Hrsg.: Warnecke, Johannes, Debus, Gustav, Kruse, Otto, Finckh, Karl
Auflagennummer (WdK): 3
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Taubstummenschule
Schultypen Allgemein (WdK): Taubstummenschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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2. Als die Deutschen noch nicht in Städten beisummen wohnten, bebaute
jeder Hausvater sein eignes Feld und verfertigte auch mit Hilfe seiner Dienst-
boten Zalles das, was er für sich und bei seiner Arbeit gebrauchte. Auf dem
Felde wurden Hanf und Flachs gebaut, und die Mägde mußten spinnen,
weben und nähen. Die Knechte aber waren im Anfertigen von Gerätschaften
geübt. Handwerker und Bauern unterschied man damals noch nicht. Dies
wurde jedoch anders, als die Städte entstanden. Für die Städter waren die
Felder oft so weit entfernt, daß sie sie nur mit großem Zeitverlust bestellen
konnten. Deshalb überließen sie ihre Felder meist den Landbewohnern und
gaben sich ihren andern Beschäftigungen hin. Dabei stellte sich gar bald
heraus, daß der eine besonders geschickt war im Verfertigen von Schuhen,
der andre jedoch konnte besser Kleider nähen. Deshalb kamen sie überein,
daß der eine nur Schuhe und der andre nur Kleider anfertigen sollte; der
eine wurde also Schuster und der andre Kleidermacher oder Schneider. So
ging es auch mit dem Weber, dem Tischler, dem Schmied u. a. Auf solche
Weise entstanden die Handwerker. Die Landbewohner erkannten bald, daß
die von den Handwerkern verfertigten Sachen viel besser waren als die, die
sie selbst machten. Darum holten sie sich nun Kleider und Schuhe, Möbel
und sonstige Geräte aus der Stadt und beschäftigten sich ausschließlich mit
Ackerbau. Von da an nannte man die Landbewohner Bauern.
3. Da die Städter sich meistens mit einem Handwerk beschäftigten,
waren sie gezwungen, Eier und Butter, Gemüse lind Korn von den Bauern
zu kaufen. Diese kamen deshalb zur Stadt und verkauften hier auf einem
freien Platze ihre Erzeugnisse. So entstanden die Märkte, die in der
Regel in der Woche einmal stattfanden. Später brachten auch die Hand-
werker ihre Waren nach den Marktplätzen und stellten sie in Buden zum
Verkauf aus. Da dies im Jahre aber nur einmal geschah, hieß man diese
Märkte Jahrmärkte, während mau die andern Wochen Märkte nannte.
Auf den Wochen- und Jahrmärkten wurde viel gekauft und verkauft; es
entwickelte sich daselbst lebhafter Handel.
4. Anfangs hatte mau kein Geld; mau handelte darum auf andre
Weise als jetzt. Wollte der Schuster einen Anzug und der Schneider Schuhe
haben, so tauschten sie ihre Waren gegenseitig aus. Ebenso machten es die
andern Handwerker. Der Bauer aber, der von den Handwerkern Waren
haben wollte, gab diesen dafür etwas von seinem Korn. Dieses Korn brachten
die Leute zum Müller, der Mehl daraus machte; aus letzterem backte der
Bäcker dann Brot für sie. Für die Arbeit aber durfte der Müller etwas
Mehl und der Bäcker etwas Brot zurückbehalten. So wurde in alter Zeit
gehandelt, und diesen Handel nannte man Tauschhandel. Derselbe war recht
beschwerlich. Bisweilen kam es aber auch vor, daß jemand, der z. B. Kleider
haben wollte, nur einen solchen Gegenstand zum Tausche anbieten konnte, den
der Schneider gerade nicht gebrauchte; daun war ein Tauschhandel gar nicht
möglich. Diesem Übelstand wurde jedoch bald abgeholfen.
5. An den Grenzen, wo unsre Vorfahren mit den Römern zusammen-
trafen, lernten sie das Geld kennen. Dieses gefiel ihnen so sehr, daß sie es
sich erwarben, und nun wurde aus dem Tauschhandel nach und nach ein
Handel mit Geld. Bald lernten die Deutschen das Geld auch selbst prägen.
