A. Im beruflichen Leben.
Irr bex Fehrre.
Ein <Snbe nahm das leichte Spiel;
es naht der Ernst des Lebens.
Behalt' im Auge fest dein Ziel,
geh keinen Schritt vergebens!
1. Zum Tagewerke.
Gehe hin in Gottes Namen,
greif dein Werk mit Freuden an;
frühe säe deinen Samen;
was getan ist, ist getan.
Sieh nicht aus nach dem Entfernten;
was dir nah' liegt, mußt du tun;
säen mußt du, willst du ernten;
nur die fleiß'ge Hand wird ruhn.
Müßigstehen ist gefährlich,
heilsam unverdroßner Fleiß,
und es steht dir abends ehrlich
an der Stirn des Tages Schweiß.
Weißt du auch nicht, was geraten
oder was mißlingen mag,
folgt doch allen guten Taten
Gottes Segen für dich nach.
Geh denn hin in Gottes Namen,
greif dein Werk mit Freuden an;
frühe säe deinen Samen;
was getan ist, ist getan. 6pitta.
Lesebuch f. Fortbildungsschulen rc. 9. Auflage.
1
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17
in fremden Ärmeln wegzusehen, war alle Welt mit mir zufrieden,
wie ich mit aller Welt. — So hatte ich beständig Freunde, be-
ständig Beistand, Zutrauen, Geschäfte. Gott gab Segen. Der
Segen liegt im Rechttun und Rechtdenken wie im Nußkern der
fruchttragende, hohe Baum. — So wuchs mein Vermögen. „Wozu
denn?“ fragte ich; „du brauchst ja nicht den zwanzigsten Teil
davon. -— Prunk damit treiben vor den Leuten? — Das ist
Torheit. Soll ich in meinen alten Tagen noch ein Loch im Ärmel
auf weisen? — Hilf anderen, wie dir Gott durch andre geholfen.
Dabei bleibt?s. Das höchste Gut, das der Reichtum gewährt, ist
zidetzt Unabhängigkeit von den Launen der Ijeute und ein großer
Wirkungskreis. — Jetzt, Konrad, gehe auf die hohe Schule, lerne
etwas Rechtes; denke an den Mann mit der weißen Perücke: hüte
dich vor dem ersten kleinen Loch im Ärmel; mach’s nicht wie
mein Kamerad Albrecht! h. zschokk«.
15. Karl Krause.
Vor mehr als siebzig Jahren wanderte in Leipzigs Mauern ein
junger Bauernbursche ein, der nichts sein eigen nannte als seine
gesunden Glieder, sein reines Gemüt und den guten Willen,
seinem künftigen Brotherrn treu zu dienen. Dies waren alle seine
Schätze, die nur ergänzt wurden durch ein Bündel kleiner Habselig-
keiten, das ihn aber recht wenig zu drücken schien. Kaum vierzehn
Lenze zählend, hatte er sein sriedliches Heimatdörschen verlassen und
wollte nun sein Glück in der Stadt versuchen. Gar klein sollte der
Anfang der neuen Laufbahn sein; denn Karl Krause, so heißt der
Held unserer Erzählung, wollte Laufbursche bei Wilhelm Felsche in
Leipzig werden. Noch wußte er selbst nicht, welche Kräfte in seiner
Seele schlummerten, und daß die Anregungen des großstädtischen
Lebens seiner Geisteskraft einst die Schwingen geben würden, sich
aus der Menschheit Höhen emporzuheben. Vielmehr schien ihm das
Los, in so früher Jugend das Vaterhaus verlassen zu müssen, eine
harte Prüfung des Schicksals zu sein; denn bis jetzt hatte er ein
recht ungebundenes Leben in der Freiheit der ländlichen Verhältnisse
führen können.
