C. Überblick über das ganze Land.
1. Geschichtsabriß.
§215. Vom 6. Jahrhundert an drangen von 0 her die slawischen Sorben in das Gebiet
unseres jetzigen Königreichs Sachsen ein, nachdem es von dem ursprünglich hier sitzenden
germanischen Volksstamm der Hermunduren verlassen worden war. Die Wieder-
eroberung des Landes durch die Deutschen setzte im 10. Jahrhundert ein und
begann mit der Anlage der Burg Meißen (928) durch Heinrich I., der 930 die Gründung
der Grenzfeste oder Mark Meißen und des Bistums Meißen durch den Kaiser Otto I.
folgte. 1089 belehnte der deutsche König Heinrich Iv. den Wettiner^ Heinrich I.
von Eilenburg mit der Mark Meißen, welche die beiden sorbischen Gaue Dalaminzi^
und Nisani^ umfaßte. Seitdem ist dieses Land, das den Grundstock des heutigen König-
reichs Sachsen bildet, beständig im Besitze der Wettiner geblieben.
§ 210. 1123 erhielt Konrad von Wettin die erbliche Markgrafenwürde. Im
13. Jahrhundert kamen das Pleißner Land und die Landgrafschaft Thüringen zur Mari-
grafschaft Meißen, und 1270 ward Dresden zur Residenz. Nach Erwerbung des Herzog-
tums Sachsen-Wittenberg erhielt 1423 Friedrich der Streitbare vom Kaiser die
Kur würde. Mark und Herzogtum zusammen führten nun den Namen Kurfürsten-
tum Sachsen.
§ 217. 1485 fand in Leipzig die Teilung der wettinischen Lande unter die beiden Söhne
Ernst und Albrecht des Kurfürsten Friedrich des Sanftmütigen statt. Kurfürst Ernst
erhielt Thüringen und die Westhälfte des Osterlandes^, Herzog Albrecht die
Mark Meißen und die Osthälfte des Osterlandes. Die Ernestinische Linie ver-
legte ihre Residenz nach Wittenberg, die Albertintfche^ behielt Dresden bei. Das Jahr
1539 ward für das Land durch die Einführung der Reformation bedeutend. Infolge
des Schmalkaldischen Krieges erfuhr 1547 das Gebiet der Albertinischen Lande eine
umfängliche Erweiterung, vor allem aber ging die Kurwürde von der Ernestinischen
Linie auf die Albertinische über, und Herzog Moritz ward Kurfürst von Sachsen.
§ 218. 1635 fielen die beiden Lausitzen, die ein Erbland der Krone Böhmens waren,
als Leh en an den Kurfürsten Georg, der dadurch zugleich Markgraf der Lausitzen ward.
Diese Länder blieben Lehen bis 1831, wo sie dem Sächsischen Staate einverleibt wurden.
Friedrich August I., „der Starke", erwarb nach seinem Übertritt znm Katholizismus
1697 die polnische Königskrone, die auch sein Nachfolger noch trug. Seit jener Zeit
ist Sachsens Herrscherhaus katholisch. Im Jahre 1806 ward Sachseu durch Napoleon
zum Königreiche erhoben. Im Wiener Frieden 1815 mußte es den größeren, nörd-
lichen Teil seines Landes, ungefähr die jetzige Provinz Sachsen, an Preußen abtreten
und erhielt damals seine heutige Gestalt und Größe. 1831 bekam das Land eine
Verfassung. 1866 trat Sachsen dem Norddeutschen Bunde bei und gehört seit 1871
zum Deutschen Reiche. Heute regiert König Friedrich Augustm., der 1904 den
Thron bestieg. .u.
1 Die Stammburg der Wettiner liegt bei Halle a. S. auf dem Petersberge.
^ D. i. Gau der Fernwohnenden.
3 D. i. Gau der Bewohner des Niederlandes.
4 Das Osterland umfaßt im wesentlichen die Länder zwischen Saale und Mulde.
* Albert = Albrecht.
TM Hauptwörter (50): [T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T37: [Friedrich Brandenburg Heinrich Herzog Sachsen Land Albrecht Kaiser Mark Johann], T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land]]
TM Hauptwörter (200): [T18: [Mark Brandenburg Land Albrecht Friedrich Kaiser Jahr Markgraf Haus Markgrafe], T55: [Friedrich Kaiser Kurfürst Herzog Sachsen Johann Karl Land Bayern Wilhelm]]
Extrahierte Personennamen: C. Geschichtsabriß Heinrich_I. Heinrich_I. Otto_I. Heinrich_Iv Heinrich Heinrich_I. Heinrich_I. Konrad_von_Wettin Konrad Friedrich Ernst Albrecht Friedrich Friedrich Kurfürst_Ernst Ernst Albrecht Albrecht Moritz Georg Friedrich_August_I. Friedrich August_I. Napoleon Friedrich_Augustm Friedrich Albrecht
Regionen (OPAC): Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
§11.
Staatswesen.
27
Die einzelnen Teile bilden nicht alle räumlich zusammenhängende Gebiete.
So gehört Boizenburg im äußersten W. zu dem die ö. Hälfte des Landes ein-
nehmenden Herzogtum Güstrow, dagegen Malchow und Wareu, im O. gelegen,
zum Herzogtum Schwerin.
2. Für die Verwaltung zerfällt Mecklenburg-Schwerin in
a) Domanium, etwa 5600 qkm (oder 42,6°/0) mit 194 755 Ew. (oder
31,2 °/0),
b) Ritterschaftliche Ämter, etwa 5609 qkm (oder 42,6°/0) mit 117 946 Ew.
(oder 48,9%),
c) Städtische Gebiete, etwa 1500 qkm (oder 11,5°/0) mit 304458 Ew.
(oder 48,7%),
ä) die Klostcrämter Dobbertiu, Malchow und Ribuitz, etwa 450 qkm (oder
3,3%) mit 7786 Ew. (oder 1,2%).