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13
4. Als Barbarossa schon ein siebzigjähriger Greis war, erscholl plötzlich
der Ruf: „Die Türken haben Jerusalem wieder erobert!" Hierüber war
große Trauer in der ganzen Christenheit. Da erklärte Kaiser Friedrich, er
habe noch Kraft genug, einen Krenzzng zu unternehmen. Er stellte sich
alsbald an die Spitze eines Heeres und ließ sich bei Konstantinopel über-
setzen. (Bild!) Leider kam er nur bis nach Kleinasien. Hier mußte der
Fluß Saleph überschritten werden. Weil die Brücke, die darüber führte,
schmal war, ging der Zng nur langsam vorwärts. Der Kaiser, der sich
bei dem Hinteren Teile der Kreuzfahrer befand, wollte aber nicht solange
warten. Er bestieg deshalb sein Pferd und sprengte furchtlos mit ihm
Barbarossas Kreuzzug.
in den Fluß, wurde jedoch von den Wellen fortgerissen. Ein Reiter eilte
ihm nach; als er aber den Kaiser ans Land brachte, war dieser bereits
verschieden. Unbeschreiblich groß war der Jammer unter den Kreuzfahrern;
jeder meinte, nun könne der Kreuzzeug nicht mehr glücklich zu Ende geführt
werden, da der Kaiser, ihr Vater, verloren sei. Die Krieger zogen des-
halb nicht weiter, sondern kehrten in ihre Heimat zurück. — Das deutsche
Volk wollte an Barbarossas Tod lange Zeit nicht glauben. Die Sage
berichtet, er sei nicht gestorben, sondern sitze verzaubert im Kpffhäuser in
Thüringen an einem marmornen Tische. Sein weiß gewordener Bart sei
durch den Tisch gewachsen und um den Berg herum flögen Raben. Wenn
diese einst weggeflogen seien, dann werde Barbarossa wiederkommen und
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Extrahierte Personennamen: Barbarossa Barbarossa Friedrich Friedrich Barbarossas Barbarossas Barbarossas Barbarossas Barbarossa Barbarossa
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das Deutsche Reich von neuem aufrichten. — Die Sage hat sich am 18. Ja-
nuar 1871 erfüllt, An diesem Tage hat Kaiser Wilhelm I. die deutschen
Staaten zu dem mächtigen Deutschen Reiche vereinigt. Kaiser Wilhelm I.
ist ans dem Kyffhänser ein herrliches Denkmal errichtet worden.
15. Das Ritterleben.
1. Ans vielen Bergspitzen unsres Vaterlandes sieht man Burgen, von
denen nicht wenige zerfallen sind. Hier wohnten einst die Ritter, die zu Roß
kämpften und ganz in Eisen, in eine Rüstung, gekleidet waren. Ein Panzer
schützte Brust und Rücken, ein Helm das Haupt, ein Visier das Gesicht,
Schieneil Arme und Beine. Als Waffen dienten Schwert, Lanze und Schild.
Wollte ein Edelknabe Ritter werden, so mußte er schon in seinem 7. Lebens-
jahr in das Schloß eines andern Ritters gebracht werden und hier fleißig
mit den Waffen üben. Mit 14 Jahren wurde er Knappe und durfte von
nun an seinen Herrn auf die Jagd und in den Krieg begleiten. Erst im
21. Lebensjahr wurde er Ritter. Als solcher mußte er am Altar feierlich
versprechen, die Wahrheit zu reden, die Religion und die Witwen und Waisen
zu beschirmen und dem Fürsten treu zu dienen.
2. Um Mut und Geschicklichkeit zu prüfen, fanden oft Ritterspiele
statt. Dann erschienen die Ritter in prächtiger Rüstung hoch zu Roß und
ritten mit eingelegter Lanze gegeneinander. Wer den Gegner ans dem Sattel
hob, war Sieger. Dieser erhielt von den Damen als Preis einen Kranz,
einen Helm, ein Schwert oder gar eine goldene Kette. — Kam der Feind
ins Land, so zogen die Ritter ihm mutig entgegen. Hatten sie ihn besiegt,
so war großer Jubel in den Burgen, und abends wurden beim Wein Er-
lebnisse aus dem Kampf erzählt.
