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Nicht ein Wort mehr konnte er sprechen; alle Wünsche, die er hatte, mußte er aufschreiben. Emst schrieb er seinem ältesten Sohne — unserem jetzigen Kaiser — ans einen Zettel: „Lerne leiden, ohne zu klagen!" Und seiner Tochter Sophie schrieb er noch am Tage vor seinem Tode zum Geburtstag ins Stammbuch: „Bleibe fromm und gut, wie du es bisher gewesen! Dies ist der letzte Wunsch deines sterbenden Vaters!" Schon am 15. Juni starb der königliche Dulder, beweint und tief beklagt von seinem ganzen Volke.
„Lerne leiden, ohne zu klageni" schrieb er voll Rührung dem Sohne aufs Blatt.
Kann auch der Mund nicht mehr sprechen, nichts sagen, wird doch im Kerzen die Liebe nicht matt.
Ach, um die Merke des Friedens zu mehren, wollt' er ein Vorbild dem Sofyne noch sein; aber nur eins kann der Vater ihn lehren: treu und geduldig im Leiden zu sein.
5l Wilhelm Ii.
(Seit dem 15. Juni 1888 Deutscher Kaiser.) a. Kinderzeit.
1. Erste Jugend. Unser Kaiser Wilhelm wurde am 27. Januar 1859 geboren. Sein Vater, Kaiser Friedrich Iii., war damals noch Kronprinz. Als Prinz Wilhelm etwa 3u Jahr alt war, kamen einmal einige Berliner Bürger ins Schloß zu seinem Vater. Dieser nahm die Gäste sehr leutselig auf und zeigte ihnen auch deu kleinen Prinzen. Einer der Bürger wollte dem Prinzlein eine Freude machen und hielt ihm seine Uhr hin. Der Prinz griff danach und wollte sie gar nicht wieder loslassen. Da lächelte der Vater und sagte: „Sehen Sie, meine Herren, was ein Hohenzoller einmal in seiner Hand hat, das läßt er auch so leicht nicht wieder los."
2. Auf dem Spielplatze. Ju feinem siebenten Jahre erhielt der Prinz den ersten Turnunterricht. Ans einem Platze neben dem Schlosse wurden Turngeräte, eine Scheibe zum Schießen und ein Maftbaum mit den dazu gehörigen Tauen aufgestellt. Stundenlang tummelte sich hier der Prinz mit feinem jüngeren Bruder Heinrich luftig umher. Dieser zeigte schon damals seine Vorliebe für die Marine und kletterte am liebsten in den Strickleitern und auf den Segelstangen umher, während Prinz Wilhelm gern Schanzen und Laufgräben baute. Zuweilen luden sich die Prinzen auch die Zöglinge des Militär-Waisenhauses zum „Kriegspielen" ein. Die Fahne schwingend, erstürmte dann Prinz Wilhelm mit einem Teile der Knaben die Schanzen, die von seinem Bruder Heinrich und dessen Spielgenossen verteidigt wurden. Doch nicht eher ruhte Prinz Wilhelm, als bis er als Sieger die Fahne auf der feindlichen Schanze aufpflanzen konnte.
3. Prinz und Matrose. Viel Vergnügen machte es auch dem Prinzen, in feinem kleinen Boote „Kuckuck" auf der Havel umherzufahren. Dabei begleitete ihn stets ein Matrose, um ihm das Rudern zu zeigen und ihm im Falle der Not beizustehen.
Eines Morgens kam der Prinz etwas früher als gewöhnlich mit seinem Erzieher zum Bootsplatze. Der Matrose hatte soeben ein Boot frisch geteert. Er steckte daher noch in seiner schmutzigen Teerjacke und hatte auch Pinsel und Teerkanne noch in der Hand. „Mit dem schwarzen Menschen mag ich aber nicht in einem Boote fahren!" sagte da der Prinz zu seinem Erzieher. Dieser aber entgegnete
8"
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Wilhelm Friedrich_Iii Friedrich Wilhelm Heinrich Heinrich Wilhelm Wilhelm Heinrich Heinrich Wilhelm
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verbunden wurde. Pfalz und Säulengang sind verschwunden, der Dom aber steht noch. In den letzten 20 Jahren seines Lebens hat Karl fast immer in Aachen gewohnt. Er ist auch dort gestorben und im Dome beigesetzt worden. Eine Steinplatte am Fußboden bezeichnet sein Grab. Sie trägt die Inschrift: Carolo Magno. Auf dem Markte steht ein Brunnen mit dem Standbilde Karls.
b. Wie Kart schreiben lernt und für Schuten sorgt.
