Von der Begründung des päpstlichen Uebcrgewichtes ic.
141
§. 27. Frankreich und England.
Die königliche Familie der Capetinger, welche Uber Frankreich
von 987 — 1328 regierte, hatte anfangs wenig Macht und Ansehen,
da die Herzöge und Grasen des Reichs ihr bis aus den königlichen
Titel gleichstanden. Es blieb darum den ersten Capetingern nichts übrig,
als die weltlichen und geistlichen Reichsfürsten in allen Rechten und
Besitzungen zu bestätigen. Freilich wurde dadurch die Verwirrung erst
recht bedeutend. Denn die übermüthigen Grafen und Barone, welche
sich durch die Erklärung des Königs in ihren wirklichen und ange-
maßten Rechten befestigt glaubten, betrugen sich seitdem als unum-
schränkte Herrn, befehdeten einander und benutzten ihr Uebergewicht
dazu, schwächerern Gutsbesitzern ihr Eigenthum zu entziehen und sich
anzueignen. So bildete sich das Faustrecht zu einem bedenklichen
Grade aus und unterdrückte den freien Mittelstand. Die Kreuzzüge
wurden für die Macht des französischen Adels besonders verderblich;
sie hoben, wie S. 121 erwähnt ist, das königliche Ansehen und för-
derten die Entwickelung des Bürger- und Bauernstandes.
Die Capetinger hatten seit Hugo Capet (987 — 996» die Sitte
beobachtet, noch bei ihren Lebzeiten ihre Nachfolger krönen zu lassen
und sie als Mitregenten anzuerkennen. Diese Regel wurde so lange
befolgt, bis die königliche Macht des eapetingischen Hauses fest genug
gegründet schien und der Adel das Erbrecht nicht mehr bestritt. Be-
sonders hob Ludwig Vi. (1108 —-1137» durch seine Klugheit die
königliche Macht. Da die Städte durch die Vermehrung des Handels
und der Gewerbe zu größerem Wohlstände gelangt waren, suchte der
räuberische Adel sie zu drücken und anszusaugen. Die Städte er-
strebten ihrerseits selbständige Gerichtsbarkeit und freie Gemeindever-
fassungen. Ludwig gab auf den Rath Suger's, des weisen Abts von
St. Denps, nicht nur auf seinen Gütern die Leibeigenen frei, sondern
ertheilte auch den Städten seines unmittelbaren Gebietes für Geld
Freiheitsbriefe. Die Städte wählten nun ihre Räthe, einen Maire
und führten die Waffen unter eignen Anführern, um die Gewalt des
Adels abzuwehren und ihre Freiheiten zu behaupten. Auch die Großen
erkauften seitdem ihren Städten solche Rechte und Freiheiten, welche
dem Wunsche der Städte gemäß der König zu schützen bereit war.
Eine Folge dieser Gemeindeeinrichtungen war, daß Handel und Gewerbe
aufblühten, der Bürgerstand sich ausbildete und das Ansehen des
Königs wuchs, die Macht des Adels sank. Ludwig Vii. (1137—1180)
folgte seinem Vater im 18. Jahre. Er war bereits mit Eleonore, der
Die
Capetinger
vermögen den
Uebermuth
des Adels
nicht zu
zügeln.
Ludwig Vi.
1108 -1137
hebt das
königliche
Ansehen,
indem er die
Städte be-
günstigt und
schützt
Ludwig Vii.
