Karl nimmt den Kaisertitel an.
65
Hoffnung, unterwarfen sich Karln und nahmen die Taufe; die andern
Häuptlinge folgten dem Beispiele und der Widerstand schien erloschen.
Aber 793 machte sich der Haß gegen Karln und die Franken blutig
Luft; diesesmal waren es besonders die Liten, welche aufstanden; der
Zehenten, den sie an die Kirche entrichten sollten, erbitterte sie, und nicht
weniger die Heerfolge, welche sie Karln gegen die Slaven leisten muß-
ten. Der Aufstand wurde jedoch unterdrückt, so oft er sich wiederholte;
10,000 sächsische Familien verpflanzte Karl in entfernte Gegenden und
ersetzte sie durch fränkische Bevölkerung, baute Burgen und versah dieselben
mit Besatzungen. Mit dem Zahre 804 war der Sachsenkrieg zu Ende;
einzelne Gewaltthaten kamen aber noch längere Zeit vor; auch blieben
viele Sachsen ihren Göttern im Herzen getreu und feierten ihnen auf
den Bergen nächtlicher Weile die alten Feste. Karl stiftete im Sachsen-
lande acht Bisthümer: Osnabrück, Minden, Verden, Bremen, Paderborn,
Münster, Halberstadt und Hildesheim, und in nicht langer Zeit wurden
die Sachsen eifrige Christen und blieben dabei ein kräftiger, ja herr-
licher deutscher Volksstamm.
Karl nimmt den Kaisertitel an (800).
Durch den Sieg über die Sachsen war der Sieg des Christenthums
in Europa entschieden; wären die Sachsen Heiden geblieben, so wäre
dieser mächtige Volksstamm in späterer Zeit (sie wurde trübe genug)
gewiß einmal losgebrochen und hätte seine Macht und mit derselben
das Heidenthum über Deutschland ausgebreitet; wo würde dann den
heidnischen Sachsen, Normannen, Slaven und Mohammedanern gegen-
über noch ein christliches Volk gewesen sein? Vor einer solchen Zukunft
schützte Karl die Christenheit. Sein Ruhm verbreitete sich über die Erde;
zu ihm kamen Gesandte des Chakans der Hunnen, des griechischen Kai-
sers, des Königs von Asturien, des Chalifen Harun al Radschid und
ehrten ihn durch Geschenke. Er war der mächtigste Fürst Europas, der
Beschirmer des Chriftenthums gegen Heiden und Mohammedaner, und
nun nahm er auch den ehrenvollsten Titel an, welchen es gab, nämlich
des römischen Kaisers. Karl war wie sein Vater Patricius von Rom und
hatte mit Papst Adrian I. (772—795) in enger Freundschaft gelebt;
dessen Nachfolger Leo Iii. wurde 799 bei einem Aufstande der Römer
schwer mißhandelt und hatte sich mit Mühe nach Spoleto gerettet. Da-
mals nämlich wie auch später war Rom der Schauplatz der heftigsten
Parteikämpfe, die am häufigsten bei einer Papftwahl zum Ausbruch
kamen; denn da die Bürgerschaft der Stadt und die Adeligen des Stadt-
gebiets den von dem römischen Klerus gewählten Papst in öffentlicher
Versammlung durch ihren Zuruf gewissermaßen zu bestätigen hatten,
Bumüller, Gesch. d. Mittelalters.
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Harun Karl Leo_Iii Leo
Extrahierte Ortsnamen: Sachsenkrieg Minden Bremen Paderborn Halberstadt Hildesheim Sachsen Europa Sachsen Deutschland Sachsen Asturien Europas Rom Spoleto
128
Das heilige römische Reich deutscher Nation.
Herrschaft der deutschen Könige über Italien verwandeln wollten. Dann
fochten die kräftigsten italienischen Staaten mit ihrer Selbstständigkeit zu-
gleich die Sache des hl. Stuhles aus, und in der Regel fand der Papst
in Deutschland selbst seine mächtigsten Bundesgenossen, indem die deut-
schen Fürsten unablässig bestrebt waren, ihre eigene Macht auf Kosten
der königlichen zu verstärken und dann am erfolgreichsten Vorgehen konnten,
wenn sie Gelegenheit hatten als Vertheidiger der Rechte des Papstes
aufzutreten.