1. Wie Karl schreiben lernt. Zu Karls Zeiten erachtete es der freie Mann noch für unwürdig, sich mit Lesen und Schreiben zu beschäftigen. Selbst die Fürsteusöhne jener Zeit blieben meist ohne alle Bildung. Auch Karl hatte in seiner Jugend wenig Gelegenheit zum Lernen gehabt. Schreiben lernte er erst im Mannesalter. Er hatte deshalb immer eine Schreibtafel von Wachs unter dem Kopfkiffen liegen, und nachts, wenn er nicht fchlafen konnte, zog er sie hervor und übte die fchwertgelvohnte Hand im Führen des leichten Griffels. Doch brachte er es in der Kunst des Schreibens nicht mehr weit; denn die meisten seiner Unterschriften bestanden nur ans einem im Viereck gezogenen Striche.
Karl der Große in der Schule.
2. Karl in der Schule. Karl wollte, daß an feinem Hofe feiner zu finden fei, der nicht lesen und schreiben könne. Deshalb berief er gelehrte Männer zu sich und gründete eine Schule au fernem Hofe, in der die Kinder feiner Diener, sowohl der hohen als der niedern, unterrichtet wurden. Einst besuchte er diese
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Carolo_Magno Karls Karl Karl Karls Karl Karl Karl Karl Karl Karl
— 83 —
auch baran, die germanischen Volksstämme zu unterjochen. Das schien ihm gar nicht schwer zu sein. Hatte er boch große Heere, die viel besser ausgerüstet waren als die der Germanen. Auch hatte er gehört, daß die Germanen oft in Unsrieben miteinander lebten und um Weibeplätze, Jagbgrüube und Salzquellen nicht selten Krieg führten. Unter seinen beiben Stiefsöhnen, Drusus und Tiberius, schickte er zuerst seine Legionen in das Land der Germanen. Eine Legion zählte etwa 5—6000 Krieger. Als Waffen bienten Speer, Schwert nnb Schilb. Den Kopf schützte ein Helm. Der Rock war kurz, und auch das Beiukleib reichte nicht bis ans Knie. Unter die Füße baub man Leberfohlen, die unten mit Nägeln beschlagen waren. Auf dem Marsche hatte jeder Solbat außer seinen Waffen noch Lebensrnittel, einen Topf, eine Hanbmühle, ein Beil, eine Säge, eine Hacke u. f. w. zu tragen. Des Abends würde ein befestigter Lagerplatz hergestellt, wo man sicher ruhen konnte. Ein solcher Platz war viereckig und auf allen vier Seiten mit Graben und Wall umgeben. Der Wall würde zur Sicherheit noch mit Palli-faben besetzt. Das Lager hatte vier Thore und innen gerabe Straßen. Es war wie eine Stadt angelegt.
2. Drusus. Zuerst eroberten Drusus und Tiberius den südlichen Teil Dentschlanbs bis zur Donau. Am Lech und an der Donau legten sie feste Plätze an, ans benen später Städte, wie Augsburg, Passau, Regensburg und Wien, hervorgegangen finb. Dann ließ Drusus 50 Burgen am Rhein anlegen, aus benen später ebenfalls zahlreiche Städte entftanben sind: Köln, Bonn, Koblenz, Mainz, Worms, Speier, Straßburg, Aachen, Trier. Von hier aus unternahm er vier Heereszüge nach Deutschland Zuletzt bratig er bis zur Elbe vor. Hier stellte sich ihm — wie die Sage berichtet — ein riesenhaftes Zauberweib entgegen und sprach brohenb zu ihm: „Wohin, unersättlicher Drusus? Es ist bir nicht Geschieben, alle diese Länber zu schauen; kehre um, bu stehst am Ziele beines Lebens!" Erschreckt kehrte Drusus itm; beim Übergange über die Saale stürzte er mit dem Pserbe, brach ein Bein und starb balb barauf.