3. Später verarmten viele Ritter, weil sie ein verschwenderisches Leben
führten. Um sich ihren Unterhalt zu verschaffen, führten sie dem Landmanne
sein Vieh von der Weide, mähten ihm in der Nacht das Getreide ab und
brachten es durch ihre Knechte heimlich in ihre Burgen. Oft zündeten sie
auch seine Hütte an. Der Landmann stand meist wehrlos da; niemand verhalf
ihm zu seinem Rechte. Nicht besser erging es den Kaufleuten, die mit ihren
Wagen, auf denen sich kostbare Waren befanden, an den Burgen vorüber-
fnhren. Im Walde oder an der Landstraße lauerten die Ritter ihnen auf
und raubten Hab und Gut. Deshalb nannte man diese Ritter Raubritter.
Zur Zeit der Raubritter war große Not im Lande.
16. Rudolf von Habsburg. (1273)
1. Graf Rudolf von Habsbnrg wurde im Jahre 1273 deutscher Kaiser.
Bevor er die Regierung antrat, hatte das Deutsche Reich 16 Jahre lang
keinen Kaiser. Während dieser kaiserlosen Zeit war niemand da, die Schwachen
gegen die Starken zu schützen. Die Raubritter hausten schlimmer als früher.
Das konnte Kaiser Rudolf nicht mitansehen. Er verbot das Rauben, und
als die Raubritter sein Verbot nicht achteten, zog er mit einem starken Heere
gegen sie und ließ ihre Burgen erstürmen und zerstören. In Thüringen
allein zerstörte er 60 solcher Raubnester. Die Räuber selbst aber ließ er alle
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miteinander hängen. Rudolf von Habsburg war nicht nur ein strenger und
gerechter, sondern auch ein frommer und leutseliger Fürst.
2. Als Rudolf noch Graf war, ritt er einmal auf die Jagd und kam
dabei au einen Bach, dessen Brücklein von den Wellen weggerissen worden
war. Da bemerkte er einen Priester, der seine Schuhe auszog und den Bach
durchwaten wollte. Der Graf fragte den Diener Gottes, warum er dies
tue. Dieser erwiderte, er wolle einem Sterbenden das heilige Abendmahl
reichen. Als Rudolf dies hörte, sprang er schnell vom Pferde und überließ
Rudolf von Habsburg bestraft die Raubritter.
es dem Priester. Letzterer ritt darauf eiligst zu dem Kranken. Am andern
Morgen wollte der Priester das Roß dankend zurückgeben; Rudolf aber
sagte: „Ich besteige dieses Roß nie wieder zu Jagd und Streit, da es
meinen Schöpfer getragen hat. Behaltet es und gebrauchet es auch künftig
im Dienste des Herrn!"
3. Einst spazierte Kaiser Rudolf iu ganz einfachen Kleidern durch Maiuz.
Es war ein kalter Morgen, und ihm froren die Hände. Um sich zu er-
wärmen, trat er in das Haus eines Bäckers und stellte sich an den Ofen.
Die Bäckersfrau, die ihn für einen gewöhnlichen Kriegsknecht hielt, schimpfte
auf ihn und auf den Kaiser und sagte: „Troll dich fort, du schäbiger Hund,
zu deinem Bettelkaiser, der mit seinen Pferden und Knechten das ganze Land
aufzehrt." Als Rudolf hierüber lachte, wurde die Frau so zornig, daß sie
einen Eimer voll eiskalten Wassers ergriff und es ihm über den Kopf goß.
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beschwerlich. Deshalb suchte man einen Seeweg nach Ostindien, den man
auch bald fand: Man fuhr um Afrika herum. Christoph Kolumbus, ein
kühner Seefahrer aus Genua, aber sagte: „Da die Erde eine Kugel ist, muß
man auch nach Ostindien kommen, wenn man immer nach Westen fährt."
