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baren Baldachin oder Schirme und mit einer langen Pfeife im Munde auf
dem Tiere lagen. Vor dem Herrn hatte ein Knabe feinen Sitz, der ihm
mit einem Fächer Kühlung zuwehte. Hinter den ungeheuren Ohren des
Tieres saß der Führer, der es lenkte. So ließ sich der träge Herr durch
die Straßen führen, seine Pracht und seine Macht kundgebend durch reich-
geschmückte Diener, die ihn begleiteten. — Ein neues Schauspiel erwartete
uns auf den Marmorstufen, welche von den gemauerten Ufern des Flusses
in ein klares, lockendes Wasser führten. Hunderte und aber Hunderte von
Hindus jeden Alters waren hier versammelt, um unter Gebeten in die
Fluten des heiligen Flusses hinabzusteigen. Da wimmelte es in und außer
dem Wasser von braunen Gestalten, und ein eigentümliches Summen erfüllte
die Luft von den halblaut hergemurmelten Gebeten. Zimmermann.
43. Bei den Söhnen der Sonne.
Das gesittetste Volk Asiens sind die Japaner oder Japanesen. Jahr-
hundertelang blieb es den Völkern Europas unbekannt, weil es sich streng
gegen jede ausländische Berührung abschloß. Erst in diesem Jahrhunderte
ist es mit Gewalt gezwungen worden, in den Weltverkehr einzutreten, und
nachdem es seine Scheu vor den Fremden aufgegeben, eignet es sich mit
großer Lernbegierde und vielem Verstände alle die Vorteile an, welche die
europäische Kultur von der ihrigen voraus hat. Es schickt seine Söhne
auf die deutschen Hochschulen und Kadettenhäuser, in amerikanische Werk-
stätten, nach englischen Handelsplätzen; es besucht die großen Weltaus-
stellungen mit seinen eigenartigen, kunstvollen Produkten, unter denen sich
namentlich die Lack- und Papierwaren auszeichnen, und verbessert die ein-
heimischen Sitten und Zustände fast zu schnell. Es hat ein geordnetes und
reichgegliedertes Staatsleben mit einem Kaiser an der Spitze und schon seit
Jahrhunderten segensreiche Einrichtungen, die wir Europäer erst in neuerer
Zeit kennen lernten. So gab es von jeher Wasserleitungen, Posten, Land-
straßen, Volksschulen, Bücher, Karten und alljährliche Volkszählungen.
Die Buchdruckerkunst ist seit Jahrhunderten bekannt, besitzt aber keine
beweglichen Typen, sondern Holztafeln, auf denen die Zeichen eingeschnitten
sind. Die Schauspielkunst steht noch auf niedriger Stufe, dagegen sind die
Turn- und Gauklerkünste der Japaner in so hohem Grade ausgebildet, daß
sie in Europa Vorstellungen geben, die hohe Bewunderung erregen.
Die Japaner gehören dem mongolischen Menschenstamme an; sie
haben ein breites, flaches Gesicht mit einem großen Munde, einer etwas
eingedrückten Nase und schief geschlitzten, tiefliegenden Augen. Ihre Farbe
ist gelb, bei den Vornehmen, die sich wenig der Sonne aussetzen, weiß, der
Kopf groß, der Hals kurz, das Haar rötlichbraun und oft teilweise oder
ganz abgeschoren. Die Augenbrauen sitzen höher als bei uns. Ihr
Charakter ist mild und heiter; Fleiß, Geschicklichkeit, Reinlichkeit, Bildung,
Lerulust zeichnen sie vor andern Asiaten vorteilhaft aus. Arzneikunde und
Astronomie erhalten große Pflege. Das Baden wird zur Beförderung der
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
TM Hauptwörter (100): [T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T165: [Kunst Wissenschaft Handel Gewerbe Bildung Land Stadt Schule Zeit Volk], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
Extrahierte Personennamen: Zimmermann
Extrahierte Ortsnamen: Asiens Japanesen Europas Europa
Autor: Gehrig, Hermann, Sonnenschein, A., Oldenburger, G.
Jahr der Erstauflage_wdk: 1905
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Bergmännische Schule, Hüttenmännische Schule
Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
Geschlecht (WdK): Jungen
296
Vi. Abschnitt. Aus Heimat und Vaterland
bau. Die Küstenbewohner haben ihre afrikanischen Lebensgewohnheiten
schon völlig mit den Sitten, Gebräuchen und der Religion der Araber
vertauscht, die sich früh hier ansässig machten und als Großgrundbesitzer,
Karawanenführer und Schiffer tätig sind. Als die eigentlichen Herren
des Landes müssen aber die eingewanderten Inder gelten, sie sind der
wohlhabendste und rührigste Teil der Bevölkerung, beherrschen die Han-
delsgeschäfte des Landes und haben die Araber durch Vorstrecken von
Geldsummen zur Ausrüstung ihrer Karawanen in ein drückendes Schuld-
und Abhängigkeitsverhältnis gebracht. So erklärt es sich, daß im Gegen-
satz p unseren übrigen afrikanischen Kolonien hier die indische (Rupien-)
Währung allgemeine Geltung erlangt hat (1 Rupie = 1,36 Pfennig).