3. Tiberius. Hieraus setzte sein Brnber Tiberius das begonnene Werk fort und unterjochte durch List und Verrat alle deutschen Völker zwischen Rhein und Elbe. Überall suchten nun die Römer römischen Götterdienst, römisches Recht und römische Sitten einzuführen. Viele Deutsche traten in römische Kriegsdienste, und die Söhne der Ebeln würden nach Rom geschickt, um bort erzogen zu werben.
4. Varus. Später (6 u. Chr.) schickte der Kaiser seinen Felbherrn Varus als Statthalter nach Deutschland Dieser errichtete au der Weser ein festes Lager und behanbelte ganz Norbbeutschlaub wie eine römische Provinz. Er hob die alten Schiebsgerichte aus und setzte römische Richter ein, die in ihrer Sprache und nach ihrem Gesetze das deutsche Volk richteten. Auch legte er Steuern auf, die bis dahin kein freier Mann gezahlt hatte. Wenn er durch das Land zog, ließ er nach römischer Weise Beil und Rutenbündel vor sich hertragen, zum Zeichen, daß er Macht über Leben und Tod habe. Ja, es kam vor, daß freie Deutsche
6*
Römische Legionssoldaten.
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Extrahierte Personennamen: Drusus Tiberius Tiberius Drusus Tiberius Drusus Drusus Tiberius Tiberius Tiberius Varus Varus
Extrahierte Ortsnamen: Donau Donau Passau Regensburg Wien Rhein Bonn Koblenz Mainz Worms Straßburg Aachen Trier Deutschland Rhein Rom Deutschland
206
und Lesens kundig. Der Gegensatz zwischen dem Landmann und Städter
war damals größer als jetzt, der „dumme Bauer" war in den Stuben
der Handwerker ein Lieblingsgegenstand unholder Scherze; Roheit,
Einfalt, unredliche Pfiffigkeit, Trunkliebe und Freude am Prügeln
wurden ihm nachgesagt. Nicht immer mit Recht. Wohl lebte er in
ziemlicher Unkenntnis fremder Verhältnisse; in Tracht, in Sprache und
Liedern war er nicht modisch wie die Städter; er gebrauchte gern derbe,
alte Worte, welche der Städter sich längst abgewöhnt hatte, aber sein
Leben war deshalb nicht arm an Gemüt, an Sitte, selbst nicht an
Poesie. Noch hatte der verklingende deutsche Volksgesang einiges Leben,
und der Landmann war der eifrigste Bewahrer desselben; noch waren
die Feste des Bauern, sein Familienleben, seine Rechtsverhältnisse, seine
Käufe und Verkäufe reich an alten farbenreichen Bräuchen. Auch die
echte deutsche Freude an hübscher Handwerksarbeit, das Behagen an
kunstvollen Erbstücken teilte der Landmann damals mit dem Bürger.
Sein Hausgerät war stattlicher als jetzt. Zierliche Spinnräder, sauber
ausgeschnittene Tische, geschnitzte Stühle und Wandschränke haben sich
bis auf unsere Zeit erhalten und werden jetzt mit den irdenen Apostel-
krügen und ähnlichem Trinkgeschirr von Kunstsammlern angekauft. Groß
muß der Schatz der Bauerfrauen an Betten, Kleidern, Wäsche, an
Ketten, Schaumünzen und anderm Schmuck gewesen sein, und nicht
weniger begehrungswürdig waren die zahlreichen Würste und Schinken
im Rauchfange. Auch viel bares Geld lag versteckt in den Winkeln
der Truhe oder sorglich in Töpfen und Kesseln vergraben, denn das
Aufsammeln der blanken Stücke war eine alte Bauernfreude. Das
Leben des Bauern war reichlich, ohne viele Bedürfnisse, er kaufte in
der Stadt die Nesteln für seine Kleider, den silbernen Schmuck für
Weib und Töchter, Würze für seinen sauern Wein und was von Metall-
waren und Gerät in Hof und Küche nötig war. Die Kleider von
Wolle und Leinwand webten und schnitten die Frauen im Hause oder
der Nachbar im Dorfe.
3. So lebte der Bauer in Mitteldeutschland noch nach dem Jahre
1618. Wohl kamen auch zu ihm Nachrichten von wildem Kriegs-
getümmel hinten in Böhmen, aber das kümmerte ihn wenig; was
ging es ihn an, was in den Ländern des Kaisers geschah? Doch
bald wurde ihm deutlich, daß eine schlechte Zeit auch für ihn heranziehe.
