;08. Kirche des heil. Grabes zu Jerusalem.
(Nach Kugler, Geschichte der Kreuzzüge.)
6. Das schwache Königreich Jerusalem. Man bot dem edlen
Gottfried die Krone des neuen Reiches an, aber er wollte an der Stelle
keine goldene Krone tragen, wo sein Heiland unter einer Dornenkrone
geblutet hatte, und nannte sich nur „Beschützer des heiligen Grabes".
Nachdem er noch ein siebenmal stärkeres Heer des Sultans von Ägypten
besiegt und dem Reiche neue Gesetze gegeben hatte, starb er infolge der 1100
unsäglichen Anstrengungen. Sein Bruder Balduin folgte ihm als König
von Jerusalem und erweiterte und befestigte sein Reich durch Eroberung
der Küstenstädte und durch ein Bündnis mit den Handelsstädten Venedig,
Genua und Pisa, die unablässig Verstärkungen brachten.
Aber durch die Uneinigkeit der Christen und die Tapferkeit der
Türken ging später ein Ort nach dem andern verloren. Und obgleich
das Abendland in sieben Kreuzzügen seine beste Kraft im Orient ver-
schwendete und an 6 Millionen Menschen opferte, so fiel doch nach
200 Jahren die letzte christliche Besitzung in Palästina, die Festung 1291
Akkon, den Türken wieder in die Hände.
7. Die wichtigen Folgen der Kreuzzüge. Der Zweck der Kreuz-
züge, die dauernde Besitzergreifung des heiligen Landes, wurde nicht
erreicht; aber sie haben einen gewaltigen Einfluß auf das öffentliche
Leben und die Kulturentwicklung im Abendlande ausgeübt. Die Kirche
gewann durch die große religiöse Begeisterung an geistiger, durch die
vielen Schenkungen an weltlicher Macht. Auch manche Herzöge und
Grafen erhielten einen Zuwachs an Besitz, indem sie erledigte Lehen
einzogen. Vor allem aber brachten die Kreuzzüge den größeren Städten
Vorteil. Ihr Handel und Verkehr hob sich, und mit ihrem Reichtum
erkauften sie leicht von den geldbedürftigen Fürsten größere Vorrechte.
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Extrahierte Personennamen: Kugler Gottfried Balduin
150
gegen „Entschädigungen" die Krone einem englischen und einem spanischen
Fürsten übertragen. Beide bekümmerten sich ebensowenig um Deutschland
wie die deutschen Fürsten um diese Namenkaiser. Die deutschen Fürsten
waren völlig selbständig geworden. Handel, Gewerbe und Acker-
bau lagen gänzlich darnieder. Niemand war seines Lebens und Gutes
sicher. Die Fürsten und Herren rauften miteinander in endlosen Fehden,
und nur der Stärkste hatte Recht (Faustrecht). Von ihren sicheren
Burgen aus, die an den Landstraßen auf geschützten Orten sich zahlreich
erhoben, raubten die Ritter, was zu rauben war. Sie schwangen sich
in den Steigbügel, sobald der Knecht auf dem Wartturm das Zeichen
gab, daß Reifende oder Warenzüge nahten, um die reichen Warenzüge
der Kaufleute zu plündern und von den Gefangenen oft ein sehr hohes
Lösegeld zu erpressen. Gegen diese Raubritter oder Ritter vom Steg-
reif (d. i. Steigbügel) schloffen die Städte, welche unter diesem Unwesen
am meisten litten, Bündnisse zu Schutz und Trutz.
Unteritalien gab der Papst als päpstliches Lehn dem finsteren Karl
von Anjou, einem Bruder Ludwigs des Heiligen von Frankreich.
Karl unterdrückte mit grausamer Härte Adel, Bürger und Geistlichkeit,
und das ganze Land seufzte unter den Händen dieses Henkers.
