwärtig immer mehr in Abnahme geräth. Seit der vortreffliche Minister
Canning 1824 das brittische Parlament zu dem Beschlüsse bewog, den Menschen-
Handel wie Seeraub zu bestrafen, fährt England beharrlich fort, die Abschaffung des
Sklavenkaufs au den Küsten ernstlich durchzusetzen, und schon kommt seit mehreren
Jahren in den Hafenplätzen Guineas statt der verbotenen Waare das Palmöl auf den
Markt. Auch von Seite der Nordamerikaner, bei denen doch Millionen Schwarze in
Sklaverei lebten, war schon längst vor Beendigung des großen Krieges an Verbreitung
christlicher Religion und bürgerlicher Freiheit unter den Negervölkern Afrikas gedacht
und als wirksamstes Mittelein freier Negerstaat. Liberia, an der heißen Küste Guineas
gegründet worden. Dessenungeachtet dauert der afrikanische Sklavenhandel, im geheimen
sogar von einzelnen christlichen Nationen begünstigt und betrieben (z. B. den Portn-
giesen), immer noch fort und man hat neulich die mittlere Zahl der von Afrika jährlich
ausgeführten Sklaven auf 200000 Köpfe geschätzt. Die Ueberzeugnng von der Erfolg-
losigkeit aller Gewaltmaßregeln gegen den Sklavenhandel hat die Engländer in den
letzten Jahren bewogen, ihre Bestrebungen ans Civilisirnng des afrikanischen Neger-
Volkes zu richten. Missionare, meist in den afrikanischen Kolonien oder in Westiudien
gebildete Neger, suchen ihre Landsleute für das Christenthum zu gewinnen, und Agenten
der Regierung suchen ins Innere einzudringen, nm mit den Negerstämmen Verträge
zur Einstellung der Sklavenjagden zu schließen.
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Extrahierte Personennamen: Canning
Extrahierte Ortsnamen: Afrika Afrika Africa Niger Afrika Senegal Tripoli Kairo Afrika England Guineas Afrikas Liberia Guineas Afrika Westiudien
Afrika —
Nigritien.
601
zu begeistern, verhieß allen Sklaven, die seiner Fahne folgten, die Freiheit, brachte große
Reiterheere zusammen und ward in einer Reihe von Kriegen Meister über die Haussa
und andre Völker am Niger wie am Benne. Das große von ihm zusammeneroberte
Reich ward unter seine zwei Söhne getheilt; Bello, Clappertons Gönner, erhielt den
größeren Theil im Osten mit den Residenzen Säkoto und Wuruo, der mönchisch ge-
finute Abd Allahis den Westen am Quorra mit der Residenz Gando. Eine Zeit lang
waren die Fellatahs im Besitze von Timbuktn und Bornu und verbreiteten die muham-
medanische Civilisation bis südl. vou Benue. Leider ist die Herrschaft dieses bildungs-
fähigen und deu Europäern nicht abgeneigten Volkes noch nicht überall gesichert, ja in
neuerer Zeit sind sie minder glücklich gewesen; doch bilden sie noch überall eine Art
sehr mächtiger Aristokratie, die sich alle Aemter und einen großen Theil des Grund-
besitzes vorbehalte« hat. Ihre Zahl mag 6—8 Mill. betragen, die Gesammtbevölkerung
der Fellatahstaaten mindestens 20 Millionen (auf 15000 Quadrat-Meilen). Gegen-
wärtig hauptsächlich 3 Staaten, nämlich: 7) der von Sokoto, südl. und westl. von
Bornu. Residenz des Sultans ist Wurno. Größer (25000 E.) ist die in der Nähe
gelegene alte Hauptstadt des Landes, Svkoto, mit sehr ausgebreiteter Industrie und
lebhaftem Handel, leider auch mit Sklaven. Fünfzig Meilen ostsüdöstl. liegt das ge-
werbreiche „London des Südens", Kano mit 40000 E., die wichtigste Stadt für den
Handel im mittleren Negerlande, mit sehr bedeutender Aus-nud Einfuhr (unter letzterer
auch viele deutsche Fabrikate aus Sachsen, Solingen, Nürnberg, Steiermark u. s. w.).