Unter Domanium versteht man das landesherrliche Grundeigentum. Es ist
zur Verwaltung in 23 Domanialämter eingeteilt, welche unter einem Amtshauptmann
stehen. Vom Domanium sind die für den großherzoglichen Haushalt bestimmten Hans-
guter getrennt. Die in jedem Domanialamt liegenden ritterschaftlichen Güter bilden
einen ritterschaftlichen Amtsverband (22, davon 12 zum Mecklenburgischen, 10 zum Wen-
dischen Kreise). Die Klostergüter zerfallen in 3 Klosterämter und das Kloster zum Heiligen
Kreuz in Rostock. Die Städte mit ihrem Gebiet haben eigene Verwaltung.
Ebenso ist Mccklenlmrg-Strelitz eingeteilt in das Domanium, welches etwa
% des Landes (1652 qkm) mit 4 Ämtern, dem Kabinettsamt und dem Fürsten-
berger Amtsbezirk umfaßt, die ritterschaftlichen Güter, etwa % des Landes
(640 qkm), mit 3 ritterschaftlichen Ämtern, und die Städte mit ihrem Gebiet,
etwa % (296 qkm). Das Fürstentum Ratzeburg zerfällt in 5 Vvgteien.
3. Kirchliche Einteilung. Oberbischof der evangelisch-lutherischen Landes-
kirche ist in beiden Mecklenburg der Landesherr. Die Rechte desselben werden
in M.-Schw. wahrgenommen durch den Oberkirchenrat, in M.-Str. durch das
Konsistorium. M.-Schw. ist, wesentlich nach geographischen Gesichtspunkten, in
die 5 Snperintendentureu Schwerin, Parchim, Malchin, Güstrow, Doberan mit
36 Präposituren eingeteilt, zu welchen als 6. und 7. die der Städte Wismar
und Rostock hinzutreten. M.-Str. hat eine Superiuteudeutur Neustrelitz mit
6 Synoden, zu denen sich als 7. die Ratzeburger gesellt.
Die Angehörigen der katholischen Kirche in Mecklenburg werden dem Bistnm
Osnabrück zugerechnet.
4. Rechtspflege. Die beiden Großherzogtümer bilden den Bezirk eines
Oberlandesgerichts mit 4 Landgerichten. Der Sitz des ersteren ist Rostock, der
der letzteren Schwerin, Güstrow (Schwurgericht), Rostock mit 43 Amtsgerichten
und Neustrelitz mit 10 Amtsgerichten.
5. Untcrrichtspflcgc. Zahlreiche Volks-, Bürger- und Mädchenschulen dienen
dem Unterrichte. Schnllehrer-Seminare in Nenkloster, Lübtheen und Mirow.
An Gymnasien zählt M.-Schw. 7 (Doberan, Güstrow, Parchim, Rostock,
Schwerin, Waren, Wismar), 6 Realgymnasien (Bützow, Güstrow, Ludwigslust,
Malchin, Rostock, Schwerin), 2 Realprogymnasien (Grabow, Parchim), 5 Real-
schulen (Rostock, Wismar, Ribnitz, Güstrow und Teterow). M.-Str. besitzt
.» Gymnasien (Friedland, Neubrandenburg, Neustrelitz) und 2 Realschulen
(Neustrelitz und fechönberg). Die höheren Töchterschulen sind überwiegend
Privatanstalten, 3 städtisch, 1 (Neustrelitz) großherzoglich. Laudesuuiversität
zu Rostock.
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T135: [Haff Stadt Stettin Weichsel Ostsee Insel Memel Königsberg Danzig See], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T174: [Preußen Sachsen Hannover Holstein Provinz Königreich Staat Oldenburg Braunschweig Dänemark], T66: [Stadt Kreis Einw. Berlin Einwohner Schloß Regierungsbezirk Sitz Provinz Düsseldorf], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
Regionen (OPAC): Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
§10.
Abriß der Geschichte.
25
Verwicklung in skandinavische Thronstreitigkeiten. Albrecht Iii. 1364 bis 1389 König
von Schweden, 1389 durch Margarete gefangen. Vitalienbrüder.
1419 Stiftung der Universität zu Rostock.
1523 Landständische Union.
1523 bis 1532 Joachim Sinter in Rostock. Reformation in M. Ofsent-
liche Anerkennung derselben 1549 aus dem Landtage zu Sternberg.
Johann Albrecht I. (1547 bis 1576) eifriger Verbündeter des Kurfürsten Moritz
gegen Karl V.
1621. Neue Teilung des Landes in die Herzogtümer Schwerin und Güstrow.
Die Brüder Adolf Friedrich I. von Schwerin und Johann Albrecht Ii.
von Güstrow bestätigen die landständischen Rechte.
l 618 bis 1648 der Dreißigjährige Krieg. Furchtbare Verwüstung durch die Schweden
und die Kaiserlichen.
1628 bis 1639 Herrschaft Wallenfteins. Residenz in Güstrow.
1648 Westfälischer Friede. Erwerbung der Bistümer Schwerin und Ratzeburg.
Abtretung von Wismar, Poel und Neukloster an Schweden. Die Bauern „gelegt".
Christian Louis (1658—1692) Bewuuderer und Verbündeter Ludwigs Xiv.
1695. Die Güstrower Linie stirbt aus. Erbstreitigkeiten innerhalb des
Schweriner Hauses. "
1701. Hamburger Vergleich. Friedrich Wilhelm, Stammvater des älteren,
in Schwerin regierenden Zweiges, erhält die Herzogtümer Schwerin und
Güstrow, Adolf Friedrich Ii., Stammvater des jüngeren, nunmehr in Streich
regierenden, die Herrschaft Stargard (mit Mirow und Nemerow) und das
Fürstentum Ratzeburg» Doch blieben die seitdem getrennten Staaten durch
Erbverbrüderung und den gemeinschaftlichen Landtag verbunden. (S. § 11.)
Karl Leopold (abgesetzt 1728) versucht vergeblich mit Hilfe der Russen die Macht
der Stände zu brechen. Reichsexekution.
1755 Rostocker landesgrnndgesetzlicher Erbvergleich.
(1893 Wismar mit Poel und Neukloster durch Kauf wiedergewonnen.')
Vom November 1896 bis Juli 1897 stand Mecklenburg unter der französischen
Fremdherrschaft, von 1898 bis 1813 gehörte es dem Rheinbunde an („Franzosentid").
1813. Beide Mecklenburg sagen sich zuerst unter allen deutschen Staaten
voin Rheinbünde los.
