264
gurrst geworden, obgleich sich doch alle vor ihm hätten schämen sollen als
vor ihrem leibhaften bösen Gewisien, welches ihnen wie ein Spiegel, nur
im verkehrten Bilde, die eigenen Mängel vorhielt. Keiner zwar zupfte
sich an der eigenen Nase, sondern ein jeder seinen Nebenmann, und es
gab ein babylonisches Gewirr, in welchem das Lob des Schmiedes mit
den gegenseitigen Vorwürfen der einzelnen zusammenfloß.
Nun fand sich's auch urplötzlich, daß es in der Rüstkammer fehle
und im Proviantgewölbe; denn alle hatten geredet, keiner gerüstet, alle
gezecht, keiner gehandelt, den Leimsieder ausgenommen, der sein Hans
bestellt hatte für jeden Fall, während er ganz füll seinem Tagewerk und
seiner Liebschaft nachging.
So endete er auch jetzt den greulichen Tumult, indem er seinen
Harnisch zeigte, der gefestet und blau? geputzt, und sein Schwert, das
scharf geschliffen war, und sich erbot, dem Dachsburger selber in der
Waldschlucht zu Leibe zu gehen, wofern ihn nur zwölf tüchtige Burschen
begleiten wollten. Die fanden sich bald, und die Befehlshaber redeten
auch kein Wort wider das Wagnis; denn sie fürchteten schon, der Leim-
sieder möge ihnen allen über den Kopf wachsen; werde er etwa vom
Ritter geduckt, so sei es gerade kein Unglück.
Am anderen Morgen zog Michael zum Tor aus, nicht mit zwölf,
sondern mit dreißig Genossen; denn Tatkraft lockt zur Tat. Ein größerer
Hause marschierte in der Richtung der Klosterwiese, um mit Vermeidung
eines Gefechts die dort sich versammelnden anderen Ritter zur Seite zu
locken, daß sie nicht etwa dem Dachsburger entgegenritten. So hatte es
der Leimsieder schon längst im stillen ausgedacht.
Lautlos strich er mit seiner Schar in der frühen Dämmerung durch
den Wald und stellte in der Schlucht die Zünftler ins Versteck hinter die
Bäume und Felsstücke. Ju der Rechten hielt er den wuchtigen Schmiede-
hammer, das Schwert ruhte in der Scheide, über der Rüstung trug er
den Bauernkittel, in welchen er sich so oft zu ganz anderen Abenteuern
verhüllt hatte. „Sonnenschein auf Lichtmeß!" war der Feldruf der
Städter an diesem Tage.
Als eben die späte Februarsonne hellglänzend durch die landloses
Wipfel aufstrahlte, nahte sich der Ritter, sorglos den engen, steinigen Pfad
herabreitend; die Knechte folgten ihm einer hinter dem anderen; denn der
Weg bot nicht Raum für zwei. Der Harnisch des Dachses glühte im
goldenen Licht, und der Schatten von Roß und Mann fiel langgestreckt
vor ihm her. Da trat aus zwölf Schritt der Schmied aus dem Gebüsch
entgegen. „Sonnenschein aus Lichtmeß" ries er. „Herr Ritter, ihr macht
ein Sprichwort zu Schanden. Der Dachs sieht seinen Schatten, aber er
kehrt nicht mehr in seinen Bau zurück!" Und bei diesen Worten warf er
den Hammer im Bogen dem geharnischten Mann entgegen — er hatte
den Wurf oft daheim geübt, während die anderen auf dem Rathaus Reden
übten. Der Hammer sauste dem Gegner an den Kopf; doch schlug ex
ihm nur bett Helm herab, welcher lose und bequem aufgesetzt gewesen.
Allein das Roß scheute, bäumte, und ehe der erschrockene Reiter des er--
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke]]
TM Hauptwörter (200): [T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
265
schrockenen Tieres Meister ward, stürzte es im Gestein des abschüssigen
Pfades. Mit dem Sturz aber kamen dem kampfgewohnten Manne die
Sinne wieder; im Nu war er aus den Bügeln, auf den Beinen, zog das
Schwert und sprang dem Schmied entgegen, der kaum rasch genug sein
eigen Schwert aus der Scheide reißen konnte. Sie prallten beide gleich-
zeitig aneinander.
„Sonnenschein auf Lichtmeß!" schrie der Leimsieder und hämmerte
in fürchterlichen Naturhieben auf des Gegners Harnisch, als hätte er
glühendes Eisen auf dem Amboß.
„Ich will dir den Sonnenschein auf ewig verdunkeln", erwiderte der
Ritter und gab ihm zugleich die Hiebe kunstgerechter, doch nicht minder
kräftig heim.
„Sonnenschein und Sturm zugleich!" rief der Michel. „Wenn's
auf Lichtmeß stürmt und tobt, der Bauer sich das Wetter lobt!" und
schlug dem Ritter einen Querhicb ins Gesicht, daß das Blut die Backen
herunterkam.