2. Der unglückliche Zug Konradins nach Italien. In Bayern
am Hofe seines Oheims wuchs der letzte Sproß der Staufer, Konrads
Sohn Konradin, auf. Zwei Minnelieder in der Manesseschen Samm-
lung bezeugen feine dichterische Begabung. Der Ruf der Italiener, das
Drängen seiner Freunde und der Zug seines eigenen Herzens veranlaßten
ihn zu einem Heerzuge nach Italien, um sein väterliches Erbe von den
Franzosen zurückzufordern. Vergeblich hatte seine Mutter Elisabeth
von dem Zuge abgemahnt, mit Thränen und trüben Ahnungen in Hohen-
schwangau von ihm Abschied genommen. In Italien wurde der herr-
liche Jüngling überall mit Jubel ausgenommen. Doch der Papst sprach
den Bann über ihn aus. Bei Tagliacozzo siegte Konradin anfänglich
über Karl von Anjou. Als aber seine Soldaten sich zu früh zerstreuten
und zu plündern anfingen, fiel ein Hinterhalt über sie her und brachte
ihnen eine gänzliche Niederlage bei. Konradin wurde auf der Flucht
mit seinem Freunde Friedrich von Baden gefangen und an Karl von
Anjou ausgeliesert. Dieser stellte ihn als einen Räuber und Empörer
vor ein Gericht, das ihn aber freisprach. Nur der knechtisch gesinnte
Robert von Bari erklärte ihn des Todes schuldig. Daraufhin befahl
Karl seine und seiner Begleiter Hinrichtung.
3. Sein rührendes Ende. Das Todesurteil wurde Konradin
vorgelesen, als er mit seinem Freunde Friedrich beim Schachspiel saß.
Gefaßt bereitete er sich zum Tode vor. Am 29. Oktober 1268 bestieg
er mit seinen Gefährten das Blutgerüst. Robert von Bari verlas das
Todesurteil und zerbrach den weißen Stab. Da sprang, so wird erzählt,
Graf Robert von Flandern auf und rief ihm mit drohend ge-
schwungenem Schwerte zu: „Wie kannst du, feiger Schurke, einen so
herrlichen Ritter zum Tode verurteilen!" Und das geschwungene Schwert
traf den bösen Mann. Konradin aber umarmte seinen Freund, befahl
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Extrahierte Personennamen: Karl
von_Anjou Karl Ludwigs Karl Konradins Konrads Konradin Konradin Konradin Konradin Karl_von_Anjou Karl Konradin Konradin Friedrich_von_Baden Friedrich Karl_von
Anjou Karl Robert_von_Bari Karl Karl Konradin Friedrich Friedrich Robert_von_Bari Robert_von_Flandern Konradin Konradin
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Unteritalien Frankreich Italien Bayern Manesseschen_Samm- Italien Hohen- Italien
151*
seine Seele Gott und legte geduldig sein Haupt auf den Block mit den
Worten: „O Mutter, welchen Schmerz bereite ich dir!" Dann empfing
er den Todesstreich. Friedrich schrie ans in namenlosem Schmerze, und
das Volk zerfloß in Thränen. Nur der herzlose Anjou, der am Fenster
einer nahen Burg stand, blieb ungerührt und sah mit teuflischer Be-
friedigung das Ende des letzten Staufers; dann fielen die Häupter
Friedrichs und der anderen Freunde Konradins.
4. Die gerechte Strafe des Mörders. Karls Reich hatte keinen
Bestand. Sein unbarmherziger Druck und die Willkür seiner französischen
Soldaten veranlaßten einen plötzlichen Aufstand, die Sicilianische
Vesper, welcher am Ostermontage zur Vesperzeit begann. Alle Fran-
zosen auf Sicilien wurden ermordet und die Bewohner von dem Joche
der Fremdlinge befreit. In seiner Wut soll Karl den goldenen Knopf
von seinem Stocke gebissen haben.
Fragen: Woran ging das Geschlecht der Staufer zu Grunde? — Wodurch
war das Interregnum eine schreckliche Zeit? — „Konradin" von Schwab.
49. Die Kultur des Mittelalters.
1. Das deutsche Königtum. Die Königswahl geschah durch
die weltlichen und geistlichen Reichsgroßen, und zwar in der Regel nur
durch die angesehensten, in Aachen, später in Frankfurt am Main.
In Aachen krönte und salbte der Erzbischof von Köln, in Frankfurt der
Erzbischof von Mainz. Seit 1356 (durch die goldene Bulle) lag das
Wahlrecht nur bei den sieben Kurfürsten.