1815. Friedrich Franz I. (von M.-Schw., am 14. Juni) und Karl Ii. (von
M.-Str., am 28. Jnni) legen sich die großherzogliche Würde bei.
1820 Aufhebung der Leibeigenschast.
1815 bis 1866 gehören die beiden Mecklenburg dem Deutschen, 1867 bis
1871 dem Norddeutschen Bunde, seit 1871 dem Deutschen Reiche an.
1849 wurde in M.-Schw., wie in anderen deutschen Staaten, eine auf Volkswahlen
beruhende Landesvertretung (konstitutionelle Verfassung) eingeführt, doch bereits nach
13 Monaten 1859 auf Betreiben der Ritterschaft durch das Freienwalder Schiedsgericht
wieder aufgehoben. Seit 1851 besteht wieder die alte, mit geringen Abänderungen ans
den früheren Verträgen und dem landesgruudgesetzlichen Erbvergleich von 1755 beruhende
landständische Verfassung.
'Schweden erhielt 5625099^ mit dem Rechte, die Stadt geaen diese Summe
Stnie^n^-m 3°/0 vermehrt i. I. 1993 (bzw. 2993) wiederzüerwerben. 1993:
198941299 Jh. Auf dieses Recht hat es i. I. 1993 für immer verzichtet.
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann], T2: [Schweden Friedrich Heer Schlacht Sachsen König Gustav Kaiser Krieg Schlesien]]
TM Hauptwörter (100): [T34: [Schweden König Gustav Dänemark Preußen Krieg Polen Adolf Frieden Holstein], T37: [Friedrich Brandenburg Heinrich Herzog Sachsen Land Albrecht Kaiser Mark Johann], T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung]]
TM Hauptwörter (200): [T174: [Preußen Sachsen Hannover Holstein Provinz Königreich Staat Oldenburg Braunschweig Dänemark], T55: [Friedrich Kaiser Kurfürst Herzog Sachsen Johann Karl Land Bayern Wilhelm], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T18: [Mark Brandenburg Land Albrecht Friedrich Kaiser Jahr Markgraf Haus Markgrafe], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende]]
Extrahierte Personennamen: Albrecht_Iii Albrecht Margarete Joachim_Sinter Johann Albrecht_I. Moritz Karl_V. Karl_V. Adolf Friedrich_I._von_Schwerin Friedrich_I. Johann_Albrecht_Ii Johann Albrecht Güstrow Christian_Louis_( Ludwigs Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Adolf_Friedrich_Ii Adolf Friedrich Mirow Karl_Leopold Karl Leopold Friedrich Franz_I. Karl_Ii Karl
Ii. Die Bewohner. — 2. Zur geschichtlichen Entwicklung. 21
Kurfürsten des Ernestimschen Hauses.
1. Kurfürst Ernst, Stifter, bis 1486;
2. „ Friedrich der Weise, 1486— 1525;
3. „ Johann der Beständige, 1525— 1532;
4. „ Johann Friedrich der Großmütige, 1532— 1547.
Die Kurwürde geht durch die Wittenberger Kapitulation an die Alb er-
tinische Linie über, die Ernestimschen Fürsten heißen fortan Herzöge von
Sachsen. Der Protestantismus war von ihnen geschützt und gefördert
worden. Martin Luther selbst ist ein Sohn des Thüringer Landes. Johann
Friedrich der Großmütige mußte nach der für die Fürsten des Schmal-
kaldischen Bundes verhängnisvollen Schlacht von Mühlberg (1547) auf
die Kurwürde und auf bedeutende Landesteile verzichten^). Erst nach fünf-
jähriger Gefangenschaft betrat er wieder seine Stammlande (1552) und starb
als „geborner Kurfürst" (1554) zu Weimar. Er gab 1548 die Anordnung
zur Gründung der thüringischen Landesuniversität Jena, welche 1558 durch
den Kaiser bestätigt wurde. Bald begannen nun zahlreiche und verwickelte
Teilungen-); diese führten eine immer weitergehende Zersplitterung in
kleine Gebiete herbei, bis die Einführung des Erstgeburtsrechtes der weiteren
Teilung Einhalt tat. Dies geschah in der Gothaer Linie 1683, in der Weimarer
Linie 1724. Nach und nach starben mehrere der vorhandenen Linien aus, so
daß die übrigen im Jahre 1825 zu einer neuen Länderteilung schritten,
welche die Grundlage der heutigen Verhältnisse in den Ernestimschen
Landen bildet.
Während des Bestehens der Landgrafschaft Thüringen gab es neben den
Landgrafen noch zahlreiche mehr oder weniger unabhängige Grafen und Edle,
wie z. B. die Grasen von Lohra, Scharzfels, Kirchberg, Gleichen, Käfern-
bürg, Orlamünde, Beichlingen, Schwarzburg, Rabenswalde, Hohenstein, die
Edlen von Querfurt, Treffurt, Lobdeburg - Arnshaugk, Salza, Kranichfeld,
Sondershausen; im So von Thüringen, im Vogtland, saßen die Vögte von
Weida, Gera und Plauen; im 8 des Thüringer Waldes die gefürsteten
Grasen von Henneberg. Dazu kamen noch viele geistliche Besitzungen des
Erzbistums Mainz, der Bistümer Würzburg, Zeitz-Naumburg, Merseburg und
Halberstadt, die Abteien Hersfeld und Fulda, sowie zahlreicher Klöster,
z. B. Reinhardsbrunn, Erfurt, Saalfeld, Georgenthal, Ichtershausen, Hom-
bürg, Völkenrode, Oldisleben, Kapellendorf, Bürgel, Paulinzella, Heusdorf,
Pforte usw. Nordhausen und Mühlhausen waren die einzigen freien
Reichsstädte auf thüringischem Boden.
Von diesen Besitzungen kommen für die heute bestehenden Thüringischen
Staaten vor allem die schwarzburgischen und reußischen Gebiete in Betracht.
Gamals an die Albertinische Linie abgetretenen Länder bilden nebst
den thüringischen Besitzungen von Kurmainz den Kern der heutigen preußischen
Gebietsteile.
2) Vgl. hierzu die Übersicht auf der folgenden Seite.