Nun kam auch dem Dachs der Humor: „Lichtmeß hell, gerbt dem
Bauer das Fell!" entgegnete er und zog dem Michel einen Hieb über
die linke Schulter, daß er dachte, er habe den Bauer durch und durch
gespalten. Aber der Harnisch, an welchem der Leimsieder gehämmert,
während seine Mitbürger Stroh gedroschen, fing den Streich auf, und nur
der Bauernkittel, in Fetzen geschlagen, fiel von der Schulter, daß der Schmied
plötzlich in blanker Rüstung wie ein Junker vor dem Ritter stand.
„Lichtmeß dumper*), macht den Bauer zum Junker!" donnert
Michel nun, die richtige zweite Halbstrophe zu der eben gesprochenen ersten
des Ritters fügend.
„Wird der Bauer zum Junker, geht die Welt unter!" ries der
Dachs mit entsprechendem Streich.
„Für dich geht sie unter heut auf ewig!" antwortete der Leimsieder
mit entsprechendem Gegenstreich, und mit der Losung: „Sonnenschein auf
Lichtmeß!" fiel er immer wütender den Ritter an.
„Auf Lichtmeß sieht der Bauer lieber den Wolf in der Herde als
die Sonne am Himmel!" brüllte der Ritter. „Ihr sollt den Wolf
haben und die Sonne zugleich!" und schwang sein Schwert gewaltig über
Mchels Kopf.
Der Ritter behielt das letzte Wort. Der Schmied wußte keinen
Wetterspruch von Lichtmeß mehr, aber er behielt den letzten Hieb. Denn
kaum hatte der Dachsburger jenes Wort gesprochen, so spaltete ihm der
Leimsieder den Schädel und rief: „Schweigen ist auch eine Antwort!"
Der Fall des Führers entschied den Tag. Des Schmiedes Genossen
hatten leichtes Spiel mit den Knechten des Ritters. Roß und Rüstung,
welche dieser: im offenen Felde so oft den Sieg verschafft über die Städter,
wurden in der engen Felsschlucht ihr eignes Verderben. Als sie vollends
den Herrn fallen sahen, wandten sie sich zur Flucht. Doch wurden etliche
niedergemacht und einige gefangen.
*) (Oberdeutsch) düster, dunkel.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
266
Die Bundesgenossen auf der Klosterwiese harrten bis Mittag ihres
Freundes, da meldete ihnen gleichzeitig das Jubelgeschrei und Glocken-
geläute von der Stadt herüber und ein versprengter Knecht, der aus der
Schlucht entronnen war, des Dachsburgers Schicksal. Sie gingen für
diesmal auseinander und kamen so bald nicht wieder.
Die Bürger aber in der Schlucht, welche von Stund an die „Dachs-
falle" hieß, luden die Leiche des Ritters samt Schwert und Rüstung auf
sein Pferd und führten dieses Siegeszeichen zur Stadt; Michael der Leim-
sieder ging mit dem Hammer an der Spitze des Zuges. Als sie an dem
Hause des Söldnerbauern vorbeikamen, nahm er den Alten zur Rechten
und die Gertrud zur Linken. Den zerfetzten Bauernkittel trug der jüngste
Lehrjunge der Schmiedezunst ganz hinten auf einem Spieße wie ein er-
beutetes Banner.
So schritt die abenteuerliche Rotte zum Tore herein. Am Markt-
platz machte man Halt und legte die Leiche des Ritters auf dem Stein
vor der Schmiede wie auf einem Paradebett aus, daß jeder sich über-
zeugen konnte, es sei auch wirklich der Dachsburger und kein anderer,
den Michael gefällt. Es zeigte sich, daß der Ritter aufs Haar so lang
war, wie der Stein, nämlich sieben Fuß, gleich als sei der Stein, der
schon seit undenklicher Zeit dort lag, eigens für ihn zurechtgehauen
worden. Das alte zweihändige Ritterschwert, wie es damals schon kein
Mensch mehr zu führen pflegte, ward zu ewigem Gedächtnis im Rathaus
aufbewahrt. Es kam von da der Brauch auf, neu eiugeschworenen Bürgern
dieses Schwert zu zeigen, damit sie im Andenken an Michael den Leim-
sieder erkennen möchten, daß wenig reden und viel handeln die erste
Bürgertugend sei. Als Lösegeld für den gefangenen Metzger, Schuster
und Schneider schickte man die Leiche des Dachsburgers seiner Familie
zurück. Er hatte bekanntlich die Gefangenen gegen Mastochsen, Mast-
schweine und junge Geisböcke ausliefern wollen. Ein Mönch im Städtlein
fand diese Wendung so bedeutsam, daß er am nächsten Sonntag sehr er-
baulich darüber predigte.