Der Wert Deutsch-Ostafrikas liegt allein im Handel und in der An-
pflanzung tropischer Erzeugnisse. Die Ausfuhr besteht in der Hauptsache
in Kautschuk, Sisalhanf (eine bessere Sorte Hanf) und Kokospalmenpro-
dukten, unter denen die getrockneten Samen der Kokosnüsse (Kopra ge-
nannt) eine bedeutende Rolle spielen. Sie kommen ganz oder zerschnitten
in den Handel und liefern das Kokosfett, das bei der Seifen- und Kerzen-
bereitung eine große Rolle spielt. Neben Ölfrüchten und Hanf werden
Baumwolle, Mais und Reis, späterhin auch Kaffee und Hölzer die Haupt-
ausfuhrartikel bilden. Fest steht, daß Baumwolle und Kaffee in Deutsch-Ost-
afrika in vorzüglicher Qualität gedeihen, und daß man hoffen darf, daß die
Riesensummen, die wir jetzt noch für diese Produkte an das Ausland zah-
len, in steigendem Maße eine Verminderung erfahren.
Seit langem war in Ostafrika der Überlandverkehr an die übliche
Beförderung der Güter durch Träger gebunden. Aber seit der Aufhebung
des Sklavenhandels nach der deutschen Besitzergreifung können nur die
wertvollsten Gegenstände die hohen Trägerkosten noch tragen, für die an-
deren ist diese Beförderungsart zu kostspielig, denn sie beträgt fünf- bis
sechsmal soviel als die auf der Bahn. Da nun die Flüsse wegen der
Stromschnellen höchstens in ihrem Unterlaufe schiffbar sind, Pferd und
Rind der mörderischen Tsetsefliege und das Kamel dem Klima erliegt,
so ergab sich aus diesen Verhältnissen die Notwendigkeit des Bahnbaus
von selber. Der beste und zukunftsreichste Hafenplatz Daressalam, der
Sitz der Regierung, das nördlich gelegene Tanga und das südlichere Kilwa
sind denn auch mit dem Inneren durch Bahnen verbunden.
Kamerun liegt im innersten Winkel des Golfs von Guinea. Mit
seiner Nordspitze erreicht es den Tsadsee im fruchtbaren Sudan, mit seiner
Südgrenze liegt es nur etwa 200 km (die Länge von Schleswig-Holstein)
vom Äquator entfernt. Es hat fast die Größe des Deutschen Reichs und
etwa 31/? Millionen Einwohner. Mit Ausnahme des Kameruner Beckens,
wo die Küste einen schlammsreien, geräumigen Hafen bietet, ist der Meeres-
streif sumpfiges Schwemmland mit Mangrovewald, von dem ans man
über ein Randgebirge auf eine Hochfläche gelangt. Im Gegensatz zu
Deutsch-Ostafrika befinden sich die größten Siedelungen auf der Hoch-
ebene, wo die Sudanneger Ortschaften bis zu zehn-, 20- und gar 30000
Einwohnern besitzen.
Das Küstengebiet von Kamerun gehört zu den niederschlagreichsten
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
TM Hauptwörter (100): [T0: [Meer Insel Halbinsel Küste Ozean Afrika Land Europa Kap Straße], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel]]
TM Hauptwörter (200): [T104: [Nil Meer Wüste Afrika Küste Land Sahara Gebiet Sudan Fluß], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T101: [Baumwolle Kaffee Tabak Getreide Reis Zucker Holz Ausfuhr Wein Zuckerrohr], T3: [Hebel Last Brief Ende Gewicht Rolle Gleichgewicht Punkt Seite Fig], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]
Extrahierte Personennamen: Kopra
Extrahierte Ortsnamen: Deutsch-Ost-
afrika Ostafrika Hafenplatz_Daressalam Kamerun Guinea Schleswig-Holstein Deutsch-Ostafrika Kamerun
Autor: Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
Auflagennummer (WdK): 30
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
51
Lehre; Hass und Zwietracht trennte diejenigen voneinander,
welche der Heiland durch das Gebot der Liebe vereinigen wollte.
Da liess es Gott geschehen, dass eine neue Religion aufkam.
Die enthielt zwar nicht die Wahrheit wie das Christentum;
aber sie erfüllte ihre Anhänger mit stürmischer Tapferkeit,
dass sie gewaltig vordrangen in die Länder, wo die Christen
schlaff geworden waren, und ihnen den neuen Glauben mit dem
Schwerte aufnötigten. Das Vaterland dieser neuen Religion ist
Arabien.
