674
Xxv. §. 14. Blick in die Heidenwelt.
seit Anfang dieses Jahrhunderts haben sich die Sendboten vieler eng-
lischer und amerikanischer Missionsvereine mit ihnen gemischt, so daß
Amerika jetzt nicht mehr als ein heidnischer Welttheil zu betrachten ist,
sondern als christlicher, halb evangelisch und halb katholisch. Und da-
bei ist noch eine ganz besondere, tief ergreifende Thatsache hervorzu-
heben. Bekanntlich herrscht in allen mittleren und südlichen Staaten
Amerika'ö die Sklaverei. Schwarze Sklaven waren aus Afrika her,
zum Theil unter empörenden Grausamkeiten nach Amerika geführt, um
in den Bergwerken und den Plantagen zu arbeiten. Man hatte wohl
Recht, sie zu beklagen als die herabgewürdigtsten und elendesten unter
den Söhnen Ham's, der aller seiner Brüder Knecht sein soll. Und
siehe, gerade diesen elendesten Knechten ging das helle Licht, der süße
Trost des Evangeliums am ehesten aus. Mit Haufen fielen sie den
barmherzigen und demüthigen Boten Jesu Christi zu. Wären sie in
ihrem Vaterlande, in Afrika, geblieben, sie würden noch lange nicht,
vielleicht in ihren: Leben nicht, eine Kunde vom Evangelium erlangt
haben. Denn kaum die äußersten Küstenränder Afrika's sind mit Mis-
sionaren versehen. Bis in das Innere des Landes, von woher die
meisten Sklaven stammen, hat noch kein christlicher Prediger zu drin-
gen vermocht, da das Land aus allen Seiten von todbringenden Rän-
dern umsäumt ist. So mußten sie denn als Sklaven aus ihrem irdi-
schen Heimathland hinweggeführt werden, um in der Fremde zur ewigen
evangelischen Freiheit und zur seligen Heimath der Kinder Gottes ge-
führt zu werden. — Auch im südlichen Afrika, im Capland, ist die
Brüdermission die erste gewesen. Sie hat dort 1736 begonnen, und
nachdem sie von den europäischen Ansiedlern vertrieben war, zum zwei-
ten Male 1792. Auch dort haben sich eine Menge englischer, schotti-
scher, amerikanischer, deutscher und sogar französischer Missionare an-
geschlossen; das ganze Capland ist als ein christliches Land zu bezeichnen,
und weithin in'ö Innere des unbekannten Landes, zu den Kafsern,
Betschuanen und Hottentotten sind die Boten Christi vorgeschritten,
überall, wohin sie kamen, die Erweisungen göttlicher Gnaden mit sich
tragend.
Mittlerweile hat sich auch die dänisch-hallische Mission in Ost-
indien weiter entwickelt. In Ostindien war die Aufgabe eine ganz
andere, als in den amerikanischen und afrikanischen Gebieten und auf
den Inseln der Südsee. An allen diesen Punkten waren es wilde, rohe
Völkerschaften, auch die gefördertsten unter ihnen doch nur mit sehr
geringen Anfängen staatlicher Bildung und geistiger Entwicklung, ihr
Götzendienst roh, scheußlich, abgeschmackt, ihre religiösen Vorstellungen
unsinnig, ekelhaft, oder ganz in Vergessenheit gerathen, ihre äußere
Lage dürftig, unsicher und allem Jammer preisgegeben. Da konnte
denn kein Zweifel sein, daß Viele, daß eine große Menge sich dem Rufe
dessen zuwenden würde, der alle Mühseligen und Beladenen so freund-
lich zu sich einladet. Aber anders steht die Sache im südöstlichen Asien.
Jene beiden großen Reiche Ostindien und China, die beiden letzten
noch aus uralter grauer Heidenzeit unverändert bis in unsere Zeit hin-
einreichenden Heidenstaaten voll der reichsten Bildung und alt einhei-
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Extrahierte Personennamen: Jesu_Christi
Extrahierte Ortsnamen: Amerika Afrika Amerika Afrika Gottes Afrika Christi Ostindien Asien Ostindien China
Xxv. §. 13. Nordamerikanische Zustände. 657
wären, die mit gleichen Früchten der Gerechtigkeit geschmückten Jün-
ger des Herrn hüben und drüben in zwei feindliche Lager zu spalten.