TM Hauptwörter (50): [T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner], T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann]]
TM Hauptwörter (100): [T37: [Friedrich Brandenburg Heinrich Herzog Sachsen Land Albrecht Kaiser Mark Johann], T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land], T5: [Rhein Main Wald Thüringer Teil Schwarzwald Gebirge Neckar Saale Jura], T73: [Stadt Schloß Augsburg Grafe Nürnberg Reichsstadt Bischof Sitz Regensburg Fürst], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
TM Hauptwörter (200): [T96: [Stadt Thüringer Saale Schloß Wald Gotha Dorf Heidelberg Weimar Einw.], T55: [Friedrich Kaiser Kurfürst Herzog Sachsen Johann Karl Land Bayern Wilhelm], T18: [Mark Brandenburg Land Albrecht Friedrich Kaiser Jahr Markgraf Haus Markgrafe], T93: [Bayern Baden Hessen Württemberg Königreich Sachsen Franken Schwaben Land Rhein], T144: [Stadt Frankreich Münster Straßburg Metz Mainz Elsaß Bischof Frieden Trier]]
Extrahierte Personennamen: Kurfürst_Ernst Ernst Friedrich Johann Johann_Friedrich_der_Großmütige Johann Friedrich Martin_Luther Johann
Friedrich Johann Friedrich Salza Henneberg B._Reinhardsbrunn Georgenthal Paulinzella
20
Landeskunde der preußischen Rheinprovinz.
der Neuzeit, als sich von dem Norddeutschen Flachlande her, von wo aus ja die
Gebirgsschwelle leichter zugänglich ist, der aus den Trümmern des Dreißigjährigen
Krieges neu auflebende brandenburgisch-preußische Staat kräftig ausdehnte
in dem zielbewußten Streben, den deutschen Einheitstraum seiner Erfüllung entgegen-
zuführen (1614, 1803, 1815, 1866).
Als der jülich-klevische Erbfolgestreit (1609— 1614) beigelegt und — außer
westfälischen Gebieten - das Herzogtum Kleve Brandenburg zugesprochen
war, gelang es nach dem langen Kriege dem Großen Kurfürsten, diese nörd-
lichste Landschaft unserer Provinz auch innerlich mit seinen östlicheren
Gebietsteilen zu einem Staate zu verbinden. In den übrigen Landschaften
aber fehlte eine solche feste Hand- wiederholt suchten die Franzosen das
Rheinland heim, und ihr Ansturm vernichtete vorübergehend auch die preußische
Herrschaft am Rhein. Es war 1702 auch die Grafschaft Mors sowie
Stadt und „Herrlichkeit" Krefelds und 1713 der Ostteil des Herzog-
tums Geldern (mit Viersen und Geldern) an Preußen gefallen. Aber das
ganze linke Rheinufer kam 1794 bzw. 1801 in französische Höndes-
die deutschen Fürsten ließen sich dafür ablohnen im Reichsdeputationshaupt-
schluß 1803, der die geistlichen Herrschaften (außer Kur-Mainz) von der Karte
Deutschlands tilgte und Preußen u. a. in den Besitz der Abteien Essen
und Werden brachte. Erst nach den Befreiungskriegen konnte Preußen
seinen alten Besitz am Rheine wieder antreten- — durch den Wiener Kongreß
1815 wurde das Rheinland, das der Franzosenzeit wenigstens den ersten
Anflug von Einheitlichkeit (auch im Rechtswesen) verdankte, fast in der jetzigen
Ausdehnung preußisch- man zählte damals 1,9 Mill. Bewohner.
Später kam nur noch das kleine Koburgische Fürstentum Lichtenberg (1834 durch
Kaus) und 1866 der ehemals hessen-homburgische Kreis Meifenheim (s. S. 27) zu
der - seit 1824 so genannten - Rheinprovinz^).
Seit 1821 unterscheidet man die fünf Regierungsbezirke Düffel-
dorf, Köln, Aachen Trier und Koblenz, die i. I. 1910 in 60 Land-
und 19 Stadtkreise zerfielen (s. Vi, Iahlennachweise).
Wie durch die Ereignisse des Jahres 1866 die große Lücke zwischen Rheinland
und Westfalen einerseits und den altpreußischen Provinzen anderseits ausgefüllt
worden ist, so haben die unvergeßlichen Kriegstaten von 1870/71 die deutsch-französische
Grenze von der Saarlinie bis über die Mosel hinaus vorgeschoben. —
Die Großmachtstellung Preußens und des Deutschen Reiches hat auch
auf die Bedeutung des Rheinlandes segensreiche Rückwirkungen ausgeübt-
der mächtige Aufschwung, den seit dem 19. Jahrhundert besonders die
Industrie auf Grund der Ausnutzung der reichen Bodenschätze des Landes
genommen hat, steht dabei in erster Linie, und damit hängt zusammen eine
beträchtliche Zunahme der Bevölkerung, insbesondere der städtischen^).
Am 1. Dezember 1905 zählte man in der Rheinprovinz 6435 778
Menschen (30 Jahre vorher 3 804381)- das macht (vgl. oben S. 1) durch-
!) Vgl. Dr. W. Mushacke, Krefeld zur Zeit der preußischen Besitzergreifung (Kre-
feld 1902), und ders. im Jahresbericht des Naturwissensch. Vereins zu Krefeld, 1906.
2) Wie schon hundert Jahre vorher die Südspitze der Rheinprovinz, die man sogar
im ersten Pariser Frieden 1814 noch bei Frankreich ließ, die sich aber 1815 freiwillig
unter preußische Herrschaft stellte.
s) Neuerdings auch „Provinz Rheinland" genannt.
4) Die Volkszählung vom 1. Dezember 1905 wies 136 Städte mit insgesamt
3,3 Mill. Einwohnern und 3123 Landgemeinden auf.
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner], T35: [Preußen Königreich Bayern Sachsen Staat Hannover Baden König Provinz Land]]
TM Hauptwörter (100): [T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T80: [Rhein Stadt Festung Mainz Maas Straßburg Frankreich Metz Elsaß Deutschland], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T44: [Preußen Polen Brandenburg Provinz Land Schlesien Sachsen Pommer Friedrich Schweden], T66: [Stadt Kreis Einw. Berlin Einwohner Schloß Regierungsbezirk Sitz Provinz Düsseldorf], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet]]
28 Landeskunde der preußischen Rheinprovinz.
Von Kreuznach ab erweitert sich das Tal nach der rechten Seite hin bedeutend,
schließlich aber schneidet die Nahe noch auf 3 km in das Schiefergebirge ein, ehe sie
sich (unter zwei Brücken weg) zwischen der hessischen Stadt Bingen und dem ver-
Kehrsreichen preußischen Orte Bingerbrück (3200 E.) dem Rheine gesellt (vgl. S. 25).