scheidet sich
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Extrahierte Personennamen: Hugo_Capet Ludwig_Vi Ludwig Ludwig Ludwig_Vii Ludwig Ludwig_Vi Ludwig Ludwig_Vii Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich England Frankreich
Das römische Reich unter den Imperatoren. 53
28. Die neue Einrichtung, welche Constantinus mit dem Sinne und
Blicke eines großen Baumeisters schuf, war, wie sie alten Uebelständen
abhalf, von neuen begleitet. Wurden diejenigen, welche die Geschäfte
der Verwaltung trieben, dem Herrscher gegenüber in regelmäßige For-
men gezwängt, so verbreitete sich durch die Gründung eines so durchge-
führten Beamtenthums eine Geschäftigkeit, welche auf die Bewohner
des Reiches einen schweren Druck legte. Dieß mußte um so mehr der
Fall sein, als durch die neue Negierungsweise das Geldbedürfniß des
Hofes und mit ihm die Steuerlast gewachsen war. Es diente Niemand
mehr dem Staate anders als für Besoldung und die Zahl derjenigen,
welche in Staatsgeschäften standen, war ungeheuer. Eine der bedeu-
tendsten neuen Steuern, welche durch das erhöhte Geldbedürfniß her-
vorgerufen wurden, war die Grundsteuer, welche immer für 15jährige
Fristen festgestellt wurde und die man mit dem ursprünglich ihre Ankün-
digung bezeichnenden Namen Jndiction benannte. Bei ihrer Erhebung
war der Willkühr und Ungerechtigkeit ein weites Feld geöffnet. Ihr
Betrag richtete sich nicht nach der Ergiebigkeit der Güter, sondern nach
dem Gesammtbetrage, den jede Provinz aufzubringen hatte. Die Sache
der Beamten war es also, sie zu vertheilen. Dabei wurde auf Ver-
heerung durch Einfälle von Barbaren keine Rücksicht genommen. Außer-
dem ließ Bestechlichkeit der Beamten auch Befreiungen für Reiche auf
'Kosten Aermerer zu. Die Unredlichkeit der Beamten war aber in einer
sittlich versunkenen Zeit etwas Gewöhnliches und, während der unred-
liche niedere Beamte im Falle einer Berufung sich den Schutz des
höheren zu erkaufen Mittel fand, war die Berufung von den Entschei-
dungen der prätorischen Präfecten an den Herrscher sogar durch ein
Gesetz untersagt. Die Leiden der Gedrückten mehrten sich oft noch durch
eine Maßregel, die dem gewaltthätigen Mißbrauch der Aemter zu steuern
bestimmt war, durch den in der Regel zweijährigen Wechsel der
Beamten. Wurde dadurch auf der einen Seite der Ausübung von Un-
gerechtigkeiten ein Ziel gesetzt, so ließ auf der andern Seite die Kürze
der Zeit die Beamten nicht zu voller Einsicht in die Verhältnisse ihrer
Bezirke und zu Befreundung mit deren Bewohnern kommen. So ent-
stand eine allgemeine Zerrüttung des Besitzstandes. Zn derselben ent-
wickelte sich ein neuer Stand unter den Bewohnern des Reiches, eine
besondere, von der Sklaverei verschiedene Unfreiheit, das Colonat.
Verarmte Grundbesitzer oder solche, welche zu verarmen fürchteten,
übergaben sich und ihre Güter größeren, und bauten ihre bisherigen
Güter nun für die neuen Besitzer, indem sie mit den ehemals ihnen
gehörigen Grundstücken unzertrennlich verbunden blieben, als Colonen.
Nicht selten sahen sich zum Eintritt in diesen Stand Decurionen der
Städte gezwungen, die für das Aufbringen der ihren Städten auferlegten
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280 Das oströmische Reich bis zum Ende des elften Jahrhunderts.
serlichen Dur, war im Laufe der Zeit durch Bildung einer Aristokratie
beschränkt worden, die noch lange Zeit gegen ein Bestreben nach Aus-
bildung einer demokratischen Verfassung zu kämpfen hatte. So bestand
vereinzelt unter den Reichen Europas im nördlichen Winkel des adria-
tischen Meeres ein Freistaat. In den Kämpfen dieses Freistaates mit
Ungarn ging der kroatisch-dalmatische Staat zu Grunde, dessen Beherr-
scher Demetrius im Jahre 1076 Gregor Vh. zum Könige ernannt hatte,
indem er ihn, wie es vorher mit den normannischen Herzogen geschehen
war, in Lehenspflicht nahm, um auch auf diesem von den Oströmern
aufgegebenen oder verlorenen Gebiete die Bildung christlicher Staats-
verhältnisse zu sichern. Die Gefahr, welche die Normannen dem ost-
römischen Reiche brachten, knüpfte ein näheres Verhältniß Venedigs zu
demselben. Da die Venetianer durch ihre Seemacht, welche selbst das
adriatische Meer zu sperren stark genug war, dem Reiche den besten
Schutz von Westen gewähren konnten, zog Alexius sie durch ausgedehnte
Begünstigung, die er ihrem Handel im Osten gewährte, auf seine Seite
und trat die Länder Istrien und Dalmatien, wo ohnehin die Macht des
Reiches fast erloschen war, an sie ab. So ward der Grund zu einer
Herrschaft der Venetianer auf der ihrer Hauptstadt entgegengesetzten
Küste gelegt und es begannen lange Streitigkeiten zwischen ihnen und
dem ungarischen Reiche, in welchen das zur See mächtige Venedig auch
eine bedeutende Landmacht erwarb. Selbstständig, wie Venedig sich
zwischen den Kaiserthümern des Ostens und Westens erhoben, hatte es
auch in kirchlicher Hinsicht eine abgesonderte Stellung gewonnen. Als
in Folge des Streites über die drei Capitel ein vorübergehendes Schisma
die Kirchenproviuz Aquileja von der Kirche getrennt, hatte der dortige
Erzbischof, um die Trennung noch entschiedener zu bezeichnen, den Titel
eines Patriarchen angenommen. Zum Haupte der an dem Schisma
nicht betheiligten Bischöfe jener Kirchenprovinz erhob sich nun der Bischof
von Grado, der, um seine Gleichstellung mit dem schismatischen Metro-
politen auszusprechen, sich ebenfalls den Patriarchentitel beilegte. Nach
Aufhebung des Schismas veranlaßte der Anspruch des Patriarchen von
Aquileja auf Herstellung des Metropolitansprengels vielfache Streitig-
keit mit dem Patriarchen von Grado, in welche auch der venetische
Staat verwickelt wurde, weil ihm an der Aufrechthaltung des kleineren
seinem Gebiete mehr entsprechenden Patriarchates gelegen war. Erst
Leo Ix. hatte den Streit dadurch geschlichtet, daß er dem Patriarchate
von Grado Venetien und Istrien als Sprengel anwies, und eine noch
nähere Verknüpfung des jüngeren Patriarchates mit dem venetischen
Staate, eine Verknüpfung, welche die Kirche allzusehr unter weltlichen
Einfluß stellte, entstand dadurch, daß der Sitz des Patriarchen alsbald
aus dem herabgekommenen Grado nach Venedig verlegt wurde.