Er wollte einen neuen Seeweg nach Ostindien suchen und bat deshalb den
König von Spanien um Schiffe. Da sagten Gelehrte: „Du Tor, segelst du
nach Westen, so
gehts ja immer
bergunter; wie
willst du denn
denwasserberg
wieder herauf-
kommen?"
Erst acht Jahre
später erhielt
Kolumbus von
der Königin
von Spanien
drei schlecht ge-
baute Schiffe.
2. Am 3.
August 1492
fuhr Kolum-
bus voll küh-
nen Mutes mit
90 Mann von
Spanien ab,
hinaus in das
wilde, unbe-
kannte Meer.
Derwind blies
günstig, und
pfeilschnell
fuhren die
Schiffe dahin.
Alles ging
anfangs gut.
Aber wo war das gesuchte Land? Schon 60 Tage lang hatte die Fahrt
gedauert, und noch immer sah man nichts als Wasser und Himmel. Da
wurden auch die Mutigsten ängstlich; zitternd sagten sie: „Was soll aus
uns werden? Wir alle müssen ertrinken!" Nur einer verlor den Mut
keinen Augenblick; das war Kolumbus. Er rief den Verzagten zu: „Seid
getrost, bald ist das Ziel erreicht!" Uuermüdet stand er Tag und Nacht
auf dem Verdeck, schaute nach Westen und leitete das Schiff. Doch endlich
waren die Matrosen der Verzweiflung nahe; in wilder Wut stürzten sie auf
Kolumbus los und drohten, ihn über Bord zu werfen, wenn er nicht sogleich
umkehre. Ruhig erwiderte der unerschrockene Manu: „Nur noch drei Tage
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Extrahierte Personennamen: Christoph_Kolumbus Kolumbus August Kolumbus Kolumbus
Extrahierte Ortsnamen: Ostindien Afrika Genua Ostindien Ostindien Spanien Spanien Spanien
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völkerung zog der von ganz Europa bewunderte Held wieder in Berlin ein.
Als wenige Tage danach beim Dankgottesdienst das Lied „Herr Gott, dich
loben wir!" angestimnit wurde, senkte Friedrich demütig das Haupt und
brach in Tränen aus.
4. Schlesien hatte durch den langen Krieg sehr gelitten. Viele Dörfer
waren niedergebrannt, die Fluren verwüstet, die schlesischen Bauern verarmt.
Nach Beendigung des Krieges ließ Friedrich der Große etwa 300 Dörfer
neu aufbauen. Zur Bestellung der Äcker bekamen die Bauern Saatkorn,
Vieh und Pferde. Außerdem ließ der König noch 9 Millionen Mark unter
sie verteilen. — Friedrich der Große sorgte jedoch als rechter Landes-
vater nicht nur für das Wohl der Schlesier, sondern auch für das aller
seiner Untertanen. Er ließ sumpfiges Land trocken legen und Straßen und
Kanäle erbauen. Für die Jugend sorgte er, indem er Schnlhänser bauen
ließ und tüchtige Lehrer anstellte. Von den Richtern verlangte der gerechte
König, daß sie ohne Ansehen der Person urteilten.
5. Bei Potsdam besaß Friedrich der Große das Schloß Sanssouci
lspr. sangsnsi), neben dem eine Windmühle stand. Da ihr Geklapper den
König störte, wollte er sie kaufen und niederreißen lassen. Er bot dem
Eigentümer der Mühle dreimal soviel, als sie wert war. Dem Müller war
sie jedoch um keinen Preis feil, weil er sie von seinem Vater geerbt hatte.
Da sagte Friedrich der Große: „Wisset ihr auch, daß ich gar nicht nötig
habe, viele Worte zu machen? Ich lasse eure Mühle taxieren, euch bezahlen
und dann sie abbrechen." Als der unerschrockene Müller das hörte, lächelte
er und erwiderte: „Gut gesagt,
allergnädigster Herr, wenn nur
das Kammergericht in Berlin
nicht wäre!" Diese freimütige
Rede gefiel dem König; er-
dachte von nun an nicht mehr
an den Abbruch der Mühle.