Der Zug zur Krönung hieß der Römerzug; es muß etwas Wunder-
bares gewesen sein, wenn der König die Großen des Reiches und seine
unmittelbaren Dienftleute zur Fahrt über die Alpen aufbot und der ge-
waltige Heereszug so vieler Herren und streitbarer Mannen sich südwärts
über die hohen Alpenpässe bewegte. Es war ein großer nationaler
Festzug, der vielmal zu einem Kriegszug wurde. Daß er für den
Kaiser und für die Mannen große Auslagen verursachte, versteht sich
von selbst; beispielsweise führen wir an, was ein persönlich freier
Lehensmann, dessen Lehen von seinem Herrn an den Kaiser überging,
erhielt, wenn er zum Römerzuge aufgeboten wurde: zehn Pfund an
Geld, fünf Pferdcbeschläge, zwei Rehhäute, einen Maulesel zu zwei
Felleisen, einen Knecht zum Fahren und einen zum Treiben, von
denen jeder ein Pferd und ein Pfund Geld erhielt. Nach Uebersteigung der
Alpen lag die Verpflegung des Lehensmannes dem königlichen Hoflager ob.
Otto hatte nichts Geringeres als die Unterwerfung von ganz Ita-
lien im Sinne, weßwegen er auch mit dem griechischen Kaiser in Unter-
handlung trat, um durch die Heirath seines Sohnes mit einer griechi-
schen Prinzessin das griechische Unteritalien zu gewinnen. Allein dies
führte nur zu einem Kriege mit Nikephorus Phokas, und erst nach dessen
Ermordung kam 972 wenigstens die Vermählung des Kaisersohnes mit
der griechischen Prinzessin Theophano zu Stande.
Otto gkzrn iie Dänen (947).
Den dänischen Uebermuth züchtigte Otto (wahrscheinlich 947) noch
schärfer als sein Vater Heinrich. Er drängte den König Harald aus
Schleswig hinaus, welches dieser überfallen hatte, und verfolgte ihn
durch Jütland bis an den Lymsiord; er schleuderte seinen Speer in den
Sund, der von da an Ottensund heißt, und erklärte durch diese Hand-
lung, daß so weit das Festland reiche, er mit den Waffen seinen Ge-
boten Gehorsam verschaffen wollte. Harald selbst wurde Christ; Otto
aber gründete die drei nördlichen Bisthümer Schleswig, Ripen und Aar-
hus, die dem Erzstifte Bremen untergeordnet wurden; letzterem untergab
er auch Oldenburg, von wo aus die Bekehrung der slavischen Obotriten
betrieben wurde.
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Extrahierte Personennamen: Otto Nikephorus_Phokas Otto Otto Heinrich Heinrich Harald Harald Otto
Extrahierte Ortsnamen: Italien Deutschland Unteritalien Schleswig Bremen Oldenburg
72
Das heilige römische Reich deutscher Nation.
blieben viele Sachsen ihren Göttern im Herzen getreu und feierten ihnen
auf den Bergen nächtlicher Weile die alten Feste.
Karl stiftete im Sachsenlande acht Bisthümer: Osnabrück, Minden,
Verden, Bremen, Paderborn, Münster, Halberstadt und Hildesheim, und
in nicht langer Zeit wurden die Sachsen eifrige Christen und blieben
dabei ein kräftiger, ja herrlicher deutscher Volksstamm.
Kart nimmt den Aaisertitcl an (800).
Durch den Sieg über die Sachsen war der Sieg des Christenthums
in Europa entschieden; wären die Sachsen Heiden geblieben, so wäre
dieser mächtige Volksstamm in späterer Zeit (sie wurde trübe genug)
gewiß einmal losgebrochen und hätte seine Macht und mit derselben
das Heidenthum über Deutschland ausgebreitet; wo würde dann den
heidnischen Sachsen, Normannen, Slaven und Mohammedanern gegen-
über noch ein christliches Volk gewesen sein? Vor einer solchen Zukunft
schützte Karl die Christenheit und sicherte die christliche Civilisation vor
einem neuen Einbrüche der Barbarei.
