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russische Heere, geführt von Romanzow und Potemkiu. Ein russi-
sches Geschwader lag in den Häfen der Krimm. Auch die Griechen
wurden von neuem aufgefordert, zu den Waffen zu greifen. Die Tür-
ken schienen diesmal ihrem Schicksal nicht entgehen zu können; aber
viele Umstände vereinigten sich zu ihrer Rettung. Schweden begann
1788 Krieg mit Rußland, und daß verhinderte das Auslaufen der Ost-
seeflotte. Die Russen waren nicht so vorbereitet, wie man geglaubt
hatte. Der Kriegsplan der Oestreicher war so fehlerhaft, daß das Haupt-
Heer bis tief ins Banat zurückgedrängt wurde. Potemkin endlich lag
sechs Monate vor Oezakow, ehe ec es unter großem Blutvergießen erobern
konnte. Im Feldzug von 1789 gewannen die Verbündeten zwei bedeu-
tende Siege bei Fokschany und Martin estje; aber 1790 starb der
Kaiser Joseph, und sein Nachfolger trat vom Kriegsschauplatz ab. Eng-
land rüstete eine Flotte für die Ostsee, und Preußen bewegte seine Heere
gegen die russische Grenze. Deshalb schloß Katharina zu Jassy (1792)
Frieden mit den Türken, welche an Rußland das Gebiet von Ocza-
kow bis an den Dniester abtraten.
Der Sturm, welcher die Pforte mit dem Untergange bedroht hatte,
wandte sich gegen Polen und warf dieses Reich in Trümmern. Bei
den Polen brach der Wunsch nach Befreiung von dem russischen Drucke
hervor, als der Türkenkrieg die Aussicht eines glücklichen Ausgangs eröff-
nete. Auf dem 1788 berufenen Reichstage wurde Vernichtung des russischen
Einflusses und Entfernung aller russischen Heere aus Polen verlangt und
Vermehrung des Heeres und Verbesserung der Verfassung beschlossen.
Mit Preußen wurde (1790) ein Bündniß zu gegenseitiger Vertheidigung
eingegangen, und die neue Verfassung, in der man ein Unterpfand künf-
tigen Glücks sah, 1791 angenommen. Mit diesen Bestrebungen der
Polen war Katharina Ii. nicht zufrieden. Eine kleine Anzahl Polen
schloß unter dem Schutze der russischen Heere eine Conföder ati on
zu Targowiez, und 100,000 Russen näherten sich den Grenzen Po-
lens. Preußen leistete nicht den erwarteten Beistand; die polnischen
Heere mußten sich vor der Uebermacht der Russen zurückziehen; und der
König Stanislaus Poniatowski zeigte sich schwach. Alle Einrichtungen
des Reichstages von 1788 wurden wieder aufgehoben. Es erschien 1793
eine Erklärung von Preußen und Rußland, in welcher Polen eine
Quelle des Freiheitßschwindels genannt und gesagt wurde, daß man
Polen zum Heile seiner Nachbarn in engere Grenzen einschließen müsse.
Ein nach Grodno berufener Reichstag mußte zuerst die Forderun-
gen Rußlands bewilligen, welches einen großen Theil von Litthauen.
Klein-Polen und die Ukraine verlangte, dann auch die von Preu-
ßen geforderten Abtretungen zugestehen. (Zweite Theilung Polens
1793).
Die Verzweiflung der Polen trieb sie zu einer Verschwörung,
die sich über das ganze Königreich und über die abgetretenen Länder
verbreitete. Kosciuszko wurde zum Haupte derselben ernannt. Zu
Pultusk erhob (1794) Madalinski die Fahne der Unabhängigkeit,
indem er sich weigerte seine Brigade aufzulösen und nach Krakau zog,
wo auch Kosciuszko erschien. In Warschau fielen die Bürger und die
Soldaten über die Russen her. Vor einem preußischen Heer von
40,000 Mann mußte sich Kosciuszko nach Warschau zurückziehen, be-
TM Hauptwörter (50): [T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
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Extrahierte Personennamen: Romanzow Fokschany Martin Joseph Katharina_zu_Jassy Katharina_Ii Stanislaus_Poniatowski Kosciuszko Kosciuszko
755
von Breslau öffnete nach vierwöchentlicher mattherziger Vertheidigung
dem Feinde die Thore. Nur Koset, Silbecberg und Gl atz behaup-
teten sich bis zu Ende des Krieges gegen die Waffen der Feinde. Auch
Colberg in Pommern und Graudenz in Westpreußen erwarben sich
gleichen Ruhm. Als die Belagerer von Graudenz den alten General
Courbiere durch die Nachrickt zur Ergebung bestimmen wollten, daß
der König seine Staaten verlaffen habe, und daß es kein Preußen mehr
gebe, erwiederte er: „Nun gut, so bin ich König von Graudenz!"