Die Reichsgüter bestanden in großem Grundbesitz, Höfen, Dörfern,
Forsten. Die Krön rechte waren besonders das Jagd-, Münz- und
Zollrecht. Durch die allzu reichliche Vergabung wurde die Macht des
Königs außerordentlich geschwächt. Die Landesherren wurden immer
mächtiger und unabhängiger. Zuletzt war Deutschland nur ein lockerer
Bund kleiner und großer Staaten.
Der Reichstag wurde vom Könige berufen. Auf ihm er-
schienen die Reichsgroßen und berieten über wichtige gemeinsame An-
gelegenheiten, als: Krieg, Landfrieden, Streitsachen der Fürsten u. a.
Auch die Belehnung der Großen erfolgte hier in der Regel. Die Herzöge,
Markgrafen und Grafen bildeten die weltlichen, die Erzbischöfe, Bischöfe
und Äbte die geistlichen Reichsstände; später kamen noch die Reichs-
städte hinzu. In den Einzelstaaten bildeten Ritterschaft (der Adel),
Geistlichkeit und Städte die Landstände. Sie berieten hauptsächlich
über die Bewilligung der Landsteuern, die die Landesherren „erbeten"
hatten, und wirkten sich für die Gewährung mancherlei Rechte und Zu-
geständnisse aus.
2. Das Rittertum, a) Entstehung. Die Ritterschaft entstand
aus den Freigeborenen, welche den Kriegsdienst zu Roß leisteten. All-
mählich bildete sich das Rittertum als ein abgeschlossener
Stand heraus, und durch die Ritterwürde wurden Fürsten wie einfache
1282
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Friedrichs Konradins Karls Karl Karl Schwab
Extrahierte Ortsnamen: Friedrichs Konradins Karls Aachen Frankfurt_am_Main Aachen Frankfurt Mainz Deutschland
Mm
— 201 —
sind. Darum bitten wir Eure Liebden mit allem Fleiß, Euer gutes
Gerücht bei den Frauen nicht also zu verlieren, sondern Euer Gemüt
gegen die arme Witwe wieder zu wenden und sie wieder zu dem Ihrigen
kommen zu lassen — Nur um 2 Jahre überlebte die Kurfürstin ihren
Gemahl. In dieser Zeit verkehrte sie traulich mit ihren Kindern und
verwandte ihr reiches Witwengut zu deren Bestem. Ihren Hofhalt
vereinigte sie mit dem ihres Sohnes Albrecht, „damit sich derselbe besser
erholen könne." Im Kloster zu Heilbronn ward sie an der Seite ihres
Gatten bestattet.
65. Die nächsten Nachfolger des ersten Hohenzollern in der Mark.
1. Friedrich Ii., der Eiserne, brach die Macht der Städte. 1440
Er hatte eine tiefe Frömmigkeit des Herzens, aber auch eine unbeugsame
Festigkeit des Willens; daher sein Beiname „Eisenzahn". „Beten und
arbeiten!" hieß sein Wahlspruch.
Ihm machten die Städte, die sich in
den langen Wirren viele Freiheiten
erkämpft hatten und von der Landes-
hoheit des Fürsten nichts wissen wollten,
viel zu schaffen, besonders die Doppel-
stadt Berlin-Kölln an der Spree.
Sie verschloß ihm sogar die Thore.
Bei einem Aufruhr der Bürger gegen
den Rat drang Friedrich auf den
Hilferuf des letzteren in der Ver-
wirrung mit 6oo Reitern in die
Stadt und trieb die Empörer zu
Paaren. Er ließ sich die Schlüssel
der Thore ausliefern, stürzte den
Roland, das Sinnbild des Blutbannes
oder Rechtes über Leben und Tod, und erbaute nach einem zweiten Auf-
stande an der Spree zwischen den beiden Städten Berlin und Kölln
die Fürstenburg, auf deren Stelle sich heute das alte königliche Schloß
erhebt. „Sie sollte der Herrschaft und dem Lande zum Frommen und
zur Zierde gereichen." Er bezog sie 1451 und machte damit Berlin 1451
zur Residenz des Kurfürstentums.