- Ueber diesem Kampf aber entwickeln sich die Secten im Schooß auch
unserer deutsch - evangelischen Christenheit. Baptisten und Darbisten
(Wiedertäufer und Freikirchler), Jrvingianer (Wiederhersteller der apo-
stolischen Aemter und Gaben) und Bruderbündler (die gar kein kirch-
liches Amt mehr gelten lassen), ja sogar die unflätigen, ekelhaften Mor-
monen treiben ungestört ihr Wesen und saugen Kraft aus der Zer-
rissenheit der bestehenden Kirche. Bei dem allen dauert das wüste,
rasende Treiben und Jagen der materiellen Interessen, des Mammons-
dienstes fort und fort; unter den Füßen rollt fortwährend der unter-
irdische Donner des gährenden Bulcans, auf dem wir stehen, hier und
da zucken die Blitze aus der Tiefe — ob wir es hören und aufmerken,
ob wir lernen die Zeit zu verstehen und uns bereit halten auf den na-
henden Tag des Herrn.
§. 13. Nordamerikanische Zustände.
Im Laufe der letzten beiden Jahrhunderte haben sich außerhalb
Europa's, auf amerikanischem Boden, eine Anzahl europäischer Reiche
gebildet, katholische Reiche aus spanischem und portugiesischem Geblüt
hervorgegangen in Mittel- und Südamerika, welche bis auf die neueste
Zeit ein trauriges Bild politischen Elends und bürgerlichen Verfalls
darbieten, und ein protestantisches Reich aus germanischem, insonder-
heit angelsächsischem Geblüt in Nordamerika, welches so vielfach in
die Entwickelung der europäischen Verhältnisse eingreist, daß wir es
hier am Schluffe unserer Darstellung nicht unerwähnt lassen dürfen.
An eine künftige Versetzung des Schwerpunktes der Weltgeschichte
aus Europa nach Amerika, wie vormals aus Asien nach Europa, ist
zwar nicht zu denken; denn nach Gottes untrüglichem Wort werden
auf dem Boden des alten römischen Reichs, in den Landern der zehn
Könige, die letzten Kämpfe der Christenheit ausgekämpft, der Anti-
christ überwunden und das Reich Gottes zum Siege geführt werden,
nicht aber jenseits des atlantischen Oceans. Aber ein Spiegel für unsere
eignen, dem Ende zueilenden europäischen Zustände wird Amerika immer
bleiben, ein warnender Spiegel des Elends, in welches das Abthun
und die Verachtung der Obrigkeit und das Trachten nach irdischen
Dingen auch ein christlich ausgeprägtes Volk stürzen muß. Je mehr betro-
gene Augen und irregeleitete Hoffnungen auf Amerika, als auf das
Land der Zukunft und des Glückes gerichtet sind, desto mehr ist es
Pflicht, die Verkehrtheit solcher Träume den europamüden Auswan-
derern vor die Augen zu stellen.
Nordamerika hat den großen Vorzug vor den haltlosen und
v. Rohden, Leitfaden. 42
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Extrahierte Ortsnamen: Nordamerika Europa Amerika Asien Europa Gottes Gottes Amerika Amerika Nordamerika
Xxv. §. 14. Blick in die Hcidenwelt.
665
rohen Veröffentlichungen eigner oder fremder Sündenwege, oder seliger
aber noch nicht vollendeter Gnadenführungen unseren deutschen Herzen
eine unerquickliche, fast abstoßende Erscheinung.