Dort auf der Elisenhöhe soll sich — dem Germania-Denkmal des Niederwaldes
gegenüber — das Bismarck-Denkmal erheben.
3. Der Saargau.
Die beiden Hauptverkehrslinien, die an den Rändern des Pfälzer Berg-
landes — die eine von Kreuznach die Nahe aufwärts, die andere von
Kaiserslautern durch das „Landstuhler Bruch" — dem Kohlengebiete an der
Saar zustreben, treffen zunächst auf einen Zufluß der letzteren, die Bliest,
Diese entspringt zwischen der Nahequelle und dem Schaumberge (f. oben S. 6) und
nimmt bei St. Wendel (282 m über d. M, 6900 E.), der preußischen Kreisstadt mit
schöner Wallfahrtskirche (weiter w. Marpingen), s. Richtung an. Nachdem die
Blies die Nahe-Bahn in ihr Tal aufgenommen hat, tritt sie in das Kohlengebiet
ein. 2. von der Kreisstadt Ottweiler (262 m über d. M, 6900 E.) erreicht man
den Eisenbahn-Knotenpunkt Neunkirchen (34500 E.), in dem das große Eisen-Hütten-
werk des Freiherrn von Stumm mehr als 6000 Arbeiter beschäftigt. Hier biegt die
Blies nach O um und durchfließt nun bayrisches Gebiet' das letzte Stück ihres
Unterlaufes aber schließt mit der Saar die Südspitze der Rheinprovinz ein (vgl. S. 1
u. 20)' ihrer Mündung gegenüber liegt die gewerbreiche deutsch-lothringische Stadt
Saargemünd.
Von der Westseite des Donon (1010 m) im Wasgau kommend, tritt die
Saar zuerst als Grenzfluß an das preußische Rheinland heran, dann ö. vom
Spicherer Berg (267 m; Kämpfe am 6. August 1870) in die Rheinprovinz
hinein und biegt scharf nach W (später nach Nw) um, den Südwestrand des
großen Kohlenbeckens durchfließend. Dort an der Kniestelle ist Saarbrücken
(105 000 E.), der Hauptpunkt des dichtbewohnten Kohlengebiets, in dem
Bergwerksschachte und Koksöfen mit großen Hüttenwerken abwechseln.
Früher unterschied man auf dem linken Ufer die Kreisstadt Saarbrücken
(einstmals Sitz der Fürsten von Nassau-Saarbrücken), auf dem rechten St. Io-
Hann (zwei Brücken) und abwärts Malstatt-Burbach.
Nach allen Seiten führen Schienenwege den umliegenden Landschaften die
„schwarzen Diamanten" zu: s.w. über Forbach nach Metz, die Saar aufwärts nach
Saargemünd und weiter (Glas- und Porzellanmanufaktur), ö. nach dem bayrischen
Iweibrücken; von Neunkirchen her kommt die Rhein-Nahe-Bahn vorüber an den
Kohlenorten Sulzbach (22500 E.) und Dudweiler (24500 E.), in deren Nähe der
„brennende Berg" liegt, ein dampfendes Kohlenflöz, das vor mehr als 200 Iahren
in Brand geraten ist (Goethe 1770). Endlich begleitet eine Eisenbahn die Saar ab-
wärts,' an dieser folgt später Völklingen3) (18100 E.). Zweigbahnen führen nach
rechts in das Kohlengebiet hinein, und eine wichtigere Bahn zweigt nach Lothringen
ab,' dazu kommen elektrische Straßenbahnen.
Schon außerhalb des Kohlenbeckens, aber gewerblich (Eisenhütten) von ihm noch
abhängig, liegt am linken Ufer der Saar die — neuerdings ihres Festungscharakters
entkleidete und durch Eingemeindung vergrößerte — Kreisstadt Saarlouis (Ge-
burtsort des französischen Marschalls Ney? 15300 E., darunter 2500 Soldaten). Das
Tal ist hier breiter? von der rechten Seite kommt die Prims, die aus Bächen des
1) Diese ergoß sich in der Eiszeit nicht in die Saar, sondern durch die zuletzt ge-
nannte Talfurche nach O hin in den Rhein.
2) Koks (Eoaks), aus Steinkohlen durch Glühen bei gehindertem Luftzutritt er-
halten, ist ein sehr kohlenstoffreiches Brennmaterial (guter Leiter für Wärme und
Elektrizität).
3) Die zahlreichen, auf ...ingen endigenden Ortsnamen im Reg.-Bez. Trier
(s. auch S. 29, 30, 52) erinnern an die Einwanderung von Alemannen.
TM Hauptwörter (50): [T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner], T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
TM Hauptwörter (100): [T80: [Rhein Stadt Festung Mainz Maas Straßburg Frankreich Metz Elsaß Deutschland], T5: [Rhein Main Wald Thüringer Teil Schwarzwald Gebirge Neckar Saale Jura], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T48: [Fluß Meer See Strom Land Wasser Mündung Kanal Lauf Ostsee], T6: [Eisen Gold Silber Kupfer Wasser Blei Metall Salz Kalk Stein]]
TM Hauptwörter (200): [T36: [Rhein Mosel Lahn Mainz Stadt Bingen Taunus Bonn Main Ufer], T66: [Stadt Kreis Einw. Berlin Einwohner Schloß Regierungsbezirk Sitz Provinz Düsseldorf], T96: [Stadt Thüringer Saale Schloß Wald Gotha Dorf Heidelberg Weimar Einw.], T75: [Strom Elektrizität Ende Eisen Magnet Elektricität Körper Draht Funke Leiter], T119: [Fluß See Kanal Strom Lauf Wasser Land Ufer Mündung Elbe]]
Extrahierte Personennamen: Wendel August Goethe Saarlouis
36
Landeskunde der preußischen Rheinprovinz.
umspülen — das rechte Flachufer, von der Bergumwallung vor rauhen Winden
geschützt, bildet den fruchtbaren, sonnigen Talboden mit Honnef (6800 E.),
dem „deutschen Nizza" (Heilanstalt Hohenhonnef), als Mittelpunkt und dem '
ruinengekrönten Drachenfels als n. Schlußpunkt — ein Kegel des
Siebengebirges neben dem andern prangt am schönen Sommerabend in
wunderbarer Beleuchtung — und all diese Pracht (vgl. Abbild. 17, S. 58)
liegt ausgebreitet zu Füßen des 1^0-Vorsprunges der Eifel, des Rolands-
felsens (105 m über d. Flusse, 153 m über d. M., s. S. 10), so daß die
Aussicht vom Bahnhofe des Villenortes Rolandseck mit Recht eine viel-
bewunderte ist.