Vom Lande Arabien wissen wir schon aus der Bibel. Die
Wüste, welche das Volk Israel durchwanderte, der Berg Sinai,
wo es das Gesetz empfing, liegen darinnen. Von Palästina er-
streckt es sich gegen Süden, von Ägypten wird es durch das
Rote Meer geschieden. Es ist eine Halbinsel, viermal so
gross als unser Deutschland. Der Boden ist großenteils mit
heißem Sande bedeckt, in welchem kein Gewächs gedeiht.
Lange Strecken kann man dahinziehen, ohne daß man etwas
anderes sieht, als über sich den Himmel mit der glühenden Sonne,
rings um sich ein Meer von Sand. Selten trifft man in diesen
Wüsten eine frische Quelle, einen grünen Weideplatz. Im Süden
des Landes jedoch giebt es auch fruchtbare Gegenden. Dort ge-
deihen köstliche Gewürze, dort wächst Kaffee, Zucker, Weih-
rauch, Reis und Baumwolle. Berühmt sind die edlen Pferde,
welche Arabien hervorbringt, und das Kamel ist für das heiße,
trockene Land ein ganz unentbehrlicher Schatz. Die Wüstenbe-
wohner oder Beduinen führen ein wanderndes Hirtenleben; nur
gegen die Meeresküste hin liegen auch Städte, die Gewerbe und
lebhaften Handel treiben.
In diesem Lande lebte der Mann, von welchem eine neue
Religion ausgehen sollte; er hieß Mohammed. In der Stadt
Mekka war er geboren. Als Kaufmann machte er weite Reisen,
sah fremde Länder und lernte die Sitten anderer Völker kennen.
Später gab er die Handelsgeschäfte auf und zog sich in die
Einsamkeit zurück. Hier erwachte in ihm der Gedanke, als
Stifter einer neuen Religion aufzutreten. Die Araber waren
zum größten Teile noch heidnischem Götzendienste ergeben; doch
hatten auch das Judentum und das Christentum hier und da im
Lande Eingang gefunden. Keine dieser Religionen wollte dem
Mohammed behagen. Denn das Christentum kannte er nur sehr
äußerlich; seine göttliche Wahrheit blieb ihm verschlossen.
Doch ließ er Christus und Moses als Propheten gelten, sich
selber aber hielt er für größer. Der Engel Gabriel, sagte er,
sei ihm erschienen und habe ihm seine Berufung zum Propheten
Gottes verkündet. Und nun trat er unter seinen Landsleuten
auf und lehrte: „Es ist nur ein Gott, und Mohammed ist sein
Prophet. Beten führt auf halbem Wege zu Gott, Fasten bringt
4 *
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
TM Hauptwörter (100): [T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T48: [Christ Jerusalem Sultan Mekka Araber Land Jahr Stadt Mohammed Türke], T187: [Religion Christus Christ Christentum Zeit Jahr Volk Christenthum Heide Geburt], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk]]
Extrahierte Personennamen: Palästina Mohammed Mohammed Christus Engel_Gabriel Mohammed
Extrahierte Ortsnamen: Schwerte Israel Berg_Sinai Deutschland Mekka Gottes
Autor: Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
Auflagennummer (WdK): 30
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
2
Haut- und Haarfarbe, Sprache und Sitten nicht den blonden Deutschen,
sondern gehörten zu dem weitverzweigten Völkerstamnie der Slaven, der
jetzt noch in Rußland, Polen, einem großen Teile Böhmens und anderwärts
seinen Wohnsitz hat. Man nannte aber die in unserem Heimatlande ein-
gewanderten Slaven insbesondere Sorben oder Sorbenwenden. Nach und
nach drangen sie immer weiter gegen Westen bis an die Saale vor. Mit
Vorliebe bauten sie sich an den Ufern der zahlreichen Flüsse und Flüßchen
der niedern Gegenden an, während sie den höheren und rauheren Teil des
Erzgebirges unbesiedelt ließen. Man erkennt jetzt noch leicht die Ortschaften,
die von ihnen angelegt worden sind, an ihrem Namen. Während die Namen
der von Deutschen gegründeten Wohnorte sich meist aus berg, stein, thal,
grün n. s. w. endigen, klingen die Namen wendischer Orte in itz, itzsch, a,
au (früher ow) u. s. w. aus. So sind z. B. Sebnitz, Pirna, Loschwitz,
Blasewitz, Oschatz, Wurzen, Strehla, Leipzig (Lipsc), Rochlitz, Chemnitz,
Zwickau von den Wenden angelegt worden. Ja, unsere Landeshauptstadt
Dresden ist ursprünglich ein wendisches Dorf gewesen. Zum Schutze ihrer
Ortschaften warfen die Sorbenwenden um dieselben meist einen Erdwall auf.