Der Krieg im Jahre 1807 begann mit der sechstägigen Schlacht
bei Eylau, in welcher, vornehmlich am 7. und 8. Februar, das Blut in
Strömen floß. Der Oberbefehlshaber der Verbündeten, Bennigsen,
gewährte Napoleon den Schein des Sieges, indem er sich nach dem
letzten Schlachttag zurückzog. Die letzte, entscheidende Schlacht
in diesem Kriege wurde bei dem Städchen Friedland am 14. Juni
geschlagen. Den Sieg errang Napoleon, aber auch seine Gegner
hatten tapfer gestritten. Kaiser Alexander sandte einen Antrag auf
Waffenruhe in das französische Lager. Am 25. Juni kamen Alexan-
der und Napoleon, am folgenden Tage auch der König von Preußen in
der Mitte deß Flusses Memel auf einem Flosse unter einem Zeltdache
zusammen. In Tilsit wurden die Friedensverha ndlungen eröff-
net, und am 7. Juli der Friede Frankreichs mit Rußland, am
9. Juli mit Preußen unterzeichnet. Frankreich behielt alle auf dem
linken Ufer der Elbe gelegenen preußischen Länder, also alle Besitzungen
in Westphalen, Franken, Niedersachsen mit Magdeburg und der Altmark.
Die polnischen Länder, die bisher in Preußens Besitz gewesen waren,
wurden unter dem Namen: Herzogthum Warschau, als ein beson-
derer Staat an den König von Sachsen gegeben; Danzig mit seinem
Gebiete ward für einen unabhängigen Freistaat erklärt; einen Theil von
Ost-Preußen, das Departement von Bialystock, ein Land von 100 Qua-
dratmeilen, ließ Rußland sich von dem Eigenthume seines Bundesgenos-
sen zutheilen. Napoleons jüngster Bruder, Hieronymus, wurde Kö-
nig von Westphalen und erhielt alle von Preußen auf dem linken
Elbufer abgetretenen Provinzen, sowie Braunschweig, Hessen-Kassel und
den größeren Theil von Hannover. Alexander versprach, sich mit Napo-
leon gegen England zu vereinigen, wenn dasselbe in den Frieden, den
beide Kaiser ihm antragen wollten, nicht willigen würde. Preußen hin-
gegen mußte versprechen, sogleich alle seine Länder der Schifffahrt und
dem Handel der Engländer zu verschließen, König Friedrich Wilhelm Iii.
sah den Glanz seiner Krone erblichen unv die Macht seines Staates tief
herabgebracht. Preußen verlor durch den Frieden zu Tilsit drittehalb-
tausend Quadratmeilen und fünf Millionen Menschen, die Hälfte seiner
Ausdehnung und Volkszahl.
Napoleon hatte die Schwächung Preußens, in welchem er den Preußen und
Stützpunkt einer künftigen Wiedererweckung der Deutschen sah, so weit n?ch"dem"m-
getrieben, als ihm seine Absicht, durch den schnellen Frieden mit Ruß- sinr Frieden,
land dem Anschluffe Oestreichs an die Coalition zuvorzukommen, verstat-
tet hatte. Aber obgleich Napoleon den Entscheidungskamps um Preußens
Vernichtung gescheut hatte, so war er doch nicht willens, diesem Staate
die Mittel des Fortbestebens und der Wiederherstellung wirklich zu taffen.
48 *
TM Hauptwörter (50): [T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T2: [Schweden Friedrich Heer Schlacht Sachsen König Gustav Kaiser Krieg Schlesien], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Colberg Napoleon Napoleon Alexander Alexander Napoleon Napoleons Hieronymus Alexander Alexander Friedrich_Wilhelm_Iii Friedrich Wilhelm Napoleon Oestreichs Napoleon
757
sch en Gemeinsinn besaßen. Daß städtische Vermögen behandelten die
Kammern ganz als ihr Eigenthum und ließen die Anstalten verfal-
len, welche vor Alters von den Städten gegründet worden waren. Der
alte Sinn für Verschönerung des leiblichen, für Veredlung des geistigen
Daseins war in den Stadtgemeinden erloschen. Hölzerne oder halbhöl-
zerne Zoll-, Wacht- und Spritzenhäuser, höchstens Kasernen, waren die
einzigen öffentlichen Gebäude, an deren Errichtung auf preußischem Bo-
den, außer in der Hauptstadt, gedacht wurde. In gänzlicher Entfernung
von allen öffentlichen Geschäften bildete der Bürger die Kräfte, Geschick-
lichkeiten und Gesinnungen nicht aus, welche das städtische Gemeinwesen
erfordert und gewissermaßen voraussetzt. Daher sprach der neue Gesetz,
geber unumwunden die jetzt eingetretene Nothwendigkeit aus, den Städten
eine bessere Verfassung zu geben, in der Bürgergemeinde einen festen
Vereinigungspunkt gesetzlich zu begründen, ihnen eine thätige Einwirkung
auf die Verwaltung des Gemeinwesens zu gewähren und durch diese
Theilnahme Gemeinsinn zu erwecken und zu erhalten. Die bürgerlichen
Gemeinwesen, aus deren Schoße im Mittelalter das deutsche Leben kräf-
tig emporgeblüht war, erwachten nun aus ihrem hundertjährigen Schlum-
mer, und es war in ihnen eine Schule eröffnet, in welcher sich der
Volksgeist auszubilden vermochte.
