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1. Lesebuch für weibliche Fortbildungs- und Feiertagsschulen - S. 16

1891 - München : Oldenbourg
16 11. Das Bild der Mutier. heftigen Unwillen gleicht, gänzlich fremd, ja unmöglich zu sein, und ich habe nie ein hartes Wort über ihre Lippen gehen hören. Wenn der Vater, in dessen Natur eine starke Anlage zu heftigen Aufwallungen lag, je zuweilen aus menschlicher Schwäche auch ein heftiges Wort gegen sie sprach, da schwieg sie wie ein Lamm und that ihren Mund nicht aus. Mit deu Dienstboten und Arbeitern zankte sie nie, sondern verwies ihnen das, was unrecht war, mit sanftem Ernste. Sie urteilte nie hart über einen abwesenden Menschen und mochte dies Urteilen auch an anderen nicht leiden. Und dennoch hat wohl selten eine Frau in ihrer ganzen Umgebung so viel willige Unterwürfigkeit und Gehorsam, so viel Ehrfurcht und Liebe gefunden, als diese. Viele rohe Dienstboten wurden in ihrem Haushalt gar bald sanft und gut und von dem Geiste der Gottesfurcht, des Fleißes und der Ordnung ergriffen, der von der Frau des Hauses aus- ging. Unser lieber Herr hat unter seinen Menschen zuweilen solche, durch welche er nur wohlthun und segnen, gar nicht strafen will. Ein solches Geschöpf voll Liebe und Segen war meine Mutter. Sie ver- mochte selbst uns Kinder nicht auf die gewöhnliche Art zu strafen, sondern dieses Strafamt übte der Vater stark und kräftig; die Mutter aber ward durch unsere Unarten nur betrübt und in sich gekehrt; und wenn wir Kinder dies bemerkten, that es uns weher, als des Vaters Zucht und Strafe; denn wir hatten die Mutter gar lieb. Zuweilen aber, als die Kinder größer und den gewöhnlichen Strafen entwachsen waren, sprach bei ihren Fehltritten die Mutter ein Wort von so nachdrücklicher, tief eindringender Art, daß der Eindruck davon noch jetzt feststeht, wo diese alten Kinder schon mit grauen Haaren einhergehen. Oder sie sah uns mit einem Blicke an, in welchem eine Kraft lag, die uns wie ein treuer Wächter nachging auf allen unsern Wegen und wie mit einem starken Arm uns zurückhielt vom Bösen. Ich weiß mich noch jetzt eines solchen Blickes zu erinnern, der mich tiefer beschämt hat und in diesem Augenblick noch tiefer und inniger beschämt als alles, was mich jemals vor dem Angesichte der Menschen beschämt und gedemütigt hat. Und was war es denn, was diesen Augen eine solche Kraft gab? Das war der Geist der Reinheit und Lauterkeit, welchen Gott in einem seltenen Maße dieser Seele gegeben hatte; und jene andere Kraft, welche wie der Arm eines Wächters die Kinder erfaßte und aus ihren Wegen begleitete, das war die Kraft des inbrünstigen Gebets und der ernstlichen Fürbitte bei Gott für diese Kinder. Wohl wenig Frauen haben so wenig gesprochen und so viel ge- than wie meine Mutter. In ihren jüngeren Jahren, als der Vater ein sehr dürftiges Einkommen und dabei ein saures Amt hatte, erwarb die