In Summa, es wehet und wirkt auch noch in Nordamerika der
Geist Gottes, und wird vielleicht noch Großes dort vollbringen, aber
die äußeren Formen, in denen er stch dort kund giebt, bleiben uns
Deutschen fremd und keineswegs wünschenswerth. Die socialen aber
und die politischen Zustände, die schon ganz nahe an das Abthun aller
Obrigkeit anstreifen, nicht minder die kirchliche Zerrissenheit und theo-
logische Ausmagerung bringen uns keineswegs große Hoffnungen für
eine zukünftige herrliche Entwicklung, sondern vielmehr das traurige Bilv
eines bodenlosen Durcheinanders. Noch wird Amerika, der große Ab-
zugscanal alles europäischen Ueberschusses und Ausschusses, aber auch
der Zufluchtsort vieler durch europäische Schuld ausgetriebenen theuren
Seelen, von dem Sauerteig des Evangeliums zusammengehalten und
durchsäuert. Aber vielleicht ist die Zeit nicht mehr fern, daß die wüste,
ungeheure Mehlmasse wild auseinanderfahren und unendlichen Staub
und Schrecken rings um sich her verbreiten wird.
§. 14. Blick in die Heidenwelt.
In Asien, auf den Hohen Armeniens, am Enfrat, am Jordan,
am Nil hat die Geschichte des Menschengeschlechts ihren Ursprung ge-
nommen, vom Hindukusch sind die Vorväter unseres Geschlechts herabge-
stiegen, in Vorder-Asien, Griechenland, Italien erzieht bis zu den Zei-
ten Christi hin der höchste Herr und Weltenlenker die Heidenwelt bis
zu dem Punkte, da sie fähig ist, die Boten des alten Gottesvolks und
die ewige Heilsbotschaft zu empfangen. Von Rom aus wird der
ganze Westen Europa's, wird auch unser Vaterland und der gestimmte
Norden für das Christenthum gewonnen, und alsbald wird das christ-
liche Europa der alleinige Boden der Geschichte und aller menschlichen
Entwicklung. In das schaurige Halbdunkel des Islam sinken alle
die Länder zurück, welche die Wiege der altgeschichtlichen Völker wa-
ren, und ringsum sie her breitet sich die schwarze grause Nacht des
finstersten Heidenthums aus. Sollten aber alle Völker des Mittlern
und östlichen Asiens, Afrika's, Amerika'ö und Australiens ohne Ahnung
des ewigen Lichtes bleiben, welches in die Welt gekommen ist, um
alle Völker zu erleuchten und selig zu machen an aller Welt Enden?
Es sollte keineswegs also sein. Aber der Herr allein weiß Zeit und
Stunde für jegliches Volk und jeglichen Theil der Erde. Jahrhun-
derte hat Europa in Finsterniß gelegen, während das Licht seines Wor-
tes in Asien sich vom Jordanlande aus bis weit über den Eufrat und
über den Nil verbreitete. Wiederum sind anderthalb Jahrtausende
verflossen, ehe dem christlichen Europa die entlegneren Heidenländer
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Extrahierte Personennamen: Jordan
Extrahierte Ortsnamen: Nordamerika Gottes Amerika Asien Armeniens Griechenland Italien Christi Europa's Europa Asiens Europa Asien Europa
n. §. 1. Neuer Abfall von Gott.
11
verwiesen. Ein getheiltes Reich ist ein geschwächtes Reich. So
entstanden verschiedene Sprachen und verschiedene Völker auf Erden.
Mochten sie nun mit einander den großen Wettstreit beginnen, wer
die ihm vom Herrn verliehenen besonderen Gaben zur reichsten Ent-
faltung bringen werde. Gott entließ sie allesammt aus seiner beson-
dern, d. h. aus seiner geoffenbarten Leitung und Regierung, und ließ
sie ihre eignen Wege gehen, bis sie endlich müde und matt, nach gänz-
licher Zertrümmerung aller ihrer hohen Pläne, und vergeblichem Su-
chen nach dauernder Befriedigung, sich dereinst alle am Fuße des
Kreuzes wieder zusammenfinden würden.
