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spazierst, denn du hast von deinem Anzug vergessen: zum ersten
deinen Rock, zum andern deine Hose, zum dritten deine Strümpfe
und Stiefel und zum vierten deinen Kragen und dein Halstuch.“
Die Leute marschieren nämlich dort in bloßen Hemden ganz ungeniert
durch Stadt und Land, wie wenn sich das von selbst verstände. So
einfach mögen sich auch die Jünger des Herrn gekleidet haben, als
sie noch galiläische Fischer waren. Beim Fischfang gürteten sie ihr
Hemd auf, wie das heute noch die Leute tun, um in ihrer Arbeit
ungehindert zu sein.
2. Uber dem Hemd trug und trägt man, wenn man nicht gerade
bei der Arbeit ist oder sich in den Sonntagsstaat werfen will, einen
Mantel. Dieser, in der Bibel gewöhnlich „Oberkleid“ genannt, ist aus
Schaf-, Kamel- oder Ziegenwolle gesponnen oder gewoben. Derselbe
wird meistens frei um die Schultern geschlagen und fällt faltenreich
über den Leib herab. In und bei den Städten liebt man schwarze oder
weiße Mäntel aus Wolle, welche mit farbigen Stickereien kunstvoll
verziert sind. Dieser Mantel, und zwar der erstgenannte, einfachere
ist gemeint, wenn Markus von dem blinden Bartimäus in Jericho er-
zählt: „Er warf sein Kleid von sich, stand auf und kam zu Jesu.“
In einen solchen Mantel pflegte" sich auch Jesus zu hüllen, wenn er im
Freien, etwa in Gethsemane oder am See Genezareth, übernachtete.
3. Statt der Schuhe trug man zu Jesu Zeit »Sandalen. Eine
kältere Zone macht die völlige Bedeckung des Fußes nötig, wiewohl
dadurch dieses schön gebildete Glied des menschlichen Körpers nicht
zur Geltung kommt oder gar gänzlich verunstaltet wird. Nicht so
im Orient. Dort ging man entweder barfuß, oder die Fußsohle wurde
nur durch eine Sandale, d. i. eine untergebundene Ledersohle, unter-
stützt, welche mit mehr oder minder zierlichen Riemen um Fuß und
Knöchel befestigt wurde. Bei dieser Bekleidungsweise wurden die
Füße beim Gehen auf der Straße natürlich bestaubt. Daher wurde
es beim Eintritt in ein Haus, wo ein Gastmahl stattfand, zu einer
Pflicht der Höflichkeit, bevor man die Teppiche betrat, die staubigen
Füße zu waschen, ähnlich wie wir die Hände waschen, wenn wir
von der Straße kommen. In besseren Häusern hielt man hierfür
zierliche Becken, in welchen der Hausherr oder ein Diener dem Gaste
sofort bei seinem Eintritt ein Fußbad anbot. Diese Höflichkeit
durfte der Herr mit Recht erwarten, als er bei dem Pharisäer
Simon zu Gaste war. Darum sagte er auch zu ihm: „Ich bin
gekommen in dein Haus! Du hast mir nicht Wasser gegeben zu
meinen Füßen; — diese aber hat meine Füße mit Tränen genetzet
und mit den Haaren ihres Hauptes getrocknet.“ Wo die Sitte befolgt
wurde, da pflegte ein Diener zu kommen und dem Gaste die Riemen
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Nägeln über und über gespickt sind. Kein Schmerzenslaut entringt sich
den Verzückten. Weltentrückt! Nur dem Gedanken des Jenseits lebend!
6. Wir fahren mit unserer Barke ein wenig weiter und legen vor
dem Totenplatze mit dem Scheiterhaufen an. Wenige Schritte entfernt
war soeben am Ufer eine Leiche hingelegt worden, die Füße im Wasser,
der Oberkörper auf den Rücken liegend außerhalb des Wassers. So bleibt
die Leiche eine geraume Zeit liegen, währenddem ein Scheiterhaufen er-
richtet wird. Inzwischen kamen am Ghckt hinab noch zwei andere Züge,
auch diese legten die Leichen, männliche oder weibliche, gleichviel, in gleicher
Weise neben die bereits daliegende. Die Angehörigen, die das notwendige
Holz selbst mitbringen, bleiben etwas oberhalb zurück. Traurigkeit und
Anteilnahme bemerkt man kaum, hier hat nur die Seele ihren Wert, nicht
ihre Gestaltung; die irdischen Reste werden sofort nach dem Tode dem
heiligen Strome überwiesen.