Seine Wiege stand in Limehna, einem anmutigen Dörfchen
zwischen Eilenburg und Halle. Seine Eltern waren brave Landleute,
die gar fleißig ihre Hände rührten, da nicht weniger als elf
Sprößlinge im Hause nach Brot verlangten. Damm mußten früh-
zeitig alle Kinder auf Feld und Wiese, in Haus und Hof, in Stall
und Scheune tapfer mit zugreifen und den Lebensunterhalt verdienen
helfen. Auch Karl lernte auf diese Weise schon im jugendlichsten
Alter den hohen Wert der Arbeit kennen und stählte seine Körper-
kraft durch harte Übung an landwirtschaftlichen Geräten. Ein neues
Leben begann mit der Schulzeit. Obwohl der alte Lehrer Eckert
Lesebuch f. Fortbildungsschulen rc. Alltz. Teil. 2
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
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Extrahierte Personennamen: Konrad Konrad Albrecht Karl_Krause Karl Karl_Krause Karl Wilhelm_Felsche Wilhelm Karl Karl Eckert Alltz
198
fragte der Kaufmann. „Mit dem letzten Holzankaufe war ich wohl zu-
frieden. Sie haben Ihre Courtage (Maklergebühr) mit Ehren verdient.
Wenn Sie mich wieder so bedienen können, bin ich bereit, ein ähnliches
Quantum zu kaufen wie vor vier Wochen, vielleicht auch mehr — meine
Schiffe müssen zu tun haben, es liegen schon wieder drei müßig. Sobald
der neue Vorrat da ist, melden Sie mir ihn an, adieu! Ich bitte um
Verzeihung, mein Herr (dies galt nämlich mir), daß ich Sie solange habe
warten lassen, aber die lausenden Geschäfte gehen vor? —- Guten Tag, Lotse!
Schon wieder da? Ist meine .Hoffnung' glücklich in See gegangen?"
„Alles nach Wunsch, Herr Mohrfeld!" erwiderte der Angeredete,
rin robuster Elblotse, „das Schiff ist ein Schnellsegler und fürchtet eine
frische Brise nicht. Hier ist der Brief des Kapitäns. Aber ich muß heute
noch wo anders an Bord; kann ich vielleicht mein Lotsengeld gleich mit-
nehmen?"
„Versteht sich, Lotse, und für die rasche, glückliche Fahrt noch zehn
Taler obendrein. Geh' Er nur zu meinem Kassierer, der wird ihm
alles geben!"
Der Lotse zog sich zurück und machte einem Manne Platz, der hart
an die Barriere trat. „Herr Mohrfeld," begann er ohne weitere Um-
stände, „Ihre .Fortuna' ist ganz fertig und kann jeden Augenblick vom Stapel
gelassen werden; ich wollte fragen, welche Zeit Sie dazu bestimmen."
„Montag morgen, Herr Reich!" entgegnete der Kaufmann äußerst
freundlich. „Ich bin recht zufrieden mit Ihnen, Sie haben mich prompt
und gut bedient. Nun, jungen Anfängern soll man forthelfen, ich werde
bei Ihnen den Kiel zu einer neuen Fregatte legen lassen, versuchen Sie
sich einmal daran. Ich ging gestern an Ihrer Werft vorbei, es geht da
recht arbeitslustig und ordentlich zu; fahren Sie fort. Also wie gesagt,
Montag morgen! Adieu! — Wer ist Sie?"
Mit dieser Frage wandte er sich an eine ärmlich gekleidete Frau, die
mit rotgeweinten Augen und abgehärmten Wangen da stand. Auf die fast
barsche Anrede des Herrn fuhr sie ängstlich auf und sagte mit zitternder
Stimme: „Ich bin die Bodmer, deren Mann das Unglück gehabt hat,
auf dem Speicher auszugleiten und das Bein zu brechen."
„Schlimm, sehr schlimm! — Der Bodmer tut mir leid, er war ein
ordentlicher Mann, der stets seine Schuldigkeit tat. Mein Doktor ist doch
gekommen? Was sagte er?"
„Er hat die beste Hoffnung, meinen Mann am Leben zu erhalten,
aber langweilig wird es werden, und wer weiß, ob der arme Mann je
wieder zur Arbeit tüchtig wird. Was sollen wir armen Leute dann mit
uns und unsern fünf unmündigen Kindern anfangen?"
„Auf den Mann vertrauen, in dessen Dienste Euch dies Unglück be-
troffen hat", entgegnete Mohrfeld gutmütig. „Was der Kranke an Wein
und kräftigen Lebensmitteln bedürfen wird, soll aus meiner Küche hin-
besorgt werden; den Wochenlohn hol' Sie regelmäßig Sonnabends ab.