2. Lesebuch für weibliche Fortbildungs- und Feiertagsschulen - S. 59

1891 - München : Oldenbourg
59 ---—- ' 37. Cie und Harze. und Auslöschen der Petroleumlampen anzuraten; insbesondere darf das Füllen der Lampen niemals bei brennendem Lichte geschehen. Die Petroleumquellen sind in der Regel in der Nähe der Steinkohlenlager, und es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß dieses Öl ans den Steinkohlen, aus denen durch Hitze die öligen Bestandteile ansgetrieben wurden, entstanden ist. Wenn die ätherischen Öle, die meist in Zellen eingeschlossen sind, diese durchdringen oder durch eine andere Veranlassung hervorzutreten gezwungen werden, so verbinden sie sich mit dem Sauerstoffe der Luft und verhärten. Die dadurch entstandene Masse ist das Harz. Es fließt aus den meisten Bäumen und findet sich auch in Zwischenräumen des Holzes. Viele dieser Harze haben einen scharfen, würzigen Geruch, doch sind einige auch geruchlos; in der Wärme sind sie schmelzbar, im Wasser unauflöslich; in ätherischen Ölen jedoch lösen sie sich und geben die sogenannten Balsame, die als Heilmittel oft sehr geschätzt sind. Das bekannteste der Harze ist das Fichtenharz, das teils selbst aus den Fichten fließt, teils auch durch Einschnitte gewonnen wird. Freilich leiden die Bäume dadurch vielfach Schaden und gehen nicht selten zugrunde. Dieses Harz wird gereinigt und eingekocht und gibt daun das Pech, welches in der Kälte spröde, bei einiger Erwärmung weich itub klebend ist. Die Benützung desselben ist mannigfaltig; vorzüglich wird es zum Auspichen der Fässer verwendet. Die übrigen Harze dienen zur Herstellung von Harz- seisen, Firnissen und Kitten; auch finden sie in der Medizin Anwendung. Der Bernstein ist auch ein Harz und stammt von vorweltlichen Nadelholz- bäumen. Er findet sich besonders im norddeutschen Flachlande und wird teils aus der Erde gegraben, teils durch das Meer aus Land geschwemmt. Ver- wendet wird er hauptsächlich zu Schmucksachen, Perlen, Pfeifeuspitzen. Der Gummi ist ein weit verbreiteter Pslanzenstoss, der sich vorzugs- weise in der Rinde baumartiger Gewächse findet. Er ist durchsichtig oder durchscheinend oder auch undurchsichtig, färb- und geschmacklos und löst sich im Wasser. Mit Harz und ätherischen Ölen gemischt, tritt er in den Gummi- harzen auf. Am bekanntesten ist der arabische Gummi, der von Akazienarten herrührt und aus Arabien, Ägypten, Nubien, Abessynien und anderen Gegenden Afrikas bezogen wird. Er löst sich bei gewöhnlicher Temperatur in Wasser und gibt eine klebrige Flüssigkeit. Er wird als Bindemittel und zu Firnissen re. verwendet. Der Kautschuk (Federharz, Gummi elasticum) findet sich in den Milch- säften tropischer Pflanzen, besonders des Federharzbaumes in Südamerika, aus dem er durch Einschnitte gewonnen wird. Man benutzt denselben zu Kämmen, Schirmgriffen, Stockknöpfeu, Blasinstrumenten, Möbelbekleidungen, zu wasserdichten Gefäßen, zu Flaschen für Aufbewahrung des Äthers, zu Buchdruckerwalzen, Gasleitungsröhren, Spritzenschläuchen, Puffern an Eisen- bahnwägen rc. Die Guttapercha oder der plastische Gummi kommt vom Guttapercha- baum, der hauptsächlich auf den Inseln und Halbinseln des indischen Archipels vorkommt. Sie dient als Ersatz für Leder, Pappe, Papiermache, Holz,

3. Lesebuch für weibliche Fortbildungs- und Feiertagsschulen - S. 62

1891 - München : Oldenbourg
62 39. Das Küchengeschirr. Glasscherben und zerbrochene Flaschen kommen wieder in die Glas- fabrik, werden von neuem geschmolzen und zu Geschirren geformt. Nagelstückchen und alte Stahlschnitzel aus Nadelfabriken geben das Material zu den besten Büchsenläufen, und alte Blechgeschirre und Eisenstücke kehren teils zu den Schmelzhütten zurück, teils verwandelt sie der Chemiker. Es ist möglich, daß die Tinte, mit der wir schreiben, früher ein Teil eines eisernen Faßreifens war, sowie die beste Buch- druckerschwärze, welche Kupferstiche oder Buchstaben schwärzt, ans ver- brannten Weinkernen und Traubenhülsen erhalten wird. Abschnitzel von verzinntem Eisenblech werden wieder in Zinn oder Eisen zerlegt; alle Metallabsälle lassen sich verwerten; der Goldschläger verkauft sogar seine alten, abgetragenen Arbeitskleider, und zwar nicht selten so teuer, daß er sich für den Erlös neue kaufen kann. Sie werden dann verbrannt, und die Goldteilchen, die sich in ihnen angehäuft haben, gesammelt. (Hermann Wagner.) 39. Das Küchengeschirr. Einen Hauptteil der Familienwohnung bildet die Küche und einen Hauptteil der Hauseinrichtung das Küchengeschirr. Die am häufig- sten in Gebrauch kommenden Koch- und Bratgeräte sind irdene. Da der Thon nicht stark gebrannt wird, indem er wegen seines Gehaltes an Eisen und Kalk in heftiger Hitze sich verglasen, d. h. schmelzen würde, so ist die Thonmasse immer sehr porös und würde die Flüssigkeiten durch die Poren verdunsten oder selbst in Tröpfchen sichtbar hindurchziehen lassen, wenn sie nicht ans der Oberfläche glasiert, d. h. mit einer Glas- masse überzogen wäre. Diese Glasur ist aber meist eine sogenannte Bleiglasur, nämlich aus Bleiglütte und Lehm gemacht, die sich in der Hitze verglast. Ist diese Glasur gut und mit gehöriger Aufmerksamkeit eingebrannt, so ist dieselbe völlig unschädlich, nicht aber, wenn sie schlecht eingebrannt oder wenn der Glasurmasse zu viel Bleiglütte zugesetzt wurde. Dann bleibt ein Teil des Bleioxydnts unverglast, und heißer Essig ver- mag dasselbe teilweise aufzulösen und die im Topse befindlichen Speisen zu vergiften. Beim Einkäufe von irdenem Geschirr hat man zunächst daraus zu sehen, daß es eine gleichmäßige, nicht rissige Glasur habe.- Besseres Geschirr ist nicht nur inwendig, sondern auch auswendig glasiert. Ist der zum Geschirr verwendete Thon weiß und die Glasur ganz dünn, und liegt sie nur wie ein Firnis darüber, so daß die weiße Farbe vom durchscheinenden Thone kommt, dann heißt diese Art des irdenen Geschirrs Halbporzellan, Fayence oder Steingut. Aus Steingut be- stehen alle unechten, billigen, dem Porzellan ähnlichen Teller, Kaffee-, Thee- und Milchtöpfe, Tassen und Näpfe. Die Hausfrau darf sich nicht

4. Lesebuch für weibliche Fortbildungs- und Feiertagsschulen - S. 106

1891 - München : Oldenbourg
106 65. Die Soldatenmutter. selbst, wenn so sich der eine auf ihre Schultern stützte, der andere ihr zur Seite ging und sie selbst dem Dritten unter die Arme griff. Ganze sechszehn Monate lang besuchte sie täglich einen spanischen Offizier, der an einem un- heilbaren und schmerzlichen Beinfraß litt, und pflegte ihn mit mütterlicher Sorgfalt. — Ost trat der Fall ein, daß die emsige und sorgfältige Frau genötigt war, zum General zu gehen, welcher in Besan§on kommandierte, um ihm ihr Anliegen vorzutragen. Einst sprach er zu ihr lächelnd: „Schwester Martha, ihr werdet wohl sehr betrübt sein, wenn eure guten Freunde, die Spanier, euch verlassen werden." — „Ja," antwortete sie, „aber dann kommen meine guten Freunde, die Engländer. Alle Unglücklichen sind meine Freunde." — Der Befehl kam wirklich, daß die gefangenen Spanier von Besan^on weggebracht werden sollten, und es war schwer zu entscheiden, wer betrübter darüber war, Schwester Martha oder ihre Pflegesöhne. Sie bot alle Kräfte auf, dafür zu sorgen, daß die Armen auf ihrem Marsche mitten im Winter doch wenigstens vor Kälte geschützt würden. Deshalb sammelte sie Almosen in der ganzen Stadt, und die Beiträge, 'welche die barmherzige Schwester erhielt, waren so groß, daß alle Gefangenen vor ihrer Abreise hinlänglich mit Kleidungsstücken versehen werden konnten. — Um ihrer liebe- vollen Pflegemutter doch einigermaßen ihre Dankbarkeit zu beweisen, beschlossen die Gefangenen, die einzige Kostbarkeit, die sie besaßen, ihr zu verehren — ein silbernes Kruzifix, worauf sie die Worte in ihrer Landessprache eingraben ließen: „An Mutter Martha, unsere Wohlthäterin." Mutter Martha wollte aber das Geschenk durchaus nicht annehmen; doch zuletzt gab sie den Bitten ihrer dankbaren Pflegekinder nach, als diese ausriefen: „Mutter Martha wird ja das Bild unseres Heilandes nicht von sich weisen!" Die Vorhersage der frommen Schwester Martha ging in Erfüllung. Es kamen zwar nicht die Brüder Engländer, aber dafür die Brüder Russen, Österreicher und Preußen und Italiener und Deutsche aus allen Provinzen; und zuletzt, als sich der Krieg über Frankreich selbst hinwälzte, auch die Brüder Franzosen. Und Schwester Martha nahm sie alle, die nach Besan^on kamen, als ihre Gäste auf und speiste die Hungrigen und labte die Durstigen und kleidete die Nackten und besuchte die Gefangenen und pflegte die Kranken und begrub die Toten. Man hat berechnet, daß sie in weniger als elf Monaten an mehr als dreißigtausend französischen oder fremden Gefangenen Mutterstelle vertreten, und daß sie deren auf viertausend Mann zu gleicher Zeit verpflegt hat. Darum wurde auch ihr Name in allen Sprachen mit' Segen genannt, und von allen Zungen wurde sie die „Soldatenmutter"' gepriesen. Das alles erfuhren dann endlich auch die Fürsten — Kaiser und Könige, und wie die Schwester Martha in Besauen mit christlicher Liebe und Sorg- falt so viele Tausende genährt und gepflegt habe, ohne Unterschied des Volkes und der Religion als eine wahrhafte Samaritanerin. Darum, und um die christliche Tugend an ihr zu ehren, wetteiferten sie gleichsam, wie sie die Schwester Martha auszeichnen sollten. Der König von Frankreich, der nun wieder den Thron seiner Väter bestiegen hatte, gab ihr das St. Ludwigskreuz

5. Lesebuch für weibliche Fortbildungs- und Feiertagsschulen - S. 107

1891 - München : Oldenbourg
66. Unsere Arzneipflanzen. 107 und ließ noch ein besonderes Ehrenzeichen für sie verfertigen mit der Inschrift „Huldigung der Tugend." — Der Kaiser von Rußland, der Kaiser von Österreich, der König von Preußen und andere Fürsten beehrten sie ebenfalls mit Orden und Ehrenzeichen, so daß sie zuletzt wie einer der ersten Kriegs- helden mit zwölf Auszeichnungen geziert war. Der König von Frankreich setzte ihr zugleich eine Pension von jährlich zwölfhundert Franken aus, die sie dankbar annahm für ihre Brüder, die Armen. Der Kaiser schon Rußland itnb der König von Preußen luden sie ein, in ihr Land zu kommen, was sie jedoch nicht annahm, da sich in ihrer eigenen Heimat noch so viel Gelegenheit darbot, Barmherzigkeit an ihren Mitbrüdern zu üben. Die ihr von diesen beiden Fürsten dargebotenen Geschenke schlug sie indessen nicht ans, indem sie solche als Mittel benutzte, menschliches Elend zu mildern. Die Soldatenmutter, Schwester Martha, ging heim zu Christus, den sie in ihren Brüdern ihr Leben lang geliebt und gepflegt, am 29. März 1824 in ihrem fünfundsiebenzigsten Jahre. „Ach, wäre doch Schwester Martha hier!" rufen wohl noch jetzt immer Tausende von Unglücklichen, Armen und Kranken, welche von dieser gott- seligen Frau Kunde bekommen. Gott aber, der allbarmherzige Vater, sorgt dafür, daß ein Beispiel dieser Art aus immer fortwirkt und neue Marthen auferweckt. 66. Unsere Arzneipflanzen. In alten Büchern lesen wir manches von merkwürdigen, weisen Frauen, welche den Kranken heilsame Tränke spendeten, für allerlei Gebrechen des Leibes guten Rat wußten und oft auch in die Zukunft sahen und künftige Dinge vorhersagten. Man hieß sie Alraunen, und sie waren hochgeehrt und angesehen bei dem Volke. Selbst berühmte Männer und Kriegshelden suchten sie auf und handelten nach ihrem Rate. Ihre heilsamen Tränke bereiteten sie aus den Wurzeln, Blättern und Blüten von allerlei Pflanzen, die nur sie kannten, und welche sie oft geheimnisvoll beim Scheine des Vollmondes in Feld und Wald auf- suchten. Es läßt sich annehmen, daß manche dieser Frauen mit den geheimen Kräften der Natur wohl vertraut waren und wirklich durch heilsame Kräuter einige Leiden zu heilen wußten. Denn gar seltene Wunderkraft ist in vielen Pflanzen verborgen, und noch jetzt nimmt die ärztliche Kunst einen großen Teil ihrer Heilmittel aus dem Pflanzen- reiche. Freilich jene Pflanzen, welche sich durch außerordentliche Wirksam- keit auszeichnen, wachsen meist in heißen Ländern. Es bedarf der sengenden Glut der tropischen Sonne, um jene wunderbare Kraft zu zeitigen, die z. B. in der Rinde des Chiuabaumes verborgen ist; das aus derselben bereitete Chinin ist das wirksamste Mittel gegen bösartige Fieber und wird auch bei andern Krankheiten von den Ärzten mit staunenerregeudem Erfolge angewendet. Auch die Sennesblätter, Koloquinten, das Ricinus- und Krotouöl find solche aus fremden Erdteilen bezogene Arzneimittel.

6. Lesebuch für weibliche Fortbildungs- und Feiertagsschulen - S. 120

1891 - München : Oldenbourg
120 8. Der siebzigste Geburtstag. Erst als er mit Adeline zu dem Kaufmann kam und dieser mit der in- nigsten Bewunderung ihm sagte, was sie gethan, schloß er sie unter Thränen an sein glückliches Vaterherz. „Ehe wir weiter von dem reden, was sich auf unser Geschäft be- zieht", sagte der Kaufmann, „muß ich Sie, Herr Mortier bitten, daß Sie mir gestatten, Ihre Tochter beim Worte zu nehmen. Sie hat sich mir als Unterpfand für Sie eingesetzt, und sie soll es mir bleiben, aber nicht als Dienstmädchen, sondern als liebes Kind soll sie bei uns leben, daß wir ihr schönes Herz noch genauer kennen lernen können." Der glückliche Vater gab es gern zu und eilte nach Rheims, um seine Gattin ihres Leides zu entheben. Was der Kaufmann gesagt, wurde wahr. Adeline gewann die Liebe und Verehrung der Familie in hohem Grade. Sie war wie ein Kind im Hause, und ihre unermüdliche Sorgfalt für das Beste der Familie, ihre Thätigkeit machten sie unentbehrlich. Ihr bescheidener, häuslicher Sinn war es, der sie allen besonders wert machte. Der Kaufmann hatte einen Sohn, den er jetzt als Teilhaber in die Handlung aufnehmen wollte. Ihm eine würdige Gattin zu geben, war ihm ein Herzensanliegen. Der Sohn gewann Adeline sehr lieb, und sie erwiderte seine Zuneigung. Das blieb dem Vater kein Geheimnis, und gerade dadurch war der Wunsch seines Herzens erfüllt. Sie wurde des Sohnes glückliche Gattin. Von einer Rückzahlung der Schuld ihres Vaters war keine Rede mehr; vielmehr wurde Mortier nun von seinem neuen Freunde mit Kapitalien unterstützt, so daß bald sein Handel wieder blühte. So hatte Adeline ihren Vater und ihre Familie vom Verderben gerettet, und der Lohn der Kindestreue war der Ihrigen und ihr eigenes Glück. Wnh. Oertel. 8. Per siebzigste Geburtstag. Aus die Postille gebückt, zur Seite des wärmenden Ofens Saß der redliche Tamm in dem Lehnstuhl, welcher init Schnitzwerk Und braunnarbigem Jucht voll schwellender Haare geziert war Tamm, seit vierzig Jahren in Stolp, dem gesegneten Freidorf, Organist, Schulmeister zugleich und ehrsamer Küster, 5 Der fast allen im Dorf, bis auf wenige Greise der Vorzeit, Einst Tanfwasser gereicht und Sitte gelehrt und Erkenntnis, Dann zur Trauung gespielt und hinweg schon manchen gesungen. Oft nun faltend die Hand' und oft mit lauterem Murmeln Las er die tröstenden Sprüch' und Ermahnungen. Aber allmählich 10 Starrte sein Blick, und er sank in erquickenden Mittagsschlummer. Festlich prangte der Greis in gestreifter kalmankener Jacke; Und bei entglittener Brill' und silberfarbenem Haupthaar

7. Lesebuch für weibliche Fortbildungs- und Feiertagsschulen - S. 124

1891 - München : Oldenbourg
124 8. Der siebzigste Geburtstag. Warme roch vom frischen Gebäck des festlichen Brotes, Sprang er behend ans den Ofen und streckt' ausruhende Glieder. Jene lies in die Scheune, wo Thoms mit gewaltiger Arbeit Häckerling schnitt; denn ihn fror, und sie sagt' in Eile den Auftrag: 155 „Splittere Holz für die Gans und hol in dem Beutel die Karpfen, Thoms, vor dunkeler Nacht; sonst geht dir der kitzlige Fischer Schwerlich zum Hälter hinab, trotz unserem Sohn und dem Pastor!" Thoms antwortete drauf und stellte die Häckerlingslad' hin: „Splitter, Marie, und Karpfen verschaff' ich dir früher, denn not ist. 160 Wenn an dem heutigen Tage sich kitzelig zeiget der Fischer, Treib' ich den Kitzel ihm aus, und bald ist der Hälter geöffnet!" Also der rüstige Knecht; da rannte sie durch das Gestöber, Stieg auf den Taubenschlag und pustete, rieb sich die Hände, Steckte sie unter die Schürz' und schlug sich über die Schultern. 156 Als sie mit schärferem Blick in des Schnees umnebelnde Wirbel Spähete, siehe, da kam's mit verdecktem Gestühl wie ein Schlitten, Welcher vom Berg in das Dorf herklingelte. Schnell von der Leiter Stieg sie herab und brachte der emsigen Mutter die Botschaft, Welche der Milch abschöpfte den Rahn: zum festlichen Kaffee: 170 „Mutter, es kommt wie ein Schlitten: ich weiß nicht sicher, doch glaub' ich!" Also Marie; da verlor die erschrockene Mutter den Lössel, Unter ihr bebten die Knie', und sie lies mit klopfendem Herzen Atemlos; ihr entflog im hastigen Lauf der Pantoffel. Jene lief zu der Pfort' und öffnete. Näher und näher 175 Kam das Gekling' und das Klatschen der Peitsch' und der Pferde Getrampel. Nun, nun lenkten herein die mutigen Ross' in den Hofraum, Blankgeschirrt, und der Schlitten mit halb schon offnem Verdeckstuhl Hielt an der Thür, und es schnoben, beschneit und dampfend, die Renner. Mütterchen ries: „Willkommen dahier, willkommen, ihr Kindlein! 180 Lebt ihr auch noch?" und reichte die Hand in den schönen Verdeckstuhl; „Lebt in dem grimmigen Ost mein Töchterchen?" Dann für sich selber Nur zu sorgen, ermahnt: „Laßt, Kinderchen!" rief sie; „dem Sturmwind Wehret das Haus! Ich biu sa vom eisernen Kerne der Vorwelt! Stets war unser Geschlecht steinalt und der Verächter des Wetters; 185 Aber die jüngere Welt ist zart und scheuet die Zugluft." Sprach's, und den Sohn, der dem Schlitten entsprang, umarmte sie eilig, Hüllte das Töchterchen dann aus bärenzottigem Fußsack Und liebkosete viel mit Kuß und bedauerndem Streicheln, Zog dann beid', in der Linken den Sohn, in der Rechten die Tochter, 190 Rasch in das Haus, dem Gesinde des Fahrzeugs Sorge vertrauend. „Aber wo bleibt mein Vater? Er ist doch gesund am Geburtstag?" Fragte der Sohn. Schnell tuschte mit winkendem Haupte die Mutter: „Still! Das Väterchen hält noch Mittagschlnmmer im Lehnstuhl! Laß mit kindlichem Kuß dein junges Gemahl ihn erwecken; 195 Dann wird wahr, daß Gott im Schlafe die Seinigen segnet!" Sprach's und führte sie leis' in der Schule gesäubertes Zimmer,

8. Lesebuch für weibliche Fortbildungs- und Feiertagsschulen - S. 127

1891 - München : Oldenbourg
11. Bei dem Grabe meines Vaters. 12. O lieb, so lang' du lieben kannst. 127 Und dann, als ich nach wechselvollen Jahren am offnen Grabe meiner Kinder stand, da hab’ ich, tief erbebend, erst erfahren, was jene Nacht mein Mütterlein empfand. Und Lieb’ und Reue, Dank und heisses Sehnen, ich kost’ sie täglich, koste sie nicht aus. Wohl bin ich glücklich — aber oft in Thränen denk’ ich der letzten Nacht im Vaterhaus. b Bettmann. 11. Wer dem Grabe meines Walers. Friede sei um diesen Grabstein her! Sanfter Friede Gottes! Ach, sie haben einen guten Mann begraben, und mir war er mehr. Träufte mir von Segen, dieser Mann, wie ein milder Stern aus bessern Welten; und ich kann’s ihm nicht vergelten, was er mir gethan! Er entschlief; sie gruben ihn hier ein. Leiser, süßer Trost, von Gott gegeben, und ein Ahnen von dem ew'gen Leben duft' um sein Gebein! Bis ihn Jesus Christus, groß und hehr, freundlich wird erwecken. Ach, sie haben einen guten Mann begraben, und mir war er mehr! Claudius. 12. Ä lieb, so lang' du lieben Kannst! O lieb, so lang' du lieben kannst! O lieb, so lang' du lieben magst! Die Stunde kommt, die Stunde kommt, wo du an Gräbern stehst und klagst. Und sorge, daß dein Herze glüht und Liebe hegt und Liebe trägt, so lang' ihm noch ein ander Herz in Liebe warm entgegenschlägt. Und wer dir seine Brust erschließt, o thu ihm, was du kannst, zulieb! Und mach ihm jede Stunde froh, und mach ihm keine Stullde trüb.

9. Lesebuch für weibliche Fortbildungs- und Feiertagsschulen - S. 129

1891 - München : Oldenbourg
14. Pflichten der Magd gegenüber der Frau. 129 nicht in einem Jahre drei oder vier Herrschaften haben; sie laufen um saure Arbeit oder um ein hartes Wort nicht gleich aus dem Dienste. Ein rechter Gesell hat nicht alle vier Wochen einen neuen Meister, und ein Lehrling, welcher zugleich in der Lehre des rechten Meisters steht, hat nicht schon drei oder vier Meister gehabt, ehe er ausgelernt hat. Ein Stein, der oft gewälzt wird, berast nicht; ein Baum, welcher öfters verpflanzt wird, schlägt nie tiefe Wurzeln. Dem rechten Gesinde ist der Herrschaft Ehre seine Ehre, der Herrschaft Schande eigene Schande. „Unser Haus", sagen rechte Knechte und Mägde. Ordentliches Gesinde läuft nicht fort, wenn ihni irgendwo ein Thaler mehr geboten wird; es zieht nicht fort, wenn Gott schwere Tage über die Herrschaft schickt. Es spricht: „Haben wir Gutes mitgenossen, wie sollten wir das Böse nicht mittragen?" Es müssen viele in der Welt dienen. Aber mancher spricht: „Leider ja, ich muß dienen; ich kann einmal nicht anders durch die Welt kommen; mein Stand, mein Herkommen bringt es so mit sich." „Muß" aber ist ein bitter Kraut, und aus bitteren Kräutern fließen bittere Säste- Das kalte „Muß" gibt keine Freudigkeit. — Viele dienen um des Lohnes willen. Aber wenn das kalte Geld das Herz des Dieners regiert, so steht sicher die Untreue vor der Thür. — Manche sind zu- frieden in ihrem Dienste, weil die Herrschaft freundlich ist. Aber Menschenfreundlichkeit ist wie der Mond; sie scheint nicht immer. Bald ist sie voll, bald halb, bald nur ein armes Sichelchen, bald ist sie ganz weg. Es dient sich nur leicht und freudig, wenn man es thut um Gottes willen. Dann dient man einem Herrn, dessen Gnade einen Tag wie den andern scheinet aus alle, die ihn lieb haben. Treue Diener sinden ihren Lohn oft schon bei Menschen, wie Elieser, Abrahams Hausvogt. Aber den rechten Lohn gibt ein anderer. Er lohnt nicht mit kaltem Gelde, sondern mit seiner Gnade, nicht viertel- jährlich, sondern täglich. Dem treuen Diener gibt er am Morgen Kraft zum Schassen, zum Dulden und Tragen. Während der Arbeit ruft er ihm zu: „Fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir!" Am Abende schenkt er ihm Frieden, und des Nachts nimmt er ihm seinen Kummer vom Herzen. — Wenn dann das Freijahr kommt, spricht er: „Wohlan, du guter und getreuer Knecht, weil du über weniges getreu gewesen bist, so will ich dich über vieles setzen; gehe ein in die Freude deines Herrn!" Ahlseld. 14. Pflichten der Magd gegenüber der Frau. Wer dient, der erfülle treu die Pflichten, zu welchen er sich verbindlich gemacht hat; er thue darin lieber zu viel als zu wenig. Lesebuch für weibliche Fortbildungsschulen. 9

10. Lesebuch für weibliche Fortbildungs- und Feiertagsschulen - S. 152

1891 - München : Oldenbourg
152 33. Mitleid im Winter. Und bringt ihm freundlich den süßen Wein. Der freut sich sehr, bezeigt seinen Dank, Und der andre geht nun seinen Gang. Jetzt jener schon ein Beerlein berührt; Doch schnell zurück er den Finger führt; „Nein", spricht er, „von so köstlicher Frucht Sind nns're Zellen nur selten besucht. Nein, diese allein genießen muß Unser frommer Abt Makarius!" — Sobald nun ausgetobt das Fieber, Schleicht er an seiner Krücke hinüber, Und, ohne daß es ihm bekannt, Er seine Traube derselben Hand, Von der sie ausgegangen, reicht. Makarius blickt empor und schweigt; Doch seine Freudenthränen rinnen; Dann hört man ihn dies Wort beginnen: „Du Gott der Liebe, gepriesen seist, Daß sich Dein liebend heil'ger Geist An meinen Brüdern so schön erweist! Er bleib' ihr Teil! dann — wie Du willt, In ihm ist all' mein Sorgen gestillt, Mein Tagewerk auf Erden erfüllt; Dann ruf' mich bald zu Deinem Frieden!" Und beides hat ihm der Herr beschieden. Rochlitz. 33. Mitleid im Winter. 1. In meinem Stübchen ist’s bequem, Ist’s lieblich, hübsch und angenehm; Doch manche Mutter, Gott erbarm ! Nimmt’s Kindlein nackend auf den Arm; Sie hat kein Hemd, hört’s klüglich schrein Und wickelt’s in die Schürze ein. 2. Sie hat kein Holz, sie hat kein Brot Und klagt dem heben Gott die Not. Friert’s noch so stark, das Mutterherz Taut doch die Thränen auf im Schmerz. Der Winter ist ein rauher Mann; Wer nimmt sich doch der Armen an? 3. Geh hin und bring der armen Seel’ Ein weifses Hemd, ein Säcklein Mehl, Ein Bündchen Holz, und sag’ ihr dann, Dass sie auch zu uns kommen kann, Um Brot zu holen immer frisch; Und dann deck auch für uns den Tisch! Johann Peter Hebel.
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