Sein Ruhm verbreitete sich über die Erde; zu ihm kamen Gesandte
des Chakans der Hunnen, des griechischen Kaisers, des Königs von
Asturien, des Chalifen Harun al Radschid und ehrten ihn durch Geschenke.
Er war der mächtigste Fürst Europas, der Beschirmer des Christenthums
gegen Heiden und Mohammedaner, und nun nahm er auch den ehren-
vollsten Titel an, welchen es gab, nämlich des römischen Kaisers. Karl
war, wie sein Vater, Patricius von Rom und hatte mit Papst Adrian I.
(772—795) in enger Freundschaft gelebt; dessen Nachfolger Leo Hi.
wurde 799 bei einem Aufstande der Römer schwer mißhandelt und hatte
sich mit Mühe nach Spoleto gerettet. Damals nämlich, wie auch später,
war Rom der Schauplatz der heftigsten Parteikämpfe, die gewöhnlich bei
einer Papstwahl zum Ausbruch kamen; denn da die Bürgerschaft der
Stadt und die Adeligen des Stadtgebietes den von dem römischen Klerus
gewählten Papst in öffentlicher Versammlung durch ihren Zuruf gewisser-
maßen zu bestätigen hatten, so wurde die Papstwahl selbst in das Ge-
triebe der Volksgunst und der Eifersucht der vornehmen Familien hinein-
gezogen und in Folge davon wurde auch der regierende Papst oft von
den Leidenschaften der Parteien beunruhigt, wie dies 799 Leo Iii. wider-
fuhr. Derselbe kam zu Karl auf den Reichstag zu Paderborn, empfing
dort von dem Kaiser und der Versammlung die gebührende Huldigung
und kehrte im November nach Rom zurück, wo Karl durch eine voraus-
geschickte bewaffnete Macht Ruhe und Ordnung hergestellt hatte.
Fast ein Jahr später kam auch Karl in die Weltstadt, ordnete mit
dem Papste die Angelegenheiten Mittelitaliens und empfing von dem
Patriarchen von Jerusalem eine Gesandtschaft, die ihm die Schlüssel des
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl Karl Harun Karl Leo_Hi Leo Leo_Iii Leo Karl Karl Karl Karl Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Sachsenlande Minden Bremen Paderborn Halberstadt Hildesheim Sachsen Europa Sachsen Deutschland Sachsen Asturien Europas Rom Spoleto Paderborn Rom Jerusalem
168 Englische Revolution. Zeitalter Ludwigs Xiv. re.
senstraße heißt. Was thaten aber der Kaiser und die deutschen Fürsten?
Sie waren sehr bestürzt und deliberierten und protestierten; der Bran-
denburger Kurfürst unterschrieb aber nicht einmal die Protestation, son-
dern spann Ränke mit Ludwig, um Pommern zu gewinnen. Ludwig
lachte der Deutschen und nahm den Spaniern zu derselben Zeit mitten
im Frieden die starke Festung Luxemburg weg.
Die Türkenkriege.
Johannes Sobiesky, der polcnkönig, rettet Wien (12. Sept. 1683).