Nun gehe Sie nach Hause und grüße Sie ihren Mann von mir, ich will
ihn auch nächstens besuchen."
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244
ein wenig ausgelassen vor. Seine offenen, angenehmen Gesichtszügr
prägten sich meinem Gedächtnis ein, und gern hätte ich den Grund
seiner Munterkeit gewußt. Am folgenden Tage erfuhr ich ihn durch
einen Zufall.
Jener Soldat hatte während seiner ganzen Dienstzeit, drei
Jahre, keinen Urlaub gehabt, um seine Heimat und seine Familie
wiederzusehen; denn seine geringen Mittel erlaubten ihm die weite
Reise nicht. Die lange Trennungszeit war ihm schwer geworden;
er war immer schweigsam gewesen; denn er dachte viel an seine
Eltern und Freunde und an sein heimatliches Dorf, vor allem aber
an seine Mutter. Die war eine arme Bäuerin, alt und schwach;
aber sie besaß einen fröhlichen 5tnn und ein wahres Engelsgemüt.
Bon allen ihren Rindern liebte sie den fernen Sohn mit der größten
Zärtlichkeit und ganz besonderer Sorge. Seine häufigen Briefe
milderten freilich die Bitterkeit der Trennung; aber Papier bleibt
doch immer nur Papier, und zärtliche Mütter wollen ihre Rinder
sehen und mit fänden fassen. Auch den Rindern genügt es nicht
zu wissen, daß daheim ein teures, graues Haupt ihrer gedenkt; sie
wollen es an ihre Brust drücken. Nun bekam das Regiment eine
neue Garnison, sie war die nächste Stam bei dem Heimatsorte des
blauäugigen Soldaten. Nur wenige Meilen lagen jetzt zwischen ihm
und dem Baterhause, das war der Grund seiner Fröhlichkeit nach
dem anstrengenden Marsche.
Zwei Tage waren nach dem Einmarsch des Regiments ver-
gangen, und unser Soldat war im Begriff, sich einen kurzen Urlaub
zu erbitten, um nach Hause zu eilen. Da wurde ihm ein Brief
übergeben, der kam von seiner Mutter und lautete: „Morgen komme
ich nach der Siam, ich kann's nicht mehr erwarten, ich muß meine
Arme um deinen Hals schlingen!" Es gelang dem guten Sohn,
am andern Tage für einige stunden vom Dienste befreit zu werden«
In der Nacht konnte er nicht schlafen. Mft setzte er sich aufrecht
und blickte nach dem gestirnten Himmel. So verstrichen lange
Stunden, bis endlich die Ermattung siegte; aber er träumte von
seiner Mutter. Sie stand lächelnd an seinem Lager und strich mit
der Hand über seine Stirn. Langsam schlichen am andern Morgen
die Stunden hin. Die Gedanken des Sohnes eilten in die Heimat.
Er sah seine Mutter ein Bündel für ihn zurechtbinden und sich auf
den ll)eg machen. Im Geiste folgte er der guten, alten Frau, wie
sie auf der langen, staubigen Landstraße hinschritt. „Ach, könnte
ich ihr doch das Bündel tragen!" sagte der Sohn leise vor sich hin.
Dann eilte er ans Fenster, setzte sich wieder auf den Schemel und
verfiel in tiefes Sinnen.
Jetzt hörte er auf der Treppe eilige Schritte. — „Draußen steht
eine alte Frau, die nach dir fragt", teilte ihm ein Ramerad mit. —
„Meine Mutter!" ruft der Soldat aus, stürmt die Treppe hinunter,
stürzt über den Hof, erblickt eine Frauengestalt und fliegt auf sie zu«
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286
Weitere Jahre eisernen Fleißes folgten den beiden ersten. Rietschel
erkannte bald, wieviel ihm an Wissen und Bildung fehlte. Jede Stunde,
die ihm seine Akademiearbeiten freiließen, verwandte er darauf, das Ver-
säumte nachzuholen. Daß er schon seit seiner Kindheit gewöhnt war, die
kostbare Zeit auszunutzen, das kam ihm jetzt doppelt gut zustatten. Das
kleine Dachstübchen sah seinen Insassen vom frühen Morgen bis zum
späten Abend rastlos tätig. Ein wahrer Feuereifer ergriff ihn, eine
mächtige Ahnung, daß er nur dann seinen Beruf ganz und voll erfüllen
könne, wenn er alle seine Kräfte soviel wie möglich zur Entfaltung und
Ausbildung bringe.