Der eine Scheiterhaufen ist fertig, an zwei anderen wird gebaut.
Sechs Männer der untersten Kaste holen den auf eine Art Tragbahre aus
Bambus gebundenen Leichnam aus dem Flusse; einer der Träger schöpft
mit der Hand Wasser und flößt es dem Verstorbenen als letzte Zehrung
in den Mund. Dann wird die Leiche auf den Scheiterhaufen gelegt,
dieser angezündet, und der Verbrennungsprozeß abgewartet. Ist dieser be-
endet, so wird die Asche dem heiligen Wasser des Ganges überantwortet,
auf daß der Leib im Weltmeere vergehe, derweilen die Seele aufsteigt, um
in der allumfassenden Weltenseele aufzugehen.
7. Der Vorgang der letzten Waschung im Ganges und des Ver-
brennens ist jeder pietätvollen Totenverehrung bar. Wer einmal dem Vor-
gänge zugeschaut, wird kaum Verlangen nach einem zweiten Male tragen.
Aber das Widerwärtige dieses Anblicks ist doch nichts im Vergleiche mit
dem, daß in unmittelbarer Nähe der mit halbem Leibe im Wasser liegen-
den Leichen, dort wo zahllose Andächtige ihre Waschungen vollführen und
ihre vielleicht von ansteckenden, ekelerregenden Krankheiten behafteten Leiber
im heiligen Gangeswasser baden, ebenso zahlreiche andere Gläubige das
heilige Wasser trinken, es in Gesäße schöpfen und es heimwärts bringen,
oft auf Hunderte von Meilen Entfernung, um während der Dauer eines
ganzen Jahres an besonderen festlichen Tagen mit allen Gliedern ihrer
Familie sich davon die Lippen zu netzen. Ist es da ein Wunder, daß
Pest und Cholera jahraus, jahrein Tausende von Opfern fordern!
Julius Meurer.
238. Die Japaner und ihr Land.
1. Als ich in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts das
Glück hatte, Japan zu besuchen und beinahe ein Jahr daselbst zu ver-
weilen, da klang das Wort Japan noch märchenhaft, orientalisch fremd
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400
der Reis immer gut gerät. Er pflegt und düngt und bewässert ihn aber auch
mit großartigem Fleiß, mit gewissenhaftester Sorgfalt und nach allen Regeln
der Landwirtschaft. Fleisch darf er eigentlich gar nicht essen, wenigstens nicht,
wenn er Buddhist ist, und das sind immerhin die meisten. Der glaubt an
Seelenwanderung. Wenn er also irgend ein Tier tötet, so muß er immer
denken, daß er die Seele seiner Großmutter oder seines Urgroßvaters, die
in dem Tiere gewohnt haben könnte, obdachlos macht. — Japanische
Arbeiter habe ich kaum etwas anderes essen sehen als ihre Schüssel Reis.