Große Städte sind auch Zaria und namentlich Jakoba (mit 150000 E.), weiter
im Süden. — 8) Ter zweite Fellatahstaat, Gando (Borgu) umfaßt die Nigerlaudschasten
bis zur Einmündung des Benue. Bussa, Hauptstadt, M. Parks Ermordung 1805.
Größer ist Rabba am unteren Quorra, bedeutender Gewerbs- und Handelsplatz,
großer Sklaveumarkt. — 9) Das Reich Massena, nordwestlich der vorigen, mit der
Hauptstadt Dschenne am Dscholiba; es erstreckt sich den Strom hinab bis Käbara,
dem Hafen der 3 Stunden seitwärts liegenden Stadt Tim bukt u, die seine Hoheit
durch jährlichen Tribut anerkennt. Dieser vielumstrittene, i. I. 1213 von Tuä.vegs ge-
gründete, altberühmte Handelsort liegt auf der Grenze der Sahara und dreier Völker-
schasten (Tuä.regs, Berber, Fellatahs), weder in schöner noch in fruchtbarer Lage, ist
aber als Mittelpuukt von Karawanenwegen so wichtig, daß seine Bedeutung sich 7
Jahrhunderte trotz mancherlei Wechsel der Herrscher bis jetzt erhalten hat. Einmal
unter dem Kaiser von Marokko stehend, war Timbuktu ein Sitz maurischer Gelehrsam-
keit und prangt noch heutzutage mit großen Moscheen aus jener Zeit. Jetzt zählt es
nur 15000 ständige Bewohner, aber zur Zcit der Ankunft der Karawanen ans Gha-
dämes, Algier, Marokko :c. (November bis Januar) halten sich an 10000 Fremde in
der Stadt auf. Auf seinen Markt kommt Reis und Negerkorn, Schihbutter und
Datteln, Baumwolle und Gewürz, Thee und Zucker. Aus Marokko und Ghadämes
werden besonders europäische Waaren und berberisch-arabische Burnusse bezogen, aus
der Wüste Salz, von den Mandingos Gurunüsse, aus Bambuk am Senegal und aus
Bure am oberen Dscholiba Gold als Staub und verarbeitet. Der Umsatz ist groß,
der Gewinn aber geschmälert, da zur Sicherung des Verkehrs auch den Tuaregs Tribut
gezahlt werden muß.
Schacht, Lchrb. d. Geographie 8. Aufl. Zg
TM Hauptwörter (50): [T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
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TM Hauptwörter (200): [T104: [Nil Meer Wüste Afrika Küste Land Sahara Gebiet Sudan Fluß], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau]]
614
Afrika
— die Inseln.
vollzieht; und der allgemeine Einfluß der Araber ist, trotz hundertjähriger Herrschaft,
nicht gerade bedeutend: sie sind Fremde im Lande, „nicht geliebt, nicht gefürchtet, son-
dern nur gehaßt."
Die nördlichen Gebiete Zauzibars stoßen an die Gebiete der südlichen Gallas.
Das Land derselben wird begrenzt: von Dschub- (Juba-) Mündung (0°) bis zu
der des Sabackiflusses (3° 12' S. Br.) durch den Ozean, von da an durch den Sa-
backi; daran schließen sich im Sw. mit der Richtung gegen den obern Danafluß die
Berge von Ukambani, die von den Gallas nur zuweilen auf Streifzügen überschritten
werden. Als W.-Grenze bezeichnen sie selbst ein in Nno.-Richtnng vom Kenia sich
hinziehendes Gebirg. Im No. und O. wird das Land vom Dschnb und dem dahinter-
liegenden Somsli-Lande begrenzt; eine nördliche Grenze läßt sich nicht angeben, es
ist vielmehr wahrscheinlich, daß es mit dem Gebiete der nördlichen, an Habesch stoßen-
den Stämme ein zusammenhängendes Ganze bildet (S. S. 567). An der Südgrenze
der Gallastämme ist seit etwa einem Jahrzehnt in schöner fruchtbarer Gegend unter der
energischen Leitung des von den Arabern geächteten früheren Pattafürsten Tnmo Lotti
oder Zimba (d. h. Löwe) das Reich Witn entstanden, das blühendste und am
besten kultivirte Land an der ganzen Ostküste; Bevölkerung 45000 S.," Hauptstadt
Witu in gesunder Lage. Trotz großer Verschiedenheit der Bevölkerungselemente (Be-
wohner von Patta, die ihrem angestammten Fürsten freiwillig folgten, entlaufene Sklaven.