2. Er hob die Sittlichkeit. Durch das Raub- und Fehdewesen
war der Adel der Mark in üblen Ruf gekommen. „Was man irgendwo
vermisse, das müsse man nur in der Mark Brandenburg suchen!" war
eine gemeine Rede in deutschen Landen. Um den Adel zu heben, gründete
Friedrich den Schwanenorden. Durch ihn sollte Frömmigkeit, Sitten-
reinheit und edles Familienleben gefördert werden. Als der Tod seinen
einzigen Sohn in blühender Jugend hinwegraffte, da übergab er die
Regierung seinem Bruder Albrecht, nahm mit Thränen Abschied
von den märkischen Ständen und starb schon im nächsten Jahre in
Franken.
Wo
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Extrahierte Personennamen: Albrecht Albrecht Friedrich_Ii Friedrich Friedrich Friedrich Roland Friedrich Friedrich Albrecht Albrecht
Extrahierte Ortsnamen: Heilbronn Berlin Fürstenburg Berlin Brandenburg
193
t>er ihn von seinen Gewaltthaten abmahnte: „Es seynd die alten Geigen:
an Befehlen mangelt's nit, aber an denen, die gehorchen." Maximilian
gilt als Schöpfer der Landsknechte; er hat auch das Geschützwesen
verbessert. Durch den Fürsten von Thurn und Taxis wurde damals
die Post (zwischen Brüssel und Wien) eingerichtet.
5. Sein freudloses Ende. Der alternde Kaiser sah das Mittel-
alter mit seinen Einrichtungen zu Grabe gehen und überall das Morgenrot
einer neuen Zeit aufleuchten. Er sträubte sich nicht gegen das Neue,
hatte aber auch kein richtiges Verständnis und keine fördernde That da-
für. Er hielt einen Reichstag in Augsburg, auf dem ihm die Wahl
seines Enkels Karl fehlschlug. Über hundert Beschwerden gegen das
päpstliche Regiment blieben ohne Erledigung. Kränkelnd zog Max nach
Innsbruck, aber die Bürger verweigerten ihm und seinom Gefolge das
Gastrecht, weil er eine alte Schuld noch nicht bezahlt hatte. Diese
Kränkung verschlimmerte seinen Zustand, so daß er in Wels liegen
bleiben mußte. Als er den Tod nahen fühlte, kleidete er sich in sein
Totenhemd, empfing das Abendmahl und tröstete die weinenden Seinen.
Wie er gelebt, so starb er, als „letzter Ritter". Seinen Sarg hatte er 1519
schon vier Jahre mit sich herumgeführt.
Fragen: Warum mißglückten viele von Maximilians Plänen? — Worin
bestehen seine Verdienste um das Reich? — „Das Mahl zu Heidelberg" von
Schwab. — „Graf Eberhard im Bart" von Zimmermann. — „Der reichste
Fürst" von Kerner. — „Der letzte Ritter" von Anastasius Grün. — „Deutscher
Brauch" von An. Grün. — „Kaiser Max und Albrecht Dürer" von Wolfg.
Müller. — „Götz von Berlichingen", Schauspiel von Goethe.
Die Mark Brandenburg im Mittelalter.
61. Die Iskanier in -er Mark (1134—1320).
1. Die Bewohner der Mark. Zwischen Elbe und Oder in dem
Gebiet der Havel und Spree wohnten ursprünglich Deutsche. Der
Strom der Völkerwanderung führte sie nach Westen; von Osten aber
rückten die Wenden in die verlassenen Wohnsitze ein. Diese gehörten
der großen slavischen Völkerfamilie im Osten Europas an. Sie waren
nicht groß, aber von kräftigem, gedrungenem Körperbau, hatten braun-
gelbe Hautfarbe, feurige Augen und braunes Haar. Ihre Religion
war eine Vergötterung der Naturkräfte. Sie verehrten B e l b o g als
weißen Lichtgott, Czernobog als Fürsten der Finsternis und viele
andere Götter. In Tempeln und Hainen standen die unförmlichen
Götzenbilder. Als Opfer wurden Früchte, Tiere und Kriegsgefangene
dargebracht. Die Priester genossen als Seher und Vertraute der
Götter hohes Ansehen. Die Hauptbeschäftigungen der Wenden waren
Jagd, Fischerei, Viehzucht und Ackerbau, doch finden sich auch die An-
fänge einzelner Gewerke, z. B. der Weberei. An der Ostsee, z. B. in
Viñeta auf Wollin (oder Usedom), entwickelte sich ein reger Handels-
verkehr. Die Wenden liebten die gemeinsamen Ansiede-
lungen in den Niederungen und schirmten ihre Flecken durch Burgen
Po lack, Geschichtsbilder. 17. Aufl. Ausg. L f. Mädchensch. 13
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Extrahierte Personennamen: Maximilian Maximilian Karl Karl Max Max Maximilians Schwab Eberhard Zimmermann Anastasius_Grün Max Max Albrecht_Dürer"_von_Wolfg Albrecht Goethe
Extrahierte Ortsnamen: Wien Augsburg Maximilians Heidelberg Brandenburg Europas Ostsee Wollin
Karls V. Ende.