Einst machte ich mit einigen deutschen Damen und Herren einen Ausflug
nach den berühmten Stromschnellen von Araschiyama. Stundenlang
trabte der Jinrickschakuli, der mich fuhr, in seiner Schere. Als wir an-
kamen, Pakten die Damen ihre Körbe aus, und wir aßen Fleisch, Wurst,
Käse, Eier, Butterbrot, wir, die wir im Wagen gesessen hatten, aber die
den Wagen gezogen hatten, kochten sich eine Schüssel Reis und trabten
dann, neu gestärkt, den Weg wieder zurück, zwar magere, aber sehnige,
kräftige Gestalten. Schon damals dachte ich, wenn so ein Mann mit
seinen braunen, muskulösen Beinen vor mir herlief, daß so einer einen
guten Soldaten abgeben müsse. Es ist ja auch klar, daß ein so leicht sich
ernährender Mann sich trefflich zum Feldsoldaten eignet. Im Felde ist ja die
Ernährungsfrage so überaus wichtig. Auch der tapferste Soldat ist nur ein
halber Held, wenn er nur halb satt zu essen bekommen hat. Da der Japaner
mit Reis zufrieden ist, Reis und Tee, so hat es die Verpflegungsbehörde
leicht, ihn satt zu machen. Wie einfach ist anch der Reis zuzubereiten, wie
einfach zu essen! Ein Messer ist unnötig, eine Gabel ebenfalls. Zwei
dünne Holzstäbchen, ähnlich den hölzernen Wollstricknadeln, genügen. Es
muß freilich das Essen mit ihnen gelernt sein. Es ist zwar nicht so
schwer, wie man denken sollte, aber auch nicht so. einfach, wie es ans den
ersten Blick aussieht. Auch hier macht nur Übung den Meister. Wir
hatten acht japanische Seeoffiziere zur Ausbildung an Bord gehabt, daher
hatte uns der Mikado (Kaiser) zu einem feierlichen Essen eingeladen. Das
war damals eine große Seltenheit und hohe Auszeichnung. Wenn wir
aber von dem Reis uns mit Hilfe der Stäbchen hätten sättigen müssen,
dann wäre Schmalhans Küchenmeister gewesen. Ich erinnere mich noch
deutlich des halb unterdrückten, verwunderten Lächelns der Dienerinnen,
die nicht begreifen konnten, wie ungeschickt wir uns mit den Stäbchen
anstellten. Zum Glück hatte aber der Mikado ein Einsehen gehabt und
uns vorher ein glänzendes Essen nach europäischer Art anrichten lassen.
Das japanische kam nur der Wissenschaft wegen.
4. Sehr anspruchslos sind auch die Japaner in bezug auf die
Wohnung. Die Häuser sind meistens nur aus Holz und Papier; sie
brennen leicht ab, sind aber auch bald wieder aufgebaut. Eines Tages
brannte es in Tokio. Wie gewöhnlich brannten etliche tausend Häuser ab.
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401
Das hätte ich gern gesehen. Aber in derselben Woche konnte ich nicht
abkommen, und als ich in der nächsten Woche hinaufkam, da waren die
Häuser schon sämtlich wieder aufgebaut. Besser gestellte Leute sollen sich
einfach stets ein neues Haus in voraus bereithalten, damit sie, wenn's
brennt, nicht lange obdachlos sind. Eigentlich genügt der ganzen Familie
ein Raum. Höchstens daß er durch Papierwäude etwas abgeteilt ist.
Tische, Stühle, Sofas, Betten, Schränke und dergleichen gibt's nicht. Man
arbeitet, ißt, schläft, plaudert auf den mattenbelegten Fußboden sitzend oder
liegend. Trotzdem es im Winter kalt ist, gibt es keine Ofen. Man zieht
sich einfach wärmer an und wärmt sich die Hände an einem Kessel mit
feurigen Kohlen, um dessen gesellige Wärme sich die Hausbewohner sammeln.
5. Auch an die Kleidung machen die Japaner keine großen An-
sprüche. Es ist freilich höchst bedauerlich, daß neuerdings die europäische
Tracht mehr und mehr in Aufnahme kommt. Aber die Mode ist überall
in der Welt eine beinahe unwiderstehliche Macht. Hoffentlich besinnen
sich die Japaner und bleiben bei ihrer kleidsamen Tracht, dem Kimono,
einer Art Schlafrock für Männer und Frauen, weit, bequem, malerisch,
über der Hüfte mit einem Gürtel zusammengehalten, der bei Männern
schmal, bei Frauen dagegen oft sehr breit und von kostbarster Seide ist.
Die Schuhe sind bei trockenem Wetter einfache Strohsandalen, bei Regen-
wetter kleine Brettchen mit Klötzchen darunter, so daß man trockenen
Fußes durch den tiefsten Schmutz gehen oder vielmehr tippeln kann, was
bei Frauen, wenn sie es hübsch machen, sehr anmutig aussehen kann.