Das schwere Unglück, welches Preußen erlitten hatte, erweckte nicht
bloß in Preußen, sondern auch in einem großen Theil des übrigen
Deutschlands das Streben, durch gemeinschaftliche Anstrengungen die
deutsche Nationalität zu retten. Es entstanden seit 1807 geheime
Verbindungen gegen Frankreich, von denen der in Königsberg unter
dem Namen Tugendbund gestiftete Verein sich am weitesten ausbrei-
tete und den Franzosen am meisten bange machte. Die Mitglieder die-
ses Bundes waren angesehene Männer, hohe Staatsbeamte und geach-
tete Gelehrte. Sie wollten den abgestorbenen Nationalgeist ins Leben
zurückrufen und das Volk zum Selbstbewußtsein wecken. Napoleon war
höchst unwillig über die Verzweigung der von Stein beschützten patrioti-
schen Verbindung über ganz Deutschland. Als nun im August 1808
der französischen Polizei ein Brief des Freiherrn von Stein in die Hände
fiel, dessen Inhalt die Vermuthung geheimer Verbindungen in Hessen
und Westvhalen zu bestätigen schien, wurde der Brief in französischen
Regierungsblättern mit einer den preußischen Staat selbst bedrohenden
Anmerkung abgedruckt. Stein nahm seine Entlassung, und Napoleon
erließ am 15. December 1808 von Madrid aus eine förmliche Achts-
erklärung gegen ihn, in welcher der bisherige erste Minister des preußi-
schen Königs als „ein gewisser Stein" bezeichnet und für einen Feind
Frankreichs und des Rheinbundes erklärt wurde. Der Geächtete flüchtete
sich nach Oestreich und 1812 nach Rußland und fuhr fort gegen die
Fremdherrschaft zu arbeiten.
Den Franzosen blieb das eigentliche Wesen der inneren Wiederge-
burt des preußischen Volkes und Staates verborgen. Während sie den
Entwürfen Einzelner großes Gewicht beilegten, täuschten sie sich über
die Volkskraft, welche sich unter dem Einflüsse der neuen Gesetzgebung
und der besseren Staats- und Kriegsformen in Preußen entwickelte. Der
Freiherr von Hardenberg, welcher 1810 als Staatßkanzler an die
Spitze der Geschäfte trat, blieb in der Hauptsache Steins Ansichten
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Extrahierte Personennamen: Napoleon August Napoleon Hardenberg
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Frankreich Königsberg Deutschland Hessen Madrid Frankreichs Rheinbundes Oestreich
748
Napoleon
Bonaparre
errichtet das
Kaiserthum.
England höchst nachtheilige Neutralität Spaniens in offenen Kriegsstand
zu verwandeln.
Die Macht Bonaparte'ß war eine monarchische, und es fehlte ihr
nur der Titel. Im März 1804 wurde im Senat die Erblichkeit der
höchsten Magistratur für nöthig erachtet, und am 30. April im Tribunal
der Antrag gestellt, die Regierung der Republik einem Kaiser anzuver-
trauen und dieses Kaiserthum in der Familie Bonaparte erblich zu inacheil.
Nur einer der Tribunen, nämlich Car not, sprach gegen die Errichtung
des Kaiserthums. Am 18. Mai wurde unter dem Vorsitze des zweiten
Consuls Cambacereß ein S e n a ruße o n su l t beschlossen, welches dem
ersten Con sul den Kaiser titel zuerkannte und die Erblichkeit
der kaiserlichen Würde in dessen Familie feststellte. Am 20. Mai,
am Pfingstsonntage, wurde das neue Kaiserthnm in Paris feierlich aus-
gerufen und angebliche Verbesseruilgen der Staatsverfassung bekannt ge-
macht, welche nur Verstärkungen der schon bestehenden souveränen Mo-
narchie waren. Von der Republik blieben nur einige gehaltlose Formen
übrig. Die Prunkformen des neuen Kaiserthums waren zum
Theil dem Mittelalter entlehnt. Es wurden sechs Erzämter mit fürst-
lichen Ehren und drei Klassen von Kronbeamten des Reichs er-
nannt, unter welchen die militärischen mit sechzehn Marschällen und acht
General-Jnspectoren der Armee zuerst ins Dasein traten. Die zu fran-
zösischen Prinzen erhobeneil Brüder Napoleons Joseph und Ludlvig
erhielten das Recht der Erbfolge und den Titel: Kaiserliche Hoheit. Den
beiben anderen Brüdern, Sudan und Hieronymus, wurde nicht
gleiche Ehre zuertheilt, weil sie sich unter ihrem Stailde oder wenigstens
gegen den Willen Napoleons verheirathet hatten. Ein zahlreicher
Hofstaat wurde für den Kaiser, die Kaiserin, die Brüder und Schwe-
stern des Kaisers angestellt, und das Ceremoniel aus das sorgfältigste be-
stimmt. Die Generale und die Staatsbeamten drängten sich zum Hul-
digungseide, die Dichter und Redner priesen in Versen und in Prosa
das neue Kaiserthum, die Armee freute sich des ihrem siegreichsten An-
führer beizulegenden neueil Titels: Kaiserliche Majestät, und das Volk
ließ sich das neue Schauspiel gefallen; nur die Pariser zeigten ungewöhn-
liche Gleichgültigkeit.
