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1. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 135

1900 - München : Oldenbourg
Die Kirche als Kulturträgerin im Mittelalter. 135 Kunst des Lesens und Schreibens. Bücher, damals sehr kostbar, gab es fast nur hier. Die Klösterschulen (Fulda, Rhabanus Maurus) waren lange Zeiten die einzigen Bildungsanstalten. Wer etwas lernen, sich geistig ausbilden wollte, musste sich hierher wenden. Aber auch eine sittliche Aufgabe erfüllten die Klöster, die Seelsorge in ihrem weitesten Umfange. Durch die Privatbeichte hatten sie Kenntnis oft von den verborgensten Dingen; also konnten sie überall guten Rat geben. Die Predigt lag natürlich in ihren Händen. Auf dem Bilde sehen wir einen Mönch von einem Sterbenden zurückkehren. Vom Eintritte des Menschen ins Leben bis zum Austritte sorgten sie für das Seelenheil. Aber auch die leibliche Wohlfahrt liessen sie sich angelegen sein. Im Hintergründe tragen einige Mönche einen Kranken, in Kissen gehüllt, auf einer Bahre. Sie sind nämlich auch Ärzte und Krankenpfleger. Auch wo die Krankheit im Hunger besteht, lässt das Kloster keinen ungeheilt von seiner Schwelle gehen; eine Klostersuppe bekommt jeder Hungrige. Im Vordergründe segnet der Abt einen knieenden, reisefertigen Mönch; dieser zieht wahrscheinlich hinaus, um ein neues Kloster zu gründen, oder sonst einen edlen Zweck zu erfüllen. Verschwiegen darf ferner nicht werden, was allerdings nicht auf dem Bilde angedeutet ist, dass nämlich die Klöster sehr viel für Sklavenbefreiung gethan haben; freilich eine sofortige Aufhebung der gesamten Sklaverei hätte eine wirtschaftliche Revolution gegeben, und Revolutionen macht die Kirche nicht. Ferner hatte die Kirche eine ungeheure soziale Bedeutung dadurch, dass sie die Standesunterschiede ausglich. Ein Armer, ja sogar ein Höriger konnte durch Eintritt in den geistlichen Stand bis zu den höchsten Ämtern emporsteigen (Erzbischof, Erzkanzler, ja sogar Papst. Hadrian Iv.). So bildete die Kirche ein ausgleichendes und vermittelndes Bindeglied zwischen den sonst ziemlich schroff geschiedenen Ständen. Wir sehen also, dass thatsächlich die Klöster Ausgangspunkte der Veredelung der Germanen waren. Das begreift auch der Schüler ganz gut und wird im späteren Leben kaum einstimmen in das alberne Pöbelgeschrei, welches in den Klöstern lediglich Verdummungsanstalten sieht und von der Nacht des Mittelalters und ähnlichem faselt. d) Das Lehenswesen und die Erblichkeit der Lehen. Die Erklärung obiger Begriffe im Geschichtsunterrichte ist eine der allerschwierigsten Aufgaben für den Lehrer. Mit der An-

2. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 156

1900 - München : Oldenbourg
156 Religiöse Fragen. letztere fällt die erstere in sich selbst zusammen. Diese Dogmen kann man aber nicht alle mit der Vernunft ergründen, auch nicht mathematisch beweisen; deswegen sind es eben Glaubenssätze. Würde der Mensch die Geheimnisse der Religion so ohne weiteres ergründen können, so würde seine Scheu und Ehrfurcht vor ihr kaum gesteigert werden. Das verschleierte Bild zu Sa'i's wirkt und reizt, das enthüllte würde auf die Dauer jedenfalls weniger wirken und reizen. Also nochmals, Dogmen muss es geben. Haben wir aber Dogmen , so haben wir auch Konfessionen. Bis hierher wäre das alles sehr schön und ideal, wenn nicht Dogmen und Konfessionen naturgemäfs den Grundsatz der Ausschliesslichkeit in sich trügen. Wer aber von der Wahrheit seines Glaubens überzeugt ist, kann unmöglich einem anderen Glauben logische und ethische Gleichberechtigung zuerkennen. Weil aber der subjektiv richtige Glaube nach der festen Überzeugung des Gläubigen die conditio- sine qua non für die ewige Seligkeit, also für den Haupt-, ja ausschliesslichen Zweck des irdischen Daseins bildet, so folgt naturgemäfs, dass er Andersgläubige in der besten Absicht zu bekehren sucht. Da aber Menschen keine Engel sind, so geht dies nicht immer auf friedliche und liebevolle Weise vor sich, und damit sind wir bei einer sehr bedenklichen Konsequenz angelangt. Die bisher sogenannten Religions- und Konfessionskriege, die thatsächlichen Ketzer- und Hexenverbrennungen sind geschichtliche Erscheinungen, vor denen die Humanität ihr Haupt verhüllt. Wenn das Wort Christi wahr ist: »An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen«, so möchte man fast verzweifelt das Haupt schütteln und ausrufen : »Herr, so das geschieht am grünen Holze, was soll am dürren iv er den ?« Aber hier eröffnet sich für den wirklich modernen Geschichtsunterricht, der sich mit keiner Partei oder Konfession identifiziert, eine ernste, ja heilige Pflicht, nämlich aufzuräumen mit der bisherigen unwahren und ungerechten Geschichtsdarstellung (wenigstens in den meisten Lehrbüchern). Eigentliche Religions- oder Konfessionskriege gibt es fast gar keine, oder wenigstens sehr wenige. Was man bisher dafür hielt oder richtiger ausgab, waren Bewegungen mit meist ganz anderen Zwecken und Absichten, bei denen man aber die Religion oder Konfession als Mantel und Aushängeschild vorschützte. Der Dreissig-jährige Krieg war in erster Linie ein Kampf der Territorialmächte gegen die kaiserliche Zentralgewalt, und gerade unsere

3. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 158

1900 - München : Oldenbourg
i58 Religiöse Fragen. Sozialdemokraten zustimmen. Das besonders Grausame kommt eben wieder auf Rechnung des Zeitcharakters. Hierher gehört auch das Kapitel von den Hexen- und Ketzer Verfolgungen. Was die ersteren anbelangt, so ist längst nachgewiesen, dass die Keime dazu uralt sind und einerseits z. B. schon bei den Babyloniern, andererseits bei den Deutschen lange, bevor sie das Christentum annahmen, sich finden.* Die ältere Kirche hat sie im Gegenteil bekämpft, Karl D. Gr. erliefs auf Betreiben der Kirche Verordnungen gegen den Dämonenglauben. Gerade der vielumstrittene Gregor Vii. sprach sich 1074 energisch gegen die Hexenverfolgungen in Deutschland aus und bezeichnete die Hexengerichte als unmenschlich und barbarisch (immanitas barbari ritus: Lib. Vii, epist. 21). Wenn der Hexenglaube im 16. Jahrhundert wieder stärker auflebte, so trägt allerdings zum nicht geringen Teil der starre Teufelsglauben Luthers indirekt mit die Schuld daran, und thatsächlich sind die Hexenverfolgungen in protestantischen Ländern intensiver gewesen als in katholischen (in Rom ist nachweisbar nicht eine einzige Hexe verbrannt worden). Das beweisen der Protestant C. A. Menzel und viele andere Protestanten vor und nach ihm. Aber der moderne Geschichtslehrer hat die Pflicht, offen auszusprechen, dass das auf Konto der Staatsgewalt, nicht der beiden Konfessionen gesetzt werden muss; wurden ja doch auch Geistliche als Hexenmeister hingerichtet. Es war das eben eine Manie, eine Art Geisteskrankheit und Raserei, die damals das ganze Abendland ergriffen hatte. Ebenso wenig kommen auf Rechnung der Kirchen oder Konfessionen die Ketzerverfolgungen. Im ganzen Altertum und Mittelalter galt der damals als ganz selbstverständlich betrachtete staatsrechtliche Grundsatz, dass der Staat das unbestreitbare Recht habe, den Glauben seiner Unterthanen festsetzen und vorschreiben zu dürfen. Von den oben angeführten Worten Clceros (de leg. Ii. 8. 19.) »Nemo separatim habessit deos neve novos neve advenas nisi publice adscitos« bis zu dem Grundsatz des Augsburger Religionsfriedens (1 555) »Cuius regio, illius religio« betrachtete man jeden Abfall von der staatlich vorgeschriebenen Religion oder Konfession als Empörung gegen ein Staatsgrundgesetz, als crimen laesae majestatis, und deswegen wurden die Ketzer vom Staate hingerichtet, nicht von der Kirche. Die Kirche kam dabei höchstens so weit mit ins Spiel, als sie festzustellen hatte, ob der Betreffende wirklich ein Ketzer war, ob das Kriterium der Häresie (nota haeresis) vorlag, und dazu war sie natürlich die berufene Instanz.

4. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 46

1900 - München : Oldenbourg
4 6 Stoffauswahi und Gedankengang. Passauer Vertrag (1552) und Augsburger Religionsfriede (x 555), das Hauptgrundgesetz für die inneren Verhältnisse des Reiches bis zum Westfälischen Frieden. Der Landesherr bestimmt die Religion seiner Unterthanen (cuius regio, illius religio), also Religionsfreiheit für den Regierenden, nicht für die Unterthanen. Die Protestanten werden mit ihrem derzeitigen Besitzstand von den Katholiken als gleichberechtigt anerkannt. Unter Protestanten sind nur die sogenannten »Augsburger Konfessionsverwandten« zu verstehen (Lutheraner); Calvinisten sind ausgeschlossen ; letztere Bestimmung damals unbedenklich, weil fast keine Calvinisten vorhanden, später Anlass zu Streitigkeiten, weil Kurpfalz ganz calvinistisch wird und auch Kursachsen und Kurbrandenburg vorübergehend calvinistische Anwandlungen haben (Krypto-calvinismus). Geistlicher Vorbehalt (reservatum ecclesiasticum): »Ein zum Protestantismus übertretender geistlicher Würdenträger (Bischof, Abt u. dgl.) muss seine Pfründe niederlegen«. Dieser Vorbehalt von den Katholiken ebenso eifrig behauptet, als von den Protestanten bestritten (hemmte natürlich die weitere Ausbreitung der Reformation). Vielumstritten ferner die sogenannte declaratio Ferdinandea (Bestimmung über die Konfessionsverhältnisse in den Reichsstädten, siehe Aachener Handel u. dgl.). Tridentin er Konzil. Abschluss der katholischen Kirche auf dogmatischem Gebiete gegen die protestantische. Innere Festigung des Katholicismus. Beginn der Gegenreformation. Jesuiten. Ruhigere Zeiten unter den nächsten Nachfolgern Karls V. in Deutschland (Ferdinand I., Max Ii., Rudolf Ii., Matthias). In Bayern Albrecht V., streng katholisch, aber mild (Orlando, Muelich, Aventin, Sammlungen, Schulen). Bedeutung der Wittelsbacher in Bayern, Pfalz, Köln, später sogar in Schweden (Karl X., Karl Xi., Karl Xii.). Wilhelm V. der Fromme. Jesuitenkolleg. Michaelskirche. Hl. Benno. Fronleichnamsprozession. Neuer Kalender von Gregor Xiii. Herzog Max I. (später Kurfürst). Donauwörther Handel; Union, Liga, Tilly. Jülicher Handel. Dreissigjähriger Krieg. Kampf der Territorialmächte gegen die Zentralgewalt, verschärft durch den religiösen Gegensatz, verhängnisvoll geworden durch die eigennützige Einmischung des Auslandes.

5. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 34

1900 - München : Oldenbourg
34 Stoffauswahl und Gedankengang. Wirtschaftliches und Kulturelles noch wie im vorigen Zeitraum (siehe zu a.!) Infolge der strammen Wander- und Kriegsdisziplin Erstarkung des Adels und der monarchischen Gewalt. Der Islam und seine Ausbreitung; Mohammed, Hedschra, Ausbreitung des Islams mit Feuer und Schwert (Vergleich mit dem Christentume, dessen Ausbreitung durch Liebe und Überzeugung bewirkt wird; Spruch Christi: »Gehet hin u. s. w.«). Scheidung der abendländischen (römisch-katholischen) von der morgenländischen (griechisch-katholischen) Kirche. c) Zeitalter Karls d. Gr. und Einführung des Christentums bei den Germanen. Verschiebung des politischen Schwerpunktes in Europa zu gunsten der Franken. Araber durch Spanien (Xeres de la Frontera) nach Frankreich, zurückgeschlagen durch Karl Martell Dieser Sieg steigert das Ansehen der Hausmeier. Pipin Der Kurze; Karl D. Gr.; Persönlichkeit; Familien- und Hofleben; Mittelpunkt eines grossen Sagenkreises (Roland, das Ross Bayard *), eine Erinnerung an den achtfüfsigen Hengst Sleipnir des Götterkönigs Wotan, u. s. w.). Ausbreitung der Reichsgewalt (über die Sachsen unter Widukind, Bayern unter den Agilolfingern, Langobarden unter Desi-derius, Spanien, Roncevalles). Kaiserkrone und ihre Bedeutung. Kulturelle Bestrebungen: Übermittlung der römischen Kultur an die Germanen durch die römisch-katholische Kirche, als die damals einzige Kulturträgerin; besonders hervorzuheben die Bedeutung der Klöster für Seelsorge, Erziehung und Unterricht, Krankenpflege und Heilkunde, Wissenschaft u. s. w.; sodann sehr wichtig die wirtschaftliche Bedeutung der Klöster (landwirtschaftliche Musteranstalten). Sehr wichtig auch die humansoziale Bedeutung der Klöster für Ausgleich der Standesunterschiede : durch Eintritt in den geistlichen Stand konnte selbst der Niedrigstgeborne Lhörige, Sklave zu den höchsten Würden emporsteigen. Deutschnationale Gesinnung Karls D. Gr. , Sammlung der Heldenlieder, deutsche Monatsnamen. Fränkische Rechtspflege, Grafen, Maifelder; sehr interessant der Vergleich mit der römischen Rechtspflege (leicht lässlich!). *) Nicht zu verwechseln mit dem »Ritter ohne Furcht und Tadel« (ebenfalls Bayard) aus dem 16. Jahrhundert!

6. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 93

1900 - München : Oldenbourg
Die soziale und wirtschaftliche Seite der Reformation. 93 geleugnet werden. Dass Luther für seine Überzeugung auch den Märtyrertod nicht gescheut hätte, ergibt sich aus seinem idealen Charakter von selbst. Ja er hat ihn vielleicht sogar gesucht, um seine Lehre mit dem Blute zu besiegeln; wenigstens ist er ihm nicht aus dem Wege gegangen. Aber wären diese Männer im stände gewesen, dem Protestantismus in Deutschland Eingang zu verschaffen? Niemals! Hatten ja doch die Unterthanen gar keine Glaubensfreiheit, sie hatten zu glauben, was ihr Landesherr glaubte; cuius regio, illius religio. Also lag die Entscheidung in den Händen der Territorialherren und der städtischen Magistrate, in einzelnen kleineren Gebieten in denen der Reichsritterschaft, deren Rolle überdies mit V. Slcklngen ausgespielt war. Wie stand es aber mit der »Macht der Überzeugung« bei diesen ausschlaggebenden Faktoren ? Dass die meisten gar keine Ahnung hatten von dem dogmatischen Unterschiede zwischen beiden Konfessionen, ist ja längst nachgewiesen und bekannt. Auch die Abschaffung der thatsächlich vorhandenen Missbräuche konnte nicht so tiefe Wellen aufwühlen. Denn als die meisten derselben durch das Tridentinum thatsächlich abgeschafft waren, fiel es den protestantischen Ständen so wenig als vorher ein, nun die Reformationen einzustellen, obwohl in weiten Kreisen dem von Felix Stieve so genannten Kompromifs-katholicismus auf der anderen Seite auch ein zur Versöhnung geneigter Kompromissprotestantismus gegenüberstand. Weshalb kam es aber nicht nur zu keiner Versöhnung, sondern im Gegenteil zu einem Kampf auf Leben und Tod. Der Grund liegt neben der Unversöhnlichkeit der dogmatischen Gegensätze, die sich aus dem Wesen der Dogmen ganz von selbst ergibt, zum grossen Teile wieder in wirtschaftlichen Verhältnissen, die sich mit politischen komplizierten. Die Kirche hatte in Deutschland gewaltigen Besitz, und nicht gerade den schlechtesten, und zwar schon aus der Zeit der grossen Ottonen. Wie mancher Fürst entdeckte da auf einmal sein protestantisches Gewissen, wenn er Gelegenheit hatte, ein schönes Bistum zu säkularisieren! Wie schwärmten die notleidenden Ritter, deren Slcklngen einen ganzen Tross auf seiner Ebernburg ernährte, und die getrost singen konnten: »Mein ganzer Reichtum ist mei?i Schwerts, für die Reformation, besonders die der fetten Klöster, aus denen sich so schöne neue Stammsitze hätten machen lassen! Ähnlich lag es auch in den Städten. Wie wichtig diese wirtschaftlichen Motive waren, beweist unter anderem der erbitterte Kampf um das reservatum ecclesiasticum. Wenn bei Übertritten nur

7. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 159

1900 - München : Oldenbourg
Gewissensfreiheit erst eine Errungenschaft moderner Zeit. 159 Wenn der Grundsatz von der Omnipotenz des Staates nicht in allen Zeitaltern in gleich grausamer Weise durchgeführt wurde, so beweist das nicht, dass der Grundsatz aufgehoben war; es waren das nur vorübergehende Zeiten religiöser Indifferenz; Freisinn und Indifferenz kann man aber doch billigerweise nicht von dem religiös so aufgeregten 16. oder 17. Jahrhundert verlangen. Die Gewissens- und Glaubensfreiheit ist erst eine Errungenschaft unserer Zeit, und es wäre ein Beweis von geistiger Beschränktheit und historischer Unwissenheit, wenn man den Massstab des 19. Jahrhunderts etwa an das 17. Jahrhundert anlegen wollte. Ferner ist es eine Forderung der Billigkeit, darauf hinzuweisen, dass die Ketzerverfolgungen allerdings in katholischen Ländern häufiger waren als in protestantischen, und dass sich die letzteren im allgemeinen früher zur Glaubens- und Gewissensfreiheit durchgearbeitet haben als die ersteren,*) dass aber auch bei den Protestanten einzelne solche Erscheinungen vorkommen. Auf Betreiben Calvins verbrannte z. B. der Rat von Genf am 13. August 15 53 den Arzt Michael Servet, weil er Zweifel an der Trinitätslehre ausgesprochen hatte, und am 19. Oktober 1601 wurde der kursächsische Kanzler Nikolaus Krell wegen Kryptocalvinismus hingerichtet.**) Aber in *) Friedrich Ii. führte zuerst unter den deutschen Fürsten den Grundsatz praktisch durch, dass »in seinem Lande jeder nach seiner Fagon selig werden könne«. Etwas später folgte Joseph Ii. mit seinem »Toleranzedikt«. Allerdings war dies bei beiden Fürsten mehr ein Ausfluss religiösen Indifferentismus und radikalen Freisinns, aber praktisch kam es doch den verschiedenen Konfessionen zu gute ; so z. B. nahm Friedrich die von den katholischen Mächten vertriebenen Jesuiten bereitwillig auf, wofür sie sich auch dankbar zeigten. Im Punkte Toleranz waren uns überdies die freien Amerikaner weit voraus. Die erste historisch beglaubigte »Gleichstellung der christlichen Konfessionen« findet sich in der Kolonie Mary land, die in der Mitte des 17. Jahrhunderts von katholischen Engländern unter Führung des Lord Baltimore gegründet wurde. Der protestantische Theologe Thomas Coit sagt darüber in seinem Buch »Puritanism, or a Churchman’s defence« folgendes: »In Maryland, as the Roman Catholics claim, the rights of conscience were first fully recognised in this coimtry. This is a fact I never kneii’ disputed by good authority, and, thcnigh a Protestant with all my heart, I accord them the full fraise of it with the frankest sincerity<. Als dann später die Protestanten die Mehrheit bekamen, stürzten sie vorübergehend auf Anregung des Mutterlandes die Religionsfreiheit um, führten die anglikanische Hochkirche ein und erliefsen schwere Strafgesetze gegen die Übung der katholischen Religion. (Mac-mahon, Histor. view of the government of Maryland, Baltimore 1831. Bancroft, History of the United States, Boston 1834.). **) Wir haben uns damit begnügt, für Lutheraner und Calvinisten nur je ein Beispiel anzuführen. Es liesse sich aber eine ganz stattliche Reihe von solchen auf-

8. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 160

1900 - München : Oldenbourg
i6o Religiöse Fragen, beiden Fällen war es wieder nur die Staatsgewalt, die von dem oben ausgeführten Staatsgrundrecht Gebrauch machte. Doch selbst wenn diese Greuelthaten auf Rechnung der Konfessionen gesetzt werden müssten, so würde der echte Historiker deswegen immer noch nicht verzweifeln. Weiss er doch, dass man den sittlichen Wert einer Idee nicht beurteilen darf nach den jeweiligen Trägern derselben, und dass auch hier das schöne Wort gilt: » Und ob die Wolke sie verhülle, die Sonne strahlt am Himmelszelte. Wenn auch die Träger der Konfessionen sich befehden, die Konfessionen als solche haben doch das gleiche sittliche Prinzip, und das muss doch immer wieder trotz aller Verdunkelungen zum Durchbruche kommen. Es ist dies das Prinzip der allgemeinen Menschen- und Nächstenliebe, die schönste Blüte der echten Humanität, die, von dem schönen Griechenworte: »Nicht mitzuhassen, mit zu he bene und dem hohen Liede der Liebe, das der Apostel Paulus singt, ausgehend, durch alle Religionen und Konfessionen sich hindurchzieht und erst mit dem vorletzten Menschen erlöschen kann; eigentlich zählen. In Schweden und Dänemark war im 17. Jahrhundert auf Ausübung der katholischen Religion Todesstrafe gesetzt, und kein Geringerer als Gustav Adolf selbst hat diese an mehreren jungen Männern aus diesem Grunde vollziehen lassen. (Baaz, Inventar, eccl. Sueogoth. Lincop., 1642, p. 739). Der sonst so milde Melanch-thon verlangte die Todesstrafe gegen die Wiedertäufer (Corpus Ref. ed. Bret-schneider, Ii, 18, 711! 7i3 u- a-)- Calvin forderte den Herzog von Somerset als Regenten von England auf, die Gegner des neuen Kirchenwesens, besonders die Katholiken, mit dem Schwerte zu vertilgen (epistolae, Genev. 1579, p. 40). Sein Freund Beza verlangte sogar, dass die Antitrinitarier, auch wenn sie widerriefen, hingerichtet werden sollten. (Crenii animadversiones, Xi, 90.) In England wurden von 1660—1685 gegen 25000 Personen wegen der Religion eingekerkert, wovon nach dem Quäker William Penn 5000 umkamen. (Mackintosh, History of the English revolution, p. 158—160.) Die Presbyterianer liessen selbst im freien Amerika viele Katholiken enthaupten, viele Quäker hängen. (Die blue laws von Neu-England. Spalding, Miscellanea, comprising Reviews, Lectures and Essays, p. 355—380.) In Schweden wurde ferner Banier aus Stargard hingerichtet, weil er in der Rechtfertigungslehre nicht rein lutherisch dachte. In Königsberg wurde 1636 Joh. Adelgreiff verbrannt. In Lübeck wurde 1687 Günther wegen socinianischer Ansichten auf das Gutachten der theologischen Fakultät zu Wittenberg hin enthauptet. (Arnolds Kirchenhist. Ii. 643.) In Dänemark wurde noch 1779 katholischen Ordensgeistlichen das Betreten des Landes bei Todesstrafe verboten. (Reuter, Theolog. Repertorium Bd. 70, p. 168). Doch genug! Ziehen wir einen Schleier über diese Verirrungen, die aus der Lehre von der »Omnipotenz der landesherrlichen oder Staatsgewalt« hervorgingen und deshalb, wie gesagt, nicht auf Konto der Religion gesetzt werden dürfen.

9. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 167

1900 - München : Oldenbourg
Konfession und Vaterland. verzeihen — haben zu wenig theologische Kenntnisse. Wie viele Protestanten haben eine richtige Auffassung von der Wesenswandlung und der Messe, vom Ablass und der Rechtfertigung, vom Unfehlbarkeitsdogma u. dgl.? Wie viele Katholiken haben andererseits ein richtiges Verständnis für das Wesen und die geschichtliche Berechtigung des Protestantismus? Diese Kenntnisse sind aber absolut notwendig, wenn man die mittelalterliche und besonders die Reformationsgeschichte richtig und gerecht lehren will. Und doch wäre dem Übelstand leicht abzuhelfen. An jeder Universität ist Gelegenheit, ein theologisches Kolleg zu besuchen. Die technische Hochschule in Bayern ist ja auch in einer Universitätsstadt. Also veranlasse man den zukünftigen Geschichtslehrer, ein kirchengeschichtliches Kolleg nicht bloss zu belegen, sondern auch zu hören und zu studieren, und überzeuge sich von letzterem bei der Prüfung. Dabei wäre der Nachdruck zu legen auf das Verständnis für die genetische Entwicklung beider Konfessionen und auf das eigentliche Wesen der Unterscheidungslehren. Die Früchte im Unterrichte am kommenden Geschlechte würden die darauf verwendete Zeit und Mühe reichlich lohnen. Um nach dieser Abschweifung wieder auf die obige Frage zurückzukommen, so kann es sich also zur Zeit doch nur darum handeln, dass man die Frage so auffasst, wie es der Verfasser gethan hat Die Antwort haben wir bereits zu geben versucht. b) Konfession und Vaterland. Durch vorstehende Erörterungen sind wir von selbst auf die Frage gekommen: Liegt eine entschiedene Betonung des kon- fessionellen Gegensatzes im Interesse der Gesamtheit, d. h. des Vaterlandes? Wir müssen diese Frage entschieden verneinen. Suchen wir es an der Hand der Geschichte zu begründen. Unser deutsches Vaterland nimmt in Bezug auf Konfession eine ganz eigenartige Stellung unter den europäischen Staaten ein. In fast allen anderen Staaten wiegt eine Konfession ganz ent- schieden vor, so in Österreich, Italien, Frankreich und Spanien die römisch-katholische, in England und Skandinavien die protestantische, in Russland die griechisch-katholische oder orthodoxe u. s. w. Es können sich also nie zwei Konfessionen fast gleichmächtig oder gleichstark gegenübertreten, immer wird eine entschieden vorherrschen, die andere immer mehr oder minder geduldet sein, auch wenn sie in der Theorie gesetzlich gleichberechtigt ist. Ganz

10. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 45

1900 - München : Oldenbourg
Neuzeit. 45 b) Zeitalter der Reformation (— 1648). Rückblick auf die Reformkonzilien (Pisa, Konstanz, Basel). Diese für die Reform ziemlich ergebnislos, weil die einzelnen Parteien zu verschiedenartige Interessen haben. Allgemeine Spannung in Deutschland. Vorwiegen des religiösen Interesses (wie in unserer Zeit des wirtschaftlich-sozialen). Auftreten Luthers. Ablassstreit, zunächst nur dogmatisch; Bulle verbrannt (damit Lossagung von der Kirche). Ungeheuere Begeisterung in Deutschland, weil der dogmatische Streit von den meisten gar nicht verstanden wird; man fasst ihn wirtschaftlich-politisch : Fürsten und Adel schwärmen für den Kirchenbesitz, Städte möchten die Klöster beseitigen, die ihnen mit ihrem Besitz, ihrem Asylrecht, ihrer Befreiung von der städtischen Gerichtsbarkeit u. s. w. häufig ein Dorn im Auge sind. Bauern verstehen meistens unter der »evangelischen Freiheit« Befreiung von Obrigkeit, Steuern, Abgaben, Zehnten, Frohnden u. dgl. Deshalb sehr bald Auswüchse der Reformation: Bauernkrieg (Bauernforderungen — 12 Artikel — anfangs ziemlich vernünftig, arten sehr bald aus, müssen leider mit Gewalt unterdrückt werden). Wiedertäuferunfug in Münster. Ritteraufstand unter Slckingen. Wo keine so grossen wirtschaftlichen Missstände vorhanden sind, kann die Reformation keine Wurzeln fassen, wie z. B. in Bayern. Da die Habsburger im Westen gegen die Franzosen, im Osten gegen die Türken Front machen müssen, kann sich die Reformation in Deutschland ziemlich ungestört ausbreiten. Karl V., Persönlichkeit: begabt und gutwillig, aber nervös (Erbteil seiner Mutter), dabei hochfliegende, phantastisch-exzentrische Pläne (Kreuzzüge, Universalreich u. s. w.). In Deutschland ist die Reformation meist Stütze des Territorialsystems, trägt also einen monarchischen Charakter, während die Schweizer Reformation (Zwingli, Calvin) einen republikanischen Charakter trägt. Der Schmalkaldische Krieg und der sogenannte Fürstenaufstand (i 552), ein Kampf der Fürsten gegen die übermächtig zu werden drohende Kaisermacht mit religiösem Vorwand. Infolge der kläglichen Haltung der Reichsstädte Ausscheiden derselben aus der Reihe der Machtfaktoren in Deutschland. Von nun an sind die Territorialherren (Fürsten) ausschlaggebend.
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