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Extrahierte Personennamen: Gregor_Vh Gregor Alexius Aquileja Leo_Ix Leo
Extrahierte Ortsnamen: Europas Istrien Dalmatien Venedig Venedig Grado Grado Grado_Venetien Istrien Grado Venedig
444 Das römisch-deutsche Reich in den Leiden nächsten Jahrhunderten
1282 zu einer Verfassung, nach welcher die Vorsteher von sechs höheren
Gewerbsgenossenschaften oder Zünften die Negierung bildeten, und da
reichere Bürger ebenfalls leicht in Streit miteinander geriethen und der
über seine Erniedrigung grollende Adel denselben schürte, folgte zehn
Jahre später die Einsetzung eines Bannerherrn oder Gonfaloniere der
Gerechtigkeit. Zugleich wurde die Demokratie dadurch befestigt, daß
der Adel an Rechten tiefer als die Bürgerlichen gestellt und für Ver-
dienst um den Staat die Aufnahme von Adeligen in den Bürgerstand
als Belohnung eingeführt wurde. Desto heftiger wurde der Grimm des
Adels gegen die hervorragenden Bürgergeschlechter. Ein innerer Zwist
in Piftoja vermehrte durch die Art, wie Florenz sich einmischte, den
Zündstoff, den dieses schon in sich barg. Die Florentiner zogen, um
durch Tilgung des dortigen Streites den Gibellinen die Hoffnung auf
Erlangung der Gewalt abzuschneiden, die Häupter der Parteien, der
Schwarzen und der Weißen, in ihre Stadt. Nun schlossen sich die
Weißen an ein hervorragendes Bürgergeschlecht an, und dieses nannte
sich nebst seinem Anhänge mit dem Namen derselben, der dadurch, weil
auf der entgegengesetzten Seite der welsische Adel stand, sich der Be-
deutung nach nun ebenso dem der Gibellinen, wie der Name der
Schwarzen dem der Welfen näherte. Da jetzt die demokratische Partei
die gibellinische geworden war, unterlagen die Welfen, indem die Vor-
steher der Zünfte die Häupter beider Parteien zur Herstellung der Ruhe
aus der Stadt wiesen, aber den Weißen die Rückkehr erlaubten. Hier-
durch wurde die Berufung Karls von Valois durch Bonifacius Viii.
veranlaßt, und eine Folge davon ist die welsische Haltung von Florenz
zur Zeit Heinrichs Vii. Die Gewalt lag in den Händen des höheren
Bürgerstandes, und die Negierung führte eine Signorie, zu welcher die
Vorsteher der Zünfte und der Gonfaloniere gehörten. Daß aus dem
höheren Bürgerstande sich eine Aristokratie entwickle, suchte man durch
Einführung eines Ostracismus zu verhüten, die im Jahre 1323 stattfaud.
Doch vorübergehende Ereignisse und augenblickliche Besorgniß führten
auch zur Ernennung eines Signore. Dieses Amt bekleideten König
Robert, Castruccio und Roberts Sohn Karl. Als von dem dritten
dieser Signoren, der zum Schutze gegen den zweiten erwählt war und
eine unumschränkte Gewalt zu üben angefangen hatte, dessen Tod sie im
Jahre 1328 befreite, dauerte es nicht lange, bis sie, ungeachtet der ge-
machten Erfahrungen, wieder einen wählten. Ein Krieg, den sie um
Lucca mit dem von Luchino Visconti unterstützten Pisa führten, versetzte
sie in Bedrängniß und erregte Sehnsucht nach kräftiger einheitlicher Lei-
tung. Einer der abendländischen Fürsten, deren sich nach Vernichtung
des lateinisch-oströmischen Reiches im Bereiche desselben noch manche
erhalten hatten, Walther von Brienne, Herzog von Athen, war damals
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