6. Friedrich der Große
teilte seine Zeit genau
ein; jeden Augenblick benutzte
er gewissenhaft. Schon morgens
3 Uhr stand er auf und widmete
sich mit größtem Fleiße den
Regiernngsgeschäften. Vormit-
tags und nachmittags arbeitete
er entweder allein oder mit
seinen Ministern; er las Be-
richte, schrieb Briefe, hörte Bitt-
steller an oder begab sich zur
Parade. Vor Tisch ritt er
fast immer aus. Dabei trug er stets einen Krückstock, und seine drei oder
vier Windspiele folgten ihm. Punkt 12 Uhr wurde zu Mittag gespeist;
hierbei unterhielt er sich lebhaft mit seinen Güsten. Abends fand im Schlosse
ein Konzert statt, bei dem Friedrich oft die Flöte blies. Erst gegen Mitter-
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_demütig Friedrich Friedrich Friedrich_der_Große Friedrich Friedrich Friedrich_der_Große Friedrich Friedrich_der_Große Friedrich Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Europa Berlin Potsdam Berlin
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meinen Eltern, meinem Lande nrib meiner Ehre schuldig bin!“ Bald darauf
verließ der tugendhafte Jüngling Holland.
2. Im Jahre 1640 bestieg Friedrich Wilhelm, ein Nachkomme Friedrichs I.,
erst 20 Jahre alt, den Thron seiner Väter. Der 30 jährige Krieg war damals
noch nicht beendigt. Die Feinde hielten Brandenburg zum Teil noch besetzt.
Viele Städte und Dörfer waren zerstört, weithin sah man kein Haus mehr.
Unzählige Bewohner des Landes waren von den Feinden getötet worden.
Die noch Lebenden aber waren meist Bettler, und die Jugend wuchs ohne
Unterricht ans. Der junge Kurfürst hatte eine schwere Aufgabe, aber er
verzagte nicht.
3. Zunächst verbesserte und vergrößerte Kurfürst Friedrich Wilhelm
sein Heer und vertrieb damit die Feinde ans seinem Lande, Als dann im
Jahre 1648 Friede geschlossen wurde, sorgte er mit großem Eifer für seine
Untertanen. Er ließ Städte und Dörfer bauen und Saatkorn, Vieh und
Ackergeräte unter die Bauern verteilen. Jeder Landmann mußte einen Garten
hinter seinem Hanse anlegen. Bevor er heiratete, mußte er wenigstens sechs
Obstbünme pfropfen und sechs Eichbäume pflanzen. Ans Holland und der
Schweiz ließ der Kurfürst Ansiedler kommen, die die menschenleeren Gegenden
bevölkerten. Auch gründete er Kirchen und Schulen, legte Fahrstraßen und
Brücken an und ließ die Oder mit der Spree durch den Friedrich-Wilhelms-
Kanal verbinden.
4. Als die Franzosen einst in der Pfalz einfielen, zog Friedrich
Wilhelm dahin, um sie zu vertreiben. Da hetzte der König von Frankreich
die Schweden gegen ihn ans. Während der Kurfürst mit seinem Heere am
Rheine stand, fielen die Schweden unerwartet in Brandenburg
ein und brannten und raubten. Da keine Soldaten im Lande waren, be-
schlossen die wackern Bauern Brandenburgs, sich selbst zu helfen. Sie schrieben
auf ihre Fahne: „Wir sind Bauern von geringem Gut und dienen unserm
Kurfürsten mit Leib und Blut“ und zogen mit Spießen, Heugabeln, Dresch-
flegeln und Sensen gegen den Feind. Leider konnten sie ihn aber nicht ver-
treiben. — Als Friedrich Wilhelm von dem Einfall der Schweden erfuhr,
eilte er mit seinem Heere in die Heimat und stieß im Jahre 1675 bei
Fehrbellin, nordwestlich von Berlin, auf die zweimal so starken Feinde.