Das französische Volk hat vor allen Nationen Europa's für sein
geschichtliches Dasein den meisten Siml. Die vorübergehende revolutio-
näre Wuth der Franzosen gegen Alterthum, Adel und Königthum be
zeugt nur die grenzeillose Erbitterung der Zurückgesetzten und feen großen
Werth, welchen sie auf die beneideten Vorzüge legten. Wegen dieser
nationalen Denkungsart wurde den Söhnen und Töchtern des corsischen
Gerichtsbeisitzers Carlo Buonaparte die Begründung einer neuen Dyna-
stie in Frankreich schwerer, als in Staaten, die an den Wechsel der
herrschenden Familien schon gewöhnt sind. Die Familie Napoleons hatte
keine Wurzel in der Vergangenheit des französischen Volkes, und Napo-
leon suchte diesen Mangel durch eine Menge kleinlicher Vorschriften zu
verdecken, durch die. im neuen Hof- und Staatswesen alles genau be-
stimmt wurde. Der alte Adel, der sich zu den Hofämtern drängte, war
dem Kaiser für diesen Zweck sehr willkommen, weil er sich weit besser
als alle Neulinge auf die Wissenschaft der Formen verstand. Es wurde
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleons Joseph Napoleons Carlo_Buonaparte Napoleons
Extrahierte Ortsnamen: England Spaniens Cambacereß Paris Frankreich
Minister - Kongreß in Wien gehalten. Das Bestreben deß östreichi-
schen Staatskanzlers war besonders darauf gerichtet, aus den süddeut-
schen Verfassungen alles zu entfernen, was nach seiner Meinung an
eine wirkliche Volksvertretung erinnerte und dem Begriffe von Landstän-
den zu widersprechen schien.
Preußen hatte während der Epoche seines Unglücks eine durch-
greifende Verbesserung seiner inneren Zustände, und zwar in fruchtbarster
Weise unternommen, indem es mit einer Umgestaltung in der Grundlage
des ganzen Staatßwesens, der Befreiung des Landmannes und der
Selbständigkeit der städtischen Gemeinden anfing. Zu gleicher Zeit war
durch Begünstigung des höheren Unterrichts eine Erhebung des Volkes
in allen Schichten angeregt worden. Preußen hatte, als es in Deutschland
das Panier der nationalen Unabhängigkeit erhob, ganz Norddeutschland
mit sich fortgerissen, und die Macht seines Beispiels war selbst in dem
westlichen und südlichen Deutschland, welches so lange unter französi-
schem Einflüsse gestanden hatte, von großem Einfluß gewesen. Auf
Preußen hatte ganz Deutschland seit den Befreiungskriegen mit Bewun-
derung und Hoffnung geblickt, und man hoffte und wünschte deshalb
auch, daß Friedrich Wilhelm Iii. sein Versprechen durch Verleihung
einer Verfassung erfüllen möge. Aber manche Zeichen der Unzufrieden-
heit, die sich in vielen Gegenden Deutschlands kund gaben, die Vorfälle
aus der Wartburg, die Ermordung Kotzebue's, die Entschuldigung dieser
That in einem Theile des Publikums, das alles hatte den wohlgesinnten
König bedenklich gemacht. In mancher Beziehung schritt Preußen den
übrigen deutschen Staaten voran, in der Pflege des öffentlichen Unter-
richts, in der Begünstigung der Wissenschaft, in der Förderung der ma-
teriellen Interessen. Zn dem in so viele unabhängige Ländergebiete ge-
theilten Deutschland hatte das während des 18. Jahrhunderts allgemein
befolgte Prohibitivsystem traurige Früchte getragen. Von der preußischen
Regierung waren schon 1818 die dem inneren Verkehr entgegenstehenden
Schranken aufgehoben worden; im Jahre 1828 wurde von ihr der
Grund zu einem Zollverein gelegt, dem allmälig der größte Theil
von Deutschland beitrat. Dieser von Preußen gestiftete Zollverein hatte
für den deutschen Handel und Kunstfleiß die segensreichsten Wirkungen.
Die französische Julirevolution blieb nicht ohne Einfluß aus Deutsch-
land. Gegen die willkürliche Regierung des Herzogs Karl von Braun-
schweig brach ein Aufstand aus, das herzogliche Schloß ging in Feuer
aus und der Herzog ergriff die Flucht (7. Sept. 1830). Als der flüch-
tige Fürst im November den Versuch machte, sich seines Landes wieder
zu bemächtigen, entging er mit genauer Noth persönlichen Mißhandlun-
gen von Seiten des erbitterten Volkes. Die Bundesversammlung er-
klärte den Herzog Karl für unfähig zur Regierung und übertrug dieselbe
dessen Bruder, dem Herzog Wilhelm. Auch in Kur Hessen brachen
Unruhen aus, und es wurde eine neue und zeitgemäße Verfassung verlangt.