Michael heiratete seine Gertrud ohne Einsprache, wie sich von selbst
versteht. Seine Freunde behaupteten noch lange nachher, nie im Leben,
nicht einmal an seinem Hochzeitstage, sei er so gesprächig gewesen wie in
der Dachsfalle, als er mit Hieben gewettert und mit Wetterregeln drein-
gehauen habe. Und doch sei er auch dort das letzte Wort schuldig ge-
blieben, nicht aber den letzten Hieb. Der Spitzname des Leimsieders ward,
wie das damals so oft geschah, zum Familiennamen. H. W. Riehl.
114. Protokoll über eine Sitzung der Stadtverordneten ;u
£., den 25. Sept. *900.
Den Vorsitz führt der Vorsteher, Herr Rechtsanwalt Itc.
Am Ratstische sind anwesend die Herren Bürgermeister Itc. G,
Stadträte L-, Itc. Sch., Dr. Ed., £., R, $.
Eingegangen ist eine Eingabe vom Vorstande des Vftvorstädtischbn
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr]]
Extrahierte Personennamen: Michael Gertrud Michael Michael Schuster Schneider Michael Gertrud H._W._Riehl Itc
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: ABC_Lesen
Geschlecht (WdK): koedukativ
171
I). Aus der deutschen Geschichte.
79. Die alten Deutschen.
Groß, stark und schön waren die alten Deutschen. Wie Riesen blickten
sie über andere Menschen hin. Weiß und rein war die Farbe ihrer Haut;
in üppiger Fülle floß das goldgelbe — blonde — Haar bei Männern und
Frauen hernieder, und aus den großen, blauen Augen blickten Mut und
edler Freiheitsstolz. Das Leben in der freien Natur war ihr Element; Krieg
und Jagd trieben die Männer, Ackerbau und Viehzucht überließ man den
Sklaven und Weibern. Freiheit war ihnen das höchste Gut, und wer
hatte sie diesen Männern entreißen mögen, die immer mit Wildheit in den
Freiheitskämpfen erschienen; die mit Ungestüm in die Schlacht, wie zum
Tanze sprangen; die ihre Jugend so lange mit einem Schändlichen behingen,
bis sie einen Feind erschlagen hatten; die auf dem Schilde über die Gletscher
und Eisberge rutschten, Ströme ableiteten zum Grabe ihrer Köuige, Flüsse
mit ihren Schilden aufzuhalten suchten. Doch lag bei aller ungebändigten
Naturkraft in den Germanen tiefer, einfacher Sinn, ein kindlich sittliches
Leben, die größte Zucht und unbefleckte Keuschheit. „Dort lächelt niemand",
sagt der ernste Römer Tacitus, „über das Laster; bei ihnen vermag die
gute Sitte mehr als in Rom das strengste Gesetz." Die Fülle der Kraft
galt unsern Urvätern so hoch, daß sie kranke Kinder lieber töteten als zu
Krüppeln heranwachsen ließen, und daß die Alten, wenn sie sich für nichts
mehr tüchtig hielten, sich selber den Tod gaben. Deshalb wurde die Kraft
des Leibes auch frühzeitig gestählt; das neugeborene Kind in kaltes Wasser
getaucht, das Heranwachsende durch jede Leibesübung abgehärtet. Der Knabe
ging mit dem Vater auf die Jagd oder warf sich bei Sturm und Wetter
in den Strom und rang mit den Wellen. Der Jüngling sprang nackr
zwischen nackten Schwertern und Lanzenspitzen einher, und der Beifall des
Volkes lohnte die Kecksten und Geschicktesten. Verstand der Jüngling die
Waffen zu führen, konnte er Löwen- und Wolfsfell, die Hörner des Ur als
Triumphzeichen aufweisen, dann hatte er das Ziel langen Strebens erreicht:
er ward tüchtig befunden, in die Zahl der Männer aufgenommen zu werden.
Die Edelsten des Stammes gürteten ihn mit dem Schwert, reichten seiner
Linken den Schild und drückten ihm den Speer in die Rechte. Seine liebste
Lust war dann, mit dem Feinde sich zu niesten oder das riesige Wild zu
erlegen. Das Mädchen hingegen lernte Sitte und Zucht bei der keuschen
und treuen Mutter. Die Jungfrau gab nur dem Tapfersten ihr Herz.
Der Mann beschenkte als Bräutigam die Braut mit einen: Ringe und mit
niedrigen Schuhen, durch deren Anlegung sie in die Gewalt des Mannes
trat; er brachte dem Weibe zum Wittuu: Waffen und Roß. Die Verlobte
brachte den: Manne zur Mitgift außer dem Rindergespann auch wohl ein
Schlachtroß, den Schild und die Waffe; im Frieden wie im Kriege wollte
sie mit ihm leben und sterben. Hochgeehrt von ihren: Gatten führte die
Frau im Hause die ununffchränkte Oberherrschaft; sie gebot über die dienende
Schar und erzog die Kinder, sie besorgte Haus und Feld. In der Frauen
Gegenwart setzte sich niemand, und wenn die Hausfrau das Wort nahm,
so schwieg alles und lauschte der Rede; denn eine kluge Frau wurde als
Seherin verehrt, die, dem Wodan und der Hertha näher stehend, einen
TM Hauptwörter (50): [T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Geschlecht (WdK): Jungen
Konfession (WdK): offen für alle
316
Natur- und Culturleben.
den Raub erspähend, Nacht und Tag.