So wie die Völker aus einander gefahren waren, vereinzelten und
zersplitterten sie sich auch immer mehr, und jede neue Abtrennung eines
besonder» Volks von der größer» Hauptmasse war wiederum von
einer neuen Veränderung der Lippen, von der Bildung einer neuen
Sprache begleitet, so daß mit den verschiedenen Völkern zugleich ihre
Sprachen sich gebildet haben; alle unter einander verwandt, in einzelne
große Hauptgruppen zerfallend, alle ein Geschenk aus der Hand Got-
tes, aber mit dem ausartenden und versinkenden Geschlecht auch zum
Theil furchtbar entartet.
Die Völker begannen nun ihre langen und weiten Wanderungen
über die ganze Erde, bis ein jegliches das Land und die Gegend gefun-
den hatte, wo sie nach Gottes Rathschluß wohnen und die ihnen ver-
liehenen geistigen und sittlichen Kräfte zur Anwendung bringen sollten.
In jedem Lande begann die geheimnißvolle Arbeit der Natur und Um-
gebung an dem eingewanderten Volk, und wiederum des Volkes an
der Natur und Beschaffenheit des Landes, also daß beide Theile einan-
der zurichteten und förderten, bis sie vollständig für einander paßten.
Die Kinder Japhet nahmen allmälig die ganze nördliche Hälfte
der alten Welt ein, und die Kinder Ham's die ganze südliche Hälfte.
Zwischen ihnen beiden, da wo beide Geschlechter sich zu mischen began-
nen, auf einem ziemlich beschränkten Raume, im vorder» Asten wohn-
ten die Nachkommen des gesegneten Sem. Im Großen und Ganzen
ist es so geblieben bis auf den heutigen Tag. Auch in der neuen
Welt sind Ham's und Japhet's Söhne zusammengetrofsen, und
auch da erfüllt sich das alte Fluchwort, daß Ham's Nachkomme ein
Knecht sein soll unter seinen Brüdern.
Alle die Völkerschaaren in der Zerstreuung vergaßen allmälig des le-
bendigen Gottes. Ganz gottlos konnten sie nicht leicht wieder werden,
denn in der Vereinzelung fühlten sie ihre Ohnmacht und darum die
Nothwendigkeit göttlicher Hülfe. Aber die Majestät des Einen wahren
Gottes vermochten sie in dem sich verdunkelnden Verstände und miß-
leiteten Herzen nicht mehr zu bewahren. Sie suchten sich andere,
ihrer herabgestimmten Fassungskraft näher liegende Götter, hinter
welche der lebendige Gott allmälig zurücktrat. Statt des vorsünd-
fluthlichen Unglaubens nahm der Aberglaube überhand, und an Stelle
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Xxih. §. 4. Fortschritt der Reformation während politischer Kämpfe. 489
nicht Alles, was Luther wünschen konnte? Nicht als ob er um die
Gutheißung und den Schutz des Reichsregiments und einer deutschen
Kirchenversammlung sehr verlegen gewesen wäre. Selbst seines vä-
terlich sorgenden Kurfürsten Friedrich Schutz schlug er nicht hoch an.
Aus seiner stillen Zufluchtsstätte auf der Wartburg hatte er sich kühn
wieder nach Wittenberg mitten in den wildesten Kampf geworfen.
Was lag ihm an seiner Person, wenn nur das Wort des Herrn kei-
nen Schaden, noch Befleckung litte. Aber das war eben damals zu
fürchten. Während Luther's Abwesenheit auf der Wartburg war es
in Wittenberg wild hergegangen. Luther hatte bisher im Gottesdienst
und kirchlichen Einrichtungen Nichts geändert, nur die Lehre hatte er
gereinigt, nur die heilsame Wahrheit verkündigt. Da waren nun aber
unruhige Geister unter den Amtsgenossen Luther's in Wittenberg.