Es wurden die bisherigen Stände einberufen und schon am Ende des
Jahres 1830 das Verfassungswerk vollendet. Aber im September 1831
ernannte der Kurfürst Wilhelm Ii. seinen Sohn, den Kurprinzen
Friedrich Wilhelm zum Mitregenten und übertrug ihm die Regie-
rungsgeschäfte. Der Kurfürst nahm seinen Aufenthalt in Hanau, später
in Frankfurt a. M. Im Königreich Sachsen kam es in Leipzig und
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Karl_von_Braun- Karl Karl Karl Wilhelm Wilhelm Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Wien Deutschland Norddeutschland Deutschland Deutschland Deutschlands Wartburg Deutschland Deutschland Deutsch- Hessen Kurfürst_Wilhelm Hanau Frankfurt Sachsen Leipzig
280
lutton reinigen solle, der nicht zuvor der ihm von seinem Bischöfe
auferlegten Buße Genüge geleistet habe.
Erweikcrung Die Zeit der Ottvne ist eine der glänzendsten in der deutschen
bhandels " Geschichte. Während das königliche Ansehen in anderen Ländern
"bmcn à/'stbfunken war, standen die Könige in Deutschland geachtet und ge-
Stadtt. fürchtet da. Sie wirkten auf das sichtbar hervortretende Fortschrei-
ten in der Entwickelung und Bildung der deutschen Nation ein.
Die Entdeckung der Silberbergwerke desharzes trug zur Ver-
tu eh ril n g des Geldes in Deutschland bei, und das beförderte
wieder den Wohlstand und die Erweiterung des Handels,
besonders der Geldgeschäfte. Bisher hatte das deutsche Volk als
eine kriegerische Nation den Handel verachtet. Allein der Kriegs-
dienst wurde immer mehr das Geschäft eines besonderen Standes,
und die häufige Berührung mit Italien verschaffte dem Handel eine
größere Bedeutung. In Italien wurde der Handel schon lange eif-
rig betrieben, und die Lombarden hatten auch das Geldgeschäft
ausgebildet. Sie verbreiteten sich jetzt auch nach Deutschland und
suchten auch hier das Geld in ihre Hände zu bringen. Auch die
Juden wurden zahlreicher in Deutschland. Sie standen außerhalb
der Nechtsgenvssenschaft und waren unter den Schutz des Königs
gestellt. Sie erlangten durch Geld an verschiedenen Orten Privi-
legien, das Recht frei zu kaufen und zu verkaufen, Gold und Sil-
der umzuwechseln u. s. w. Sie beschäftigten sich mit dem Handel
und hielten sich besonders in der Nähe des Hofes auf, wo der
meiste Luxus getrieben wurde.
Die Entdeckung der Harz-Bergwerke, die Belebung des Han-
dels, die Herrschaft einer sächsischen Familie und deren Einfluß auf
die Bildung des nördlichen Deutschland's, endlich aber auch die
Nothwendigkeit, Zufluchtsorte gegen die räuberischen Dänen zu ha-
den, veranlaßten das Entstehen und Aufblühen von Städten
in Norddeutschland. Von diesen waren Magdeburg als Haupt-
sitz des königlichen Hofes und Bardewick im Lüneburgischen als
Haupt-Stapelplatz des lebhaften Handels mit den Slawen, ferner
Halle und Bremen vorzugsweise bedeutend.
Bildung Die feinere Bildung, welche sich am kaiserlichen Hofe durch
Literatur, die Verbindung mit Italien verbreitete, nöthigte die Geistlichen,
welche sich Ansehen verschaffen wollten, sich Kenntnisse zu erwerben.
Bischöfe und Aebte verbreiteten mit Eifer und Glück die Liebe zu
literarischer Thätigkeit, und die Wissenschaften begannen seit der
Mitte des zehnten Jahrhunderts sich in Deutschland wieder etwas
zu heben. In den wilden Zeiten der späteren Karolinger waren
die Schulen in Verfall gerathen. Jetzt blühte nicht bloß in den
früher berühmten Klöstern, z. B. in St. Gallen, die Pflege der
Gelehrsamkeit wieder auf, auch eine Menge neuer Kloster-, Dom-
und Stiftsschulen wurde gegründet, besonders im nördlichen und
nordwestlichen Deutschland, wo die Schulen zu Corvei, Paderborn,
Hildesheim, Bremen, Köln, Lüttich, Utrecht und andere sich her-
vorthaten. Die Verbindung mit Italien, der durch Otto's Ii. Ver-
mählung herbeigeführte Verkehr mit dem griechischen Reich belebten
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Italien Italien Deutschland Deutschland Norddeutschland Magdeburg Italien Deutschland Deutschland Paderborn Hildesheim Bremen Utrecht Italien
324
Tie Literatur.