Ludwig Xiv. benutzte gegen den Kaiser auch die Türken, wie sein
gepriesener Vorfahr Franz I. schon gethan hatte, und die Zustände in
Ungarn sowie in Siebenbürgen begünstigten die Absichten der Oesterreich
feindseligen Mächte nur zu sehr. Nach Bethlen Gabors Tod (1629)
wurde Georg I. Rakoczp von den Ständen zum Fürsten von Sie-
benbürgen gewählt, der sich mit den Türken abfand, 1644 aber mit
Frankreich und Schweden gegen den Kaiser Bündniß schloß und densel-
den zur Abtretung mehrerer Bezirke in Ungarn zwang. Sein Sohn
Georg Ii. machte sich mit den Fürsten der Moldau und Walachei zu
schaffen, die gleich ihm Vasallen des Sultans waren, und wurde da-
durch diesem sehr verdächtig; als er vollends im Bunde mit Schweden
1657 Polen angriff, erlitt er durch die Tataren eine schwere Niederlage,
wurde auf Befehl des Sultans von den Ständen abgesetzt, und als er
sich mit Waffengewalt behaupten wollte, erlag er trotz seines Helden-
muthes der türkischen Uebermacht und starb 1660 an seinen bei Klausen-
burg empfangenen Wunden. Weil der Kaiser gegen den von den Tür-
ken eingesetzten Fürsten Michael Apafi einen andern, Kemeny, be-
günstigte, eröffnete der Großwesir Achmed Kiuprili, einer der letzten
großen Feldherren der Türken, den Krieg gegen den Kaiser, schlug dessen
Heer am 7. August 1663 bei Gran, nahm die wichtige Festung Nen-
häusel an der Neitra und ließ durch seine Tataren Verwüstungszüge bis
über die mährische und steperische Gränze ausführen. Doch am 10. Au-
gust des folgenden Jahres erfocht der kaiserliche Feldherr Montekuk-
kuli mit 37,000 Mann (zu denen Ludwig Xiv. vielleicht in chevaleres-
ker Aufwallung 6000 Franzosen gestellt hatte) bei St. Gotthard an
der Raab einen großen Sieg über das viel stärkere Heer Kiuprilis, wo-
rauf dieser einen 20jährigen Waffenstillstand auf die Bedingung des
Status quo mit dem Kaiser abschloß und sich gegen Venedig wandte,
dem er 1669 die Insel Kreta entriß.
Dessenungeachtet erhielt Ungarn keine Ruhe, denn nach dem Frie-
densschlüsse mit den Türken stifteten ungarische Edelleute eine große Ver-
schwörung gegen den Kaiser an, die zwar entdeckt und durch zahlreiche
TM Hauptwörter (50): [T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T2: [Schweden Friedrich Heer Schlacht Sachsen König Gustav Kaiser Krieg Schlesien], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr]]
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs Ludwig Ludwig Ludwig Johannes_Sobiesky Ludwig_Xiv Ludwig Franz_I. Georg_Ii Michael_Apafi Achmed_Kiuprili Achmed August Ludwig_Xiv Ludwig Gotthard
Extrahierte Ortsnamen: Luxemburg Wien Ungarn Siebenbürgen Oesterreich Frankreich Schweden Ungarn Schweden Kemeny Neitra
Ludwig Xiv. und die Kirche. 171
Hause Habsburg, so daß es in Europa nur noch zwei Wahlreiche
gab, Polen, das an dieser Freiheit zu Grunde ging, und Deutschland,
das darüber seine nationale Einheit verlor. Unterdessen wurde auch
Siebenbürgen befreit und Michael Apasi huldigte dem Kaiser als Schirm-
herrn; 1688 den 6. September fiel Belgrad durch einen fürchterlichen
Sturm in die Gewalt des christlichen Heeres, wobei sich der bayerische
Kurfürst wieder besonders auszeichnete. Nach Karl von Lothringen führte
den Oberbefehl der wackere Markgraf Ludwig von Baden, der 1689
die Türken bei Patasch und Nissa schlug, diese Stadt sowie Semen-
dria und Widdin eroberte und 1691 den großen Sieg bei Salanke-
men erfocht, in welchem Mustafa Kiuprili blieb, der 1690 den Christen
Belgrad und Serbien wieder entrissen hatte. Zuletzt befehligte Prinz
Eugenius und vertrieb die Türken durch die Schlacht bei Zenta
(11. Sept. 1697) aus Ungarn. Zm Frieden von Karlowitz (1699)
trat der Sultan Ungarn bis auf das Banat von Temeswar und Sie-
benbürgen (der junge Michael 11. Apasi legte 1690 die fürstliche Würde
in die Hände des Kaisers nieder) an Oesterreich ab, an die Venetianer
Morea und einige Inseln, denn auch Venedig half die Roßschweife rupfen,
seit die kaiserlichen Waffen siegreich waren. So wurde Ungarn größten-
theils durch deutsches Blut den Türken entrissen und die Magyaren soll-
ten es nie vergessen, daß sie ohne deutsche Hilfe die Sklaven türkischer
Paschen wären.
Viertes Kapitel.
Ludwig Xiv. und die Kirche.
Aushebung des Edikts von Nantes (22. Vktober 1685).