Die konnten es nicht abwarten, bis allerlei unangemessene Dinge beim
Gottesdienst von selber fielen. Sie wollten mit Sturm und Drang
den ganzen Cultus umgestalten, die Messe, die Beichte, die Abend-
mahlsfeier, sie warfen sogar die Bilder aus den Kirchen. Zu ihnen
kamen Andere, Jnspirirte aus Zwickau, die da meinten, des ge-
schriebenen Wortes Gottes nicht mehr zu bedürfen, da sie an der in-
nern Erleuchtung schon genug hätten. Diese Letzteren trieb Luther
entschieden von sich; den Stürmern aber in Wittenberg führte er zu
Gemüthe, daß alle äußere Form des Gottesdienstes unwesentlich sei,
nur wie das Herz zum Herrn stehe, darauf komme es an. Er brachte
Ordnung und Stille in das Reformationswerk zurück. Der Herr
hatte ihn ja selbst auf der Wartburg recht in die Stille geführt.
Desto gedeihlicher breitete sich sein Werk nach allen Seiten auö. Den
ganzen Norden nahm die neue Lehre ein. Dänemark und Schweden
und der Hochmeister von Preußen bekannten sich bald offen und ent-
schieden für sie. In Polen, Ungarn und Siebenbürgen fand sie den
entschiedensten Anklang. In der Schweiz hatte sie sich bereits einen
eigenthümlichen Heerd gegründet. Wir sahen schon, wie Zwingli,
von ganz anderen Grundlagen ausgehend, die Züricher Gemeinde be-
wogen hatte, sich vom Bisthum und somit von der ganzen katholischen
Kirche loszureißen, alle „Gebräuche, die in der heiligen Schrift nicht
Grund haben," abzuschaffen und nach Möglichkeit die altapoftolische
Form einer Christengemeinde wiederherzustellen. Von Zürich aus
brachen sich die evangelischen Ideen weithin in die Nachbarschaft
Bahn, sie stiegen bis zu den eisbedeckten Gipfeln der Alpen hinan, sie
ergossen sich von den völkertrennenden Firsten hinab in die Thäler
und Ebenen Savoyens und der Lombardei, durch die ganze italienische,
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Xxih Friedrich_Schutz Friedrich Zwingli
Xxv. §. 14. Blick in die Heidenwelt.
669
den die kirchlichen Bemühungen der Holländer nicht mit gleichem Ei-
fer fortgesetzt, wie die kaufmännischen Unternehmungen. Es vergingen
etwa 50 Jahr, da fanden sich keine Prediger und Lehrer mehr, die
sich in die Noth und die Entbehrungen der Heidenwelt wollten hin-
aussenden lassen. Die christlichen Gemeinden auf den Inseln verfie-
len, ja sie sanken gänzlich wieder in's Heidenthum zurück. Zugleich
mit dem religiösen Eifer sank aber auch die Macht und der Glanz
des holländischen Seewesens. Ihre Besitzungen gingen zum Theil
wieder verloren. —
Die Engländer traten allgemach als Beherrscher der Meere
an die Stelle Hollands. Auch das englische Volk war durch den
Kampf gegen das katholische Spanien zuerst in die neue Richtung hin-
eingedrängt worden, und schon 1600 war auch in England eine ost-
indische Handelsgesellschaft gegründet. Aber während der nächsten
hundert Jahre und darüber gelang ihr in Ostindien nichts Bedeu-
tendes. Dagegen war um diese Zeit die östliche Küste von Nord-
amerika von Engländern in Besitz genommen.
Wie sie dort sich ausgebreitet und ein mächtiges Reich mit eu-
ropäischer Bevölkerung begründet haben, das haben wir im vorigen
Abschnitt ausführlicher gesehen. Dort blieb uns aber die Frage übrig:
hatte denn Nordamerika gar keine eignen ursprünglichen Bewohner?