während dagegen die Grafen und Fürsten der südlichen Landestheile
als Grenznachbarn von Frankreich Gelegenheit fanden, sich immer
selbständiger zu machen und zwischen den beiden Großmächten Neu-
tralität zu behaupten. Dies konnte ihnen indeß nur gelingen, wenn
sie der Anhänglichkeit und des Beistandes ihrer Unterthanen ver-
sichert waren. Um diese zu erlangen, mußten sie gerecht, freisinnig
und zweckdienlich den Interessen des Volkes regieren. Sie haben
das auch redlich gethan und damit die Grundlage gelegt zu der
Blüthe und Macht, dem Reichthum und Fortschritt, der Bildung
und freien Verfassung des kleinen Landes. In keinem andern Lande
Europa's herrschte eine gleiche Sicherheit und Ordnung. Auch hat-
ten die Fürsten regen Sinn für die Künste des Friedens, verstan-
den sie zu pflegen und zu schützen und sie für sich und das ganze Land
zu einer ergiebigen Quelle des Einkommens zu machen. Sie legten
Straßen und Kanäle an und brachten die Landwirthschaft frühzei-
tig auf den Höhepunkt, welchen diese so ehrenvoll bis auf die Ge-
genwart einnimmt. Flachs und Hanf wurden angebaut, und der
Norden trieb einen ansehnlichen Viehhandel nach außen. Der Ruf
dieser Kultur war so verbreitet, daß nickt selten niederländische Ko-
lonisten zur Urbarmachung und zum Anbau verödeter und unfrucht-
barer Bodenstriche in andere Länder erbeten wurden. Um sie zur
Einwanderung zu bewegen, bewilligte man ihnen mancherlei Vor-
theile.
Unter weiser Negierung, begünstigt durch die Lage und Be-
schaffenheit des Landes, die ihnen unter einander und mit den angren-
zenden Ländern eine bequeme Verbindung gewährte und zum Ver-
kehr aufforderte, bevölkerten sich die Niederlande und gelangten zu
Reichthum und Wohlstand. Die Städte wurden erweitert und neue
gegründet. Die Fürsten begünstigten städtische Ansiedlungen und ge-
währten ihnen Freiheiten und Vorrechte, ja sie sorgten selbst dafür,
denselben neue Gewerbe und Arbeitskräfte zuzuführen. Graf Bal-
duin Iii. von Flandern ließ um 960 deutsche Handwerker, insbe-
sondere Wollenweber kommen und zu Gent die Tuchbereitung be-
treiben und zunftmäßig einrichten. Derselbe Graf hob den Verkehr
seines Landes durch Anordnung von Märkten und Messen und durch
Ermäßigung der Zölle. Dennoch ging der Handel nicht über den
örtlichen Bedarf hinaus; es fehlte ein großes Marktgebiet, und die
Absatzwege waren beschränkt. Erst mit den Kreuzzügen tritt der
Wendepunkt ein, und mit diesen beginnen die glänzenden Jahrhun-
derte des niederländischen Welthandels.
Während das deutsche Volk in dieser Zeit im Wirken nach
außen, in seiner politischen Größe, eine seiner Glanzperioden er-
lebte, scheint die poetische Kraft des Volkes geruht zu haben. Diese
Zeit politischer Strebsamkeit war der Entwickelung der Poesie nicht
günstig. Nur im Volke lebten die alten Lieder fort. — Der Poesie
verwandt war die damals üblich werdende gereimte Prosa. Man
verstand nicht den Ausdruck der Prosa zu erhöhen, ohne alsbald in
die Form überzugehen, die eigentlich der Poesie gebührte. Wo ge-
wählter und feierlicher zu sprechen war, verfiel man in das unor-
ganische und doch so eindrucksvolle Gemisch der poetischen Prosa.
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Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Niederlande Flandern
49
Daß das Letztere zuerst geschähe, forderten die Reichsstände. Seiner
Stellung nach wollte und konnte Maximilian sich nicht von dem damals
höchst belebten Schauplatze der europäischen Staatskunst zurückziehen;
da er sich aber an Macht mit seinen bedeutenden Nebenbuhlern nicht
messen konnte und diese stets durch ein ränkevolles, hinterlistiges Spiel
zu ihrem Ziele zu gelangen suchten, so sah sich auch Maximilian immer
mehr in diesen künstlichen Geweben verstrickt und zog gewöhnlich den
Kürzeren. Er taugte nicht für eine bedächtige Zeit, die ihin täglich
fremder wurde. Bei seinem offenen, ritterlichen Wesen blieb ihm die
neu sich gestaltende Politik unverständlich. Häufig faßte ihn Mißmuth,
daß alles so anders geworden sei, als in den Tagen seiner Jugend.
Als Maximilian 1495 dem von Ludwig Moro gegen Karl Viii.