Überhaupt zeichnen sich die Frauen durch niedliche, anmutige Bewegungen
aus. Wenn es also wahr ist, daß die Frauenschönheit hauptsächlich in
Anmut, Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit besieht, dann kann man die
japanischen Frauen mit. Fug und Recht schön nennen.
Besondere Sorgfalt verwenden sie aus die Haartracht. Die stellt
einen überaus künstlichen Bau dar, durch Einflechten von Pferdehaaren
in Gestalt und Schöne gebracht. Viele Stunden werden auf den Kopf-
putz verwandt. Daher kann er nicht jeden Tag neu hergestellt werden,
sondern muß mindestens eine Woche halten. Es dürfen also die so
Frisierten ihren Kopf zum Schlafen nicht bequem auf ein Kiffen legen;
sie haben nur eine Makura, ein Ding wie einen kleinen Kasten, der als
Stütze unter das Genick geschoben wird, so daß der ganze Kopf frei in
der Luft schwebt. Höchst unbequem; aber was legt sich der Mensch nicht
alles für Lasten auf der lieben Eitelkeit zuliebe. — Nichts geht dem
Japaner wie der Japanerin über die Reinlichkeit. Waschen und baden,
täglich einmal, auch mehrmal heiß, so heiß wie möglich baden, das gehört
ihnen zu den notwendigsten Lebensbedürfnissen.
6. In Japan gibt es kein kinderloses Haus. Bekommt eine Frau
keine Kinder, so kann sich der Mann von ihr scheiden und eine andere
Kappey u. Koch, Deutsches Lesebuch für Mittelschulen. V. 26
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244. Hausfrauensorgen in Südwest.
1. Ich hatte es schwer, mich einzugewöhnen, und in meiner
Eigenschaft als Hausfrau namentlich wurde mir viel zugemutet. Ich
mußte mich mit den Bambusen herumärgern, die mich nicht verstanden
und die ich nicht verstand. Mein Mann dachte, es mir leichter zu
machen, wenn ich zu meiner persönlichen Bedienung ein Mädchen
hätte, und so engagierte er Pauline, die Tochter des Großmanns
Paul Goseb. Sie wollte mir gleich zu Ansang stark imponieren. Ihr
alter Herr hatte dieselbe Absicht und prägte mir deshalb wiederholt
ein: „Weißt du, gnädige Frau, wir sind aus guter Familie, wir
sind königlich und genau so fein wie Euer Deutscher Kaiser und der
alte Navilion (Napoleon)."
Paulinens Manierlosigkeit entsetzte mich, obgleich sie königlicher
Abstammung war. Ohne weiteres kam sie in das Zimmer mit so
undsoviel Schwestern und Freundinnen, hockte sich nach Kaffernart an
die Wand und schnatterte los. Ganz ungeniert wurde gepriemt, aus
kurzen Pfeifen geraucht und noch ungenierter ausgespuckt. Als ich es
zu verbieten wagte, erhob sich eine Stimme des Entsetzens, und die
Sache blieb beim alten.
Ebenfalls herrschte große Empörung, als ich den bescheidenen
Wunsch aussprach, doch auch am Sonntag das Zimmerchen nur so
einigermaßen rein zu machen. Der Missionar hätte gesagt, Sonntag
sei Ruhetag, da dürfe man keine Arbeit anrühren, müsse sich schön
machen und in die Kirche gehen.
Mit meiner Pauline hielt ich es nicht lange aus. Es war sehr
teuer, bei den täglichen Mahlzeiten ihre sämtlichen nahen und fernen
Anverwandten mit durchfüttern zu müssen. Ihre Arbeitsleistung war
gleich Null, und die königliche Mutter störte mich oft schon am frühesten
Morgen, um ein Treckselki (Handvoll) Kaffee zu erbetteln. Kurz ent-
schlossen trennte ich mich von ihr und behalf mich von nun ab mit
Jungen.
2. Die Kocherei im Freien am offenen Feuer war keine Kleinigkeit.
Das ständige Bücken und lange Stehen in der Sonnenglut waren recht
unangenehm. Damit die Sache wenigstens im Schatten vor sich ging,
baute mir der alte Ertmann aus Binsen und Ried vor unserem Hause
eine Art Sonnendach.