Die stärkste dieser Festungen lag in der Gegend von Lommatzsch und trug
den Namen Gana, woran noch das Dorf und das Flüßchen Jahna er-
innern.
Die Sorben waren ein betriebsames Volk. Wir wissen, daß sie sich
lebhaft mit Viehzucht beschäftigten, die Wolle des Schafes bearbeiteten, aus
dem angebauten Flachs Leinwand bereiteten und das Wachs der von ihnen
gepflegten Bienen neben anderen Erzeugnissen ihres Fleißes an die um-
wohnenden Völker, besonders an die Deutschen, verhandelten.
Noch lag ein düsteres Heidentum über dem Volke. Neben dem Bielbog,
dem guten Gotte, den sie als den Urheber des Lichts liebten und verehrten,
fürchteten sie den feindlichen Czernebog, den Herrn der Finsternis, dessen
Zorn sie durch Opfer zu versöhnen suchten. Den Namen beider Götter
tragen jetzt noch zwei Berge der Oberlausitz. Der Gott Swantewit schenkte
ihnen je nach seiner Absicht reichliche oder kärgliche Ernten. Ihm zu Ehren
ist von den Sorben wahrscheinlich das Dorf Wantewitz bei Großenhain so
benannt worden. Zu Radegast flehten sie, wenn sie in den Krieg zogen.
Die Orte Radeberg, Radebeul und besonders das Dorf Radegast bei Dahlen
erinnern noch jetzt an diese Gottheit.
Ihre Toten begruben die Sorben anders als wir. Sie verbrannten
die Leichname, sammelten die Asche in künstliche Urnen und setzten sie ge-
meinsam in die Erde. Bei Lommatzsch und bei Dresden sind später zufällig
große Begräbnisplätze aufgefunden worden, wo Tausende von Urnen unter
dem Boden ruhten.
Die Berührung mit den Deutschen, die sich aus dem Handel ergab,
führte auch zu mancherlei Streitigkeiten, die zuweilen räuberische Einfälle
der Slaven in deutsches Gebiet zur Folge hatten. Diese Zwistigkeiten sind
später die Veranlassung zur Unterjochung der Sorbenwenden geworden.
Bilder aus der vaterländischen Geschichte.
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
TM Hauptwörter (100): [T18: [Donau Stadt Ungarn Böhmen Wien Hauptstadt Land Einw. Königreich Mulde], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau]]
TM Hauptwörter (200): [T130: [Elbe Stadt Sachsen Provinz Saale Kreis Schlesien Elster Neiße Magdeburg], T94: [Stadt Fabrik Handel Dorf Schloß Weberei Einwohner Einw. Nähe Bergbau], T10: [Sachsen Karl Franken König Land Jahr Chlodwig Reich Krieg Volk], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit]]
2b K. Müllenhoff: Die Bildung der germanischen Grundsprache.
keit neuer Wort- und Formenschöpfung war zil groß, als daß irgend
ein Stamm ihn hätte vollständig beherrschen oder gar ausschöpfen
können. Bei einer geringen Ausbreitung des Urvolkes bereits mußte
das Material sich abweichend verteilen und hier und da verschieden
gestalten. Dialektische Differenzen stellten sich ein, die sich alsbald
wieder spalteten und aus denen im Laufe der Zeit bei räumlicher
Ausbreitung und Trennung der Stämme neue Dialekte und besondere
Sprachen und damit neue Stämme und Völker entstanden. Bei den
westlichen Ariern, aus denen nachmals die europäischen Völker hervor-
gingen, müssen schon sehr früh Eigentümlichkeiten und Neubildungen
sich eingestellt haben, durch die sie sich von den östlichen Nachbarn,
den in Asien verbleibenden Ariern, entfernten, ehe noch eine räum-
liche Losreißung stattfand und die Verbindungsglieder und Über-
gänge von Westen nach Osten hin ganz aufhörten.
Um den Ursprung verschiedener Sprachen und Völker aus
einer Ursprache und einem Urvolke zu verstehen, bedarf es weder
einer Stammbaum- noch einer Wellentheorie; man mache nur die
Geschichte und die Verzweigungen einer Sprache und Nation sich
hinlänglich deutlich und lerne dabei durch die Mannigfaltigkeit der
Erscheinungen nicht in der historischen Auffassung irre zu werden.