Waboni-Neger :c.), bietet es in politischer Beziehung ein erfreuliches Bild dar; hier
sammeln sich alle von den Arabern Verfolgten und politisch Geächteten; die Reste von
Volksstämmen, die in ihrer Heimat durch Sklavenhandel decimirt waren und Tausende
von entlaufenen Sklaven begeben sich hierher unter den Schutz des „Löwen" und finden
hier eine neue Heimat. Es ist gewiß von hoher Bedeutung für Afrika, daß hier an
der Grenze der durch Sklavenhandel entvölkerten Gegenden ein freier Staat ohne die
philantropischen Bemühungen der Europäer und ohne Mitwirkung ihrer Kriegsschiffe
entstehen und bis jetzt kräftig gedeihen konnte. — Gallas und Somäis befinden sich in
unversöhnlicher Feindschaft; häufige gegenseitige Grenzüberschreitungen und Ueberfälle,
aber nie zum Zwecke dauernder Eroberung. Am mittleren Juba (2° 25' N. Br.) liegt
das aus Deckens Expedition bekannte Bardzrah. Der Juba würde sich zwar zum
Waareuverkehre nach der Küste hin vortrefflich eignen, wird aber wegen der gegen*
fettigen erbitterten Feindschaft der anwohnenden Völkerschaften wenig dazu benützt: die
Somalis trauen sich nicht, und die Gallas mögen nicht, so lange die Abnehmer nur
Muhammedaner sind. Die Südgallas sind in großartigem Maßstabe Viehzüchter; sie
sind ihren alten Religionsanschauungen tren geblieben, während die nördlichen größten-
theils zum Muhammedauismus übergetreten sind. Die Somäis, wohl vor Jahrhun-
derten eingewanderte Araber in Vermischung mit Eingebornen, sind gleichfalls Muhamme-
daner und haben die Gallas über den Dschub zurückgedrängt; daher die seit Jahrhun-
derten dauernde Feindschaft.
Die Inseln.
Wir wollen erst die westlichen Inseln, die uns näher liegen, hernach die auf
der Ostseite betrachten.
1) Die zwölf Canarien, zu deutsch Hundsinseln — meist basaltisch, mit Kratern
und Lavafeldern, und schon im römischen Alterthum bekannt; denn der mauritanische
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
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Extrahierte Personennamen: Tnmo_Lotti Patta
Extrahierte Ortsnamen: Afrika Kenia Afrika Juba Juba
Europa — Pyrenäische Habinsel.
717
ihrer Tochter aus, den schwachen Vetter Franz, und ihre zweite Tochter verlobte sie mit
dem orleauischen Prinzen von Montpensier. 1843 bestieg Jsabella den Thron, den
sie, als Herrscherin bigott, falsch, treulos, grausam und ungerecht, trotz unzähliger Um-
wälzungen und Prouuuciamentos und obgleich der Hof stets ein Tummelplatz des Ehr-
geizes und der Jntrigueu blieb, bis zum September 1868 inne hatte. Mit ihrer Ver-
treibung ist der letzte Thron der Bonrbonen gefallen, jener Herrscherfamilie, die in den
letzten Jahrhunderten leider nur zu oft Gewaltherrschaft, heuchlerische Frömmigkeit,
Sitteulosigkeit und blutige Rachgier als Panier entfaltet hatte. Nach langem Zögern
votirteu die spanischen Cortes im Juni 1869 die monarchische Verfassung; der Umstand,
daß ein deutscher Prinz aus der Familie der Hohenzollern eine Zeit lang Lust zu haben
schien, die spanische Dornenkrone anzunehmen, mußte sogar die absichtlich herbeigezogene
Veraulassunz zum Ausbruch des deutsch-französischen Krieges werden. Im November
1870 ließ sich endlich der italienische Prinz Amadeus bewegen, Spaniens König zu
werden. An demselben Tage, an welchem der jugendliche Amadeo I. den Boden
Spaniens betrat, starb der „Königsmacher" Marschall Prim, der bisher die liberalen
Parteien zusammengehalten hatte, an seinen von Mörderhand empfangenen Wunden,
und alle die redlichen Bemühungen des Königs, dem Lande die Ruhe zu geben, der es
