Xxv. §. 7. Die französische Revolution. 597
Unschuld ist da gemordet, wie viel Todessamen da in die jugendlichen
Herzen und Leiber eingesäet! Wie glücklich waren dagegen noch die
Hunderttausende zu preisen, welche, ersäuft, oder von Kartätschen zer-
schmettert, oder vom Fallbeil getroffen, ein schnelles, muthiges Ende
nahmen. Auch die Todesschrecken verlieren ihre Wirkung durch die
tägliche Gewöhnung. Da man täglich nichts Anderes als Blut und
Leichen sah, ward man gegen den Anblick abgestuinpft, da man stünd-
lich die Abführung in's Gefängniß oder vor das Tribunal erwarten
mußte, so gewöhnte man sich an den Gedanken und sah dem schreck-
lichen Augenblick mit verhältnißmäßiger Ruhe entgegen. In den Ker-
kern traf man jederzeit die beste Gesellschaft. Alles, was vornehm,
reich, gebildet, in irgend welcher Weise ausgezeichnet war, das hatten
die Schreckensmenschen des Convents dorthin gebracht. Der franzö-
sische Leichtsinn wußte sich auch in dieser schauerlichen Zeit sein Ver-
gnügen zu suchen. In dem Kerker selbst, nur wenig Schritte von der
Guillotine scherzte, sang und lachte man, erlustigte sich, wo man's ha-
den konnte, bei Wein und Braten und setzte eine Ehre darein, sich mit
Standhaftigkeit zum Tode führen zu lassen. Und wie hätte das ge-
meine Volk, dieser entartete Haufe nicht gleichgültig werden sollen
gegen die unzähligen Hinrichtungen. Wo man täglich die Karren mit
den Verurteilten zum Richtplatz fahren sieht, täglich 30 bis 40, gar
60 bis 80 Häupter auf demselben Platze fallen sieht, wo die edelsten
Namen, wo Männer und Frauen, wo die eben noch mächtigsten Führer
und Volksredner um die Wette das Blutgerüst besteigen und Alle mit
heiterm Muthe oder angenommener Gleichgültigleit zum Tode gehen,
da ist es kein Wunder, daß man zuletzt selbst vergißt, was das Men-
schenleben denn eigentlich auf sich hat. Da war es denn etwas ganz
Neues, Unerhörtes, Grausiges, als gegen Ende der Schreckenszeit ein
elendes Weib, eine ehemalige Maitreffe Ludwig's Xv-, auf die Blut-
buhne geschleppt wurde, und unter all den ruhigen, gefaßten, gleichgül-
tigen Delinquenten in entsetzlicher Todesangst mit Zetergeschrei und
Flehen um ihr Leben, überall sich anklammernd, wehrend, sträubend,
unter schrecklichen Konvulsionen dahinfuhr. Das brachte auch bei den
rohesten Zuschauern allerlei Gedanken hervor, da fing man an sich zu
besinnen, was man denn eigentlich thue, in welches Meer von Blut
man hineingewatet sei, wohin man auf diesem Wege endlich kommen werde.
Denn schon waren alle Häupter, Führer und Väter der Revolu-
tion von demselben gräßlichen Schlund verschlungen worden. Zuerst
vor und nach der Hinrichtung des Königs tödtete man doch nur die
königlich gesinnten Freunde der Ordnung und des Christenthums.
Nachdem man aber mit den Anhängern des Königthums glaubte auf-
geräumt zu haben, tödteten die wilden oder rothen Republikaner (Berg-
partei) die gemäßigten, anständigen, ehrbaren Republikaner (Gironde).
Dann wurden die wilden Republikaner wieder von noch wilderen als
Volksverräther umgebracht, bis zuletzt nur noch ein Paar der wildesten
übrig blieben, eingefleischte Teufel, welche der ganzen Welt gern den
Hals abgeschlagen hätten, um sich selbst zu Alleinherren zu machen.