und wo sind sie geblieben? Sicherlich war Nordamerika kein men-
schenleeres Land, wenn auch die einheimische Bevölkerung nur gering
war. Nicht ein großes, zusammenhängendes, wohl organisirtes Hei-
denreich, wie in Mexico, Peru, Ostindien und China, fanden die eng-
lischen Ansiedler in Nordamerika, aber ein kräftiges, tapferes, stolzes
und grausames Volk rother Indianer, welche, in eine Menge einzelner
Stämme zerspalten, nur an Fischfang, Jagd und Krieg ihre Freude
hatten und voll unbändiger Freiheitslust selbst die größten Strapazen
und Entbehrungen in der Wildniß dem geregelten zwangvollen Leben
der Europäer vorzogen. Und was ist denn aus diesem wilden hoch-
gesinnten Geschlecht geworden? Haben ihm die streng religiösen An-
siedler nicht das Evangelium gepredigt? Allerdings haben sie es
gethan, wenn auch bei Weitem nicht in dem Maße, wie man erwar-
ten sollte. Mit unsäglicher Mühe und Selbstverleugnung hat der
Prediger Eliot bei Boston die wilde ungeheuerliche Sprache der In-
dianer gelernt, und ist ihnen (seit 1646) in hingebender Liebe fast
fünfzig Jahre lang nachgezogen in ihre Wälder, um ihnen das trostreiche
Evangelium zu bringen. Auch Andere, wie Brainerd und Mayh ew,
gingen in denselben Wegen barmherziger Liebe einher. Aber groß
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Extrahierte Personennamen: Eliot
Extrahierte Ortsnamen: Hollands Spanien England Ostindien Nordamerika Nordamerika Peru Ostindien China Nordamerika Boston
666
Xxv. §. 14. Blick in die Heidenwklt.
ailch nur bekannt und aufgeschlossen wurden. So wie das aber ge-
schah (es war bekanntlich kurz vor der Reformation), so wie die spani-
schen und portugiesischen Barken ansingen, den ganzen atlantischen
Ocean, das stille und das indische Meer zu durchkreuzen, sobald das
mittlere und südliche Amerika, Süd-Afrika und die reichen ostindischen
Küstenländer mit ihren heidnischen Bevölkerungen ihnen bekannt wur-
den, so fingen sie auch an, die christliche Kirche in den neucntdeckten
Heidenländern zu gründen. Wie das geschehen ist, unter welchen
Schrecknissen, Verbrechen und Greueln, das haben wir bei der Erzäh-
lung jener Begebenheiten bereits angedeutet (S. 464 ff.) und wollen
es nicht wiederholen.
Das Schicksal der neuentdeckten Heidenreiche ist sehr verschieden ge-
wesen. Die südasiatischen in Indien und China bestehen noch jetzt, wenig-
stens in den Resten ihrer ehemaligen Herrlichkeit. Aber die amerikanischen
blühenden hochentwickelten Heidenstaaten in Mexico und Peru sind völlig
vernichtet und von der Erde verschwunden. Wunderbar. Wie viele
Jahrhunderte hindurch mögen jene hochgebildeten Völker dem Lichte
entgegengeharrt haben, welches vom Kreuze Christi ausstrahlt. Nun
endlich kommt es von fernen Gestaden her, das Weltmeer überschreitend,
auch zu ihnen; aber es ist nicht mehr das sanft erwärmende, erleuch-
tende und erquickende Licht, das mit apostolischem Friedensgruß die alten
Reiche des Abendlandes durchdrang, nein cs ist ein wildeö verzehren-
des Feuer. Die Ankunft des Christenvolks auf den Küsten der neuen
Welt ist zugleich die Ankunft des vernichtenden Strafgerichts über das
dort wohnende Heidenvolk, wie einst Jsrael's Ankunft in Canaan. Wo-
durch sich jene hohen Geschlechter der Azteken und Jncas so schwer
versündigt und das Gericht über ihr Haupt herbeigezogen haben, das
bleibt uns vielleicht für immer ein nur halb enthülltes Geheimniß.