43
In bezug auf Bestimmung 4 verlangten die protestantischen
Stände die ausdrückliche Hinzufügung, daß sie ihr nicht beigepflichtet
hätten.
Karls V. Ende.
Kaiser Karl konnte den Schlag, den ihm Moritz von Sachsen
versetzt hatte, nicht verwinden. Enttäuscht und der Regierungssorgen
herzlich müde, beschloß er, seine Kronen niederzulegen.
Ein Jahr nach dem Augsburger Religionsfrieden führte er diesen
Entschluß aus. Dann zog er über die Pyrenäen nach Spanien, wo er
an dem Kloster St. Just anklopfte und sich in dasselbe als Mönch
aufnehmen ließ. In der stillen Einsamkeit des Klostergartens, wo er
seine Wohnung hatte, wollte er, nachdem er solange die schwere Last
der Herrschaft getragen, bloß für Kunst und Wissenschaft, in frommen
Betrachtungen und Gebeten leben. Er arbeitete auch fleißig als Gärtner
und verfertigte mit großer Kunst hölzerne Uhren. Hierbei verfiel er
auf den Gedanken, ein Mittel zu finden, diese Uhren in gleichmäßigen
Gang zu bringen. Das aber wollte ihm nicht glücken, und eines
Tages rief er verdrossen aus: „Ich Tor, diese kleinen Holzuhren schon
wollen nicht übereinstimmen, und doch meinte ich, die Macht zu be-
sitzen, so viele Menschen aus den verschiedenstell Völkern, so verschieden
an Religion, Sitten und Charakter, zur Übereinstimmung zu bringen!
Wie konnte ich Wurm nur solches glauben!" In der Einsamkeit von
St. Just nahm Karls Trübsinn von Tag zu Tag zu; von allen
irdischen Dingen abgewendet, bereitete sich sein Geist auf das Leben
im Jenseits vor. In solcher Stimmung kam er einst auf den Ge-
danken, sich bei lebendigem Leibe sein eigenes Leichenbegängnis halten
zu lassen. Jedermann widerriet ihm diese Totenfeier — doch umsonst.
Der Kaiser setzte einen Tag fest, erschien dann in der Kirche in einem
langen, weißen Sterbekleide, umgeben von seinen Dienern, ließ sich in
einen Sarg legen und hörte tief erschüttert die feierlichen Gesänge,
welche für seine Seele angestimmt wurden. Am folgenden Tag ergriff
ihn ein Fieber, und nach wenigen Wochen verschied er, am 21. Sep-
tember 1558. Er hatte Luther gerade um zwölf Jahre überlebt.
Die Dichter August Graf v. Platen, Hallermünde und Anastasius
Grün (Gras v. Auersperg) haben den Ausgang dieses Kaisers poetisch
veranschaulicht in den Romanzen: „Der Pilgrim von St. Just" —
und „Die Leiche zu St. Just".
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Extrahierte Personennamen: Karls_V. Karls_V. Karl Karl Moritz_von_Sachsen Karls_Trübsinn Karls August
108
Das Zeitalter Ludwigs Xiv.
ein deutsches Herz habe und mein Vaterland liebe, dies werde ich, ob
Gott will, suchen bis an mein Ende zu behalten. Ich war schon zu
alt, wie ich in Frankreich kommen, um mein Gemüt zu ändern, mein
Grund war schon gesetzet."
Aber bei der frevelhaften Zerstörung ihres geliebten Landes, zu
welcher man ihren Namen mißbraucht hatte, brach ihre heitere Geduld,
ihr frischer Mut, der den Grundzug ihres Wesens bildete, zusammen.