Wie hier der Rolandsbogen (Freiligrath) und das Nonnenwerther Kloster durch
die Sage verbunden sind, so umwebt diese auch den Drachenfels und andere Punkte >).
Am Drachenfels gedeiht der den Namen „Drachenblut" führende feurige Rotwein.
Vis an die Rückseite des Siebengebirges reicht das Gebiet des Wiedbaches,
der, auf dem nassauischen Westerwald entspringend, einen bedeutenden Umweg macht,
ehe er sein Wasser dem Rheine gesellt. An seinem Oberlaufe liegt in einer Tal-
erweiterung der gewerbliche Kreisort Altenkirchen (2300 E.), der bedeutendste Ort
der waldreichen Westerwaldhochfläche, die ins Nassauische hinein immer eifelmäßiger wird.
Altenkirchen steht sowohl ö. wie s. in Bahnverbindung mit dem Lahntal (und mit dem
Tale des Saynbaches, s. vorige Seite)' nach N zu aber führt eine Eisenbahn in das Siegtal.
Noch vom Jahre 1815 her zählt der abseits liegende kreis Wetzlar
zur Rheinprovinz. In anmutiger, von Goethes Dichtkunst widergespiegelter
Lage am linken Lahnufer weist die Stadt Wetzlar (145 m über d. M.,
13 400 E.) noch manche Erinnerungen an die Zeiten auf, wo sie freie Reichs-
stadt(Dom) und dann Sitz des deutschen Reichskammergerichts (1698—1806)war.
Dem Laufe der Bahn abwärts folgend, läßt die Eisenbahn Berlin —Metz das
Städtchen Braunfels (300 m über d. M., 1600 E.) mit dem Schlosse des Fürsten
Solms-Braunfels links liegen und tritt bei der nassauischen Grenze in den Weilburger
Eisenerzbezirk ein. Wetzlar ist aber auch Station an der wichtigen Bahnlinie Gießen —
Deutz —Köln.
8. Der Sieggau.
Wie die Lahn in der Südecke Westfalens (am Ederkopf) entspringend,
eilt die Sieg — im Gegensatze zu jener möglichst geradeswegs — dem Rheine
zu- sie durchfließt dabei das eisenerzreiche Tal, dessen Bodenschätze durch die
nördlicher Seitentäler, namentlich der Agger, ergänzt werden. Die Eisenbahn
folgt jenem Tale, und ihre Abzweigungen dringen in diese Seitentäler ein.
An landschaftlichen Schönheiten fehlt es auch nicht.
An der oberen Sieg vereinigen sich die Bahnen von Siegen und Wetzlar her.
Nach Einmündung des aus der höchsten nassauischen Gegend kommenden Nister-
dach es überschreitet man die Grenze zwischen den Reg.-Bez. Koblenz und Köln.
Flußabwärts sind den natürlichen Reizen der Landschaft durch Veränderungen im
Flußbett, durch Wege- und Eisenbahnbau neue hinzugefügt. Daher werden hier
Eitorf (6900 E.) und Blankenburg (einstmals eine Stadt von Bedeutung) in
neuerer Zeit von Sommerfrischlern viel besucht. Rechts öffnet sich dann das Tal des Bröl-
bachs, in dem eine Zweigbahn aufwärts führt nach Waldbröl (Gemeinde 6800 E.),
dem Hauptorte eines wenig fruchtbaren und dünn bevölkerten Kreises. — Mit Aus-
nähme des Quellgebietes an der westfälischen Grenze ist das wichtige Aggertal
von einer Eisenbahn durchzogen, welche die Kreisstadt Gummersbach (250 m,
16000 E., Wollindustrie) mit Engelskirchen (4300 E.,. Spinnereien) verbindet und
in dem hübschen, an mancherlei Metallerzgruben reichen Flußtale abwärts führt.
i) Vgl. Claudius, Rheinsagen; 3. W. Ott? Richter, Deutscher Sagenschatz, I. Band'
und K. Simrock, Rheinsagen.
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Extrahierte Personennamen: Goethes Claudius W._Ott K._Simrock
V. Ortskunde.
41
und Ronsdorf (15400 E.), teils in Eisen- und Stahlwaren, teils (bei der Nähe von
Barmen) in Bandweberei tätig, während (n.w. von Remscheid) in Kronenberg
(13000 E.) große Hausindustrie in Eisengeräten vorwiegt.
Seit 1897 ist Remscheid durch einen großartigen Bahn- und Brückenbau
mit dem auf einer Anhöhe w. von der Wupper gelegenen Solingen ver-
bunden. Unterhalb von Müngsten (= Mündungsstein) (wo das prächtige
Morsbachtal endet) überspannt die Kaiser-Wilhelm-Brücke (491 m lang)
die Wupper in einem 107 m hohen Bogen von 170 m Spannweite; zum
Bau dieser höchsten deutschen Brücke (s. Abbild. 22, 2. 61) sind mehr als
5 Mill. kg Eisen verbraucht worden (Baukosten- 2 700000 Mark). Solingen
(Stadtkreis von 50 500 E. - seit 1889 ist Dorp an der Wupper mit ihm
vereinigt -) ist der Mittelpunkt der deutschen Waffen- und Schneidewaren-
fabrikation, das „deutsche Sheffield", aber in manchen Beziehungen der eng-
lischen Großstadt überlegen; Solinger Klingen finden sich sogar auf den
Märkten Inner-Afrikas.