Dort angekommen, rieten ihm die Generäle von einer Schlacht ab, weil die
Soldaten noch ermüdet seien. Der Kurfürst jedoch stellte sich an die Spitze
seines Heeres, rief: „Getrost, Soldaten, ich will siegen oder mit euch sterben!“
und griff den Feind an. Mit gezogenem Degen sprengte er den Seinen voran
und focht mitten im dichtesten Kugelregen. Die Brandenburger kämpften mit
Löwenmut, und bald eilten die Schweden in wilder Flucht davon. Über
diesen glänzenden Sieg staunte alle Welt.
5. Während der Schlacht bei Fehrbellin ritt der Große Kurfürst, wie
die Sage erzählt, einen Schimmel. Dies wußten die Feinde und schossen
fortwährend ans ihn, so daß er in großer Lebensgefahr war. Als Froben,
sein Stallmeister, dies merkte, beschloß er, sein eignes Leben zu opfern, um
das seines Herrn zu retten. Er gebrauchte eine List und rief dem Kurfürsten
zu: „Herr Kurfürst, euer Schimmel ist scheu, besteigt meinen Braunen!“
Dieser merkte die Absicht Frobens nicht und ging auf den Tausch ein.
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TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T85: [Friedrich Schlacht Heer Sachsen Schlesien Sieg König Böhmen Feind Kaiser], T38: [Friedrich Wilhelm König Kaiser Iii Prinz Jahr Preußen Vater Sohn], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrichs_I. Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich
Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Holland Brandenburg Holland Frankreich Schweden Rheine Brandenburg Brandenburgs Schweden Fehrbellin Berlin Schweden Fehrbellin
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30. Friedrich Wilhelm 1. <1713—1740)
1. Friedrich Wilhelm I. war ein sehr sparsamer Fürst. Stets trug er
den einfachen Soldatenroch und seine Töchter mußten ihre Kleider meistens
selbst verfertigen. Er aß gewöhnliche Hausmannskost und saß aus hölzernem
Schemel. Von den 100 Hofbeamten seines Vaters behielt er nur 12; die
übrigen entließ er. Auch verkaufte er die prächtigen Wagen und Pferde,
die goldenen und silbernen Geschirre seines Vaters, um die Schulden zu
bezahlen. Jeden Sonntag ging die königliche Familie zur Kirche. An den
Werktagen arbeitete der pflichttreue König von früh bis spät. Er verlangte
aber auch, daß seine Beamten ihre Pflicht taten. Wehe dem, der sich etwas
zu schulden kommen ließ! Einmal erfuhr der König, daß der Torschreiber
in Potsdam morgens lange schlief. Die Bauern, die in die Stadt zu Markte
wollten, mußten oft lange warten, bis das Tor geöffnet wurde. Da ging
Friedrich Wilhem 1. selbst hin und prügelte den Langschläfer mit den Worten:
„Guten Morgen, Herr Torschreiber!" aus dem Bette heraus.
2. Da viele Kinder damals noch unwissend blieben, gründete Friedrich
Wilhelm I. etwa 1800 Schulen. Auf seinen Befehl mußten die Schüler
im Christentum, Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichtet werden. Einst
besuchte der König eine Dorfschule. Als er hierbei bemerkte, daß ein kleiner
Knabe flott rechnen konnte, schenkte er ihm zwei Gulden und schickte ihn ans
eine gute Stadtschule.
3. Eine große Vorliebe hatte Friedrich Wilhelm I. für die Soldaten,
die er seine „lieben blauen Kinder" nannte. Er vergrößerte sein Heer be-
deutend, und ließ die Soldaten tüchtig exerzieren. Es herrschte strenge Zucht;
fast für jedes Vergehen gab es Stockprügel. In Potsdam bestand ein
Regiment aus 2400 Riesen. Von diesen war der Flügelmann 2,57 m groß.
Diese „langen Kerle" hatte der König besonders gern.