Das Geld, welches er in der Stadt empfing, wurde sehr rot, und alle
Waren wurden teurer. Da er kein schlechtes Geld annehmen wollte,
behielt er Getreide und Fleisch zu Hanse und zog gar nicht mehr nach
der Stadt. Sein Herz wurde voll böser Ahnungen. So ging es bis
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372
grossen 2 m hohen, weiss angestrichenen Mauer umgehen, und
erst nachdem man einige schmale Gänge durchschritten hat,
gelangt man in die eigentlichen Gemächer. Dieselben waren
mit grossen farbigen Laternen geschmückt, welche trotz ihrer
Menge nur ein mattes, wohlthuendes Licht verbreiteten. An
den gold verzierten Wänden hingen zahlreiche Sprüche ein-
heimischer Weisen mit schwarzer Tusche auf gelbe und weisse
Papierrollen geschrieben.
Für das Abendessen hatte man keineswegs nach europäischem
Vorbilde eine grosse lange Tafel hergerichtet, sondern kleine
viereckige, mit rotem Tuch überzogene Tische, an denen je drei
Europäer und ein Chinese Platz nahmen, welcher letztere im
Namen des Hausherrn den guten Wirt machte.
Als wir Platz nahmen, war bereits jeder Tisch mit einer
Menge der verschiedensten Gerichte auf zierlichen bunt bemalten
Porzellantellerchen gedrängt voll, und während wir noch damit
beschäftigt waren, den unbekannten Inhalt einzelner dieser
Teilerchen zu enträtseln, war unser Chinese bereits bemüht,
uns mit den beiden Stäbchen von jeder einzelnen Speise die
besten Bissen vorzulegen.
Die Mehrzahl der Gerichte war uns unbekannt; denn die
chinesischen Küchen setzen seltsamerweise einen grossen Wert
darein, die Speisen unkenntlich zu machen und ihren natürlichen
Geschmack zu verändern. Und so wurden uns denn nicht bloss
Schwalbennester, Kibitzeier und gedämpfte Frösche, sondern
auch gebratene Seidenwürmer, Haifischflossen, Reh- und Büffel-
sehnen, halbausgebrütete Küchlein und viele andere chinesische
Delikatessen vorgesetzt. Der Tisch wurde wenigstens dreimal
mit neuen Speisen frisch gefüllt, so dass mindestens fünfzig ver-
schiedene Gerichte aufgetragen wurden. Fleischspeisen waren
entschieden in der Minderzahl und kamen bereits in kleine
Stücke zerschnitten auf den Tisch ; dagegen wurden Reis und
Gemüse in allen erdenklichen Formen gereicht. Während des
Essens war ein kleines Mädchen unablässig beschäftigt, jedem
Gast eine ganz kleine Tasse mit einem warmen, aus Hirse be-
reiteten Trank zu füllen, indem es die chinesische Artigkeit
fordert, dass das Gefäfs immer voll sei. Traubensaft kennt der
Chinese nicht. Nach dem Essen werden keinerlei geistige Ge-
tränke, sondern bloss Thee aufgetragen. Man deutet den Schluss
des Mahles dadurch an, dass man die Speisestäbchen erst in
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373
gleicher Höhe mit der Stirn hält und sie dann wagerecht auf
die Theetasse legt. Dergleichen hat, wie bemerkt, für den
Europäer etwas sehr Auffallendes. Dagegen ist aber auch das
Erstaunen der Chinesen nicht gering, wenn sie sehen, wie
Europäer zu speisen pflegen. Sie fragen, wie es nur möglich
sei, dass wir die Getränke kalt zu uns nehmen; wie wir wohl
auf den höchst sonderbaren und ausschweifenden Gedanken ge-
kommen seien, unsere Nahrung vermittelst eines Dreizacks in
den Mund zu bringen , obendrein auf die Gefahr hin, uns die
Lippen zu beschädigen oder gar die Augen auszustechen. Auch
finden sie es ausser der Ordnung, dass wir Nüsse und Mandeln
mit der Schale auf den Tisch bringen und den Dienern die
Arbeit ersparen, die Obstfrüchte zu schälen und das Fleisch zu
zerlegen. Ja es ist nicht bloss ein Witzwort, welches man von
einem Chinesen erzählt, der darüber erstaunte, die Europäer
Billard spielen, Kegel schieben und tanzen zu sehen, und dazu
die Bemerkung machte, warum doch wohlhabende Leute eine
solche Arbeit nicht lieber ihren Dienern überliessen.
v. Scherzer.