Zum Teil durch Hand-, zum Teil durch Maschinenarbeit werden die einzelnen
Teile von Messern, Scheren, Bajonetten und namentlich Degenklingen („der Schmied
von Solingen") nicht nur in Solingen selbst hergestellt, sondern auch in den benach-
barten Städten Höhscheid (16000 E.), Ohligs, früher Merscheid genannt (28000 E.),
Wald (25000 E.) und Gräfrath (10000 E.). Die Westgrenze dieses Bezirks bildet
ungefähr die Eisenbahn, die von Deutz über Opladen nordwärts führt und sich an
die Bahn Düsseldorf-Elberfeld anschließt, während gleich dahinter eine n. Linie nach
der Ruhr und ihren Kohlenschätzen hinzieht.
Die größte Volksdichte zeigt die nördliche Talstrecke an der Wupper; dort
sind die beiden Städte Elberfeld und Barmen mit ihren Vororten und unter-
einander zu einem 3 Stunden langen und bereits an den Abhängen empor-
klimmenden Häusermeere verwachsen, das, von den Höhen gesehen, so recht
alle Merkmale einer Fabrikstadt zeigt (s. Abbild. 25, S. 63). Während sich
die Gesamteinwohnerzahl beider Städte 1815 noch auf 30000, 1855 auf
82 000, 1885 auf 210 000 belief, ist sie jetzt auf fast 340000, bei Elber-
feld auf 170000, bei Barmen auf 169 000, gestiegen; beide Stadtkreise
teilen sich in eine Bodenfläche von 53 qkm. Solche Blüte rührt fast aus-
schließlich von der großartigen Webe-Industrie her, die Baumwolle, Wolle
und Seide umfaßt; darunter heben sich Bänder, Kordeln und Kleiderbesatz
als besondere „Barmer Artikel" ab, wohingegen Elberfeld mehr Handel
treibt').
Von 1527 an war hier, als die Wupper noch klares Wasser hatte, (Barnbleicherei
und Handweberei. Einen großen Aufschwung erhielt die Webstoffindustrie, als 1780
die Türkischrotfärberei dort bekannt wurde. Zwei Eisenbahnen („rechtsrheinisch" von
Düsseldorf über Mettmann her und „bergisch-märkisch", s. o.) durchziehen das Tal
(Elberfeld ist auch Sitz einer Kgl. Eisenbahn-Direktion). Eine elektrische Schwebe-
bahn von 13 km Länge (zum größten Teile über der Wupper) ist seit 1903 eine wich-
tige Verkehrsader für Barmen-Elberfeld-Vohwinkel, die erste ihrer Art (s. Abbild. 26,
S. 63). Die neueren Stadtteile, das stattliche Elberfelder Rathaus (1900), die Barmer
Ruhmeshalle (1900), prächtige Denkmäler, Theater, Badeanstalten, elektrische Jahn-
radbahn, die herrlichen Barmer Anlagen (Tölleturm) usw. kennzeichnen die Großstadt,
deren Nähe die bergigen Umgebungen im Waldesdunkel glücklicherweise noch nicht
merken lassen. Die kirchliche, streng protestantische Gesinnung vieler Bewohner be-
tätigt sich im Missionswerke. Vohwinkel (s. o., 15000 E.), ein Brennpunkt des
l) Rud. Herzog hat in dem Roman „Die Wiskottens" ein prächtiges Bild des
Lebens seiner Heimat gezeichnet (1905). „Barm" bedeutet eine Bodenerhöhung. [ij|y
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102 Das Deutsche Reich.
Die berühmtesten mineralischen Heilquellen sind: Wiesbaden, Ems,
Selters, Homburg, Aachen.
Die Industrie beschäftigt nächst der Landwirtschaft den größten Teil der
Bevölkerung. Mit Ausnahme der nördlichen Provinzen hat sich der Gewerbe-
betrieb überall zu einer hochentwickelten Fabrikindustrie emporgeschwungen.
Berlin, Elberfeld und Barmen gehören mit zu deu ersten Fabrikstädten der
Erde. Hauptsächlich erstreckt sich die Judustriethätigkeit auf die Verarbeitung
der einheimischen Metalle und verschiedener einheimischer und fremder Gespinst-
stoffe. Die Metallindustrie (Hüttenwesen, Fabrikation von Stahl- und Eisen-
waren) hat ihre Hauptcentren in den Gebieten der Kohlen- und Eisenlager:
Rheinprovinz, Westfalen und Schlesien; der Maschinenbau wird besonders auch
in Berlin und Hannover umfangreich betrieben. Hinsichtlich der Gewebe-
Industrie ragen namentlich Elberfeld und Barmen (Baumwolleuindustrie),
Aachen (Wollfabrikation), Krefeld (Seidenindustrie), Bielefeld und Hirschberg
(Leinenindustrie) hervor. Berlin ist ein Hauptfitz der Teppichfabrikation und
der Modewarenbranche. Hochwichtig sind ferner die Porzellan-, Glas-, Rüben-
zncker-, Tabak-, Papier- und Chemikalienfabrikation.
Der Handel ist, der reichen und mannigfachen Erzeugungskraft ent-
sprechend, eiu lebhafter. Der Binnenhandel verfügt über vorzügliche Verkehrs-
wege. Daß Preußeus Handelsflotte hinsichtlich des Tonnengehalts nur 45 °/0
der deutschen Handelsflotte umfaßt, liegt in der hervortretenden Stellung
Hamburgs und Bremens begründet. Die wichtigsten Seehandelsplätze sind:
Stettin, Danzig, Altona, Königsberg, Memel und Kiel.
Das Königreich Preußen, das seit 1850 konstitutionell regiert wird
(Herrenhaus, Hans der Abgeordneten), zerfällt in 12 Provinzen, welche in ge-
wissen Angelegenheiten durch einen Oberpräsidenten und Provinziallandtag selb-
ständig verwaltet werden. Die Provinzen sind in Regierungsbezirke eingeteilt.
1. Die Provinz Brandenburg.
Die Provinz Brandenburg bildet nicht nur das geschichtliche, geographische
und politische, sondern auch ein in Handelsbeziehung hochwichtiges Centrum
Preußens.