Außer der physischen Unmöglichkeit, den ganzen Inhalt einer Sprache
gleichmäßig und vollständig festzuhalten, bewirkten auch die Ver-
schiedenheiten der menschlichen Natur, ihrer Neigungen und Fähig-
keiten eine ungleiche Verteilung, Anwendung und Gestaltung des
sprachlichen Materials, und es ist dabei weder zu verwundern, wenn
Übereinstimmungen nachmals an den verschiedensten Punkten des
Sprachgebietes auftauchen, noch auch, daß hier und dort scheinbar
launenhafte und zufällige Abweichungen von sonst allgemein oder
weithin geltenden Gesetzen eintreten. Vollzog die Ausbreitung des
Urvolkes sich gleichmäßig und ungestört von außen und innen, so
mußte das sprachliche oder mundartliche Verhältnis seiner Teile zu
einander im großen und ganzen sich durchaus ihrer örtlichen, geo-
graphischen Stellung gemäß gestalten. Die benachbarten mußten in
ihrer Entwicklung mehr unter sich als mit den entfernteren zusammen-
stimmen, Übergänge aber durch Mittelglieder wie vou dem einen
zum andern nach allen Seiten hin stattfinden und dasselbe Ver-
hältnis dann ebenso innerhalb der einzelnen Teile sich wiederholen.
Räumlich getrennt und auseinandergeschoben, erscheinen die Teile als
selbständige, besondere Volksstümme, aber wiederum nur als Einheiten
von mehreren Stämmen mit neuen Unterabteilungen, Völkerschaften,
Phylen und Demen, Anfängen oder Basen neuer, schärferer und
weiter gehender Sonderungen. Die Einheit besteht immer nur in
einer Vielheit und mit einer Mannigfaltigkeit, eine Sprache nur mit
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone]]
TM Hauptwörter (100): [T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T109: [Europa Asien Afrika Amerika Australien Insel Erdteil Land Zone Klima], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
V. H eh n: Zustände der indogermanischen Völker zur Zeit ihrer Wanderung. 35
im Dunkel eingehüllten Geistes und unmittelbaren Bewußtseins wachst
und sich entfaltet — mit dem erwachenden Denken beginnt die lästige,
wuchernde Formen-Vegetation und die paradiesische Klangfülle all-
mählich abzusterben.
Dies etwa war der Zustand jener Wandervölker zur Zeit ihrer
Ausbreitung in Europa, soweit wir ihn nach einigen seiner all-
gemeinen Züge im Geiste wiederherstellen können. Eine Vergleichung
gewähren etwa die Andeutungen des Alten Testaments über die
kriegerische Einwanderung semitischer Hirtenvölker in Palästina: dort
traten den Kanaanitern wilde Ureingeborene entgegen, die später als
Riesen gedacht wurden und die in einigen Resten noch bestanden, als
ganz zuletzt die Beni-Jsrael in dem Lande ihrer vorausgegangenen
Stammgenossen gewaltsam sich festsetzten. So mögen auch die Jndo-
germaneu in Europa ursprüngliche Bewohner vorgefunden haben,
die sie ausrotteten oder mit denen sie sich vermischten: im Osten die
Finnen, ein sehr tief stehendes Jägervolk, das die Wolle, das Salz
und den Räderwagen nicht kannte und nicht einmal bis hundert
zählte, im Westen und Süden die Iberer und vielleicht die Libyer,
von deren Kulturstufe wir nichts wissen.
8. Die Entstehung der romanischen Sprachen.
Aus V. Hehn, Italien.
Die römische Sprache, wie sie in den Werken der klassischen
Epoche erscheint, erweist sich der aufsteigenden Forschung zwar als
ein vielfach jüngeres Gebilde, für sich betrachtet aber ist sie doch die
altertümliche, formvolle Rede der in Rom herrschenden konservativen
Aristokratie, der Priester- und Staatsreligion, des Gesetzes und
Rechtes. Das Ansehen, das die geschmackvollen, griechisch gebildeten
Schriftsteller der letzten Jahre der Republik und des augusteischen
Zeitalters gewannen, vornehmlich Cicero und Vergil, verbunden mit
der Konsolidierung des Staatswesens durch das Kaisertum, fixierten
diese Sprache als feste, unwandelbare Form für alle Zeiten des
Reiches und darüber hinaus. Sie war die Trägerin der politischen
und litterarischen Tradition und wurde hinwiederum von dieser ge-
tragen; Knaben lernten sie in den Schulen der Grammatiker und
Rhetoren an der Hand der Muster; sie allein wurde geschrieben.