Ein anregender, herzlicher Verkehr mit gleichgesinnten Freunden gab
diesem Streben weiteren Vorschub. Besonders schloß er sich an den
jungen, später als Kupferstecher berühmt gewordenen Thäter an, der
ihm ein treuer Genosse in seinen Arbeiten und seinen Entbehrungen wurde.
Sie lasen viel zusammen. „Ein heißes Verlangen," erzählt Rietschel,
„viel zu lernen, und das Gefühl, so ganz ohne alle Vorbildung zu sein,
trieb uns zu einer Hast, daß wir gern alles auf einmal vorgenommen
hätten. Es wurde gemeinsam studiert, Geschichte getrieben und Dichter-
werke gelesen. Unser empfänglicher Sinn verschlang mit Begeisterung
Goethes und Shakespeares Werke, auch die Alten wurden mit Bewunde-
rung gelesen, und unser Leben war durch die Freundschaft, durch das
Bewußtsein treu angewandter Zeit und durch das Gefühl inneren Reifens
und Fortschreitens ein ungetrübt glückliches." — Für den Meißel ent-
schied sich Rietschel erst, als ihm im dritten Jahre seines Dresdner Auf-
enthaltes eine Unterstützung von drei Talern monatlich in Aussicht gestellt
wurde, wenn er Modelleur für das Eisenwerk Lauchhammer werden wollte.
Dessen Besitzer, Graf Einsiedel, löste ihn später in edelster Weise von
seinen Verpflichtungen.
In Dresden fehlte es damals gänzlich an tüchtigen Lehrern der
Bildhauerkunst. Rietschel hatte schließlich sechs Jahre hier zugebracht,
ohne daß er von seinen Leistungen und dem Vorwärtsschreiten in der
Bildhauerei befriedigt gewesen wäre. So entschloß er sich denn, dem
Beispiele seiner Freunde, die Dresden ebenfalls sämtlich verlassen hatten,
zu folgen und nach Berlin zu dem berühmten Bildhauer Rauch zu
wandern — zu wandern im buchstäblichen Sinne; denn zu der teueren
Postfahrt reichten seine Mittel nicht aus. In Torgau aber zwang ihn
das wilde Novemberwetter, sich auf die Post zu setzen. Ein mitleidiger
Postillion hüllte den in seiner leichten Kleidung halb Erfrorenen in eine
Pferdedecke. Ohne Mittel, ohne Empfehlungen, ohne Freunde und Be-
kannte kam er nach Berlin. Es war eine besondere Auszeichnung, von
dem größten der damals lebenden Bildhauer, dem Altmeister Rauch, als
Schüler angenommen zu werden. Mit klopfendem Herzen trat Rietschel
in die Werkstätte des Gewaltigen und ob seiner Strenge Gefürchteten.
Rauch machte ihm zunächst wenig Hoffnung. Als er aber die Zeichnungen
des talentvollen Jünglings gesehen hatte, nahm er ihn in seine Werkstatt
auf und gewann ihn bald so lieb, daß er ihn zu seinen Abenden heranzog.
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313
135. Die Belagerung von Kolberg.
Aus dem historischen Schauspiel „Kolberg" von Paul Heyse.
Iv. Akt. 9. Szene.
(Ein niedriges, festes Gemach über dem Lauenburger Tor. Türen rechts und
im Hintergründe. Vorn ein Tisch mit Karten und Schreibgerät, ein Stuhl, Bänke
an den Wänden. Früher Morgen.)
Gneisenau. Nettelbeck. Offiziere: Steinmetz, Brünnow u. a.; Bürger von Kolberg,
darunter Grüneberg, Geertz, Schröder, Invalide Würges, Rektor Zipfel.
Gneisenau. Vom Hauptquartier des Feinds ward mir soeben
ein Schreiben überbracht, von dessen Inhalt
ich Sie in Kenntnis setzen muß. So schreibt
der Gen'ral Loison: (liest)
„Unter Kolberg, den 1. Julius 1807. Herr Gouverneur!