gestifteten Bunde beigetreten war und auf einem Reichstage zu Worms
Hülfe gegen die Türken und die Franzosen forderte, kam von Seiten
der Fürsten die schon unter Friedrich Iii. betriebene Errichtung eines
allgemeinen und immer dauernden Landfriedens und eines Reichs-
gerichts wieder in Anregung. Das Bedürfniß eines festen Frieden-
standes ward von Jahr zu Jahr immer dringender empfunden; das Ge-
fühl, in welch' einem heillosen Zustande sich die bürgerliche Gesellschaft
durch die unaufhörlichen Fehden und Kämpfe befinde, war mit nicht
mehr zurückzuweisender Stärke erwacht. Die Fürsten wollten Ordnung
und eine bessere Reichseinrichtung, aber mächtiger wollten sie den Kaiser
nicht machen, ihm nicht geben was er bedurfte; sie hätten sich selbst be-
schränken müssen, und es war eben damals die Zeit der Ausbildung
ihrer Macht zur Landeshoheit. Deutschland war in seinen einzel-
nen Theilen mächtig und blühend; in keinem Lande gab es so viele
reiche, von einer freiheitslustigen Bürgerschaft bewohnte Städte, nirgends
so kriegerische Fürsten, einen so stattlichen Adel. Aber es fehlte die
Einheit unter diesen Ständen; es mangelten durchgreifende Gesetze; es
weigerten sich die Einzelnen zum Besten des großen Ganzen auch nur
einen Theil ihrer Gerechtsame zu opfern. Bei jeder wirklichen oder
scheinbaren Beeinträchtigung schritt der Beleidigte zur Selbsthülfe, weil
er von den wenig umfassenden und noch schlechter gehandhabten Gesetzen
keine Abhülfe der Beschwerden zu erwarten hatte. Die Zersplitte-
rung jeder Art war der Grundschaden, die offenbare Ursachej daß man
keinen gesicherten Rechtszustand hatte, den Türken nicht widerstehen, der
römischen Zumuthungen und Erpressungen sich nicht erwehren, das geist-
liche Joch nicht abwerfen konnte, und der nationalen Einheit, dem Be-
gehren deß Volkes, stand das Sonderanliegen der Fürsten, ihre Macht
dem Oberhaupte gegenüber zu erweitern, geradezu entgegen. Während
in den meisten christlichen Staaten Europa's die königliche Gewalt in den
letzten 50 Jahren fest begründet worden war,- zeigte sie sich in Deutschland
kraftlos. Zur Handhabung des Landfriedens hatte 1486 Kaiser Fried-
rich Iii. durch Stiftung des schwäbischen Bundes das Faustrecht zu be-
schränken gesucht (Band Ii. S. 507). Doch wurde dadurch nur für
einen kleinen Theil Deutschlands die innere Ruhe gesichert. Als Maxi-
milian die Hülfe der Stände zur Bekämpfung der Franzosen und der
Türken begehrte, erwiederten die Stände, daß es zuvor der Gesetze zur
Aufrechterhaltung der inneren Ruhe im Reiche bedürfe. Es zeigte sich
auf diesem Reichstage die ganze Zerrissenheit Deutschlands. Der einzige
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Extrahierte Personennamen: Maximilian Maximilian Maximilian Maximilian Maximilian Maximilian Ludwig_Moro Ludwig Karl_Viii Karl Friedrich_Iii Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Worms Deutschland Deutschland Deutschlands Deutschlands
147
betrieben worden war. Die Konkurrenz der niederländischen und engli-
schen Tuche wurde immer drückender. Dagegen wurde die Linnenindustrie
in diesem Zeitraum Deutschlands blühendstes und ergiebigstes Gewerbe.
Die Leinwand wurde für den in tropischen Ländern angesiedelten Euro-
päer ein unabweisbares Bedürfniß. Holland allein konnte dasselbe nicht
mehr befriedigen und holte daher die Ware aus Deutschland. Flüchtlinge
aus Flandern und Brabant hatten in Westphalen bessere Weisen den
Flachs zu bauen und zu brechen eingeführt. Von da verbreitete sich der
Fortschritt nach Sachsen, Böhmen und Schlesien, welches bald das Haupt-
land der Linnenindustrie wurde. Für die Ausfuhr arbeiteten die Metall-
und Waffenfabriken im südlichen Westphalen und in Thüringen. Nürn-
berg blieb in seinen Kurzwaren ohne Nebenbuhler, obgleich sein Handel
sowie die Spedition zwischen dem Norden und Süden abnahmen und
seine sonst lebhaften Verbindungen mit Frankreich mehr und mehr an
Frankfurt übergingen. Die Verfertigung feiner Stoffe und Luxusartikel,
wie Gold- und Silbersachen, Schmuck, in Erz gegossene Gefäße, Holz-
schnitzereien u. s. w., welche in den oberdeutschen Städten kunstreich betrie-
den worden war, wurde durch die in diesen Gegenständen erhöhte Industrie
der Franzosen und Holländer in den Hintergrund gedrängt. Denn
Deutschlands Fürsten und Adel fingen an, die vaterländischen Erzeugnisse
gering zu schätzen und die Befriedigung ihres Luxus im Ausland zu
suchen.
Die deutsche Landwirthschaft ersetzte nicht die Verluste, welche Han-
del und Gewerbe erlitten. Das Feudalwesen lastete auf der Bodenfläche
des deutschen Reiches. Die Heere d§r Landsknechte entzogen dem Land-
bau arbeitende Hände, und die Chroniken berichten von öfterer Hungers-
noth im sechzehnten Jahrhundert. Zu dem Verfall der Wollenmanufakturen
trug auch der klägliche Zustand bei, in welchem sich die meisten Schä-
fereien befanden. Mit der Viehzucht sah es noch am besten in den nie-
derdeutschen Küstenländern aus. Auch der deutsche Bergbau ging seit
der Entdeckung Amerikas zurück. Die Einfuhr aus der neuen Welt drückte den
Werth der edlen Metalle, und die Kosten der Gewinnung wurden zu theuer.