4. Es machte dem König viel Vergnügen, jeden Abend eine Anzahl'
von Generälen und Ministern um sich zu versammeln. Diese Gesellschaft
nannte man das Tabakskolleginm. Da wurde nämlich eine Pfeife Tabak
geraucht, Bier getrunken, Butterbrot gegessen, und man erzählte allerlei Ge-
schichten und Späße.
5. Im Jahre 1740 starb Friedrich Wilhelm I. Er hinterließ seinem
Nachfolger ein gut geübtes Heer und einen reichen Staatsschatz.
31. Friedrich Ii., der Große. (1740—1786)
1. Friedrich der Große wurde im Jahre 1712 zu Berlin geboren und
streng erzogen. Sein Vater wünschte, daß er ein tüchtiger Soldat werde.
Deshalb waren seine ersten Spielsachen Flinte, Säbel und Trommel. In
seinem achten Jahre exerzierte der Kronprinz häufig mit einem kleinen Gewehr.
Als er zehn Jahre alt war, mußte er trotz Wind und Wetter als gemeiner
Soldat vor dem Schlosse Schildwache stehen. Der Kronprinz hatte aber
keine Lusl zum Exerzieren. Am liebsten las er französische Bücher oder blies
die Flöte. Hierüber wurde der Vater sehr böse; denn er fürchtete, sein Sohn
werde niemals ein rechter Soldat werden. Er schalt ihn deshalb und sagte:
„Fritz ist ein Qnerpfeifer und Federfuchser; er macht sich nichts aus den
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Extrahierte Ortsnamen: Potsdam Christentum Potsdam Berlin
Hrsg.: Warnecke, Johannes, Debus, Gustav, Kruse, Otto, Finckh, Karl
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Taubstummenschule
Schultypen Allgemein (WdK): Taubstummenschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
14
das Deutsche Reich von neuem aufrichten. — Diese Sage hat sich am
18. Januar 1871 erfüllt. An diesem Tage hat Kaiser Wilhelm I. die Staaten
Deutschlands zu einem mächtigen Deutschen Reiche vereinigt. Kaiser Wilhelm I.
ist auf dem Kyffhäuser ein herrliches Denkmal errichtet worden.
15. Das Ritterleben.
1. Auf vielen Bergspitzen unseres Vaterlandes sieht mau zerfallene
Burgen. Hier wohnten einst die Ritter, die zu Roß kämpften und ganz
in Eisen, in eine Rüstung, gekleidet waren. Ein Panzer schützte Brust und
Rücken, ein Helm das Haupt, ein Visier das Gesicht, Schienen Arme lind
Beine. Als Waffen dienten Schwert, Lanze und Schild. Wollte ein Edel-
knabe Ritter werden, so mußte er schon in seinem 7. Lebensjahre in das
Schloß eines anderen Ritters gebracht werden und hier fleißig mit den
Waffen üben. Mit 14 Jahren wurde er Knappe und durfte von nun an
seinen Herrn ans die Jagd und in den Krieg begleiten. Erst im 21. Lebens-
jahre wurde er Ritter. Als solcher mußte er am Altare feierlich versprechen,
die Wahrheit zu reden, die Religion und die Witwen und Waisen zu be-
schirmen und dem Fürsten treu zu dienen.
2. Ilm Mut und Geschicklichkeit zu prüfen, fanden oft Ritterspiele
statt. Dann erschienen die Ritter in prächtiger Rüstung hoch zu Roß und
ritten mit eingelegter Lanze gegeneinander. Wer den Gegner aus dem Sattel
hob, war Sieger. Dieser erhielt von den Damen als Preis einen Kranz,
einen Helm, ein Schwert oder gar eine goldene Kette. — Kam der Feind
ins Land, so zogen die Ritter ihm mutig entgegen. Hatten sie ihn besiegt,
so war großer Jubel in den Burgen, und abends wurden beim Weine Er-
lebnisse ans dem Kampfe erzählt.