Vom Zubereiten der Speisen hatte ich natürlich auch wenig Ahnung.
Auch da half mir in rührendster Weise der alte Ertmann, und ich be-
mühte mich, ihm eine gelehrige Schülerin zu sein. Unter seiner Leitung
lernte ich Brot und Zwieback backen, afrikanische Fleischspeisen der
verschiedensten Art zubereiten und sogar Puddings machen.
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Extrahierte Personennamen: Pauline Paul_Goseb Napoleon Paulinens
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einem Teller; ein oder zwei Becher dienten der ganzen Familie; die
Glasur irdener Gefäße kam um diese Zeit erst auf. Selbst in wohl-
habenderen Häusern wohnte der Sohn des Hauses mit seiner jungen
Frau im Hinterstübchen bei den Eltern; ohne eigene Wirtschaft ging
er bei ihnen zur Kost.
Dennoch aber fand schon das 13. Jahrhundert gesetzliche
Beschränkung der Prunkliebe und Schwelgerei nötig, die besonders
bei Festen geübt wurde. Das erste Gesetz der Art finden wir bei
den fröhlichen und prassenden Wermsern im Jahre 1220. Die Bitter,
Dichter und Batsleute, mit Zustimmung der ganzen Gemeinde, unter-
sagten die Gastmähler und Gelage, welche man im Hause eines
Gestorbenen zu halten pflegte, wenn dieser zu Grabe getragen war.
Wer dagegen fehlte, sollte dreißig Schillinge der Stadtbaukasse zur
Strafe zahlen. Die strengen Niedersachsen duldeten bei Hochzeiten
nicht mehr als zwölf Schüsseln und drei Spielleute der Stadt, die
Breslauer (1290) dreißig Schüsseln und vier Spielleute. Gegen das
Ende des 13. Jahrhunderts setzte der alte und der neue Rat zu Soest
fest, beim Verlöbnis keinen Wein zu trinken, doch dürfe der
Bräutigam der Braut ein Paar Lederschuhe und ein Paar Holzschuhe
senden. Bei der Hochzeit waren den Reichsten fünfzig Schüsseln,
aber nur fünf Gerichte gestattet.
6. Unter den Künsten blühte besonders die Goldschmiede-
kunst. Sie schuf köstliche Schreine für die Leiber der Heiligen,
Kelche mit Heiligenbildern, Kreuze mit der Gestalt des Erlösers.
Hinter den düsteren Mauern der Städte wurde Gesang und
Saitenspiel gepflegt. Auch diese Kunst bildete sich nach der
Sitte der Zeit in Zunft und Schule aus und erheiterte das ernste
Leben der Bürger. Manche Städte unseres Vaterlandes waren er-
füllt mit einer Unzahl von Spielleuten. Fiedel, Harfe, Pfeife und
Zinke waren teure Instrumente. Alte Heldensagen ließ man in Liedern
erklingen. Auch die Lust an der Natur war in den dumpfen Gassen
' «^Lerwacht. Überall wurde in den deutschen Städten ein Frühlingsfest
mit Lust und Jubel begangen und im Freien ward getanzt. Man
dachte sich den Winter als einen feindseligen Riesen, den Sommer
als einen knabenhaften, holden und zugleich starken Jüngling, welcher
gewappnet in den Wald zog, um den gehaßten Gegner aufzusuchen
und zu überwältigen. Ein Knabe zog daher als Sonnengott an der
Spitze gewappneter Genossen in den Wald. Er trug Laub- und
Blumenkränze an der Stirn, Brust und Schulter und kehrte, nach-
dem Scheinkämpfe im Walde gehalten waren, als Sieger mit Jubel
heim. Sein Gefolge führte zum Beweise des Sieges grüne Birken-
zweige mit sich. Ein hoher, glattgeschälter Baum mit grüner Krone
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Ihr diese und alle Not möget selig überwinden und endlich schmecken
und erfahren, daß es die Wahrheit sei, da er selbst spricht: Seid getrost!
Ich hab' die Welt überwunden. Und befehle hiermit Euern Leib und
Seele in seine Barmherzigkeit! Amen. Es bitten für Euch alle Euere
Kinder und meine Käthe. Etliche weinen; etliche essen und sagen: die
Großmutter ist krank. Gottes Gnade sei mit uns allen! Amen.
Am Sonnabend nach Himmelfahrt 1531.
Euer lieber Sohn
Martin Luther.
b) Luthers Gartenfreude. (Gekürzt.)
1. Wenn je einer ein Gartenfreund war, so ist es Luther gewesen.
Das Kloster selbst, das der Kurfürst Johann der Beständige ihm zum Ge-
schenk machte, hatte einen Garten. Aber Luther erwarb noch mehrere
Gärten in der Stadt, darunter einen mit einem Fischteich. In seinem
Garten suchte und fand Luther die liebste Erholung. Wohl war ihm
sein Studierzimmer traut und lieb, in dem sich die Gehilfen der Bibel-
übersetzung versammeln, in dem er gern auch Gattin und Kinder um sich
hat, in dem er Besuche empfängt. Aber wenn uns Luther einmal dieses
Studierzimmer beschreibt: „Tisch, Bänke, Schemel, Pulte, Fenster, Truhen,
Regale, alles liegt voll Briefe, Anfragen, Akten, Beschwerden, Bittschriften
usw." dann verdenken wir's ihm gewiß nicht, wenn er gern einmal dieses
Zimmer mit dem Garten, dem alten Klostergarten am Wohnhause, ver-
tauscht. Fröhlich springen ihm die Kinder mit dem Hündchen „Tölpel"
voran, und die Gattin und die Freunde geleiten ihn. Bald wird es unter
den schattigen Bäumen laut und lebendig. Die Jugend ergötzt sich an
munterem Spiel. Das Rollen der Kugel und das Fallen der Kegel wird
vernehmbar. Gern versucht auch Luther dort seine Kunst. Freilich be-
richtet uns sein Freund, der Arzt Matthäus Ratzeberger: „Einmal schob
er die Kugel umwürts, das ander Mal seitenwärts oder über Eck."
2. Deutlich spiegelte sich in Luthers Briefen die Liebe zu seinem
Garten und die Freude, die der Aufenthalt dort ihm bereitet, wider. Er
hat auch wacker mit drin gegraben, wenn er auch die Hauptarbeit seinem
Gärtner Heinrich, seinem Diener Wolfgang und seiner Köchin
Orthe (Dorothea) unter der Oberleitung seines Herrn „Käthe" über-
ließ. War ihm doch „Ackerbau ein göttlich Werk". „Der Bauern Arbeit",
sagt er einmal, „ist am fröhlichsten und voller Hoffnung; denn ernten,
pflügen, säen, pflanzen, pfropfen, abmähen, einschneiden, dreschen, Holz
hauen, das hat alles große Hoffnung." Ein Jahr nach seiner Hochzeit
lud er Freund Spalatin in seinen Garten ein: „Ich habe einen Garten
gepflanzt, einen Brunnen gegraben, beides mit gutem Glück. Komm, und
du sollst mit Lilien und Rosen bekränzt werden." Und wie ist er be-
29*
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Extrahierte Personennamen: Martin_Luther Luthers_Gartenfreude Johann Matthäus_Ratzeberger Heinrich Heinrich Wolfgang Dorothea)
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ringerung des Wohlstandes ihres Dorfes hatten sie am meisten zu leiden.
Die Mehrzahl von ihnen verdient das Zeugnis, daß sie alle diese Gefahren
als echte Streiter Christi ertrugen. Die meisten hielten bei ihren Ge-
meinden aus bis zum letzten Mann. Ihre Kirche wurde verwüstet und
ausgebrannt, Kelch und Kruzifix wurden gestohlen, die Glocken vom Turm
geworfen und weggeführt. Da hielten sie den Gottesdienst in einer
Scheuer, auf freiem Felde, im grünen Waldversteck. Häufig waren sie
die ersten, welche von der Verwilderung der Dorfbewohner zu leiden
hatten; Diebstahl und frecher Mutwille wurden am liebsten gegen solche
geübt, deren zürnender Blick und feierliche Klage früher den meisten Ein-
druck gemacht hatten. Ihre Schicksale sind daher vorzugsweise kenn-
zeichnend für jene eifernen Jahre, und gerade von ihnen besitzen wir die
meisten Aufzeichnungen aus jener eisernen Zeil, oft in Kirchenbüchern,
denen sie ihr Leid klagten, während kein Mensch sie hören wollte.