so sehr benöthigt ist, blieben ohne Erfolg; es fehlten ihm in dem fremden Lande im
Getriebe der Parteien alle Stützen, um eine wirkliche Herrschaft zu begründen. Deshalb
legte er im Februar 1873 die Krone freiwillig nieder. Seitdem ist das unglückliche
Land, das sich nun eine Republik nennt, aufs neue der Anarchie und dem wildesten
Bürgerkriege verfallen. Carlisten, Alfonsisten, einheitstaatliche Republikauer, Föderalisten
oder bundesstaatliche Republikaner,*) Communisten und Sozialisten — das sind die
Namen nur der Hauptparteien, die nun mit Worten und mit Waffen um die Herr-
schaft kämpfen. Zerrüttete Finanzen und vollständige Creditlosigkeit des Staates, Un-
sicherheit aller öffentlichen Zustände, Hader in politischen und religiösen Fragen, er-
bitterter Bürgerkrieg in den meisten Theilen des Landes: das ist gegenwärtig (anfangs
1874) das.traurige Bild des an politischen Parteien überreichen Landes, in dem stets
die Generäle und die Armee die Politik machen. Bei der Zersplitterung der Parteien,
die jede Mehrheit und jede geordnete Regierung unmöglich macht, ist leider auch keine
Hoffnung auf eiue baldige gesetzliche und regelmäßige Entwickelnng vorhanden.
Spanien läßt sich wie eine Insel betrachten, worauf daö Ausland weniger ein-
wirkt; deshalb seine Eigenthümlichkeiten in Glaubenssachen, Sitten und Trachten, und
selbst in Werken der Poesie und Kunst. In seinen Genüssen ist das Volk mäßig, in
geistigen Anlagen braucht es keiner andern Nation zu weichen. Bei solchen Voraus-
setzungen müßten die Spanier auch auf wissenschaftlichem Gebiete Bedeutendes geleistet
haben, wenn nicht ihr Genius auf doppelte Weise, kirchlich und politisch, Jahrhunderte
hindurch eingezwängt worden wäre. Die Poesie konnte sich in gewisfer Richtung freier
*) Statt der Verschiedenheit der Provinzen innerhalb des Rahmens des einheitlichen
Staates, den Ferdinand und Jsabella vor fast 100 Jahren gegründet, durch angemessene
Vertretung und Verfassung einen Ausdruck zu geben, wollen diese denselben in 13—15
Einzel - Staaten zerlegen, die dann in einen Staatenbund zusammengefaßt werden
sollen.
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Extrahierte Personennamen: Franz Franz Montpensier Jsabella Amadeus Ferdinand Jsabella
Extrahierte Ortsnamen: Europa Spaniens Spaniens Spanien
742
Europa
— Frankreich.
und Verstand sich Bahn machen konnten. Ohne Zweifel strebten die edleren Schrift-
steller danach, einen bessern Zustand der Dinge herbeizuführen; ste sprachen Ideen ans,
die seitdem in Europa mehr oder minder zur Herrschaft gelangt sind, in Frankreich
allerdings am wenigsten; auch gelang es ihnen, wesentlich zur Vertreibung der Jesuiten
und zur Aufhebung dieses gemeinschädlichen Ordens beizutragen. Aber die häufig maß-
losen, gegen Krone, Adel und Klerus zugleich gerichteten Angriffe in der Literatur unter-
-gruben auch die Grundlagen von Staat und Kirche. Die große Masse der ländlichen
Bevölkerung gerieth in immer größeren Nothstand; 2/s des Grundbesitzes waren in den
Händen des Adels, Klerus und großer Kapitalisten, verpachtet an abhängige und ge-
drückte Meier; nur ^/s im Besitz kleiner, verarmter Bauern. Die stets wachsenden und
ungleich vertheilten Staatslasten steigerten die allgemeine Unzufriedenheit. Der Hof
fuhr unterdessen unbekümmert fort, Frankreichs Ehre durch schlechtgeführte Kriege, be-
sonders gegen Friedrich Ii. (Roßbach 1757) zu schänden, und die Finanzen durch fort-
gesetzte Verschwendung noch mehr zu Grunde zu richten. Der neue König Ludwig Xvi.