Laut machte sie dem König, ihrem Gemahl, dem Dauphin heftige
Vorwürfe, und als man ihr gleißnerisch sagte: „Wir tragen ja die
Waffen, Eure Rechte zu verteidigen!" erwiderte sie mit Entrüstung:
„Mein Recht braucht ihr nicht zu verteidigen, mein Land sollt ihr
schonen!" Bis zu jenen Tagen hatte sie Ludwig Xiv. gern gehabt.
Aber nachdem er die Stätte ihrer Heimat, das Land ihres Hauses in
Asche gelegt hatte, war dies Gefühl erloschen. „Ich kann nachts nicht
schlafen, und wenn ich aufwache, sehe ich Heidelberg und Mannheim
in Flammen vor mir," erzählte sie selbst. Sie vermag es auch nicht
zu begreifen, wie Deutsche in solcher Zeit ihre Kinder nach Frankreich
schicken möchten, wo sie „statt was Gutes, lauter Untugenden lernen".
Sie bleibt fo weit deutsch, daß sie mitten in dem großen spanischen
Erbfolgekriege, bei dem die Ehre und das Glück Frankreichs auf
dem Spiele standen, den Wunsch nicht unterdrücken kann, daß Melac
von den Deutschen gezüchtigt werden möchte. „Möchte man den
wüsten Buben etwas butzen."
In der großen Wiener Allianz ermannte sich endlich Europa.
Nur noch die Türken unterstützten Frankreich, aber seit sie von
Wien hatten abziehen müssen, ging es mit ihrer Macht bergab. Die
Heere Ludwigs unter ihren tüchtigen Feldherren waren noch immer
im Vorteil. Luxemburg in Holland, Catinat in Italien. Aber auf
die Dauer versiegten, trotz des großen Steuerdrucks, für Frankreich
doch die Hilfsquellen. Nachdem Ludwig mit Italien schon den Separat-
frieden zu Turin hatte schließen müssen, kam auch 1697 der Friede
mit den andern Mächten zu Ryswyk, einem Schlosse zwischen Haag
und Delst, zustande. Ludwig legte eine gewisse Genügsamkeit an den
Tag. Er behielt von den spanischen Eroberungen nur eine Anzahl
Orte, weil sie schon zu früheren Abtretungen gehörten, nebst der Insel
St. Domingo. Holland erlangte Handelsvorteile und sein Erbstatt-
Halter Wilhelm Iii. die Anerkennung als König von England. Ludwig
mußte versprechen, die gestürzten und verbannten Stuarts in keiner
Weise zu unterstützen. Lothringen und Zweibrücken wurden ihren
früheren Besitzern zurückgegeben. Bis 1729 wußte Leopold von
Lothringen durch kluge Haltung sein Herzogtum gegen Frankreichs
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs Ludwig_Xiv Ludwig Ludwigs Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig Wilhelm Ludwig Leopold_von
Lothringen Leopold
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Heidelberg Mannheim Frankreich Frankreichs Europa Frankreich Wien Luxemburg Holland Italien Frankreich Italien Holland England Lothringen
Frankreichs innere Zustände.
111
erschien den anderen Verbündeten nicht günstig. In England war
zudem Marlborough in Ungnade gefallen, seine Gemahlin hatte
neben der jungen Königin Anna eine zu dominierende Stellung be-
ansprucht (vgl. Scribes Lustspiel „Ein Glas Wasser"). Ein neues
Ministerium, den geistreichen Schriftsteller Bolingbroke an der
Spitze, wünschte den Frieden.
In Utrecht (1713) trat ein Kongreß zusammen, auf dem zunächst
die Seemächte Frieden schloffen, dem ein Jahr darauf auch der Kaiser
und das Deutsche Reich zu Rastatt und Baden beitraten. Dieser
Friedensschluß regelte die Verhältnisse West- und Mitteleuropas für das
18. Jahrhundert. Frankreich verlor nichts, das Deutsche Reich ge-
wann nichts wieder.
Der deutsche Volkswitz bezeichnete die drei Verträge von Nym-
wegen, Ryswyk und Utrecht als die Frieden von „Nimmweg",
„Reißweg" und „Unrecht".