Während der französische König Eroberungen über seine Nachbarn
machte und auf neue sann, setzte er den Uebergriffen seiner Vorfahren
gegen die Kirche die Krone auf und die Päpste mußten es bereuen, daß
sie in ihrem Kampfe gegen die deutschen Kaiser den französischen Königen
zu gefällig gewesen waren. Wie Philipp der Schöne Bonifacius Viii.
lohnte, wissen wir, und von dieser Zeit an geht ein Widerstreben gegen
den päpstlichen Stuhl durch die Geschichte Frankreichs, dem auch der hohe
Klerus nicht fremd blieb, der sich auf die alten Rechte der „galli-
kanischen Kirche" berief und die Bestimmungen des Konstanzer und
Basler Koncils über das Verhältniß der Päpste zu den Koncilien an-
führte; keine Rede davon, daß Rom gegen den französischen Klerus jene
Reservationen von Beneftcien, Erspektationen und Annaten geltend machen
durfte, über welche in Deutschland so viel geklagt wurde. Papst Leo X.
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Xiv Ludwig Michael_Apasi Karl_von_Lothringen Karl Ludwig_von_Baden Ludwig Mustafa_Kiuprili Eugenius Karlowitz Michael_11._Apasi Ludwig_Xiv Ludwig Philipp_der_Schöne_Bonifacius Philipp Leo_X Leo
Extrahierte Ortsnamen: Europa Polen Deutschland Belgrad Serbien Zenta Ungarn Ungarn Temeswar Oesterreich Ungarn Nantes Frankreichs Rom Deutschland
Rußland unter Peter dem Großen.
205
Schlüssel des baltischen Meeres besitzt und dadurch Petersburg und seine
Städte an der Ostsee gegen jeden Angriff sicher stellt und kein englischer
Admiral mehr Petersburg in Grund zu schießen droht.
Andererseits wies Peter seine Nachfolger an das schwarze Meer.
Asow war ein zu kümmerlicher Antheil, als daß sich das russische Reich
damit begnügen konnte, und die zunehmende Schwäche der Pforte er-
leichterte die Eroberungen der Küsten des schwarzen Meeres ans eine
sehr einladende Weise. Seitdem ist das schwarze Meer bereits zu einem
russischen Landsee geworden, und wenn Rußland vollends die Meerenge
von Konstantinopel und die Dardanellen besitzt, so hat es ein zweites
geschlossenes Meer und ist auch im Süden unangreifbar.
Auch nach dem innern Asien richtete Peter seinen Blick. Auf dem
kaspischen See baute er Schiffe und fing darauf mit Persien Krieg
an, das ihm drei Provinzen: Masanderan, Asterabad und das seiden-
reiche Ghilan abtreten mußte. Jetzt befahren russische Dampfschiffe das
hyrkanische Meer der Alten und dringen den Orus und Jarartes hin-
auf in das Innere vor; der Handel mit dem Turan der alten Perser
ist in russischen Händen, Persien selbst an die russische Politik gekettet.
Peter war es aber auch, welcher die unbeschränkte Macht der rus-
sischen Herrscher seinen Nachfolgern fertig hinterlicß. Nach dem Frieden
von Nystädt, den Schweden 1721 eingehen mußte, legte er sich mit
gegründetem Stolze den Kaisertitel und den Beinamen des Großen bei.
Er nahm dem Adel seinen Einfluß auf die Negierung des Landes, er-
richtete statt des Bojarenhofes einen Senat, dessen Mitglieder der Kai-
ser ernennt, als obersten Gerichtshof des Reiches, für die Provinzen
aber Regierungskollegien. Die kaiserlichen Erlasse, Ukase, hatten auch
gesetzliche Geltung ohne die Beistimmung der Bojaren, und eine euro-
päisch-organisierte Polizei mit der geheimen Jnquisitionskanzlei wachte
über die öffentliche Sicherheit und über das Treiben unzufriedener Rus-
sen. Der russisch-griechischen Kirche war bisher ein Patriarch mit so
großen Rechten vorgestanden, daß er mit dem Kaiser die erste Person
des Reiches war; letzteres wurde besonders durch den Gebrauch ange-
deutet, daß der Zar und der Patriarch am Neujahrstage sich öffentlich
umarmten und küßten. Als (1700) der Patriarch Adrian starb, ließ
Peter keinen neuen mehr wählen und ernannte während 20 Jahren nur
Stellvertreter, so daß das Volk allmählig des sonst so hoch angesehenen
Patriarchen vergaß; dann setzte er 1720 eine heilige dirigierende Synode
ein, welche von ihm ihre Verhaltungsbefehle erhielt und wurde so auch
das Haupt der russischen Kirche. Ausdrücklich bemerkte er der Geistlich-
keit, er wolle nicht, daß das Volk neben dem Kaiser einen Patriarchen
sehe, dessen Worte es wie eine Stimme Gottes anhöre und ihm viel-
leicht gehorche, wenn er gegen die Verordnungen des Kaisers spreche.