So hielt er, wie der Höllendrache,
am Fuß des Gotteshauses Wache;
und kam der Pilgrim hergewallt
und keuchte in die Unglücksstraße,
hervorbrach aus dem Hinterhalt
der Feind und trug ihn fort zum Fraße.
Den Felsen stieg ich jetzt hinan,
eh' ich den schweren Strauß begann;
hin kniet' ich vor dem Christuskinde
und reinigte mein Herz von Sünde.
D'rauf gürt' ich mir im Heiligthum
den blanken Schmuck der Waffen um,
bewehre mit dem Spieß die Rechte,
und nieder steig' ich zum Gefechte.
Zurücke bleibt der Knappen Troß;
ich gebe scheidend die Befehle
und schwinge mich behend auf's Roß,
und Gott empsehl' ich meine Seele.
Kaum seh ich mich im eb'nen Plan,
flugs schlagen meine Doggen an,
und bang beginnt das Roß zu keuchen
und bäumet sich und will nicht weichen;
denn nahe liegt, zum Knäul geballt,
des Feindes scheußliche Gestalt
und sonnet sich auf warmem Grunde.
Auf jagen ihn die flinken Hunde;
doch wenden sie sich pfeilgeschwind,
als es den Rachen gähnend theilet
und von sich haucht den gift'gen Wind
und winselnd wie der Schakal heulet.
Doch schnell erfrisch ich ihren Muth;
sie fassen ihren Feind mit Wuth,
indem ich nach des Thieres Lende
aus starker Faust den Speer versende:
doch machtlos wie ein dünner Stab,
prallt' er vom Schuppenpanzer ab,
und eh' ich meinen Wurf erneuet,
da bäumet sich mein Roß und scheuet
an seinem Basiliskenblick
und seines Athems gist'gem Wehen,
und mit Entsetzen springt's zurück,
und jetzo war's um mich geschehen. —
Da schwing' ich mich behend vom Roß,
schnell ist des Schwertes Scheide bloß;
doch alle Streiche sind verloren,
den Felsenharnisch zu durchbohren.
Und wüthend mit des Schweifes Kraft
hat es zur Erde mich gerafft;
schon seh' ich seinen Rachen gähnen,
es haut nach mir mit grimmen Zähnen,
als meine Hunde, wuthentbrannt,
an seinen Bauch mit grimm'gen Bissen
sich warfen, daß es heulend stand,
von ungeheurem Schmerz zerrissen.
Und eh' es ihren Bissen sich
entwindet, rasch erheb' ich mich,
erspähe mir des Feindes Blöße
und stoße tief ihm in's Gekröse,
nachbohrend bis an's Heft den Stahl.
Schwarzquellend springt des Blutes Strahl;
hin sinkt es und begräbt im Falle
mich mit des Leibes Riesenballe,
daß schnell die Sinne mir vergeh'».
Und als ich neugestärkt erwache,
seh' ich die Knappen um mich steh'n,
und todt im Blute liegt der Drache." —
Des Beifalls lang gehemmte Lust
befreit jetzt aller Hörer Brust,
so wie der Ritter dies gesprochen;
und zehnfach am Gewölb' gebrochen
wälzt der vermischten Stimmen Schall
sich brausend fort im Widerhall.
Laut fordern selbst des Ordens Söhne,
daß man die Heldenstirne kröne,
und dankbar im Triumphgepräng'
will ihn das Volk dem Volke zeigen;
da faltet seine Stirne streng
der Meister und gebietet Schweigen.
Und spricht: „Den Drachen, der dies
Land
verheert, schlugst du mit starker Hand;
ein Gott bist du dem Volke worden —
ein Feind kommst du zurück dem Orden,
und einen schlimmern Wurm gebar
dein Herz, als dieser Drache war.
Die Schlange, die das Herz vergiftet,
die Zwietracht und Verderben stiftet,
das ist der widerspenst'ge Geist,
der gegen Zucht sich frech empöret,
der Ordnung heilig Band zerreißt;
denn der ist's, der die Welt zerstöret.
Muth zeiget auch der Mameluck,
Gehorsam ist der Christen Schmuck;
denn wo der Herr in seiner Größe
gewandelt hat in Knechtesblöße,
da stifteten, auf heil'gem Grund,
die Väter dieses Ordens Bund,
der Pflichten schwerste zu erfüllen:
zu bändigen den eignen Willen.
Dich hat der eitle Ruhm bewegt;
d'rum wende dich aus meinen Blicken!
Denn wer des Herren Joch nicht trägt,
darf sich mit seinem Kreuz nicht
schmücken."
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
TM Hauptwörter (100): [T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T169: [Hand Kreuz König Krone Schwert Zeichen Haupt Gold Mantel Kaiser]]
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Geschlecht (WdK): Jungen
Konfession (WdK): offen für alle
21
Geschichte des Mittelalters.
„Seht, wenn er reitet auf mächtigem Gaul,
ein Aefflein auf hohem Kamele,
reicht just sein Helmbufch dem Marschall an's Maul;
doch ist er auch klein, so ist er nicht faul
zu trotzigem, stolzem Befehle."
Und wohl vernimmt's der wackre Pipin,
bemerkt, wie die Grollenden flüstern,
mit Murren folgend gen Welschland zieh'n,
ihm säumig gehorchen und frevelhaft kühn
sich mürrischer täglich verdüstern.
Und stark im Geiste, gewaltig und klug,
erwägt er's mit weisen Gedanken.
„Sei heut' des Weges, der Mühen genug,
gehemmt der Scharen gewaltiger Zug;
errichtet zum Fechtspiel die Schranken!
„Herbeigebracht der gewaltige Leu!
Den Kämpfer will ich ihm stellen!" —
Wohl seltsam scheint die Bestellung und neu,
und mit Neugier murmeln, es murmeln mit Scheu
die trotzigen stolzen Gesellen.
Rings wird der Platz mit Gittern umhegt,
dahinter die Sitze der Ritter,
erhaben des Königs Balcon. — Da frägt
wohl jeder, zu Unmuth und Sorgen erregt:
„Wie schwach doch, wie schwankend das Gitter!
„Ein Ruck mit der mächtigen Tatz' und es fällt,
und das Ungethüm sitzt uns im Nacken.
Doch der dort oben, der winzige Held,
wohl hat er sich trefflich sicher gestellt,
zu schau'n, wie die Krallen uns packen!"
Und der Leu wird gebracht im vergitterten Haus,
an der Schranke geöffnet das Pförtchen.
Und der Thiere König, er schreitet heraus,
und die Ritter erfaßt nun Schrecken und Graus,
und keiner redet ein Wörtchen.
Und zweifelnd sieht sich der Löwe befrei'n,
und reckt in der Freiheit die Glieder
und schreitet getrost in die Schranken hinein
und zeigt der Zähne gewaltige Reih'n,
laut gähnend, und strecket sich nieder.
Vom Balcon ruft Pipin mit donnerndem Laut:
„Ihr männlichen, trotzigen Krieger,
da schau't ein Kampfspiel, ein würdiges, schaut!
Wer sich zu messen mit diesem getraut,
den nenn' ich den ersten der Sieger!"
Und ein Zischen, ein Murmeln, ein Murren erklingt,
dumpf nur im Beginnen und leise.
Bald, wie wenn, stärker und stärker beschwingt,
mit wogendem Fluten die Windsbraut ringt,
so sauset's und brauset's im Kreise.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T84: [Körper Kopf Tier Fuß Bein Insekt Eier Zahn Nahrung Haut], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute]]
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Geschlecht (WdK): Jungen
Konfession (WdK): offen für alle
9
Geschichte des Alterthums.
dieser Flucht. Die Curiatier eilen, wie ihre Wunden es erlauben, in Zwischenräumen
dem Fliehenden nach. Doch plötzlich wendet sich dieser wieder um und erlegt zunächst
denjenigen Curiatier, der ihm auf den Fersen gefolgt war, mit mächtigen Streichen;
dann durchbohrt er den weiter zurückgebliebenen zwejten und zuletzt den schwerver-
wundeten dritten. So siegte Rom über die Mutterstadt Albalonga. Leider befleckte
der siegreich heimkehrende Horatier seine glänzende That durch die Ermordung seiner
eigenen Schwester, die mit einem der gefallenen Curiatier verlobt gewesen war und ihn
nun mit Verwünschungen überhäufte.
2. Horatius Cockes. Der vertriebene letzte König von Rom suchte mit Hilfe aus-
wärtiger Freunde sich der Stadt wieder zu bemächtigen, und es wäre ihm beinahe gelungen,
wenn nicht ein tapferer Römer, Horatius, im gefährlichen Augenblicke das Richtige er-
kannt und ausgeführt hätte. Als er seine Landsleute vor den Feinden über die Tiberbrücke
in die Stadt eilen sah, rief er ihnen zu: „Was wird euch die Flucht nützen, wenn ihr
die Brücke unbesetzt lasset oder sie nicht abbrechet. Die Feinde werden euch auf den
Fersen in die Stadt folgen. Ich will dem Feinde, fo viel es ein Mann vermag, den
Uebergang wehren, und ihr zerstört derweil die Brücke." Und allein stemmte er sich mit
Aufbietung aller Kraft und Gewandtheit den überraschten Feinden entgegen. Zwei Römer,
von Scham erregt, daß sie ihn verlassen hatten, kehrten zu ihm zurück. Die drei hielten den
Andrang der Feinde so lange auf, bis die Brücke in der Mitte abgebrochen war. Die
beiden Römer hatten sich auf des Horatius' Geheiß kurz vor dem völligen Abbruch über
die Brücke zurückgezogen, und als nun der Abbruch vollendet ist, stürzt er sich, von den
Pfeilen der Gegner überschüttet, in den Fluß und erreicht schwimmend das Ufer.