Sie haben für Ihren Oberherrn, für den Ruhm seiner Waffen
und für Ihren eigenen alles getan, was ein tapfrer Mann an der
Spitze tapferer Leute zur Verteidigung der Festung Kolberg tun
konnte. Jhrerfeits haben die Einwohner der Stadt durch ihre Ent-
behrungen und zahlreichen Opfer Beweise ihrer Hingebung geliefert.
Die Stellung des ftanzösischen Heeres, welches, auf allen Punkten
siegreich, Danzig, Königsberg u. s. w. besitzt, läßt keine Hoffnung
auf Hilfe.-------Sie haben eine zu tiefe Kenntnis des Kneges,
Herr Gouverneur, um nicht einzusehen, daß Ihre Verteidigung sich
nur um einige Tage verlängern könnte. Ich ersuche Sie daher,
mir den Platz zu übergeben. Ich biete Ihnen die ehrenvollen
Bedingungen an, welche Ihre schöne Verteidigung mit Recht ver-
dient ------späterhin würde ich nicht mehr dieselben Vorteile be-
willigen können. Dann, Herr Gouverneur, würden Sie sich vor-
werfen müssen, durch einen unnützen Widerstand die Zerstörung der
Stadt Kolberg herbeigeführt, den Untergang friedlicher Einwohner
und einer tapferen Besatzung verschuldet zu haben, die Sie
Ihrem Oberherrn und dem Lande erhalten konnten. Ich habe dir
Ehre u. s. w."
(Faltet den Brief wieder zusammen und legt ihn auf den Tisch.)
Nettelbeck (zu Würges):
Nun meiner Treu', ein höflicher Versucher!
Gneisenau. Ich wende mich nunmehr zuerst an Sie,
meine Herren Offiziere. Daß ich selbst
den Fall der Festung nicht überleben will,
dafür verpfänd' ich mein Ehrenwort!
Doch wer dem Vaterland und seinem König
in andrer Weise mehr zu nützen glaubt,
der trete vor! — Noch ist der Seeweg frei; —-
ich werd' ihn ohne Tadel scheiden sehn.
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364
Reitern ein ins Gefecht eilender Generals der, als er den gekrümmt aus
dem Pferde sitzenden Unteroffizier sah, ihm die schlechte Haltung zu Pferd
verwies und im Kampfgedränge verschwand. Am andern Morgen hatte
der General erfahren, daß ihm jener Brave mit einer Kugel in der Brust
begegnet sei. Er beeilte sich, ihn persönlich aufzusuchen, ihm sein leb-
haftes Bedauern auszusprechen und somit den infolge eines Irrtums ge-
schehenen Vorwurf wieder gutzumachen. Der verwundete Unteroffizier er-
widerte indes: „Sie hatten eigentlich ganz recht, Herr General, wegen
so ein »bißchen Schuß« hätte ich wohl besser zu Pferde sitzen können."
Besondere Freude machte es den Kranken, wenn sie von ihren ge-
sunden Kameraden besucht wurden, oder wenn sich höhere Offiziere nach
ihrem 'Befinden erkundigten, oder wenn gar Kaiser Wilhelm selbst zu
ihnen kam.