3. Später verarmten viele Ritter durch Verschwendung. Um sich Unter-
halt zu verschaffen, führten sie dem Landmanne sein Vieh von der Weide,
mähten ihm in der Nacht das Getreide ab und brachten es durch ihre Knechte
heimlich in ihre Burgen. Oft zündeten sie auch seine Hütte an. Der Land-
mann stand meist wehrlos da; niemand verhalf ihm zu seinem Rechte. Nicht
besser erging es den Kaufleuten, die mit ihren Wagen, auf welchen sich kost-
bare Waren befanden, an den Burgen vorüberfuhren. Im Walde oder an
der Landstraße lauerten die Ritter denselben auf und raubten ihnen Hab und
Gnt. Deshalb nannte man diese Ritter Raubritter. Zur Zeit der Raub-
ritter war große Not im Lande.
16. Rudolf von Habsburg. (1273)
1. Graf Rudolf von Habsbnrg wurde im Jahre 1273 deutscher Kaiser.
Bevor er die Regierung antrat, hatte das deutsche Reich 16 Jahre lang
keinen Kaiser. Während dieser kaiserlosen Zeit hausten die Raubritter schlimmer
als früher. Niemand war da, die Schwachen gegen die Starken zu schützen.
Kaiser Rudolf aber duldete ein solches Unrecht nicht. Er verbot das'rauben,
und als die Raubritter sein Verbot nicht achteten, zog er mit einem starken
Heere gegen sie und ließ ihre Bnrgen erstürmen und zerstören. In Thüringen
allein zerstörte er 60 solcher Raubnester. Die Räuber selbst aber ließ er alle
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm_I. Wilhelm_I. Wilhelm_I. Wilhelm_I. Rudolf_von_Habsburg Rudolf Graf_Rudolf_von_Habsbnrg Rudolf Rudolf Rudolf
Hrsg.: Warnecke, Johannes, Debus, Gustav, Kruse, Otto, Finckh, Karl
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Taubstummenschule
Schultypen Allgemein (WdK): Taubstummenschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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miteinander hangen. Rudolf von Habsbnrg war nicht nur ein strenger und
gerechter, sondern auch ein frommer und leutseliger Fürst.
2. Als Rudolf noch Graf war, ritt er einmal auf die Jagd und kam
dabei an einen Bach, dessen Brücklein von den Wellen weggerissen worden
war. Daselbst bemerkte er einen Priester, der seine Schuhe auszog und den
Bach durchwaten wollte. Der Graf fragte den Diener Gottes, warum er dies
thue. Dieser erwiderte, er wolle einend Sterbenden das heilige Abendmahl
reichen. Als Rudolf dies hörte, sprang er schnell voin Pferde und überließ
Rudolf von Habsburg bestraft die Raubritter.
dieses dem Priester. Letzterer ritt darauf eiligst zu dem Kranken. Am anderen
Morgen wollte der Priester das Roß dankend zurückgeben; Rudolf aber
sagte: „Ich besteige dieses Roß nie wieder zu Jagd und Streit, da es
meinen Schöpfer getragen hat. Behaltet es und gebrauchet es auch künftig
im Dienste des Herrn!"
3. Einst spazierte Kaiser Rudolf in ganz einfachen Kleidern durch Mainz.
Es war ein kalter Morgen, und ihm froren die Hände. Um sich zu er-
wärmen, trat ec in das Haus eines Bäckers und stellte sich an den Ofen.
Die Bäckersfrau, die ihn für einen gewöhnlichen Kriegsknecht hielt, schimpfte
auf ihn und ans den Kaiser und sagte: „Troll dich fort, du schäbiger Hund,
zu deinem Bettelkaiser, der mit seinen Pferden und Knechten das ganze Land
aufzehrt." Als Rudolf hierüber lachte, wurde die Frau so zornig, daß sie
einen Eimer voll eiskalten Wassers ergriff und ihm dieses über den Kopf goß.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T7: [König Kaiser Rudolf Friedrich Sohn Böhmen Haus Karl Ludwig Albrecht], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde]]
TM Hauptwörter (200): [T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk], T171: [Heinrich Otto Herzog Kaiser König Friedrich Sohn Konrad Sachsen Schwaben]]
Extrahierte Personennamen: Rudolf_von_Habsbnrg Rudolf Rudolf_noch_Graf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf_von_Habsburg Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf