§ 67. Innere Zustände Frankreichs unter Ludwig Xiv. 115
a) Die Einnahmen und Ausgaben des Staates standen in keinem richtigen Verhältnis, und Ludwig lud eine stets wachsende Schuldenlast dem Volke auf.
b) Indem Ludwig ein völlig unumschränktes Regiment übte, schloß er die Nation selbst ganz von der Leitung ihrer eigenen Angelegenheiten aus.
c) Gegenüber der beherrschenden Stellung von Paris wurde das geistige Leben in der Provinz immer mehr verkümmert.
d) Durch die Störung des religiösen Friedens wurde der Entwickelung des Landes ein schwerer Schlag versetzt. Seit dem Jahre 1675 hat Ludwig eine systematische Unterdrückung der Protestanten betrieben. Den Verfügungen über die Beschränkung derselben in politischer und religiöser Beziehung folgten Gewaltthaten (Dragonaden in Bearn) und endlich die Aufhebung des Ediktes vou Nantes 1685, durch welche Tausende von gewerb- 1685 fleißigen Reformierten zum Verlassen des Landes getrieben wurden (Aufnahme derselben in anderen Ländern: Holland, Ostfriesland, Brandenburg!).
e) Nach dem Vorbilde des Hofes und des Adels nahm die Sittenlofigkeit in Frankreich in erschreckendem Maße zu. Schlimmer Einfluß der Frauen (Ninon de l'enclos, Comtesse de Brinvilliers).
Repetition. §§ 65—67. Ludwig Xiv. 1643 — 1715. Richelieu und Mazarin begründen den Absolutismus, d. h. die Unumschräukt-heit der königlichen Gewalt, gegenüber dem Adel, den Parlamenten und den Protestanten' — Ludwigs Raubkriege: I. beendet durch den Frieden zu Aachen 1668; Ii. beendet durch den Frieden zu Nymwegen 1678; Iii. beendet durch den Frieden zu Ryswick 1 697. Erfolge und Ausdehnung der französischen Grenze gegen die Niederlande und gegen Deutschland (Straßburg, geraubt 1681, und ein großer Teil des Elsasses französisch). — Zwischen dem zweiten und dritten Raubkrieg Wirksamkeit der Reunionskammern. — Der spanische Erbfolgekrieg bricht die Vorherrschaft Ludwigs zu Anfang des 18. Jahrhunderts. — Innere Zustände Frankreichs: a) Hebung von Handel und Industrie durch Colbert; Merkantilsystem. Kanalbauten. Fabrikeinrichtungen, b) Hofhaltung in Versailles sehr glänzend und kostspielig, c) Litteratur und Kunst: Trauerspieldichter Corneille und Racine, Lustspieldichter Moliere. — La Fontaine; Boilean; Fenelon; Bossuet; Mme. de Maiuteuon; Mme. de Sevigns. Maler: Ponssin,
Lebrnn, Clau de Lorraiu. — Schattenseiten der Regierung Ludwigs: Übermäßige Belastung des Volkes mit Schulden; Beschränkung der Selbständigkeit der Nation; Beginnende Zentralisation des Landes; Störung des religiösen Friedens: Aufhebung des Ediktes von
Nantes 16 85; zunehmende Sittenverderbnis.
8*
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Extrahierte Ortsnamen: Frankreichs Paris Nantes Holland Ostfriesland Brandenburg Frankreich Aachen Niederlande Elsasses Frankreichs Versailles La_Fontaine Nantes
138 Geschichte der neueren Zeit.
Shakespeares hinwiesen. Es gelang ihnen, den in französischem Sinne geübten allmächtigen Einfluß Gottscheds in Leipzig zu brechen (Streit der Schweizer und der Leipziger). Ihr Werk vollendete dann der große Lessing.
c) Die bildenden Künste haben in dieser Periode in Deutschland keine selbständige Blüte erlebt. In der Baukunst wurde der in der Reformationszeit zu so hoher Vollendung geführte Renaissancestil zwar noch weiter gepflegt und fand auch noch einige würdige Vertreter (Schlüter zur Zeit Friedrichs I., Kuobels-dorf zur^ Zeit Friedrichs des Großen, in Berlin), aber er verlor feine Reinheit durch den Hinzutritt fremder Elemente, besonders durch das Überwiegen der Dekoration, des Ornamentes, welches als das Wichtigere an dem Bau behandelt wurde. So erzeugte sich der sog. Perrücken- oder Rokokostil (Zwinger in Dresden), welcher natürlich auch die Skulptur beherrschte. — Die deutsche Malerei sank im 17. Jahrhundert von der Höhe der Reformationszeit herab, wenn auch in der äußeren Handhabung der Kunstmittel (Technik) noch Erhebliches geleistet wurde. Das 18. Jahrhundert hat dann einen neuen Aufschwung der bildenden Künste vorbereitet, zumal durch die geläuterten Kuustaufchauungen, deren Verkünder Winckelmann wurde.
Die Musik hat im 17. und 18. Jahrhundert bei uns in höchster Blüte gestanden. Die deutsche Kirchenmusik fand ihre größten Vertreter in Johann Sebastian Bach (1685 — 1750 [„Matthäus-Passion" n. ct.]) und in Georg Händel (1684—1759 [„Messias", „Makkabäus" u. a.]), welcher letztere vorzugsweise in England gewirkt hat. Nachdem Joseph Haydn und Christoph Gluck auch der weltlichen Musik einen hohen Aufschwung verliehen, erreichte die Tonkunst ihre Vollendung in den großen Komponisten Wolfganq Amadeus Mozart (1756—1791) und Ludwig Beethoven (1770—1827).
d) Das politische Leben war in Deutschland, zumal auch durch den westfälischen Frieden, völlig entartet. Es fehlte, infolge der Schwächung der Kaisergewalt, an einem beherrschenden Mittelpunkt. Der Reichstag, welcher seit 1663 ständig in Regensburg sich befand, war ohne jedweden Einfluß auf das Leben der Nation ; seine Verhandlungen waren, gleich denen des Reichskammergerichtes in Wetzlar, schwerfällig und langwierig; feine Mitglieder, wie die Räte am Kammergericht, sehr oft bestechlich. Um
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Extrahierte Ortsnamen: Leipzig Deutschland Berlin Dresden England Deutschland Regensburg Wetzlar
§ 55. Geistiges Leben und Kultur der Reformationszeit. 93
Bekämpfung der abweichenden Lehren war, wozu er u. a. die Wiedereinführung der Inquisition bewirkte, so hat er doch auch durch eine großartige Heiden Mission und durch ein reges Betreiben der Wissenschaften Segensreiches gewirkt. Letzteres hatte freilich vorzugsweise den Zweck, auf die Jugendbildung und das Schulwesen Einfluß zu erlangen. Der Orden besteht noch heute, wenngleich er in manchen Ländern, wie z. B. in Deutschland, verboten ist. —
§ 55. Geistiges Leben und Kultur der Reformationszeit.
I. Das reformatorifche Werk Luthers wurde unterstützt durch eine allgemeine Bewegung der Geister, die sowohl in der gelehrten als in der belletristischen Litteratur ihren Ausdruck fand. Erasmus von Rotterdam (1467 — 1536) griff die veralteten Formen kirchlicher Gelehrsamkeit und das entartete Mönchtum in glänzenden, vielgelesenen Schriften an, deren berühmteste das „Lob der Narrheit" ist. Gleichwohl hat dieser große Humanist sich der Reformation Luthers nicht offen angeschlossen. — Mit ganzer Seele gab sich der Reformation hin Ulrich von Hutten, aus ritterlichem Geschlechte stammend. Er geißelte die Mißstände seiner Zeit in glühenden Flugschriften, von denen die in Gesprüchsorm gekleideten „Klag und Vermahnung wider die unchristliche übermäßige Gewalt des Papstes" und „die Anschauenden" die wichtigsten sind. Viel verfolgt und besonders nach dem Tode seines Freundes Franz von Sickin gen von Lebensgefahr bedroht, mußte Hutten das Vaterland fliehen und starb noch jung 1523 auf der Insel Usnan im Züricher See. — Unter den volkstümlichen Erscheinungen unserer Litteratur, soweit sie von der Reformation beeinflußt war, ist vor allen Hans Sachs, der Meistersänger von Nürnberg, hervorzuheben, in welchem sich die Sympathie des niederen Bürger-standes für „die Wittenbergisch Nachtigal" verkörperte. Auch der Satirenschreiber Johann Fischart ging dem Mönchtum hart zu Leibe. Einen ganz neuen Aufschwung erhielt durch die Reformation die religiöse Liederdichtung: das deutsche Kirchenlied verdankt Luther seine Entstehung und wurde nach seinem Vorbilde später durch Paul Gerhardt, Paul Fleming n. a. weiter entwickelt.
Ii Auch die Kunst blühte im Reformationszeitalter. Zunächst ward sie in Italien unter dem Schutze kunstsinniger Päpste und
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§ 56. Der Abfall der Niederlande.
95
heute als einer der hervorragendsten Meister der Kirchenmusik. In Deutschland that Luther selbst sehr viel für den kirchlichen Gesang, was eng mit seinen Kirchenliedschöpfungen zusammenhing. Gleichwohl hat die protestantische Kirchenmusik ihren Höhepunkt erst weit später in Johann Sebastian Bach (f 1750) erreicht.
Repetition. § 52. Der Schmalkaldische Krieg zwischen Kaiser und Johann Friedrich, Kurfürst von Sachsen (Philipp von Hessen). Derselbe wird zu Ungunsten der Protestanten entschieden durch den Abfall des Herzogs Moritz von Sachsen. Sieg des Kaisers bei Mühlberg an der Elbe 1547. Sächsische Kurwürde an Moritz — Albertinische Linie. — Moritz fällt vom Kaiser wieder ab und zwingt 1552 denselben zum Passauer Vertrag. 1555 Religionsfriede zu Augsburg. Die Anhänger der lutherischen Lehre erhalten freie Religionsübung und gleiche Rechte mit den Katholiken. Der geistliche Vorbehalt enthält Keime neuer Zerwürfnisse.
1556 58 Karl V. überläßt Deutschland an Ferdinand I., Spanien, Mailand, Neapel und Niederlande an Philipp Ii.
§ 53. Gründung der reformierten Kirche durch Ulrich Zwingli in Zürich. Verständigung mit Luther scheitert bei dem Religionsgespräch zu Marburg 1529. Zwingli f 1531. Fortbildung der reformierten Lehre durch Calvin in Genf. Calvinismus in Frankreich, Niederlanden, Schottland, England u. a.
§ 54. Gegenreformation: 1. Das Trid entinische Konzil reinigt die katholische Lehre und macht dieselbe widerstandsfähiger. 2. Die Jesuiten (gestiftet von Loyola) bekämpfen die evangelische Lehre.
§ 55. Litteratur und Kunst in der Reformationszeit. Der Humanist Erasmus von Rotterdam. — Ulrich von Hutten. — Volkstümliche Litteratur: Hans Sachs in Nürnberg, Johann Fischarts Satiren. — Religiöse Liederdichtung blüht auf. — Kunst: in Italien: Michelangelo; Raffael; Tizian; da Vinci; Correggio. In den Niederlanden: Die beiden van Eyck; später Rubens, van Dyck, Rembrandt. In Deutschland: Holbein, Dürer, Kranach.
B. pie außerdeulschen Ereignisse.
§ 56. Der Abfall der Niederlande.
Karls V. Sohn Philipp Ii. hatte im Jahre 1556 von seinem Vater auch die Niederlande geerbt. Da hier der Calvinismus tiefe Wurzeln geschlagen und immer mehr sich verbreitete, beschloß Philipp, dessen Lebensaufgabe in der Unterdrückung aller nichtkatholischen Lehrmeinnngen bestand, hier mit ganz besonderer Strenge vorzugehen. Die Niederländer aber, deren Glaubenstreue ebenso groß war wie ihr Freiheitssinn, haben sich in heldenmütigem Kampfe
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Extrahierte Ortsnamen: Niederlande Deutschland Sachsen Sachsen Mühlberg Deutschland Spanien Mailand Neapel Zürich Marburg Genf Frankreich Niederlanden Schottland England Rotterdam Nürnberg Italien Niederlanden Deutschland Niederlande Karls Niederlande
§ 58. England im Reformationszeitalter. 101
Jnselreich hatte züchtigen wollen, 1588 (vgl. § 56). Große Seefahrer, 1588 wie Francis Drake, der Erdnmsegler, und Walther Raleigh legten den Grund zu den amerikanischen Besitzungen Englands, wie durch die Stiftung der ostindischen Kompagnie 1600 die 1600 ersten Ansätze zu dem indo-britischen Weltreich gebildet wurden.
Diese großen Erfolge vollzogen sich ungeachtet der schweren Unruhen, welchen die erste Hülste der Regierung Elisabeths ausgesetzt war infolge des Verhältnisses zur Königin Maria Stuart von Schottland. In Frankreich erzogen und frühzeitig mit Franz Ii. vermählt, kehrte diese uoch junge und schöne Frau im Jahre 1561 1561 als Witwe nach Schottland zurück. Hier suchte sie, ganz in katholischen Anschauungen befangen, die durch den feurigen Redner John Knox begründete Reformation (presbyterianischer Richtung) zu unterdrücken. Dadurch raubte sie sich die anfangs vorhandene Zuneigung ihres Volkes. Dieselbe ging ihr noch mehr verloren, als sie sich ihres Gemahls Darnley mit Hilfe des Grafen Both well gewaltsam entledigte und sich kurz darauf mit dem letzteren vermählte. Ganz Schottland empörte sich gegen sie; Bothwell floh und fand nach einem abenteuerlichen Leben (Seeräuber!) ein elendes Ende. Sie felbst suchte Schutz auf englischem Gebiete. Weil sie aber beständig Anspruch auf die englische Krone gemacht hatte, ließ Königin Elisabeth sie verhaften. Da nun die Katholiken Englands mehrfache Versuche zu ihrer Befreiung machten, ja sogar Anschläge auf das Leben Elisabeths erfolgten, denen Maria nicht fremd gewesen zu sein scheint, so wurde sie von einem durch die Regierung ernannten Gerichtshof zum Tode verurteilt. Elisabeth bestätigte dieses Urteil erst nach langem Zögern und schwerem Seelenkampfe. Nach zwanzigjähriger Haft wurde Maria in Fotheringhay enthauptet 1587. Die Frage ihrer Schuld ist noch nicht in allen 1587 Punkten aufgeklärt (Kassetteubriese!). —
Art dem allgemeinen Aufschwung des nationalen Lebens in England, der durch die infolge des Konfliktes mit Maria eintretenden allgemeinen Wirren nicht gehemmt wurde, nahm auch die Litteratur teil. In dem Zeitalter Elisabeths erreichte die dramatische Dichtkunst ihre höchste Blüte: William Shakespeare 1564 (1564—1616) schrieb jetzt seine Meisterwerke. An den verschieden- bis sten Stoffen, die bald frei erfunden, bald der Sage, bald der 1^16 Geschichte entnommen waren, brachte er die ganze Welt der menschlichen Gefühle und Leidenschaften zur Darstellung, Tiefsinn, Kraft
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Extrahierte Ortsnamen: England Englands Schottland Frankreich Schottland Schottland Englands Fotheringhay England
114 Geschichte der neueren Zeit.
welche unter und durch den König heraufgeführt wurde. Es war das klassische Zeitalter des französischen Geisteslebens. Die großen Trauerspieldichter Corneille (1606—1684; ,,Cidu „Horace“ u. a.) und Racine (1639—1699; Athalie, Esther, aufgeführt in der Erziehungsanstalt für Mädchen, welche Frau von Maintenon in St. Cyr leitete, Andromaque u. a.); der Lustspieldichter Moliere (1620—1673; Tartuffe, l’Avare, le Misantlirope; les Femmes savantes und les Precieuses ridicules gegen gewisse Geschmacksverirrungen der Frauen gerichtet). La Fontaine, der noch heute populärste Dichter Frankreichs, schrieb seine berühmten Fabeln. Boilean (Art poetique) der Satirenschreiber und Kritiker. Fenelon, Verfasser der Aventnres de Telemaque und der Schrist De l’education des filles; er wie die großen Kanzelredner der Zeit, Bossnet, Massillon, Bonrdaloue, bildeten die französische Prosa zu hoher Vollendung aus. Auch Frauen finden wir unter den namhaften Schriftstellern jener Zeit, so besonders Frau von Sevigne, die uns in den Briefen an ihre Tochter, Mme- de Grignan, reizende Plaudereien über den Hof Ludwigs u. a. hinterlassen hat, so die geistreiche, aber nicht im besten Rufe stehende Ninon de l'enelos, so vor allen Frau von Maintenon, die einflußreiche Freundin Ludwigs, welche sich um die Erziehung der weiblichen Jugend die größten Verdienste erwarb (Entretiens et conversations avec les dames de St. Cyr).
In den bildenden Künsten ist ein ähnlicher, wenn auch nicht so großer Aufschwung zu verzeichnen; in der Malerei ragten hervor Pons sin, Lebrnn, vor allen aber der große Landschaftsmaler Claude Lorrain („Morgen", „Mittag", „Abend"). Die Baukunst konnte sich an den größten Vorwürfen versuchen (f. die oben erwähnten Schloßbauten), doch gelang es ihr nicht, zu einem einfach-schönen Stile durchzudringen (Barockstil).
Für die Wissenschaften wurde in freigebiger Weise gesorgt (Academie Frangaise, zu der sich fpäter noch andere Akademien gesellten).
4. Schattenseiten der Regierung Ludwigs Xiv. Erhob sich so durch die kriegerischen Erfolge, durch deu Glauz des Hoflebens und durch deu Auffchwuug der Litteratur, Kunst und Wissenschaft das Ansehen Frankreichs auf die höchste Stufe, so bemerken wir doch eine Reihe von schweren Mißständen, welche die Keime des später eingetretenen jähen Verfalles bilden.
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§ 70. Geistiges Leben in England. 119
läufige Leitung des Staates. Dies ist die ohne Blutvergießen vollzogene „glorreiche Revolution" von 1688.
Im Jahre 1689 bestieg nun Wilhelm Iii. von Oranten als König den englischen Thron (1689 — 1702), nachdem er zuvor die alten Rechte des Parlamentes in der sogen, declaration of rights bestätigt hatte. Das Ziel dieses Herrschers, der sowohl als Staatsmann wie als Feldherr zu den größten der Geschichte gezählt wird, war: a) die Wunden, welche die Revolution und die Mißwirtschaft der Stuarts geschlagen, zu heilen (Toleranzedikt!), b) in England die Zukunft des Protestantismus sicher zu stellen (Snecessionsakte!), c) die englische Macht, zumal zur See, gestützt auf die Niederlande zu heben, was besonders durch einen glücklichen Krieg gegen Frankreich geschah (Schlacht bei La Hogue vgl. § 66).
Nachdem unter der Königin Anna (1702—1714) diese Politik fortgesetzt (Beteiligung Englands am spanischen Erbfolgekrieg gegen Frankreich bis 1711), durch die Union von Schottland und England 1707 den Stuarts aber jede Hoffnung auf dauernde Wiederkehr genommen war, folgte im Jahre 1714 in England das protestantische Haus Hannover auf dem Throne.
§ 70. Geistiges Leben in England.
Trotz dieser Stürme, welche das Land bewegten, vielfach sogar durch dieselben zeigte sich eine große geistige Regsamkeit ans fast allen Gebieten. Nachdem die dramatische Dichtung ihren Höhepunkt in Shakespeare erreicht und nach Überschreitung desselben bald verfallen war, fand während der Revolution die derselben zu Gruude liegende religiöse Erregung in der Litteratur ihren Ausdruck. Hier ist vor allen zu nennen John Milton (1608 — 1674). Strenger Republikaner und Puritaner, Sekretär int Staatsrate Cromwells, Hat er in gedankenreichen politischen Schriften selbst mit zur Ausbildung der Revolutionsgedanken beigetragen. Seinen litterarischen Ruhm aber begründete das große Epos „Das verlorene Paradies". — Unter der Restauration schrieben der spöttische Butler („Hudibras") und der charakterlose, aber gewandte Dryden. Die Wende des 17. und 18. Jahrhunderts ist reich an Werken in Prosa, welche nun eine hohe Vollendung erreicht: Swifts satirische Erzählungen (Gullivers Reisen), Addisons Zeitschrift „Spektator"; die „sentimentalen" Romane des
1688
1689
bis
1702
1702
his
1714
1707
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm John_Milton Butler Addisons
Extrahierte Ortsnamen: England England Niederlande Frankreich La_Hogue Englands Frankreich Schottland England England Haus_Hannover England Cromwells
158 Geschichte der neueren Zeit.
Unzulänglichkeit der unglückliche Krieg aufgedeckt hatte, wurde von Grund aus umgestaltet: die allgemeine Wehrpflicht bildete fortan die Grundlage der preußischen Armee. Ausbildung und Behandlung der Soldaten, Wahl und Beförderung der Offiziere wurden neu geregelt. An der Spitze der Militärreorganisations-kommiffion stand der Kriegsminister Scharn hör st, ihm zur Seite Gneisen au, Boyeu, Grolmau u. a. Die Bestimmung des Tilsiter Friedens wurde durch das sogen. „Krümpersystem" umgangen.
Während die Behörden der Armee- und Staatsverwaltung in angestrengter Arbeit die Wiederaufrichtung Preußens vorbereiteten, regte sich nicht minder in weiten Kreisen des gebildeten Mittelstandes neues Leben. Der, große Philosoph Fichte, durch die religiöse Engherzigkeit des Kurfürsten von Sachsen aus Jena vertrieben und von Friedrich Wilhelm Iii. in Berlin bereitwillig aufgenommen, hielt, noch während die Franzosen in Berlin waren, in der Akademie seine begeisternden „Reden an die deutsche Nation". Er war auch der erste Rektor der neuen Universität zu Berlin, welche der König mit großartiger Freigebigkeit im Jahre 1810 stiftete und welche nun ein Sammelplatz aller der Männer wurde, von denen Preußens geistige und sittliche Wiedergeburt ausging. Unter ihnen ragt vor allen Friedrich Schleier -wacher hervor, dessen „Reden über die Religion an die Gebildeten unter ihren Verächtern" das religiöse Gefühl in wunderbarer Weise belebten. Alle Bestrebungen der Litteratur, Wissenschaft und Kunst waren auf die Wiederherstellung des Vaterlandes gerichtet. Die deutsche Vorzeit wurde dem lebenden Geschlechte in ihrem Glanze und ihrer wahren Bedeutung wieder bekannt (Jakob und Wilhelm Grimm). — Weitn auch Goethe, auf den die Welt als den größten der lebenden Dichter blickte, der nationalen Bewegung ferner stand, so wirkte doch der edle Ton, in dem der 1805 gestorbene Schiller die Freiheit (Tel!!) gefeiert hatte, lange nach, und als der Kampf begann, redeten in seiner Sprache Theodor Körner und Heinrich von Kleist zu ihrem Volke, gleich Ernst Moritz Arndt und Friedrich Rückert voll edler Hoffnungen für die Große Deutschlands. —
Schon bald nach dem Tilsiter Frieden trieb das Unglück des Vaterlandes einzelne patriotische Männer zu kühnen Unternehmungen 1809 gegen die Fremdherrschaft (1809). Im Anschluß an die Erhebung
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Extrahierte Ortsnamen: Boyeu Sachsen Jena Berlin Berlin Berlin Deutschlands
166 Geschichte der neueren Zeit.
1806 gelang es sogar, das unterseeische Kabel von Irland nach Amerika zu legen.
Alle Gebiete menschlicher Thätigkeit nahmen an den Segnungen dieser Erfindungen teil, zumal der Handel, die Industrie und und das Kriegswesen erfuhren eine gänzliche Umgestaltung. Im Gefolge des nun ermöglichten größeren Verkehrs der Völker steht eine große Zahl segensreicher Einrichtungen, von denen wir nur eine der wichtigsten, die Weltpost, hier nennen.
§ 94. Deutschlands Litteratur, Kunst und Wissenschaft.
Die große Blütezeit deutscher Dichtung, wie sie in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts durch Klopstock, Lessing, Wieland, Herder, vor allen aber durch Goethe und
Schiller heraufgeführt worden, war vorüber. Bei dem elenden zersplitterten Zustande Deutschlands, bei dem Fehlen eines nationalen Mittelpunktes hatten unsere großen Klassiker vorzugsweise der Ausgestaltung allgemein menschlicher Ideale nachgestrebt: das vaterländische Element fehlte ihnen zwar keineswegs (Klopstock, Lessing, Schiller!), aber war doch verhältnismäßig zurückgetreten. Durch die Freiheitskriege nun erhielt der Patriotismus eine mächtige Anregung, und die Litteratur verlieh ihm schönen Ausdruck. Nicht nur sangen in Deutschlands großer Zeit Dichter wie Theodor Körner, E. M. Arndt, Rückert, Schenkendors die
große Wahrheit, daß es schön und ehrenvoll ist, für das Vaterland
zu sterben, sondern das Streben der romantischen Schule, welche nach den Freiheitskriegen die Litteratur beherrschte, ging auch dahin, die deutsche Vorzeit dem lebenden Geschlecht wieder in ihrer Herrlichkeit zu vergegenwärtigen (die Brüder Schlegel, Tieck, .Novalis, Brentano n. a.). Aber nicht in Engherzigkeit artete dieses Streben aus: durch meisterhafte Übersetzungen wurden die Klassiker aller Völker dem deutschen Volke bekannt gemacht.
Die Kunst fand wie in dem übrigen Europa fo auch in Deutschland verständnisvolle Pflege und geniale Jünger. Obgleich der größte Bildhauer der Neuzeit, Thorwaldfeu, nicht uns, sondern dem dänischen Nachbarvolke angehörte, so fand diese Knnst doch auch bei uns bedeutende Vertreter; Schinkel schuf das
Berliner Schauspielhaus, S ch a d o w die Viktoria auf dem Brandenburger Thore, Rauch bildete in dem Mausoleum zu Charlottenburg die ergreifenden Marmorbilder König Friedrich Wilhelms Iii. und
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120
Geschichte der neueren Zeit.
Richardson (Clarissa), Fielding (Tom Jones), Sterne (Tristram Shandy), Goldsmith (Vikar of Wakefield).
Auch die Wissenschaften fanden in England eine hingebende Pflege. Während in der Philosophie Francis Bacon von Vern-lam (f 1626) ganz neue Gesichtspunkte aufstellte und John Locke (t 1704) der Psychologie fruchtbare Anregungen gab, erhielt die Naturforschung eiue ganz und gar neue Grundlage durch die Entdeckungen des großen Newton (f 1727), der zugleich als Mathematiker epochemachend wirkte (Entdeckung des Gravitationsgesetzes!).
Repetition. § 68. Revolution in England. Jakob I. (Stuart) 1603 — 1625 regiert, beraten durch Buckingham, zur Unzufriedenheit des Volkes (Pulververschwörung). Karl I., 1625—1649, gerät in Streit mit dem Parlament. Petition of right. Nach Buckinghams Ermordung beruft der König Strafford und Land und regiert vou 1629—1640 ohne Parlament. Willkürliche Besteuerung. Prozeß gegen Hampden. Endlich berufter, gezwungen, das sog. Lange Parlament 1640—1653. Strafford und Land hingerichtet. Bürgerkrieg zwischen König und Parlament. Oliver Cromwell siegt mit dem Parlamentsheere bei Marstonmoore und Naseby; Independenten. Karl, von den Schotten ausgeliefert, wird 1649 verurteilt und hingerichtet. — England Republik 1649 bis 1660. Cromwell, gestützt auf das Heer, wird Protektor. Gewaltige Machtstellung der Republik unter ihm. Navigationsakte gegen Holland 1651. Eromwells Tod 1658. — Sein Sohn Richard erbt seine Würde, ist aber seiner Aufgabe nicht gewachsen; dankt ab. General Monk führt die Stuarts zurück.
§ 69. Restauration der Stuarts und die zweite Revolution 1660 — 1688. Karl Ii., 1660 — 1685. Begünstigung der katholischen Kirche; Willkür in der Regierung. Whigs und Tories! Habeas-Corpus-Akte 1679. Jakob Ii., 1685—1688. Seine Begünstigung des Katholizismus zieht seine Vertreibung nach sich. Wilhelm Iii. von Oranien wird König von England 1689—1702. Durch ihn wird der Protestantismus in England gesichert und die Eintracht zwischen Thron und Volk wiederhergestellt: declaration of rights. Auf ihn folgt Königin Anna 1702—1714.
§ 70. Geistiges Leben in England: Milton, 1608—1674, „Das verlorene Paradies". Dryden. Swift. Addison. Fielding. Sterne. — In den Wissenschaften: Fr. Bacon, John Locke, Jsaac Newton.
C. Pas Zeitalter des spanischen Kröfokge- und des nordischen
Krieges.
§ 71. Der spanische Erbfolgekrieg 1701—1714.
Das 18. Jahrhundert wurde durch einen großen westeuropäischen Krieg eröffnet, der das Verhältnis der Staaten insofern sehr
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Extrahierte Ortsnamen: England England England_Republik Holland England England England