Aber ist dies erste Zusammentreffen der Christenheit mit einem au-
ßereuropäischen Heidenvolk nicht ein trauriges Vorspiel für alle wei-
teren Unternehmungen der europäischen Christenvölker in der überseei-
schen Heidenwelt? Ist es nicht überall in gleicher Weise gegangen? Noch
soll das Volk gefunden werden, welchem die Begegnung, der Verkehr, der
Handel, das Zusammenleben mit europäischen Auswanderern und An-
siedlern der Anlaß geworden wäre zu einer neuen frischen nationalen
Entwicklung, zu einem kräftigen Aufschwung deö eigenthümlichen Volks-
lebens, zu einer vollständigern Entbindung der besonderen Gaben und
Kräfte, die jeder einzelnen Nation absonderlich verliehen sind, zu einer
reichern Entfaltung der angeborenen Anlagen in Kunst und Wissen-
schaft, Staat und Kirche, häuslichem und öffentlichem Leben. Viel-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
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Extrahierte Personennamen: Christi
Extrahierte Ortsnamen: Amerika Süd-Afrika Indien China Peru Christenvolks Canaan
24
Iii. §. 3. Das heidnische Kastenwesen.
und Put (Libyen). Diese drei engverwandten Stämme nahmen den gan-
zen südlichen Theil Asiens und Afrika ein, am indischen und persischen
Meere entlang über das südliche Arabien hin bis über die Länder des Nil
hinaus nach der afrikanischen Wüste und nach dem atlantischen Ocean
hin. Ja auch die Inseln der fernen Südsee, die sich an die südöstlich-
sten Halbinseln Asiens anreihen, sind ursprünglich und zum Theil noch
jetzt von demselben Geschlecht bewohnt, welches somit die ganze süd-
liche Hälfte der alten Welt einnimmt. Aber nicht überall haben sie
selbständige Staaten errichtet und sich zu Culturvölkern entwickelt.
Das ist nur von den Ländern des Indus an bis zur afrikanischen
Wüste hin der Fall gewesen. Ein Blick auf die Karte zeigt uns, daß diese
ganze Strecke ziemlich ein und dieselbige großartige Landesnatur dar-
stellt, ein Wüstenland mit einer großen Zahl herrlicher Oasen übersäet,
welche die Ruheplätze für die beschwerlichen Wüstenwanderungen, die
Mittelpunkte des in ruhiger Abgeschiedenheit sich entwickelnden ersten
Cultur- und Völkerlebens wurden. Hier bauten sich die priesterlichen
Königreiche mit ihrem Kastenwesen an, während auf den Steppen der
Hochländer die freien Hirten in patriarchalischer Weise sich mit ihren
Hecrven umherzutummeln fortsuhren. So wie der Boden, auf welchem
die ältesten Culturstaaten erwuchsen, derselbe, und auch das Geschlecht,
von welchem sie ausgiugen, dasselbe war, so findet man auch in den von
ihnen getroffenen Staatseinrichtungen, Religion und Sitte, in den uns
aufbehaltenen Denkmälern diefer Staaten die größte Aehnlichkeit. Bon
dein einen Ende des weiten Ländergebiets bis zum andern, von den
Mündungen des Indus und der daranstoßenden Küste von Dekan big
zu den versunkenen Herrlichkeiten Abessiniens und Aegyptens hin finden
sich dieselben Formen der Bauten an Tempeln, Katakomben, Labyrin-
thei'.; und was sich irgend von den gewaltigen Steinmaffen alter Ge-
bilde erhalten hat, es trägt überall den nämlichen Charakter. Ueberall
finden wir die Spuren eines gewaltsamen, leidenschaftlichen, heißblüthi-
gen, düstern und melancholischen Geschlechts, dessen Zierrathen und
Genüsse selbst noch etwas von dem Druck des schweren Fluchworts an
sich zu tragen scheinen, das seit No ah's Zeiten auf ihnen lastet. In
den meisten asiatischen Ländern ist das hamitische Geschlecht indeß nicht
allein geblieben. In Indien ist es unter die Gewalt der japhetitischen Arier
gerathen, in den Eufratländern hat es sich mit semitischen Bestand-
theilen gemischt. Auch in Aegypten hat man gemeint, ein Mischvolk
annehmen zu müssen, so etwa daß die Weisen und Gelehrten, die Prie-
sterkaste einem andern Stamme, dem semitischen, angehörten. Aber un-
ter den zahlreichen Denkmälern, aus denen wir jetzt die Kenntniß der
altägyvtischen Zustände schöpfen können, weist Nichts auf solche Mi-
schung hin. Ueberall dieselbe rothbraune Gestalt, derselbe unschöne
aber feste Körperbau bei Hoch und Nieder. Nur die schwarzen Sklaven
und die gefangenen Fremdlinge unterscheidet man leicht. Gottes Wort
weiß Nichts von einem fremden Bestandtheil unter den Aegvptern, und
die Priesterkaste trägt nach Allem, was wir von ihr wissen, nicht die
geringste semitische Spur. Die Religion der Aegypter ist durch und
durch hamitisch.
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Extrahierte Ortsnamen: Libyen Afrika Asiens Katakomben Indien
116 X. §. 2. Ursprüngliche Zustände in Griechenland.
tung zu bringen, und hatte ihnen solche politische Einrichtungen ge-
geben, hatte ihre Schicksale so geleitet, daß sie fast mit Nothwendig-
keit darauf hingedrängt wurden, aller in sie gelegten Kräfte sich bewußt
zu werden, sie zu gebrauchen, zu üben, zur Vollkommenheit zu bringen.
Deshalb sind noch bis auf den heutigen Tag die griechischen Schrift-
steller, Dichter und Philosophen, die griechischen Künstler aller Art
bei der gelehrten und kunstliebenden Welt in so hohem Ansehen, daß
sie fast als die Lehrmeister des neuern Geschlechts mitten in der
Christenheit erscheinen, ja daß selbst Christen bedauern, die Schön-
heit griechischer Formen nicht in den heiligen Schriften, nicht in dem
Buch der Bücher wiederzusinden.
Kunst, so weitste die Anmuth, Lieblichkeit, Gefälligkeit der äußern
Form bezeichnet, ist freilich dem Worte und Volke Gottes fremd.
Nicht die Schönheit, sondern die Angemessenheit der äußern
Form kommt dort allein in Betracht. Wenn das, was zu sagen und
darzustellen ist, auf die zweckmäßigste, dem Inhalt entsprechendste Art
dargestellt wird, so genügt das den: Knecht Gottes, mag dann die Form
auch in manchen Fällen als unschön, als hart, als anstößig, als wehe-
thuend erscheinen. Denn um Wahrheit und Verständniß ist es den
Knechten Gottes allein zu thun; und um der Wahrheit willen muß
auch das rauhere Wort gesagt werden, um des Verständnisses willen
muß es in scharfer Entschiedenheit gesprochen sein. Die Form darf
hier nichts für sich selber gelten. Das aber ist das Eigenthümliche
des Griechenvolks, daß es Alles, was es hervorbringt, in die schönsten
Formen kleidet, daß die Form, auch ganz abgesehen von dem Inhalt,
schon durch ihre eigne Lieblichkeit entzückt. Gleich wie der ewig heitere
reine griechische Himmel, die reizenden Formen der griechischen Berge
und Thäler, Seen und Flüsse, die einladende Anmuth seiner Meere
und Küsten Alles bezaubert, so schmiegt sich auch das Menschenwerk
in lieblichster Weise den malerischen Naturformen an; und wie die Na-
tur selbst zum Hingeben und Genießen einladet, so prägt sie auch den
Hervorbringungen des Menschengeistes den gleichen Stempel des ausru-
henden Genießens auf. Aber nichts desto minder beweist die Geschichte
des herrlichen Griechenvolks nur die Wahrheit des alten Satzes: alles
Fleisch ist wie Heu und alle seine Herrlichkeit ist wie des Grases
Blume.
§. 2. Ursprüngliche Zustände in Griechenland.
Die hohe Entwicklung des griechischen Volks konnte nur darum
zu Stande kommen, weil in ihm jeder Einzelne Gelegenheit zur
Entfaltung der in ihn gelegten Kräfte hatte. Bei keinem andern
Heidenvolk der alten Welt war das der Fall. Unter den hami-
tischen Culturvölkern sahen wir die einzelnen in die engen Formen
der Kaste eingezwängt, und die enggeschlossenen Corporationen ver-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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