Laß dir einmal erzählen, wie der König mit ihnen verkehrte! In
das Bürgerspital zu Saarbrücken kam er im August 1870 ganz unan-
gemeldet. — Die vorstehende Schwester, in voller Arbeit, mit der Küchen-
schürze und aufgestreiften Ärmeln, traf er im Hausgange. — „Liebes
Kind, ich bin der König, ich wollte hier meine Leute besuchen." Die
Diakonissin führte ihn nebst seinem Adjutanten die Treppe hinauf. Er
ging von Zimmer zu Zimmer und sprach mit jedem einzelnen, indem ec
sich nach seiner Wunde, seinem Regiment usw. erkundigte, nicht bloß
beim Herrn Oberst von Bismarck oder dem Major von Jena, sondern
auch bei jedem Gemeinen. Dann stieg er die Treppe hinunter und wollte
sich verabschieden, als die Schwester ihm bemerkte, oben unter dem Dache
lägen auch noch Verwundete. Der König bedauerte, bei seiner Ermüdung,
und da er noch in einem Privathause den Verwundeten einen Besuch zu
machen versprochen habe, nicht mehr zu den anderen gehen zu können,
und war schon vor der Tür seinem Wagen zugeeilt, da kam die Schwester,
welche die oben liegenden Kranken verpflegte, die Treppe herab mit der
lauten Frage, wo der König sei. Auf die Bemerkung, vor der Tür
könne sie ihn sehen, trat sie näher an ihn heran und erklärte, nicht für
sich, sondern für ihre Verwundeten, die so sehr danach verlangten, hätte
sie diese Gnade gewünscht. „Ja, dann muß ich noch einmal hinauf-
kommen", antwortete der 73jährige König und stieg die hohen Treppen
wieder hinauf, unterhielt sich oben mit den einzelnen, nahm sich mit
der Gabel aus dem Näpfchen des einen einen Bissen Fleisch, von dem
andern ein Stückchen Brot, lobte, wie gut sie verpflegt würden, und
schied dann von ihnen.
Im ganzen wurden während des Krieges in den Feldlazaretten
295 644 Kranke und Verwundete und in den staatlichen Reservelazaretten
einschließlich der Kriegsgefangenenlazarette 81202l verpflegt.
Viele Verwundete starben jedoch, ehe sie sorgsamer Pflege teilhaftig
werden konnten, oder hauchten auch ungeachtet derselben ihr Leben aus.
Sie erquickten sich in ihren letzten Stunden noch an Sprüchen und
Liedern, welche sie in ihrer Kindheit gelernt hatten und deren tiefe
religiöse Wahrheit sich ihnen jetzt recht lebendig erwies.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Wilhelm August Bismarck
358
Präsident: Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Berichterstatter.
Berichter st atter Freiherr von Maltzahn-Gültz: Das von
den beiden Herren Rednern aus dem Hause vorgeschlagene Verfahren würde in
voller Übereinstimmung mit dem Verhalten der Kommission stehen, welche fast
sämtliche Beschlüffe zu diesem Gesetze einstimmig gefaßt hat. (Bravo!)
Präsident: Meine Herren, Sie haben den Antrag gehört, den der Herr
Abgeordnete Freiherr von und zu Frankenstein gestellt und den der Herr Ab-
geordnete Or. von Bennigsen unterstützt hat, dahingehend, den vorliegenden
Gesetzentwurf nach Maßgabe der Kommissionsbeschlüsse in zweiter Beratung
en bloc anzunehmen. Es kann diesem Antrag nur Folge gegeben werden,
wenn von keiner Seite demselben widersprochen wird. Ich frage, ob Widerspruch
erhoben wird. (Pause.)
Das geschieht nicht. Ich stelle daher hiermit fest, daß der vorliegende Ge-
setzentwurf nach den Kommissionsbeschlüssen die Annahme des Reichstags gefunden
hat. (Lebhafter Beifall.) — Meine Herren, damit ist die Tagesordnung erledigt.
Ich schlage Ihnen vor, die nächste Sitzung morgen \ Uhr abzuhalten mit
folgender Tagesordnung:
t. Mündliche Berichte der Kommission für die Geschäftsordnung über die
Fortdauer der Mandate der Abgeordneten Saro, Br. von Heydebrand, Lasa
und Weyrauch (Nr. 63, 98 der Drucksachen).
2. Zweite Beratung des von den Abgeordneten Graf von Behr, Br. von
Bennigsen und von Helldorf eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend Änderung
des Artikels 24 der Reichsverfassung (Nr. 29 der Drucksachen).
z. Berichte der Wahlprüfungskommission über die Wahl der Abgeordneten
von Dertzen (Parchim), Llauß, von Funcke, Panse, Richter und Henneberg.
Gegen diese Tagesordnung wird Widerspruch nicht erhoben; sie ist an-
genommen. Ich schließe die Sitzung.
(Schluß der Sitzung 3 Uhr s5 Minuten.) Nach dem stenographischen Berichte.
Uns aber und Unseren Nachfolgern an der Kaiser-
krone wolle Gott verleihen, allzeit Mehrer des Deutschen
Reichs zu fein, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern
an den Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiete
nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung. Wilhelm l.