Aber während sie auf diese Weise erstarrte, ging das Leben seinen
Gang. Die Sprache im Volksmunde, der alte plebejische Dialekt,
gestaltete und entwickelte sich, von Schule und Regel nicht gehemmt,
unter dem Andrang täglicher Bedürfnisse und wechselnder Einwirkungen
von außen. Das Latein der Schriftsteller, das adelige, imperatorische
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T159: [Bewohner deutsche Bevölkerung Sprache Neger Volk Jude Einwohner Stamm Land], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende]]
Extrahierte Personennamen: V._Hehn
Extrahierte Ortsnamen: Europa Palästina Europa Italien Rom
K. Müllenhoff: Die Bildung der germanischen Grundsprache. 27
dialektischen Varianten und dialektischer Variation, die allerdings im
Laufe der Zeit stärker werden und sich vervielfältigen, aber niemals
ganz fehlen kann. Müssen wir also nächst der Ilrzeit und der Ur-
gemeinschaft mit den asiatischen Ariern ein Stadium gemeinsamen
Sprachlebens der großen europäischen Volksstämme vor ihrer Trennung
annehmen, wo sie sich wie Stämme einer Nation, ihre Sprachen
wie Dialekte einer Sprache zu einander verhielten, so dürfen wir
mit gleichem Recht wie vom Griechischen und Italischen, Germanischen
und Keltischen auch vom Indogermanischen itnb Europäischen und
selbst von einer indogermanischen und europäischen Grund- oder Ur-
sprache reden, sobald wir nur der Sprache in keinem ihrer Stadien
eine größere Einheitlichkeit beimessen, als überhaupt eine Sprache
har und haben kann.
Wenn wir nun nach dem Ursprung unseres Volksstammes fragen,
so müssen wir vor allem den Anfang seines Sonderlebens bestimmen,
den Punkt, wo er aus der Gemeinschaft der nächsten Verwandten
heraustrat ■ und zu einem Volk von eigenem, besonderem Gepräge
wurde. Sprachlich ausgedrückt ist dieser Punkt die Verschiebung
der st ummen K on s on an ten, die sogenannte Lautverschiebung.
Sie ist das erste und älteste Merkmal der vollzogenen Abtrennung
und das erste Anzeichen einer besonderen Entwicklung der Germanen.
Durch sie entfernte sich unser Volk am entschiedensten von seinen
Anverwandten. Und wie die jüngere, zweite Verschiebung, die das
Hochdeutsche von den übrigen germanischen Sprachen abtrennte, erst
infolge einer großen Umwälzung, der Übersiedlung der mittleren
Stämme von der Elbe an den oberen Rhein und die Donau eintrat,
so ist gewiß die erste Verschiebung nur infolge und mit der
großen Revolution und Veränderung eingetreten, die mit dem ger-
manischen Urvolk vorging, als es sich in dem wilden Lande an der
Elbe und Oder, das von nun an seine Heimat und in Wahrheit
seine Geburtsstätte wurde, acclimatisieren und einleben mußte. Diese
Verschiebung führten alle Germanen und so gleichmäßig durch, daß
wir sie uns damals nicht als ein sonderlich großes, ausgedehntes
Volk, jedenfalls nur als ein Volk mit unbedeutenden dialektischen
Differenzen denken können. Die Verschiebung muß sehr früh erfolgt
sein, weil sie sich noch unmittelbar an das älteste, indogermanische
Konsonantensystem anschließt, das vollständig in keiner Sprache außer
dem Sanskrit erhalten ist. Sie begann damit, daß die alten
Aspiraten oder Affricaten Ph Kh Th Bh Gh Dh ihre Affrication
verloren und zu einfachen Tenues Pkt und Medien B G D
herabsanken. Doch trat keine Vermischung mit den ursprünglichen
tenues und Medren ein. Vielmehr lockerte sich der Verschluß jener
nach und nach so sehr, daß sie größtenteils bloße Spiranten P H Th
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
TM Hauptwörter (100): [T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk]]
34 V. Hehn: Zustände der indogermanischen Völker zur Zeit ihrer Wanderung.
gehoben oder verworfen und ausgesetzt?) Die Naturkräfte, deren
Gegenwart mit dumpfem Schauer empfunden wurde, hatten noch
keine menschlich-persönliche Gestalt angenommen: der Name Gottes,
dessen lateinische Form äsu8 ist, bedeutete noch Himmel?) Das Los
entschied bei wichtigen oder ungewöhnlichen Begegnissen und Ent-
schlüssen; Vorbedeutung und Aberglaube bestimmten alles Thun und
Lassen; Zauberformeln lösten die Fesseln der Gefangenen und gaben
der Waffe übernatürliche Kraft; die Wunden, die die Axt gerissen,
wurden durch Besprechung geheilt, ebenso das hervorspritzende Blut
gestillt?) Wie in der religiösen Anschauung die Verwandlung der
Naturmachte in dämonische Personen sich noch nicht vollzogen oder
eben erst begonnen hatte, so walteten auch im Zusammenleben der
Menschen die unmittelbaren Naturformen: aus dem Familienverbande
und der Herrschaft des Patriarchen ging in weiterem Wachstum der
erst engere, dann umfassendere Zusammenhang des Stammes hervor?)