hatte bei aller Güte des Herzens nicht Einsicht und Kraft genug, um der Zerrüttung
des Staats auf gefahrlosem Wege abzuhelfen. Als endlich die Roth drängte, als das
Land bei einem Defizit von 198 Mill. Franks vor dem Staatsbankerotte stand, da ver-
suchte man, durch neue Steuern den Ausfall zu decken, da erklärte aber auch das Pariser
Parlament, nur die Reichsstände dürften neue Stenern verwilligen.
Der König willigte ein. Die etats generaux, die seit 1614 nicht versammelt gewesen,
wurden auf den 1. Mai 1789 berufen. Mit ihnen begann die Revolution, indem
der dritte Stand (tiers etat) die beiden andern, Adel und Klerus nöthigte, mit
ihm gemeinsam als Nationalversammlung zu berathen. Und da man von Unter-
suchung des Staatshaushaltes zur Verbesserung aller sonstigen Gebrechen überging, so
stürzte man leider alles Bestehende ohne Zandern um. Republikanische Ideen, schon
seit 10 Jahren durch die glückliche nordamerikanische Revolution geweckt und genährt,
ergriffen die Köpfe, der Pöbel von Paris mischte sich ein, man ward von schwärmerischen
Begriffen der Freiheit und Gleichheit über alle Schranken hinansgerissen. Die besseren
Köpfe und Gemüiher, die verständigen Männer, die anfangs an der Spitze der Revo-
lution gestanden, sahen sich genöthigt, den wildesten Schreiern zu weichen. Rasende
Jakobiner bemächtigten sich der Herrschaft; die Nation befleckte sich mit den gräßlichsten
Verbrechen; der unglückliche König mußte für die Sünden seiner Väter büßen. Seit
dem 21. September 1792 hieß Frankreich eine Republik, doch im Namen der Frei-
heit ward die Freiheit mit Füßen getreten; denn Nüchternheit und vernünftig konser-
vativer Sinn, ja noch mehr, Rechts sinn und Pflichtbewußtsein waren da-
nials schon der französischen Nation abhanden gekommen. So konnte
denn auch die Republik keine innere Festigkeit gewinnen; mehrmals wechselte sie ihre
Einrichtung, bis es am 13. Dezember 1799 dem Corsen (also Nichtfranzosen) Napoleon
Bonaparte gelang, sich als erster Consul zum Oberhaupte des Staates zu machen.
Ungeachtet des Elends, worin sich das Reich während jener Zeit befunden, hatten
seine Trnppen im Kampf mit den europäischen Königen manche Erfolge errungen; frei-
lich waren die Ursachen derselben nicht sowohl in der Tüchtigkeit der republikanischen
Heere, wie voreingenommene Federn oft glauben machen wollten, als vielmehr in
der schlechten Führung ihrer Gegner und in der Kabinetspolitik der Höfe zu suchen.
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister]]
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Extrahierte Personennamen: Meier Friedrich_Ii Friedrich Ludwig_Xvi Ludwig Roth Franks Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Europa Frankreich Europa Frankreich Frankreichs Roßbach Paris Frankreich
924
Europa
— Brittisch es Reich.
theilten sich die Stände in Oberhans (hoher Adel und Bischöfe) und Unterhaus
(Haus der Commons oder Gemeinen), die zusammen das Parlament bildeten.