Der französische Volkswitz tröstete sich über den Verlust bei
Malplaquet durch das Spottlied: „Marlborough s'en va-t-en guerre."
Frankreichs innere Zustande.
Die Selbstherrlichkeit Ludwigs gab sich besonders auch in reli-
giösen Dingen kund. Gleich Philipp Ii. von Spanien wollte auch
er in seinen Ländern eine völlige Glaubenseinheit herstellen. Gegen
die Jesuiten erhoben sich damals die Janfenisten — so genannt
nach ihrem Bischof Jansen von Apern. Dieser stellte der immer
schlaffer werdenden jesuitischen Moral eine Verinnerlichung des Glaubens
gegenüber und erneuerte in seinem Buche „Augustinus" die strenge
Lehre dieses Kirchenvaters, daß nur der durch die Gnade Gottes erlöste
und durch den Glauben mit seinem Schöpfer verbundene Geist in das
ewige Leben eingehe. Der sittliche Ernst dieser Lehre gewann ihr
viele Anhänger, namentlich auch unter den Nonnen des Klosters Port
Royal bei Paris. Die Glieder der angesehensten Adelsfamilien suchten
in den geweihten Räumen von Port Royal Schutz gegen die Ver-
suchungen der sündigen Welt. Zu den Janfenisten gehörten geistig
bedeutende Männer, wie z. B. Blaife Pascal, dessen lettre« pro-
vinciales (1656), worin mit Schärfe und Geist die zweideutige Hand-
lungslveife der damaligen Jesuiten gegeißelt wird, hinsichtlich ihrer
Wirkung nur noch mit den „Briefen der Dunkelmänner" (vgl. S. 10)
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Extrahierte Personennamen: Marlborough Anna Scribes Bolingbroke Ludwigs Philipp_Ii Philipp Jansen Ernst B._Blaife_Pascal
Extrahierte Ortsnamen: England Utrecht Baden Mitteleuropas Frankreich Spanien Paris
Ter Siebenjährige Krieg.
153
in welchem Maria Theresia zwar Parma, Piacenza und Guastalla
an die spanischen Bourbonen abtreten mußte, dafür aber die rechts-
kräftige Anerkennung der pragmatischen Sanktion von allen Seiten
erhielt.
Friedrich Ii. wurde der Besitz Schlesiens bestätigt.
Der dritte Schlesische oder der rieben-
jahrige Krieg.
(1756 — 1763.)
Vorgeschichte.
Nach den beiden ersten schleichen Kriegen wandte Friedrich seine
ganze Sorgfalt der Hebung des Wohls seiner Untertanen zu. Er
verbesserte die Staatsverwaltung, unterstützte die durch den Krieg Ver-
armten, förderte Gewerbefleiß und Handel, legte Flecken und Dörfer
an und suchte Kunst und Wissenschaft zu heben. Dabei versäumte er
nicht, sein Heer zu verstärken. So fand ihn der Krieg, der nach elf
Jahren wieder ausbrach, aufs beste gerüstet. In wenigen Jahren hatte
Friedrich Ii. seinem Staate die Großmachtstellung errungen. Dazu kam,
daß diese neue Großmacht nicht nur auf eigenen Füßen steheil wollte,
sondern auch nach allen Seiten ihre Rechte verteidigte. Die Stimmung
der europäischen Mächte gegen Friedrich war daher eine ungünstige, ja
feindselige. Maria Theresia konnte den Verlust Schlesiens nicht ver-
schmerzen, um so weniger, als sie sah, wie Friedrich es verstand, das
Doppelte und Dreifache von dem, was die österreichische Regierung
sonst erhalten hatte, an Einkünften aus diesem schönen, großen Lande
zu ziehen. Sie arbeitete daher eifrig an einem Bunde gegen den
Emporkömmling, wobei sie ihr Minister Kaunitz sehr geschickt unter-
stützte. Gras Kaunitz war drei Jahre Gesandter in Versailles gewesen.