Aus dem Kirchenstreite ging Deutschland zerspalten und geschwächt Dicdcuuchc
hervor; das schadete dem Volksthum und dem Selbstgefühl der Deut- li^wfuntbu
sehen. Deutsche Art erhielt sich mehr bei den Evangelischen, als bei den imiten^er
Katholiken. Der Geist der Kirche war mächtiger als das deutsche Na- verschiedenen
tionalgehghl, auch schadete diesem die Verbindung der Katholiken mit
Spanien und der Protestanten mit Frankreich. Das deutsche Volk trennte
sich durch den Kirchenstreit in Anhänger des alten und des neuen Glau-
bens, die letzteren zerfielen mit einander, der Deutsche bekämpfte mit
bitterem Haß den Deutschen, das vaterländische Gefühl verkehrte sich in
kirchliche Streitsucht, und Deutschland drohte in dem fürchterlichen drei-
ßigjährigen Krieg in Schutt und Trümmern zusammenzustürzen. Aus
der Verwüstung dieses Krieges ging kein kräftiges und stolzes Volk her-
vor; das deutsche Volk hatte Schaden genommen an seinem Heiligsten,
an Eintracht und Vertrauen, es war mit Ausländerei in Sitte und
Sprache geimpft, es hatte seinen Humor, seinen Gesang eingebüßt, seine
Sprache in ein buntscheckiges Gemisch verkehren lassen. Die Fülle des
Erwerbs und Wohlstandes, die frohe Thätigkeit eines zahlreichen selbstän-
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TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Deutschland Flandern Brabant Sachsen Schlesien Thüringen Frankreich Frankfurt Deutschlands Amerikas Deutschland Deut- Spanien Frankreich Deutschland
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der Bauern wurden zuin Besten der Landesherren und der Gutsherr-
schaften ungebührlich ausgedehnt. Die Räthe des Fürsten bildeten ein
Collegium, welches den Namen Hofrath, Kanzlei oder Regierung er-
hielt, und an dessen Spitze der Kanzler zu stehen pflegte. Für die ein-
zelnen Berwaltungßzweige, für die fürstlichen Domänen, das Kriegs-
wesen u. s. w. wurden besondere Collegien errichtet. Das Forstregal
der Fürsten, sowie andere landesherrliche Gerechtsame wurden erweitert.
Es entwickelten sich die einzelnen deutschen Territorien seit dieser Zeit
unabhängig und eigenthümlich.
Die Freiheit der Religion und die Unabhängigkeit der deutschen Reichs-
fürsten war durch die Einmischung fremder Staaten erreicht und mit
bedeutender Schmälerung des Reichsgebietes erkauft worden. Auch das
Bestreben Frankreichs, die Einheit des deutschen Reiches zu lockern,
wurde durch den Frieden zu Münster und Osnabrück- nur zu sehr mit
Erfolg gekrönt. Seitdem war der Zusammenhang der deutschen Stände
zerrissen; das Reich fiel für lange Jahre in eine entehrende Abhängig-
keit von Frankreich, welches die Einigkeit Deutschlands geflissentlich zu
untergraben suchte. — Der materielle Wohlstand des Reiches war durch
den langjährigen Krieg gänzlich vernichtet. Der Verlust Deutschlands
an Menschen wird zu 12 Millionen angegeben. Nicht bloß das Schwert
hatte in den Reihen der Deutschen gemäht; schon vor dem Ausbruche
des Krieges, dann während desselben raffte die Pest zahlreiche Opfer
hinweg. Tausende erlagen dem Hungertode. Eine zügellose Soldateska,
Schotten und Irländer, Franzosen, Spanier, Kosacken, Kroaten, Un-
garn, Wallonen und Italiener hatten viele Jahre hindurch Deutschland
durchzogen, beutegierig und mordlustig. Auch bei den Schweden fand
fick seit Gustav Adolfs Tode keine Zucht, sie wetteiferten an Grausam-
keit mit ihren Gegnern. Wo sonst Dörfer und Städte gestanden Hattert,
da sah man jetzt wüste Trümmerhaufen und statt der Wiesen und Fel-
der wild aufgeschossene Waldung. Die Bevölkerung zeigte sich lässig;
sie verschmähte es, das Feld zu bestellen; sie hatte keinen Muth, die
eingeäscherten Wohnungen wieder aufzubauen, da häufig ganze Land-
schäften Söldnern statt der Löhnung angewiesen wurden und Räuber-
banden und Zigeuner durch Wald und Feld schweiften. Wie der Acker-
bau, so lagen auch Gewerbe und Handel gänzlich darnieder. Noch
schlimmer als die Verarmung und Verwüstung Deutschlands war es,
daß durch die Unsittlichkeit des Krieges die alte Zucht und Tüchtigkeit
verschwunden war, daß auch das sittliche und geistige Leben der Deut-
schen darniederlag, daß Frankreich immer größeren Einfluß auf die deut-
schen Fürsten und das ganze Volk in Sprache, Kunst, Wissenschaft,
Sitte und Mode gewann.
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TM Hauptwörter (100): [T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner]]
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Extrahierte Personennamen: Gustav_Adolfs Gustav Adolfs
Extrahierte Ortsnamen: Frankreichs Frankreich Deutschlands Deutschlands Deutschland Schweden Deutschlands Deut- Frankreich