Unterdes führten die normandischen Könige oder, wie sie nach Wilhelms Großenkel
Henry Ii. hießen, die Plantagenete viele Eroberungskriege. Seit 1171 ward Jr-
land unterworfen, und 1282 Wales, vorher nur ein Vasallenstaat, vollständig mit Eng-
land verbunden. Gegen Schottland kämpfte man lange vergeblich; es wurde zwar-
öfters in Lehensabhängigkeit gebracht, wußte sich aber immer wieder zu befreien. Die
größten Kriege jedoch wurden in Frankreich geführt. Denn was Henry Ii. besessen,
nämlich Normandie, Bretagne, Anjon, Guienne und Poitou, fast halb Frankreich, hatte
Johann ohne Land großentheils verloren. Muthige Könige suchten es wieder zu er-
obern, und Frankreich schwebte mehr als einmal in größter Gefahr, seine Selbständig-
keit zu verlieren (S. S. 739.) Diese jahrhundertelangen Kämpfe um die schönsten
Provinzen Frankreichs ließen zugleich die Kraft des Volkes erstarken, während anderseits
die insulare Lage des Landes das Festhalten an alten Sitten und Gewohnheiten zur
Folge hatte. König Heinrich V. (1413—1422), der den Kampf gegen Frankreich aufs
nene begonnen hatte, bemächtigte sich sogar der Stadt Paris; aber das Glück kehrte
den Engländern den Rücken, als der tapfere König schnell starb, und die Franzosen,
durch die Jungfrau von Orleans begeistert wurden. Die Minderjährigkeit und
dann die schwache Regierung Heinrichs Vi. (1422—1461) brachte die heftigste Feind-
schast zwischen den beiden Linien des königlichen Hauses, nämlich zwischen Lancaster
(rothe Rose) und York (weiße Rose) hervor.
Eine Reihe innerer Kriege erschütterte nun daö Reich. Schlachten folgten auf
Schlachten; die Hälfte des Adels und 60 Glieder der königlichen Familie fanden im
Gefecht oder durch Mord und Henkerbeil den Tod, bis endlich der Tyrann Richard Iii.
in der Schlacht bei Bosworth 1485 fiel, und Heinrich Vii. aus dem Hause Tudor
den Thron bestieg.
Der Streit der beiden Rosen hatte natürlich die Entwicklung der Staatsverfassung,
und der geistigen Kultur gehemmt. Schon im 13. Jahrhundert hatte England unter
andern ausgezeichneten Köpfen den berühmten Mathematiker und Physiker Roger
Bacon gehabt; im 14. wagte I. Wicliffe die Hierarchie anzutasten, und hatte an
Adel und Bürgerschaft solche Stützen, daß er nicht auf den Scheiterhaufen kam, sondern
ruhig als Geistlicher zu Lutterworth 1384 starb. Der Nationalhaß gegen Frankreich
hatte den König Edward Iii. und das Parlament bewogen, den Gebrauch der sran-
zösischen Sprache durch eine eigne Akte 1386 abzuschaffen, und die Volkssprache,,
angelsächsisch-deutsch mit französischen Wörtern vermischt, aber im grammatischen Bau
durchaus germanisch, geltend zu machen, worauf gar bald in diesem Neuenglisch
geschrieben und von Wicliffes Freund G. Chancer gedichtet wurde. — Dies alles
war ins Stocken gerathen, und das Parlament, sich herabwürdigend und selbst ver-
gessend, war im 15. Jahrhundert zum Spielball der Herrscher geworden.
Das neue Königshaus Tudor (1485—1603) benutzte die Schwächung des Adels
und den allgemeinen Ueberdruß am innern Kriege, um die Nationalrechte noch mehr zu
unterdrücken oder zu umgehen, und das Parlament fast ebeufo zu gebrauchen, wie
einst der römische Tyrann Tiberius den Senat. Als die Ideen der Kirchenreform von
Deutschland herüberkamen, maßte Heinrich Viii. (f 1547), ein dem Smnengenuß
TM Hauptwörter (50): [T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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Extrahierte Personennamen: Wilhelms_Großenkel
Henry_Ii Wilhelms Henry_Ii Johann Heinrich_V. Heinrich_V. Heinrichs Heinrichs Heinrich_Vii Heinrich Roger
Bacon Wicliffes Tudor Tiberius Heinrich_Viii Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Europa Oberhans Wales Schottland Frankreich Bretagne Frankreich Frankreich Frankreichs Frankreich Paris Bosworth England Frankreich Deutschland