152. Von Freiheit und Vaterland.
Es sind elende und kalte Klügler aufgestanden in diesen
Tagen, die sprechen in der Nichtigkeit ihrer Herzen:
,Vaterland und Freiheit, leere Namen ohne Sinn, schöne
Klänge, womit man die Einfältigen betört! Wo es dem Menschen
wohlgeht, da ist sein Vaterland; wo er am wenigsten geplagt
wird, da blüht seine Freiheit.“
Diese sind wie die dummen Tiere nur auf den Bauch und
seine Gelüste gerichtet und vernehmen nichts von dem Wehen
des himmlischen Geistes.
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Maltzahn-Gültz Weyrauch Funcke Henneberg Wilhelm
2
2♦ Gedanken eines aus der Schule Entlassenen.
Gestern betrat ich wohl für lange Zeit zum letztenmal den Weg,
der stch allmählich den Hügel hinaufschlängelt und zu dem von wildem
Wein umrankten Schulhause führt. Wie oft war ich in ftöhlicher
Zugendlust den schmalen, mit grünem Rasen überwucherten Pfad hinaus-
geeilt, um, allen Kameraden voran, als der erste das Schulzimmer zu
betreten! Wie so manches Mal war ich aber auch füll und gedrückt den Hügel
hinabgeschlichen, wenn ich vom Lehrer Strafe erhalten hatte für schlechte
Erfüllung meiner häuslichen Pflichten! Aber lange pflegte dieses Gefühl
der Beschämung nicht von meinem Herzen Besitz zu ergreifen; denn der
kecke Jugendübermut zerteilte nur zu bald die Schatten, die der Verweis
des Lehrers in meiner schuldbeladenen Seele heraufbeschworen hatte. Auch
an diesem Tage trat ich ftöhlichen Mutes aus dem Hause meiner Eltern
heraus, um noch einmal den Weg zum Schulhause zu beschreiten. Aber
merkwürdig! Je näher ich dem Schulhause kam, desto mehr sank mir
der jugendliche Übermut und machte einer mir selbst unverständlichen
Traurigkeit und Wehmut Platz. Dämmerte in diesem Augenblicke schon in
meiner Seele die dunkle Ahnung auf, daß ich mich als Mann noch oft
nach den Schuljahren als der besten Zeit meines Lebens zurücksehnen
würde? Ahnte ich jetzt schon, daß das spätere Leben noch so manche
bittere Erfahrung, so manches Weh und Leid mit sich bringen würde?
Tief ernst gestimmt, ttat ich daher in das Schulzimmer und setzte mich
füll und ruhig auf meinen Platz, ohne mich wie sonst an dem lärmenden
Geschrei meiner Mitschüler zu beteiligen. Jetzt tat sich die Türe auf,
und herein trat der Lehrer. Sofort verstummte der Lärm, und jeder
suchte in eiliger Hast seinen Platz zu erreichen. Ich weiß nicht, wie
es kam, aber heute erschien meinen Augen der Lehrer so ganz anders,
so wunderbar verwandelt; denn verschwunden schien mir aus den ernsten
Zügen die Sttenge, und die treuen Augen blickten so mild und versöhn-
lich auf uns Knaben herab, als hätte es niemals Zeiten gegeben, wo
wir vor dem strengen Zornesblicke dieser Augen gezittert hatten. Ich,
der sonst immer so keck dem Lehrer ins Angesicht schauen konnte, ver-
mochte dem warmen Sttahl, der uns aus seinen Augen entgegen-
leuchtete, nicht standzuhalten. Ein unerklärliches Gefühl tiefer Beschämung
und namenloser Reue stieg in meiner Seele empor und ließ mich in
meinem Innern innige Abbitte tun für all den Verdruß, den ich dem
Lehrer in dem Unverstände meines Herzens nur zu häufig zugefügt hatte.