Als Auszeichnung adeliger Geschlechter findet sich in historischer Zeit
die Tätowierung, vielleicht ein Nest uralter Sitte, da sie bei ent-
fernten Gliedern des großen Stammes wiederkehrt, so bei Gelonen
und Agathhrsen/) bei Thrakern (schon bei Herodot 5, 6, also vor
der keltischen Zeit), Sarmaten, Daten, den Briten aus ihrer entlegenen
Insel, welche letztere danach benannt waren?) Bei der Aufstellung
zum Kriege herrschten schon die Zahlen des Decimalsystems — eine
erste Regung der Abstraktion, doch war der Begriff tausend, da das
Wort dafür fehlt, noch nicht aufgegangen. Im übrigen bildete die
Sprache einen verhältnismäßig intakten, viel gegliederten, von lebendigen
Gesetzen innerlich beherrschten Organismus, wie er nach Jahrtausenden
die Freude und Bewunderung des Grammatikers ist und wie er nur
1) Grimm, R.-A. 455: „Von Aussetzung der Kinder sind alle Sagen voll,
nicht allein deutsche, auch römische, griechische und des ganzen Morgenlandes.
Es läßt sich nicht zweifeln, daß diese grausame Sitte in der Roheit des Heiden-
tums rechtlich war."
2) Das von den Finnen erborgte litauische devas, preuß. deivas hat bei
ihnen noch heute den Sinn von Himmel, finnisch taivas, estnisch taevas,
livisch tövas.
3) Ein solcher Beschwörer hieß gotisch lekeis, leikeis, slavisch lékarí, alt-
irisch lieig, liagh. Od. 19, 456: Und sie verbanden sogleich des untadligen
hohen Odysseus Wunde geschickt und stillten das dunkele Blut mit Beschwörung.
Noch bei Pindar Pytb. 3, 51 drei Arten der Behandlung der Kranken: durch
Beschwörung énaoi<ír¡, auch Iltcu Gebet zu den Göttern, durch Salben und
Tränke, durch Schneiden mit dem Messer.
4) Wörter wie noxtc, populus, got. tkiuda u. s. w. sehen wir erst all-
mählich in das Reich der Freiheit d. h. zu politischen Begriffen emporsteigen.
ff Mela 2, 1, 10: Agathyrsi ora artusque pingunt: ut quique majori-
bus praestant, ita magis vel minus: ceterum iisdem omnes notis, et sic ut
ablui nequeant.
6) Kambrisch breith = variegatus, auch die Picti möglicherweise nur die
lateinische Übersetzung von Briten, Britten.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
V. Hehn: Die Entstehung der romanischen Sprachen.
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Unterste zu oberst stieg. Irgend ein gemeiner Soldat thrakischer Her-
kunft konnte Kaiser werden, der altehrwürdige Senat war voll bar-
barischen Blutes. Gegen die neuen Klimate und ihre Produkte,
gegen die Anschauungen und Sitten, die alten Erfindungen der vielen
unterworfenen Völker, vorzüglich der Anwohner des Ozeans und der
naturkräftigen thrakisch-illyrischen Stämme in der Donauebene und
am Hämus, konnte sich das enge und geschlossene Idiom der lati-
uischen Landschaft in seiner Reinheit nicht halten. Besonders das
Heerwesen, das immer mehr der eigentliche Halt des ungeheuren
Reiches wurde, vermittelte wie die Verbreitung der herrschenden
Sprache so die Aufnahme und Verschmelzung fremder Begriffe.
Die Konskription versammelte Genossen der verschiedensten Länder in
den Armeen und stehenden Lagern, in denen eine eigene Militär-
sprache sich ailsbildete, die wieder durch Ansiedelung gedienter Sol-
daten, durch Veterauenkolonien und durch den lebhaften Krämer-
handel in und bei den Stationen auf die Bevölkerung ganzer Land-
striche überging. Vom Orient aus wirkte das Juden- und Christen-
tum zersetzend im Innern. Schon in verhältnismäßig früher Zeit
war Italien von jüdischen und syrischen Sklaven und Sklavinnen
überfüllt, die als Gärtner, Köche, Musikanten, als leichtfertige Zofen,
Tänzerinnen, Citherspielerinnen dem Luxus der Reichen dienten und
die Künste und die Verdorbenheit des Orients einführten. Das
Lateinische als Herrschersprache ging noch immer mit dem Purpur-
streif an der Toga, aber es konnte sich der steigenden Flut von unten
nicht mehr erwehren; es wurde immer künstlicher, schwülstiger, un-
reiner; es schwankte allmählich in das sogenannte Mittellatein, die
Kirchen-, Staats- und Litteratursprache des Mittelalters, hinüber.
Ungesehen, im Dunkel des Lebens, im Zuge der Notwendigkeit bildete
sich eine moderne Sprache mit weiterem Gesichtskreis und tieferem
Empfindungsgrunde aus — das Romanische. Die hereinbrechende
Nacht der Barbarei war seinem Werden nur günstig.