Seit 1753 leitete er die österreichische Politik und gab ihr eine andere
Richtung, mdem er der Kaiserin riet, die Unterstützung Frankreichs
zur Wiedererlangung Schlesiens zu suchen. Bisher hatte das Haus
Habsburg in Frankreich seinen natürlichen Gegner und Erbfeind ge-
sehen. Am sächsischen Hose fand Maria Theresias Vorschlag Anklang,
ebenso bei der russischen Kaiserin Elisabeth, und Frankreich wurde
auch ziemlich leicht gewonnen. Schweden endlich und die deutschen
Fürsten sollten, so durfte Maria Theresia hoffen, durch französisches
Geld ebenfalls gegen Friedrich ins Feld gebracht werden. Der Zweck
des großen Bündnisses war kein anderer, als Friedrich zum Mark-
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Extrahierte Personennamen: Maria_Theresia Maria Theresia Friedrich_Ii Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich_Ii Friedrich Friedrich Friedrich Maria_Theresia Maria Theresia Friedrich Friedrich Kaunitz Kaunitz Maria_Theresias Maria Theresias Maria_Theresia Maria Theresia Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Piacenza Versailles Frankreichs Schlesiens Haus
Habsburg Frankreich Frankreich
12
Tie deutsche Reformation.
linge Hochmut und Überhebung zur Schau trugen und wie auch
schlechte Deutsche durch Jagen nach Gunst und Ämtern und Kriecherei
vor dem päpstlichen Stuhl sich erniedrigten.
In Gedichten, Satiren und Flugschriften geißelte er die Juristen
und das römische Recht, den rohen Adel und die Tyrannei der Fürsten,
unter welchen namentlich Ulrich von Württemberg seinen ganzen
Zorn erregte. Dieser Herzog hatte eilten Vetter Huttens, den jungen
und einnehmenden Hans von Hutten, meuchlings niedergestochen. Der
Ermordete war einst des Herzogs Stallmeister und bevorzugter Günst-
ling gewesen, aber als dieser in wilder Leidenschaft für Hans Huttens
junge Frau entbrannte, scheint es zum Zerwürfnis gekommen zu sein.
Die Mordtat empörte die gesamten Mitglieder der Huttenschen Familie.
Ulrich von Hutten bemächtigte sich der Angelegenheit und zog in
fünf kraftvollen Reden (1515—1519) den Herzog zur Verantwortung.
Diese Reden, die damals einen tiefen Eindruck in den Kreisen des
niederen Adels machten, übertreiben freilich die häßlichen Charakter-
eigenschaften des Herzogs, der in Wirklichkeit kein solch Scheusal ge^
wesen ist. Wilhelm Hauff hat ihm in dem Geschichtsroman „Lichten-
stein" gewissermaßen eine Ehrenrettung zuteil werden lassen.
Vielfach bestimmten Ulrich von Huttens Auftreten die Interessen
des Ritterstandes, dessen Ansehen mit der Macht des Kaisertums
zusammenhing.
Für das aufblühende deutsche Bürgertum zeigte der fränkische
Ritter weniger Verständnis. Die Üppigkeit, der Wucher im Handel und
Verkehr, der sich oft bei den reich gewordenen Städten zeigte, stießen
ihn ab.
In die festen Ordnungen des Rechts und des Friedens, die
Kaiser Maximilian mit Mühe am Ausgange des Mittelalters in
Deutschland hergestellt hatte, wußte der Feuerkopf Hutten sich am
wenigsten zu finden. Er für seine Person griff genau zu den alten
Gewaltmitteln. Statt des geistigen Kampfes wollte er den Kampf
mit dem Schwert.
Ihm zur Seite trat bald ein tatkräftiger, kriegsgeübter, die poli-
tischen Verhältnisse überschauender Gefährte: Franz von Sickingen.
Dieser war eine glänzende Ritterscheinung, kraftvoll und bieder, großen
Ideen zugeneigt und ein Freund der Männer der Wissenschaft, dazu
wohlbegütert und im Besitz mehrerer Burgen, deren hervorragendste
die Ebernburg und der Landstuhl waren. Hier versammelte er
geistreiche und gelehrte Personen um sich, die ein neues Leben in die
alte Burg trugen.
Herzog Ulrich von Württemberg hatte widerrechtlich die kaiserliche
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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Extrahierte Personennamen: Ulrich_von_Württemberg Vetter_Huttens Hans_von_Hutten Hans_Huttens Ulrich_von_Hutten Wilhelm_Hauff Wilhelm Ulrich_von_Huttens Maximilian Maximilian Franz_von_Sickingen Franz Ulrich_von_Württemberg