166. Bilder aus Japan.
1. Japan ist für den Europäer ein Land, das reich ist an ab-
sonderlichen Schönheiten, ein Land, das man lieb gewinnt und in der
Erinnerung lieb behält. Wie ragt majestätisch über die Riesenbucht
von Jeddo der mächtige, prächtige Fusiyama, jener 4100 m hohe Vulkan
in seinem weißen, glitzernden Schneemantel, der ihm wie ein fürstlich
Gewand über die platten Schultern wallt! Wie rauschen in den Berg-
klüften die Bäche zu Thal mit schaumigem, grünlich schillerndem Wasser;
wie wunderbar schön bekleiden jene herrlichen japanischen Riesentannen,
untermischt mit stolzen, ernsthaften Cypressen, die Bergwände in lücken-
losem Forst! Und im Frühlinge, unten im Süden, wie geht sichs da
gut unter den Kamelienbäumen — nicht etwa 60 — 90 cm hohe Bäumchen
in Töpfen oder Kübeln, nein, es sind wirkliche Bäume bis zu 13 m
hoch, mit starken Ästen, dicht verzweigt; und zwischen den blanken,
dunklen, lederartigen Blättern leuchtet und glüht es von unzähligen
oft handgroßen Purpnrblüten, während der Fuß des Wanderers auf
einen dichten Teppich abgefallener Blumen tritt. Nicht weit davon
schaut über die sauber geflochtene Bambushecke eine lange Reihe von
Orangenbäumen her, mit großen goldenen Früchten beladen, und hinter
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375
aus Porzellan herbei. Der Kessel mit kochendem Wasser ist immer
gefüllt, schnell wird in einen wieder sehr kleinen Topf aufgegossen, und
sofort schenkt sie den glühend warmen Trank in die Becherchen, und so
heiß wir können, schlürfen wir das erquickende, durststillende Getränk.
Es schmeckt nicht wie unser Thee, sondern viel herber und krüuterhafter;
ehe man sich daran gewöhnt hat, glaubt man einen Aufguß ans frischem
Heu zu trinken; auch Zucker und Milch gibts nicht dazu; aber wenn
ich recht durstig bin, sehne ich mich jetzt noch manchmal nach dem ge-
würzigen Geruch und Geschmack des „Otscha".
Zu dem Getränk stellt die Frau leichtes, süßes Gebäck, auch wohl
bunte Zuckererbsen zum Naschen neben uns auf die Matten, und während
wir uns stärken, betrachten wir die Umgebung etwas genauer, vor allem
das Haus selbst.
Leichter kann man unmöglich bauen. Acht oder zwölf Pfosten
tragen das mit Reisstroh oder Schindeln gedeckte Dach; alles andere
ist einfaches und wirkliches Papier, das in Stücken von fünfzehn
Centimeter auf ein leichtes Lattengitter straff aufgezogen ist, welches,
in einen: Falz gehend, je nach Belieben als Thür, Fenster oder Wand
dient. Ein japanisches Haus kann man verlassen, wo's einem beliebt:
man schiebt einfach den nächsten Rahmen weg. Das Papier ist durch-
lässig genug, um den Räumen das nötige Licht zukommen zu lassen,
und doch ganz besonders haltbar. Wird einmal ein Stück durchstochen,
ist der Schaden auch nicht groß.
4. Viel Hausrat hat der Japaner nicht nötig. Stühle, Tische,
Sofa, Kommoden, Schränke, Bettstellen: das alles giebts nicht. Er ißt
auf der Erde, d. h. auf der Matte, auf die zuweilen eine Art von
ganz kleinem Puppentisch gestellt wird, vor dem er mit ganz eigenartig
untergeschlagenen Beinen kauert, nicht wie die Türken, sondern so, daß
er, eher knieend, die Fußrücken platt gegen die Erde und die Sohlen
gegen die Schenkel drückt. Wir könnens gar nicht nachmachen. Leichter
gewöhnt unsereins sich daran, mit den Eßstäbchen die Speisen zum
Munde zu führen, deren Hauptbestandteil immer gekochter Reis ist und
Fisch. Fleisch ißt das Volk nicht. Um so lieber haben sie die langen
weißen Rüben, die massenhaft verkauft werden, und unreifes Obst, das
sie mit Salz essen. Es geht auch so leicht kein Sommer hin, in dem
nicht eine große Krankheit ausbricht. Wenn sie abends müde sind, ist
das Bett bald gemacht. Auf die Matte, welche den Fußboden des
Hauses bedeckt, wird eine Steppdecke gelegt; als Kopfkissen dient ein
für den Nacken ausgehöhlter Holzklotz — eine Decke zum Zudecken, und
das Lager ist fertig.
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sie schimmernd durch die Nacht in allen möglichen Gestalten: viereckig,
rund, röhrenförmig, glatt und gefaltet; hier leuchtet ein roter Fisch,
dort ein Schmetterling oder eine Biene, grün, rot, gelb und weiß.
Hier und da trifft man auch Kerzen in den Zimmern und Läden, die
wie unsere Kirchenlichte auf einen Dorn gesteckt werden, und die sich
dadurch auszeichnen, daß der Docht ziemlich dick aus Papier gedreht
ist. Der Unschlitt ist meistens bunt gefärbt. Sehr viel wird auch
schon unsere Petroleumlampe benutzt.
Aber blicken wir wieder ins Haus hinein, das uns aufgenommen,
und fassen wir die junge Frau Wirtin genauer ins Auge. Sie sieht
wirklich recht nett aus, ihre Augen sind nur ganz wenig schief; ihre
Gesichtsfarbe ist fast ebenso weiß wie die, an welche wir daheim ge-
wöhnt sind; ihre schönen schwarzen, stark glänzenden Haare trügt sie
in kunstvoller Weise gescheitelt und hübsch aufgebaut mit zierlichem
Kamme und langen bunten Nadeln; ihre Hände sind klein und rein.
Unser Wirt hat heute offenbar einen freien Tag; sein Reisfeld
wird wohl schon bestellt sein, und er kann mit Behagen sein Pfeifchen
rauchen.
7. Es ist keine Kleinigkeit, das Reisfeld immer in Ordnung zu
Den Winter über werden die durch niedrige, schmale Dämme —
die eigentlichen Wege des Landes — eingehegten Felder unter Wasser
gesetzt, damit das Unkraut abfault. Im Frühlinge öffnet man die
Abläufe, und nun wird der nasse, fette Boden mit der Hand und
mittelst einer pflugschar-ähnlichen Hacke umgebrochen, wobei der Arbeiter,
bis an die Kniee im Moraste stehend, rückwärts gehen muß. Nahe beim
Hause ist mittlerweile das Saatbeet angelegt, dem nun die jungen,
lichtgrünen Reispflanzen entnommen werden, und alles, was Beine hat,
Alte und ganz junge Kinder, Frauen und Mägde, watet im Moraste
und drückt die Pflänzlinge in Abstünden von etwa 20 ein in ihn hinein.
Die Arbeit sieht recht schmutzig aus und ist es auch. Feucht gehalten
müssen die Äcker immer werden, da sie häufig in vielen (Stufen die
Bergabhänge hinaufgebaut sind.
Außer seinem Reisfelde hat der Mann noch auf trockenem Boden
einen schönen Acker, den er mit G e r st e bestellt hat. Aber wie sonder-
bar sieht das Feld ans! Immer abwechselnd eine niedrige und eine
hohe Reihe, später im Sommer eine gelbe und eine grüne. Das kommt
daher, weil immer die zweite Furche einige Wochen nach der ersten
besät wird. Ist diese abgeerntet — die hohen Furchen sind weit von-
einander entfernt und mit zierlichster Genauigkeit gezogen — wird sie
wieder bedüngt und bepflanzt und so die kleine Ackerfläche soviel wie
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verlegen in den großen Spiegel, der im Hausgange hing, und aus
dem Spiegel heraus guckten zwei sehr „genierte" Menschen, die sich
ansahen, als hätten sie ein sehr schlechtes Gewissen. Wie wir ins
Wirtschaftszimmer gekommen, weiß ich nicht mehr; jedenfalls setzten wir
uns gleich an die Thür und hatten nicht das Herz, ein Nachtessen zu
bestellen. Da kam die Wirtin, ein gutes Weib, die uns die Not
offenbar an der Stirn abgelesen hat; vielleicht hatte sie auch einen
Sohn in der Fremde. Jedenfalls hat sie an uns gethan wie eine
Mutter. Wir wären — o so gern! — ins Bett gegangen mit einem
Schoppen Bier und einem Backsteinkäse. Aber in der Krone zu
Schwalbach wird „gespeist"!
Man brachte uns zu essen; was, kann ich nicht mehr sagen, aber
trotz des schlechten Gewissens hatten wir wenigstens Appetit. „Jetz
semmer scho do" (jetzt sind wir schon da), sagte beruhigend eine Stimme
links über der Magengegend. Nach dem Essen drückten wir uns so
bald als möglich auf „unser Zimmer". Aber das war ja ein Saal
wie im Königsschlosse in Stuttgart! Dieses Sofa! Dieser Spiegel
mit Goldrahmen! Diese feinen Betten! Und was wird das kosten!
Dieser Gedanke gab uns Mut. „Wir wollen ein einfacheres Zimmer,"
sagten wir zum Kellner; aber der war zäh wie Leder. „Es sei alles
in Ordnung, die Stiefel sollten wir vor die Thür stellen, und wann
wir morgen frühstücken wollten?" So etwas war uns noch nicht
vorgekommen. Also will man uns eben mit Gewalt unsere paar
Pfennige vollends herausziehen! Im stillen ballte ich meine Faust,
und wie der Kellner fort war, wurde in gut schwäbischen Ausdrücken
geschimpft. Die Stiefel stellten wir nicht hinaus; wir waren gewohnt, sie
selber zu putzen und dachten, so spart man wenigstens zwei Groschen.
Mein Kamerad wollte nicht in das schöne Bett hinein; da hab ichs
ihm vorgemacht. Geschlafen haben wir fein. Aber am nächsten Morgen
begann die Verlegenheit von neuem. Der Waschtisch hatte ja eine
Marmortafel, die konnte man doch nicht schmutzig machen! Und wie
wir darüber beraten, klopft der Hausknecht um die Stiefel. „Wir
wollen sie selber putzen!" Aber er läßt nicht nach. Endlich geht er
brummend ab, und wir waschen uns ohne Waschtisch. Wir gingen
hinunter, wehmütig unsere Barschaft überzählend. Drunten war ein
Frühstück gerichtet, wie wir noch keins gesehen hatten. Wieder half
uns die innere Stimme: jetz semmer scho do! über alle Bedenken hin-
weg, und bald war gut Wetter auf dem Tische. Aber nun zahlen!
Die Wirtin hatte eine Weltfreude an unserer Verlegenheit. Sie rechnete
uns alles haarklein vor, was wir gehabt, und immer tiefer stet nufer
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398
2. Ihr Männer, die ihr von dem Nacken
Die Körbe langt, mit Brot beschwert,
Das ihr aus deutschem Korn gebacken,
Geröstet habt auf deutschem Herd;
3. Und ihr im Schmuck der langen Zöpfe,
Ihr Schwarzwaldmüdchen, braun und schlank,
Wie sorgsam stellt ihr Krüg und Töpfe
Auf der Schaluppe grüne Bank!
4. Das sind dieselben Töpf und Krüge,
Oft an der Heimat Born gefüllt;
Wenn am Missouri alles schwiege,
S i e malten euch der Heimat Bild:
5. Des Dorfes steingefaßte Quelle,
Zn der ihr schöpfend euch gebückt,
Des Herdes traute Feuerstelle,
Das Wandgesims, das sie geschmückt.
6. Bald zieren sie im fernen Westen
Des leichten Bretterhauses Wand;
Bald reicht sie müden, braunen Gästen
Voll frischen Trunkes eure Hand.
7. Es trinkt daraus der Tscherokese
Ermattet, von der Jagd bestaubt;
Nicht mehr von deutscher Rebenlese
Tragt ihr sie heim, mit Grün belaubt.
8. O sprecht, warum zogt ihr von dannen?
Das Neckarthal hat Wein und Korn;
Der Schwarzwald steht voll finstrer Tannen,
Im Spessart klingt des Älplers Horn.
9. Wie wird es in den fremden Wäldern
Euch nach der Heimatberge Grün,
Nach Deutschlands gelben Weizenfeldern,
Nach seinen Rebenhügeln ziehn!
10. Wie wird das Bild der alten Tage
Durch eure Träume glänzend wehn!
Gleich einer stillen, frommen Sage
Wird es euch vor der Seele stehn.
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