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Extrahierte Personennamen: Peter Peter Peter Adrian Peter
Kaiser Joseph Ii.
239
ten, als die Russen; sie nahmen den rühmlichsten Antheil an den Schlach-
ten bei Fokschani und am Flusse Rimnik, und erfochten auch, von
den Russen getrennt, manchen Vortheil. Im Winter erstürmte Suwarow
den 22. Dezember 1790 die Festung Ismail, wo der russische Verlust
vor den Mauern der Stadt durch die Niedermetzlung von 40,000 Men-
schen gerächt wurde. Das Kommando über das österreichische Hauptheer
hatte der Kaiser endlich dem alten Helden Laudon übergeben, welcher
dem Kriege auch sogleich eine andere Gestalt gab. Er eroberte Neugra-
diska und nach einer denkwürdigen Belagerung die Festung Belgrad,
warf auch die Türken bis hinter Nissa zurück. Friedensunterhandlungen
setzten seinen Fortschritten ein Ziel, und Josephs Ii. Nachfolger, Leo-
pold Ii., gab im Frieden von Szistowa (4. August 1791) Belgrad
wieder zurück, weil die im Westen drohenden Gefahren den Frieden im
Osten wünschbar machten. Die Russen machten unterdessen keine bedeu-
tenden Fortschritte; Katharinas Hilfsquellen waren erschöpft, mehr durch
die unsinnige Verschwendung Potemkins und die untreue Verwaltung als
durch den Krieg selbst; zudem drohten Preußen und die Seemächte, und
was am meisten wirkte, Polen hatte sich zu seiner Rettung aufgerafft,
darum begnügte sich Katharina im Frieden von Jassy (1792) mit
der Abtretung Otschakows und dem Dniester als Gränze.
Fünfzehntes Kapitel.
Lasser Joseph Ii. (1765—1790).
Nach dem Tode seines Vaters Franz l. wurde Joseph 1765 zum
Kaiser gewählt und von seiner Mutter als Mitregent angenommen; sie be-
hielt jedoch die Alleinherrschaft und überließ ihrem Sohne nur das Kriegs-
wesen. Joseph war aber nicht so leicht zufrieden gestellt wie sein Vater, und
mischte sich überall ein; die Theilung Polens ist, so weit Oesterreich mit-
wirkte, wie oben gesagt worden, sein Werk, und auch bei Maria Theresias
Verfügungen in kirchlichen Angelegenheiten ist Josephs Einfluß merkbar.
Als 1777 Mar Joseph von Bayern kinderlos stapb, überredete Joseph
dessen nächsten Erben, den Pfälzer Karl Theodor, der keine rechtmäßigen
Nachkommen hatte, ihm Niederbayern, die Oberpfalz und die Herrschaft
Mindelheim abzutreten. Aber Friedrich Ii. bewog den zweiten Erben, Karl
von Pfalz-Zweibrücken, gegen diese Konvention bei dem Reichs-
tage Protest einzulegen, und als dies nichts Half, rückte er mit einem
Heere in Böhmen ein, räumte es jedoch ziemlich bald wieder. Dieser
Krieg (1778 bis 1779) wird der bayerische Erbfolgekrieg oder ein-
jährige Krieg (scherzweise der Kartoffelkrieg) genannt; Waffenthaten weist
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Extrahierte Personennamen: Joseph_Ii Szistowa August Katharina Jassy Joseph_Ii Franz_l Franz Joseph Maria_Theresias Maria Theresias Joseph_von_Bayern Joseph Karl_Theodor Karl Friedrich_Ii Friedrich Karl
von_Pfalz-Zweibrücken Karl
490
Die Zeit von 1815 bis 1657.