An ihrer Spitze Robespierre, dieser seichte Kopf mit einem halben
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054 Xxv. §. 12. Die Kämpfe der Gegenwart.
herembrechen früher, als wir dachten. Wie gewaltig haben sie schon
mit der großen Handelskrisis begonnen.
Der schwerste Kampf der Gegenwart ist gerichtet gegen den mit
dem Mammons Vien st verbundenen Abfall von dem lebendigen
Gott. Schon im vorigen Jahrhundert hatte die Leugnung Gottes, die
Leugnung alles unsichtbaren und geistigen Wesens eine große Verbrei-
tung gefunden, sie war aber durch die Gerichte Gottes über unser Va-
terland und durch die Freiheitskriege wieder etwas zum Stillstand ge-
bracht. Jetzt aber hat sie im Zusammenhang mit dem Mammonsdienst
und der Fleischesgier eine furchtbare Gewalt und Ausdehnung erreicht,
und ist bis zum bewußten Kampf gegen alles Heilige, gegen Gewissen,
Zucht, Willensfreiheit, Zurechnungsfähigkeit des Menschen vorgeschrit-
ten. Die Naturforscher haben sich des Streites bemächtigt und
lassen Schriften über Schriften ausgehen und Reden über Re-
den ertönen, daß sie „bei aller Zergliederung der Menschenkörper doch
nie eine Spur von Seele darin entdeckt hätten", folglich habe der
Mensch keine Seele, sondern sei wie das Thier eine Maschine, und
Alles, was wir Gedanken und Gefühle und Entschlüsse nennen, sei nichts
als eineunwillkürliche Absonderung vonfünkchen undbläschen aus dem
Gehirn und Wallungen im Blut, für welche kein Mensch verantwortlich
gemacht werden könne. Es giebt also nach der Meinung dieser Jrrsinns-
lehrer gar keinen Unterschied zwischen Recht und Unrecht, zwischen Bös
und Gut, Niemand kann Lob oder Tadel, Lohn oder Strafe treffen,
denn ein Jeder handelt und spricht so wie seine inwendige Maschinerie,
wie der Stoff, aus dem er zusammengesetzt ist, ihn zwingt, wie das
ausgezogene Uhrwerk seines Leibes abläuft. Dieser verrückten und lä-
sterlichen Lehre jauchzt der Pöbel in den Palästen und in den Fabri-
ken, in den feenhaft verzierten Ballsalons und in den verqualmten und
mit Schnapsgeruch erfüllten Kneipen seinen Beifall zu. Mit Freuden
und innerin Behagen wirft jeder gebildete Wollüstling, Betrüger und
Lästerer seine Bibel, seine frommen Jugenderinnerungen, Gewissensre-
gungen und Rücksichten der Ehrbarkeit bei Seite und rühmt sich, nichts
Besseres zu sein als das Vieh. Mit hochmüthiger Aufgeblasenheit spot-
tet der Handwerker und Proletarier über den Pastor und die anderen
frommen Gesellen, welche noch an die alten Märchen glauben und
immer noch von einem Gott und von einer Seele und von Himmel und
Hölle predigen, die doch nie und nirgend eristiren. Wie tief dieser
Krebs bereits auch in unserm deutschen Volk um sich gefressen, wie er
besonders in den großen Städten die volle Herrschaft errungen hat
und im Bunde mit allen Scheußlichkeiten des Branntweinsaufens, der
Unzucht, der Frechheit, der schamlosen Gier und Genußsucht die Massen
in Fäulniß gebracht hat, das zeigen uns die täglichen Erfahrungen der
Bibelträger und Agenten der innern Mission, welche Haus bei Haus
zu besuchen verpflichtet sind; das zeigt die unglaubliche Zunahme der
Verbrechen, die Ueberfüllung aller Gefängnisse. Es erfüllt sich, was
der Herr vor Jahrtausenden durch den Mund seiner Jünger hat ver-
kündigen lassen: der Geist sagt deutlich, daß in den letzten Zeiten wer-
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