Eine moderne Sprache, sagen wir, hatte sich hervorgebildet, eine
christliche, eine europäische. Modern — im Gegensatz zu den
antiken, wie das Griechische und Lateinische, den künstlerischen, von
einem Theater, einem Forum umschlossenen Sprachen kleiner Politien,
die zugleich so geistvoll und so sinnlich sind und den tiefern Bruch
zwischen Ideal und Wirklichkeit noch nicht kennen; christlich — im
Gegensatz zu den ethnischen, wie das Gotische und noch heutzutage
das Slavische in den meisten seiner Zweige, Sprachen, die in die Ge-
schichte der Menschheit noch nicht eingetreten sind; europäisch, d. h.
auf weiterem Schauplatz, im Wechselverkehr der Länder und Klimate,
innerhalb des ungeheuren römischen Reiches und seiner Nachfolgerin,
der völkerumsassenden christlichen Kirche, geboren und erwachsen.
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T159: [Bewohner deutsche Bevölkerung Sprache Neger Volk Jude Einwohner Stamm Land], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T60: [Mann Heer Jahr Offizier Soldat Landwehr Truppe Krieg Armee Regiment]]
86 E. Curtius: Die Heüenen und das Volk Israel.
dagegen finden wir in einer zu regem Völkerverkehr vorzugsweise
geeigneten Insel- und Küstenwelt von Anfang an als ein weit ver-
zweigtes Menschengeschlecht, sich selbst und seinem angebornen Bildungs-
triebe überlassen, und erst, nachdem sie aus freier Selbstbestimmung
diesen Trieb entfaltet hatten, lernten sie allmählich im Gegensatz zu
den Nicht-Hellenen sich als ein Volk fühlen.
Früher liebte man es freilich, die Hellenen wie das Volk Israel
von Anfang an als ein isoliertes sich zu denken und ihre Kultur
als eine ganz aus eignem Samen erwachsene. Nun ist aber immer
deutlicher geworden, daß Griechen seit ältester Zeit im Nillande ge-
wohnt haben und Phönizier mitten in Hellas. Unter diesen Ver-
hältnissen ist das arische Volkstum, das den Kern bildete, wesentlich
verändert nicht nur in seiner äußeren Kultur, sondern auch in seinem
innern Leben, indem der Dienst der pantheistischen Natnrgöttin Asiens
unter vielerlei Namen das Land der Hellenen erfüllte. Nur die
Sprache blieb rein, und in ihr liegt der Keim des Nationalgefühls,
das sich den Menschen unverständlicher Zunge, den Welschredenden
oder Barbaren, gegenüberstellte.
In Sitte und Religion kommt aber erst mit dem Apollodienste
ein hellenisches Volksbewußtsein zustande.
Auch Apollon ist kein Eingeborener; man kann die Wege nach-
weisen, auf denen er von Osten herüberkam, die Landungsplätze, wo
seine ersten Altäre glühten. Auch er verband beide Gestade. Aber
erst im diesseitigen Kontinent hat er seine wahre Gestalt gewonnen,
und kraft der mit seinem Dienst verbundenen Ideen sind die Stämme
der Helleneri wie ihre Götter zu einer Familie geordnet. Der wüsten
Vielgötterei wird diejenige Einheit gegeben, welche jeder Religion un-
entbehrlich ist. Der Gott des Lichts fordert Selbsterkenntnis, der
reine Gott nicht nur äußerliche Reinheit, sondern ein reines Herz,
ohne welches jede Opfergabe wertlos ist; er verlangt Zucht und
Ordnung des Gemeinwesens wie des Einzellebens.
So entwickelt sich aus der Apolloreligion ein ethisches Ideal,
der Ausdruck eines geläuterten Volksbewußtseins. Sie wurde der
befruchtende Quell, unter dessen Einfluß sich alles entwickelte, was
wir an hellenischen Tugenden und Künsten hochhalten, und es bildete
sich eine Gemeinschaft, welche nicht auf der Abstammung allein und
der Sprache beruhte, ein engerer Kreis, von dem sich ganze Massen
ursprünglich stammverwandter Völker in Macedonien, in Epirus
und im Acheloosthale ablösten und zu Barbaren wurden, ein Kreis,
dessen Centrum aus dem breiten Hochlande in die südlichen Halb-
inselländer verlegt wurde.
An Stelle des Olympos, wo sich der hellenische Götterkreis ge-
staltet hatte, wurde der Parnaß der heilige Berg und Delphi der
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T138: [Meer Insel Stadt Küste Halbinsel Kleinasien Griechenland Name Bosporus Land]]
Extrahierte Personennamen: Curtius
Extrahierte Ortsnamen: Israel Israel Hellas Asiens Macedonien Epirus