3. Mucius Scävola. Die erste Gefahr war glücklich vorüber, aber noch lag
der Feind vor der Stadt, zu dem, durch Roth gezwungen, immer mehr ärmere
Römer und Sklaven überliefen. Da entschloß sich Mucius, verkleidet und wohlbewaff-
net in das Lager der Feinde zu gehen und P o rsenna, das Haupt derselben, zu tödten.
Jrrthümlicher Weise tödtet er aber dessen Schreiber und bahnt sich einen Weg durch
die Feinde mit dem Dolche. Aber er wird ergriffen, entwaffnet und zu Porsenna ge-
führt. Rach seiner Absicht gefragt, erklärt er unumwunden: „Ein Römer bin ich, Mu-
cius ist mein Name. Als Feind habe ich den Feind tödten wollen und scheue den Tod
nicht. Großes thun und Großes leiden ist römisch. Und ich bin nicht der Einzige, der
Gleiches zu unternehmen gesonnen ist; eine Reihe von römischen Jünglingen trachtet
nach gleichem Ruhme mit mir."
Der König bedrohte ihn mit dem qualvollsten Tode, wenn er seine Mitschuldigen
nicht anzeige. Da streckte Mucius mit den Worten: „Siehe, wie wenig diejenigen kör-
perliche Schmerzen scheuen, die großen Ruhm erlangen wollen", seine Hand in die
lodernde Flamme eines Opferbeckens. Staunen, ja Grausen ergriff alle, als sie sahen,
wie die Hand des Jünglings im Feuer briet, ohne daß man den geringsten Ausdruck
des Schmerzes in seinem Gesichte lesen konnte. Von Bewunderung über solchen Helden-
muth ergriffen, rief der König ihm zu: „Geh, du hast feindlicher gegen dich, als gegen
mich gehandelt!" Der Heldenjüngling, der so seine rechte Hand verloren hatte, erhielt
fortan den Ehrennamen Scävola, d. i. Linkhand.
4. „Eintracht macht stark" oder „Es müssen Reiche und Arme unter
einander wohnen". Das von den Patriciern oder Vornehmen schwer gedrückte
Volk (die Plebejer) in Rom zog sich einst, als man auf seine Beschwerden nicht
hörte und seine billigen Forderungen abgewiesen wurden, unwillig aus der Stadt nach
dem „heiligen" Berge zurück. Um die Plebejer zu beruhigen, wurde der von allen
hochgeachtete und kluge Menenius Agrippa zu ihnen gesandt, der sie dann folgender-
maßen anredete: „Einst empörten sich die Glieder des Leibes gegen den Magen, in-
dem sie sich darüber beschwerten, daß ihre Sorge und Arbeit ihm alles herbeischaffen
müßte, während er ruhig und müßig in der Mitte des Leibes läge und sich die dar-
gebotenen Genüsse wohl gefallen ließe. Sie stellten daher ihre Arbeit ein: die Füße
gingen nicht mehr auf Erwerb aus; die Hände wollten keine Speisen und Getränke
mehr bereiten und zum Munde führen, und die Zähne dieselben nicht mehr für den
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
TM Hauptwörter (100): [T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T88: [Sohn Vater König Tod Kaiser Tochter Bruder Jahr Mutter Gemahlin], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T2: [Schiff Stadt Tag Nacht Sturm Feind Ufer Meer Land Feuer], T146: [Rom Römer Stadt Krieg Gallier Rmer Italien Heer Jahr Schlacht], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Geschlecht (WdK): Jungen
Konfession (WdK): offen für alle
18
Weltgeschichte.
auf, mit ihm in den Krieg zu ziehen. Ein wilder Iubelruf unterbricht seine Rede;
man eilt zu den Waffen, die nebst verschiedenen Siegeszeichen an den Wänden
hangen, und hinaus geht's, durch den düstern Wald hindurch, nach dem heiligen
Eichenhaine, wo sich die Helden versammeln. Hugo Weber.
9. Die Sitten der alten Deutschen.
Groß, stark und schön waren die alten Deutschen. Wie Riesen blickten sie
Uber andere Menschen hin. Weiß und rein war die Farbe ihrer Haut; in üppiger
Fülle floß das goldgelbe, blonde Haar bei Männern und Frauen hernieder, und
aus den großen, blauen Augen blickten Muth und edler Freiheitsstolz. Das
Leben in der freien Natur war ihr Element; Krieg und Jagd trieben die Männer;
Ackerbau und Viehzucht überließ man den Sklaven und Weibern. Freiheit war
ihnen das höchste Gut, und wer hätte sie diesen Männern entreißen mögen, die
mit Ungestüm in die Schlacht wie zum Tanze sprangen, die auf dem Schilde über
die Gletscher und Eisberge rutschten, Ströme ableiteten zum Grabe ihrer Könige,
Flüsse mit ihren Schilden aufzuhalten suchten? Doch lag bei aller ungebändigten
Naturkraft in den alten Germanen tiefer, einfacher Sinn, ein kindlich sittliches
Leben, die größte Zucht und unbefleckte Keuschheit. „Dort lächelte niemand",
sagt der ernste Römer Tacitus, „über das Laster; bei ihnen vermochte die gute
Sitte mehr, als in Rom das strengste Gesetz."
Die Fülle der Kraft galt unseren Urvätern so hoch, daß sie kranke Kinder
lieber tödteten, als zu Krüppeln heranwachsen ließen, und daß die Alten, wenn
sie sich für nichts mehr tüchtig hielten, sich selber den Tod gaben. Deshalb
wurde die Kraft des Leibes auch frühzeitig gestählt, das neugeborene Kind in
kaltes Wasser getaucht, das herangewachsene durch jede Leibesübung abgehärtet.
Der Knabe ging mit dem Vater auf die Jagd oder warf sich bei Sturm und
Wetter in den Strom und rang mit den Wellen. Der Jüngling sprang nackt
zwischen nackten Schwertern und Lanzenspitzen einher, und der Beifall des Volkes
lohnte die Kecksten und Geschicktesten. Verstand der Jüngling die Waffen zu
führen, konnte er Bären- und Wolfsfelle, die Hörner des Ur als Triumphzeichen
aufweisen, dann hatte er das Ziel langen Strebens erreicht: er ward würdig be-
funden, in die Zahl der Männer aufgenommen zu werden. Die Edelsten des
Stammes gürteten ihn mit dem Schwerte, reichten feiner Linken den Schild und
drückten ihm den Speer in die Rechte. Seine liebste Lust war dann, mit dem
Feinde sich zu messen oder das riesige Wild zu erlegen. Das Mädchen hingegen
lernte Sitte und Zucht bei der keuschen und treuen Mutter. Die Jungfrau
gab nur dem Tapfersten ihr Herz. Der Mann beschenkte als Bräutigam die
Braut mit einem Ringe und mit niedrigen Schuhen, durch deren Anlegung sie in
die Gewalt des Mannes trat; er brachte dem Weibe zum Witthum Waffen und
Roß. Die Verlobte brachte dem Manne zur Mitgift außer einem Rindergespaune
auch wohl ein Schlachtroß, den Schild und die Waffe; im Frieden wie im Kriege
wollte sie mit ihm leben und sterben. Hochgeehrt von ihrem Gatten führte die
Frau im Hause die unumschränkte Oberherrschaft; sie gebot über die dienende
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Geschlecht (WdK): Jungen
Konfession (WdK): offen für alle
342
Natur- und Culturleben.
Hinjagt er durch's Blachfeld und pirscht durch den Forst, hoch flattert sein Fähn-
lein im Wind. und er lugt von der Höh', wie der Falke vom Horst, und wählt sich
die Straße geschwind.
In das sonnige Städtchen da sprengt er hinein, am Rathhaus hält er in Ruh:
„Herr Maire, nun schenkt mir vom schäumenden Wein, und ein Frühstück gebt mir
dazu!
Und schafft mir die prächtigen Rinder daher, die am Thor auf den Weiden ich
sah, und Hafer für zwanzig Schwadronen, Herr Maire, denn die Preußen, die Preußen
sind da!"
Hei, lustige Streiche! Hei, köstlicher Scherz, wenn der Maire seine Bücklinge macht!
Doch freudiger wächst dem Ulanen das Herz, wenn die Schlacht durch die Ebene kracht;
Wenn die Zügel verhängt und die Lanz' in der Faust, das Geschwader mit stieben-
dem Huf auf den eisernen Rechen des Vierecks braust unter schallendem Hurrahruf.
Wohl spei'n die Haubitzen Verderben und Tod, wohl deckt sich mit Leichen die
Bahn, und die Luft wird wie Blei und die Erde wird roth, doch vorwärts stürmt
der Ulan.
Und rinnt auch das Blut von den Schläfen ihm warm: durch Geknatter und
Kugelgesaus kühn setzt er hinein in den dichtesten Schwarm und holt sich den Adler
heraus.
Und „Victoria" schallt's durch Getümmel herauf, schon wanken die feindlichen
Reih'n. und das Wanken wird Flucht, und die Flucht wird Lauf, der Ulan, der Ulan
hinterd'rein!
Hinterd'rein durch den Fluß, wo die Brücke verbrannt, durch das Dorf, das der
Bauer verließ, mit Gott für König und Vaterland hinterd'rein, hinterd'rein bis Paris.
Dort gibt's einen Tanz noch im eisernen Feld, bis der Franzmann den Athem
verliert, und Wilhelm, der Sieger, der eisgraue Held, im Louvre den Frieden dictiert.
Doch, wenn dann die blutige Arbeit gethan, und die Stunde der Heimkehr er-
schien, wie reitet so stattlich im Glied der Ulan am Einzugstag in Berlin!
Geibel.
163. Die wundervolle Ordnung der menschlichen Gesell-
schaft durch die menschliche Arbeit.
a. Ein Tag aus dem Leben eines Armen, oder der Nutzen, den jeder
einzelne aus der Arbeit einer großen Anzahl Menschen zieht.
Theilung der Arbeit.
Die Ernte des Jahres 1846 war dürftig; Theurung herrschte in ganz Deutschland
und gewann eine immer drohendere Gestalt. Schon hatten die Fruchtpreise einen so
hohen Stand erreicht, daß selbst den beschäftigten und noch im vollen Lohne stehenden
Arbeitern der Lebensunterhalt schwer wurde. Da und dort hatte aber die Gewalt der
Umstände bereits zu Lohnherabsetzungen, bei einigen Gewerben sogar zur Einstellung
der Arbeit geführt.
In S. und Umgegend war zwar dieser Fall noch nicht eingetreten; die Hammer-
werke, welche Aufträge für Eisenbahnen hatten, konnten ihren Betrieb fortsetzen, und
ebenso suchten die Fabrikbesitzer Schwarz und Busch, die vierhundert Arbeiter beschäf-
tigten, Stand zu halten; sie hatten bis jetzt weder die Löhne herabgesetzt noch Arbeiter
entlassen; aber beides stand zu befürchten.
Die Arbeiter sah man daher oft in Gruppen beisammen stehen, in eifriger Unter-
haltung über die Tagesfrage. Der Doctor, der seine Mitbürger über Volkswirtschaft-
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute]]
Extrahierte Personennamen: Horst Wilhelm Geibel Schwarz
Extrahierte Ortsnamen: Rathhaus Paris Berlin Deutschland
— 62 —
vor diesem Zeichen der herzoglichen Würde sich jeder beugen solle.
8) Wilhelm Tell, einer der Verschworenen vom Rütli, weigerte sich dessen und wurde deshalb ergriffen und vor den Landvogt geführt, der mit gräßlichem Hohne ihm zumutete, er solle, da er ein guter Schütze sei, einen Apfel von dem Haupte seines Sohnes schießen, widrigenfalls er sterben müsse.
9) Nach langem Sträuben wagte Tell das Ungeheure und traf den Apfel. Schon wollte er sich entfernen, da fragte
ihn der Landvogt, wozu er einen zweiten Pfeil bereit
gehalten habe. „Mit diesem würde ich dich erschossen haben, wenn ich mein Kind getroffen hätte", erwiderte er freimütig.
10) Sogleich ließ Geßler den kühnen Tell binden und auf ein Schiff bringen, um ihn über den See nach
Küß nacht zu schaffen. Aber als das Schiff in der Nähe
des Rütli war, erhob sich ein furchtbarer Sturm. In der Not befahl Geßler, Tell die Fesseln abzunehmen und das Steuer zu überlassen. Am Arenstein ergriff dieser schnell sein Schießzeug, that, gleichzeitig das Schiff vom Ufer zurückstoßend, einen kühnen Sprung und floh durch das Land Schwyz.
11) Auch Geßler entkam dem Sturm, nicht aber dem Zorn des von ihm tiefgekränkten Mannes. Als er bei Küß-nacht gelandet war und durch eine hohle Gasse hinaufzog, streckte ihn Teils Pseil tot nieder.
12) Diese That Tells war den Schweizern eine mächtige Ermunterung. Am 1. Januar 1308 bemächtigten sie sich mit List und ohne Blutvergießen Küßnachts und anderer Zwingburgen (12,i i) und verjagten Landenberg. Dann kamen die Männer von Uri, Schwyz und Unterwalden abcmmls zusammen und schlossen den Bund der Eidgenossen.
13 Soweit die Sage. Die Geschichte erzählt weiter, daß in dem Krieg zwischen Ludwig dem Bayern und Friedrich dem Schönen des letzteren Bruder Leopold 1315 mit einem Heer von ungefähr 9000 Rittern gegen die ihm ver-
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
TM Hauptwörter (100): [T58: [Kloster Jahr Mönch Kirche Schweiz Bischof Abt Zürich Bonifatius Bern], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T4: [Orden Ritter Peter Kreuzzug Land Jahr Jerusalem Johanniter Arnold Frankreich], T2: [Schiff Stadt Tag Nacht Sturm Feind Ufer Meer Land Feuer], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T75: [Strom Elektrizität Ende Eisen Magnet Elektricität Körper Draht Funke Leiter]]
Extrahierte Personennamen: Wilhelm_Tell Wilhelm Ludwig_dem_Bayern Ludwig Friedrich Friedrich Leopold Leopold