Ja, als der Lehrer nun mit herzlichen, warmen Worten, aus denen
man deutlich das innigste Mttgefühl heraushören konnte, Abschied von
uns nahm, da ttaten mir unwillkürlich Tränen in die Augen, und ich
mußte meinen ganzen ttotzigen Knabenmut zusammennehmen, um nicht in
lautes Weinen auszubrechen. Als der Lehrer jedoch zuletzt jedem von uns
die Hand reichte und persönlich von jedem einzelnen Abschied nahm, da
konnte ich es doch nicht verhindern, daß heiße Tränen über meine Wangen
auf die Hand des Mannes niederrollten, der es so tteu mit uns gemeint
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T116: [Vater Kind Mutter Sohn Bruder Herr Mann Auge Frau Hand], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld]]
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über hundert Knaben und Mädchen aus allen Jahrgängen zu gleicher
Zeit in einem einzigen bescheidenen Schulraume unterrichten mußte
und gewiß nur ganz wenig Zeit hatte, sich mit jedem einzelnen
Kinde zu beschäftigen, so fiel ihm doch gar bald der aufgeweckte und
etwas wilde, kleine Krause auf; er schloß ihn in sein Herz und mühte
sich mit großer Sorgfalt um seine Geistesbildung. Da brach plötzlich
Unglück herein in das Haus des Vaters und warf für lange Zeit
einen düsteren Schatten in die sonnige Jugendzeit des sonst so froh-
gernuten Knaben. Eine heimtückische Krankheit ergriff nach und nach
Vater, Mutter und alle im Hause lebenden Kinder, und leider hielt
auch der unerbittliche Tod gar reiche Ernte im friedlichen Hause. Der
treusorgende Vater und vier liebliche Kinder erlagen der schrecklichen
Seuche, und als man Sarg um Sarg von dannen trug, da wollte
denen, die zurnckblieben, schier das Herz brechen unter der Last des
Leides und des Schmerzes. Karl genas zwar wieder und gelangte auch
schnell in den Vollbesitz seiner Kräfte, doch die schönste Zeit der Kind-
heit war für ihn vorbei. Mit dem vierzehnten Lebensjahre verließ er
Limehna und übernahm das Amt eines Laufburschen, das ihm auf di?
Empfehlung seines ihm wohlwollenden Lehrers vom Ratsherrn und
Konditoreibesitzer Wilhelm Felsche anvertraut wurde.
In Leipzig erschloß sich für den Bauernknaben eine neue Welt,
und das gewerbfleißige Leben der schönen Stadt mit ihrer intelligenten
Bevölkerung übte einen ganz gewaltigen Einfluß auf das bildsame
Wesen des Knaben aus. Karl trug in Torten, Kuchen und inhalt-
reichen Tüten Süßigkeiten aller Art in die Häuser, brachte aber
immer in seine stille Kammer eine Menge kleiner Erfahrungen und
Kenntnisse wieder mit zurück, die sein leicht erregbares Gemüt bis in
die Nacht hinein bewegten. Bald gelang es ihm auch, die ländliche
Sprechweise und die bäuerlichen Angewohnheiten, die ihm manchen Spott
von seinen Genossen eintrugen, abzulegen und sich die verfeinerten
Formen des städtischen Lebens anzugewöhnen. Auf die Dauer ver-
mochten freilich die Biskuits und der Zwieback, die Zucker- und
Schokoladenwaren, die er verpacken und austragen mußte, sein Interesse
nicht zu erschöpfen. Sein lebhafter Geist verlangte nach. kräftigerer
Berätigung, und dazu fand sich bei seiner jetzigen Arbeit doch zu
wenig Gelegenheit. Seit einiger Zeit hatte es ihm ein anderer
Beruf angetan, von dem er in Limehna nie etwas gesehen und
gehört hatte, dessen Ausübung ihm aber jetzt als das höchste Ideal
menschlicher Arbeit erschien. In Leipzig war es, wo damals die
erste große Eisenbahn Deutschlands eröffnet worden war. Da stand
nun Karl gar oft am neuerbauten Geleise und staunte den Zug an.
der mit Blitzesschnelle dahinbrauste und die Schätze des menschlichen
Gewerbsteißes oder Hunderte von Menschen hinausbeförderte aus der
Stadt und mit ungeahnter Schnelligkeit an ihr fernes Ziel brachte.
Voll Bewunderung sah er den Mann an, der mit einem einzigen
Drucke der Hand die geheimnisvolle Kraft des Dampfes regierte und
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Extrahierte Personennamen: Karl Wilhelm_Felsche Wilhelm Karl Karl Karl Karl