Das meist ebene Land zeigt hauptsächlich nur an den Flußniederungen
fruchtbaren Boden; weite Strecken sind Sand- und Sumpfboden. Der Acker-
bau ist darum nicht der Flächenausdehnung entsprechend. Von einiger Be-
deuhmg ist die Schafzucht. Der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Thätigkeit
liegt aber in der Industrie und im Handel, die ihre Blüte den vorzüglichen
Wasserwegen und dem dichten Eisenbahnnetz verdanken.
Von hoher Leistungsfähigkeit ist die Fabrikation von Tuchen und Woll-
waren (Kottbus, Luckenwalde, Guben, Forst, Sorau, Finsterwalde). Seiden-
und Halbseidenwaren fertigt man in Berlin und Brandenburg. Die Maschinen-
indnstrie hat iu Berlin einen hervorragenden Mittelpunkt. Von besonderer
Wichtigkeit ist auch die Herstellung von Möbeln, seinen Leder- und Kurz-
waren, die Glasfabrikation (Barnth, größte Glashütte), die Bierbrauerei und
Spiritusbrennern.
Berlin an der Spree, über l1/2 Mill. Einw. Äußerst günstig im
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser]]
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Extrahierte Ortsnamen: Wiesbaden Selters Homburg Aachen Berlin Elberfeld Barmen Westfalen Berlin Elberfeld Barmen Aachen Krefeld Bielefeld Hirschberg Berlin Hamburgs Bremens Stettin Danzig Altona Königsberg Kiel Luckenwalde Guben Finsterwalde Berlin Brandenburg Berlin Berlin
Regionen (OPAC): Lippe, Schaumburg-Lippe, Waldeck, Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
14
Geschichtliche Entwicklung.
unter Konstantin aber werden als Hauptfeinde am Niederrhein dem Köl-
nischen gegenüber die Brukterer genannt, unter Julian im Ruhrgebirge
die Attuarier. Diese durch römische Hinterlist zerschlagenen und erwan-
derten Stämme nämlich haben sich im Anschluß an Tenkterer, Mattiaken
(Nassauer) und Chatten (Hessen) gegen die Mitte des 3. Jahrh. zu einem
Waffenbunde gesammelt, vvn der römischen Oberherrschaft frei gemacht, und
treten nun als solche, als Freie, d. i. Franken, auf, von den Römern die
Ripuarier, d. i. Uferfranken, genannt, während die ebenfalls um selbe Zeit
von der Issel im S all an de vorstürmenden Germanen als Salische und
Chamavische Franken erscheinen.
In Westfalen aber saß seit Verdrängung der alten Bevölkerung, seit
dem Ende des 1. Jahrh., ruhig und seßhaft das Bauernvolk der Engern
(Angrivarier-Chaukeu). Kämpfe mit den Römern werden aus diesen Gegen-
den bis zum 3. Jahrh. nirgend gemeldet. Aber auch die Engern, die
Verdränger der alten Teutoburgvölker, ereilte fast wie eine Nemesis ein ähn-
liches Schicksal.
Im 4. Jahrh. nämlich dringt aus Schleswig-Holstein das Kriegsvolk
der Sachsen erobernd in Westfalen ein, unterwirft das ganze Land, läßt
aber die alte engrische Bevölkerung teils frei, teils in Hörigkeit sitzen;
daher die vielen halbfreien Laten, Liten, Lassen des neuen sächsischen Frei-
staates, der sich nunmehr unter Häuptlingen, und für den Kriegsfall unter
einem erwählten Herzog stehend, in vier große Bezirke gliedert! Westfalen
zwischen Rhein und Osning-Egge; Engern im Weserlande an beiden Ufern
des Flusses; Ostsalen bis zum linken Elbufer, und Transalbingien, das
überelbische sächsische Stammland. Unter diesen Namen finden wir die Landes-
teilung zur Zeit Karls des Großen. Markloh an der Weser wird uns als
Platz für das große sächsische Volksthing genannt, zu welchem Edeliuge,
Friliuge und Liten aus ganz Sachsen ihre Vertreter sandten. Merk-
würdigerweise dringen die erobernden Sachsen, schon im 4. Jahrh. heftige
Feinde der rheinländischen Franken, an keinem Punkte bis hart an den
Rhein vor; überall bleibt ein breiterer oder schmalerer Landstreifen zwischen
dem sächsischen Westfalen und dem Stromufer fränkisch. Dies ist eben
die alte (S. 13 Anm. genannte) Römerreichsgrenze, von den Römern
im 4. Jahrh. den Franken überlassen, dann von diesen als Rechtsnachfolgern
der Römer aufs schärfste gegen die vordringenden Sachsen-Westfalen verteidigt
und gehalten.
2. Mittelalter.
Vom 5. bis 8. Jahrh. meldet die Geschichte wenig über Westfalen; nur
stete Kämpfe der Sachsen mit den merovingischen Königen und Haus-
meiern in der Nähe der alten Römergrenze; die Eroberung Sachsens gelingt
erst Karl dem Großen in den gewaltigen Kriegen von 772 bis 804; sein
Gegner Herzog Wittekind läßt sich 785 taufen. Es folgt die Gründung
der Bistümer Osnabrück, Minden, Paderborn, Münster, die Ein-
richtung der Pfarreien innerhalb der Grenzen alter Gerichtssprengel; inmitten
der alten Bauerschaften entstehen Kirchdörfer und Marktflecken, von denen
manche später zu ummauerten Städten werden.
Die fränkischen Gerichts- und Verwaltungsdistrikte heißen Gaue;
TM Hauptwörter (50): [T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien]]
TM Hauptwörter (100): [T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land]]
TM Hauptwörter (200): [T38: [Weser Elbe Hannover Land Stadt Lüneburg Leine Nordsee Aller Bremen], T10: [Sachsen Karl Franken König Land Jahr Chlodwig Reich Krieg Volk], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende], T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T31: [Jahrhundert Schweden Norwegen Dänemark König Ende Jahr Anfang England Mitte]]
Extrahierte Personennamen: Konstantin Julian Nassauer Karls Karl_dem_Großen Karl
Extrahierte Ortsnamen: Hessen Westfalen Schleswig-Holstein Sachsen Westfalen Rhein Sachsen Sachsen Rhein Westfalen Westfalen Sachsen Sachsens Minden Paderborn