Nach dem Falle Warschaus war der Krieg bald beendigt; die 3
polnischen Korps: 30,000 bei Modlin, 18,000 unter Ramorino zwischen
Weichsel und Bug, 12,000 unter Rozpcki konnten sich nicht mit einan-
der vereinigen, und nach einigen Hin- und Hermärschen gingen die er-
sten über die preußische, die beiden andern über die österreichische Gränze;
Modlin ergab sich den 9., Zamosk den 23. Oktober, vielleicht 8000 Po-
len, die Hälfte davon Offiziere, wanderten aus und wandten sich größ-
leutheils nach Frankreich. Bei ihrer Durchreise wurden sie in dem süd-
westlichen Deutschland als die „Helden der Freiheit" gefeiert und mehr
als einen polnischen Offizier hörte man es unumwunden aussprechen:
„wir haben keine Hoffnung als neue Revolutionen; Frankreich wird
Louis Philipps Herrschaft nicht lange ertragen, und knallt es einmal
wieder in Paris, so erhebt sich Ungarn, wenn Kaiser Franz bis dahin
gestorben ist; denn nur seinetwegen ist die ungarische Opposition bisher
nicht weiter gegangen."
Kaiser Nikolaus benutzte seinen Sieg um die Elemente eines künf-
tigen Aufstandes zu beseitigen. Im Februar 1832 wurde Polen Ruß-
land einverleibt, so daß von dem ehemaligen Königreiche außer dem
Namen nichts mehr übrig blieb; Alle, die freiwillig an dem Aufstande
Theil genommen hatten, verloren ihre Güter, von denen die meisten
russischen Generalen und Offizieren als Belohnung gegeben wurden, so
daß der Grundbesitz in Polen größeren Theils in russischen Händen ist.
Die Universitäten in Wilna und Warschau wurden aufgehoben, die Zög-
linge der Kadettenhäuser und die Militärwaisen nach Petersburg versetzt;
russische Beamte nahmen alle Stellen von Bedeutung ein; eine Armee
von 80,000 Mann bewachte die neue Ordnung, fortwährende Rekrutie-
rungen führten die wehrbare Mannschaft in die russische Armee und nach
dem Kaukasus, so daß ein nachhaltiger Aufstand in Polen selbst unter
den günstigsten Umständen zur Unmöglichkeit geworden ist. Endlich ent-
reißt die Politik Rußlands Polen die letzte Handhabe seiner Nationalität,
den katholischen Glauben, indem es die Hälfte der katholischen Kirchen
den Russen ganz einräumt, überall den Bekennern der russisch-griechischen
Religion Antheil an den katholischen Kirchen gibt, 1839 aber durch ei-
nen Federstrich 3—4 Millionen unierter Griechen in den ehemals pol-
nischen Provinzen der russisch-griechischen Kirche einverleibte und einen
Bischof Paulowski zum Metropoliten aller Katholiken in Rußland er-
nannte; daß die Allokution des Papstes Gregor Xvi. am 22. November
1839 eine Aenderung dieses Ganges, alle katholischen Bewohner des
russischen Reiches allmählig der russisch-griechischen Kirche zuzuführen,
bewirkt hätte, davon ist nichts bekannt geworden.
So lange Polen noch eigene Verfassung und eigenes Militär hatte,
so lange die katholische Kirche den nationalen Gegensatz zwischen Russen
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Extrahierte Personennamen: Louis_Philipps Philipps Franz Franz Nikolaus Nikolaus Paulowski Gregor_Xvi Gregor
Extrahierte Ortsnamen: Warschaus Frankreich Deutschland Frankreich Paris Ungarn Polen_Ruß- Polen Wilna Warschau Petersburg Kaukasus Polen Rußland
1792) im Schauspielhause zu Stockholm, während eines
Maskenballes durch einen Pistolenschuß von Ankerström
tödlich verwundet und starb wenige Tage nachher. Ja
sein Sohn Gustav Iv. ward, durch eine Verschwörung
der Großen für sich und sogar sür seine Nachkommen
des Throns verlustig erklarl(1809). Seinoheim Carlxiii.
trat an seine Stelle, starb aber schon 1818. Und weil
der erwählte Kronprinz, der junge Herzog von Augusten-
burg, 1819 plötzlich gestorben war, so wählte der Reichs-
tag noch in demselben Jahr, den Französischen Marschall,
Prinzen von Ponte Corro (Bernadotte), zum Thron-
folger, und dieser regiert als Carl Johann Xlv.
feit 1818.
Noch sind folgende Begebenheiten besonders
merkwürdig.
I. Der Jarl Olof führt die christliche Religion ein
1091. Ii. Swedenborg erregt Aufsehlw als. Natur-
forscher und Geisterseher 1772. Iii. Edelkrauz verbes-
sert die Dampfmaschinen 1810. Iv. Blan ersindec
bewegliche Däuser 1820.
§. 14. Kaiserthum Rußland und Königreich
Polen. »
Das größte Reich der Erde; demi mir al-
len dazu gehörigen Ländern in Europa und
Asien ist es doppele so groß/ als ganz Europa.
Rußlands Grenzen sind: das Eismeer, Gewe-
den, die Ostsee, Preußen, Galizien, die Türkei,
das schwarze und asowsthe Meer, Asien. Der
Ural und das werchorurische sind die höchsten Ge-
birge. Es giebt hier große Seeen, als: der Sanna
und la doga; mächtige Ströme, als: der Don, die
Wolga und'weichsel. Der Norden des Landes ist
kalt und ttnfrmhröar, har aber schönes Wildprert, viele
*
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Extrahierte Personennamen: Gustav_Iv Gustav Seinoheim_Carlxiii Marschall Ponte_Corro Bernadotte Carl_Johann_Xlv Johann Olof Swedenborg
Extrahierte Ortsnamen: Stockholm Polen Europa Asien Europa Ostsee Galizien Asien Wolga
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Fische und kostbares Pclzwerk; der Süden ist fruchtbar.
Rußland liefert gutes Rindvieh, viel Talg zu Lichtern,
Horn, Holz, Getreide, besonders Leinsaat; Mineralien,
Leder (Juften). Die Bevölkerung des Landes ist nach
Verhältniß seines Umfanges noch schlecht. Man rechnet
40 Millionen Einwohner, welche aus vielen verschiede-
nen Völkerschaften bestehen, von welchen besonders zu
merken sind: die Russen, Polen, Letten, Baschkiren,
Finnen und Lappen. Die Griechische Religion ist Lan-
Leöreligion. Rußland ist eine uneingeschränkte Monarchie;
Kaiser: Nikolaus I. — Die Residenz des Rai-
fers und Hauptstadt des Reichs heißt Petersburg.
Sie wurde von Peter dem Großen erbaut und benannt,
und liegt an der Newa. Es ist eine der prächtigsten
Städte in Europa und die wichtigste Handelsstadt in
Rußland. Moskau, in der Mitte des Landes, ehe-
malige Haupt- und Residenzstadt, jetzt der Krönuugsort
der russischen Kaiser mit 300,000 Einwohnern. Ihr
Umfang beträgt 5 Meilen. Der merkwürdigste Theil
der Stadt ist der Kreml, das uralte Schloß der Kai-
ser mit der Krönungskirche und dem Begräbnißplatze
derselben. Hier sieht man vielleicht die größte Glocke
der Welt, denn sie wiegt 4000 Centner. Riga, an-
sehnliche Handelsstadt. Warschau, Hauptstadt itn
Königreich Polen. Unter den Einwohnern der Stadt
sind viele Juden.
Grundzüge der Geschichte.
> Slavische Nationen bewohnten seit uralter Zeit, das
heutige Rußland. Unter ihnen bildeten sich zwei Staa-
ten Nowgorod und Kiew. Junen beherrschten seit
862 die Normänner (Waräger), und ihr Anführer Ru-
rik ward der Stammvater der folgenden Beherrscher des
Landes, die auch Kiew eroberten. Im Ilten Jahrhun-
dert wurde das Christenthum von Constantinopel ans
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