Gustav Freytag.
259. Der Grotze Kurfürst und der französische Gesandte.
1. Eines Morgens hatte Friedrich Wilhelm auf der Jagd im Grune-
walde durch einen Eilboten die Nachricht erhalten, daß ein großer Zug
französischer Hugenotten in Berlin eingetroffen sei, um des Kurfürsten
Schutz anzuflehen, und daß der französische Gesandte gegen das Verbleiben
der Flüchtlinge Einspruch erhoben habe. Eiligst kehrte der Kurfürst nach
Berlin zurück. Kaum hatte er sich umgekleidet, so erschien der Gesandte,
Herr von Rebenac, und bat dringend um eine Unterredung. Der Kurfürst
erklärte sich bereit, ihn sofort zu empfangen. Bei seinem Eintritt in den
Empfangssaal grüßte ihn der Gesandte mit zierlicher Verbeugung.
2. „Sie kommen zu außergewöhnlicher Stunde, Herr Marquis,"
redete er den Gesandten an; „ich muß daher wohl annehmen, daß ein
besonderer Auftrag Ihres Königs Sie hierherführt."
„Die Weisheit Euer Durchlaucht hat, wie immer, das Richtige ge-
troffen," entgegnete Rebenac. „Seine Majestät König Ludwig Xiv. haben
mir Befehl erteilt, eine Unterredung bei Euer Duchlaucht nachzusuchen."
„Sie ist Ihnen bewilligt."
„Durchlaucht," nahm Rebenac das Wort, „mein Herr hat es für-
notwendig gehalten, jene Verordnung aufzuheben, die sein Vorfahr dereinst
zu Nantes zum Besten der Hugenotten erließ. Von dem Tage an suchten
diese Schutz in Deutschland, Holland und vor allem bei Euer Durchlaucht.
Massenhafte Auswanderungen fanden statt. Dieses Aufgeben des Vater-
landes ist wider meines Herrn Willen. Böte sich den aufrührerischen
Untertanen keine neue Heimat dar, sie würden sich geduldig dem neuen
Gesetze fügen. Aber die Aussicht auf den Schutz Euer Durchlaucht macht
die Leute kühn, und so wagen sie es, teils offen, teils heimlich Frankreich
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Extrahierte Personennamen: Gustav_Freytag Gustav Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Marquis Rebenac Ludwig_Xiv Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Christi Berlin Berlin Nantes Deutschland Holland
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den Stock erinnert, mit welchem er seinen Anordnungen Nachdruck
zu geben wußte.
Des Königs: „cito, cito!“ auf den Verfügungen brachte Minister,
Räte, Kanzlisten und Kanzleiboten zum Zittern. Bis zu den Tor-
schreibern und Briefträgern herab wirkten die Donnerworte des Königs.
Unermüdete Tätigkeit und Pflichttreue, unausgesetzte Bewachung
der Unterbeamten, die größte Sorge für Ersparungen, für Erhöhung
der Einkünfte, die peinlichste Ordnung in den Geschäften und in der
Regelung der einzelnen Geschäftszweige waren es vor allem, was der
König forderte, und wer es daran fehlen ließ, mußte der härtesten
Strafen gewärtig sein.
Keiner war vor seinem plötzlichen Erscheinen sicher. Als der
König erfuhr, daß der Torschreiber in Potsdam die Bauern, die zum
Markte wollten, früh vor dem Tore warten ließ, ohne zu öffnen,
ging er selbst hin, fand dann auch natürlich den säumigen Beamten
noch im Bette. Aber wehe ihm! Mit den Worten: „Guten Morgen,
Herr Torschreiber, guten Morgen!“ prügelte Friedrich Wilhelm den
Langschläfer höchst eigenhändig aus dem Bette. Ein andres Mal
ging der König eines Morgens seiner Gewohnheit gemäß in Pots-
dam spazieren. Auf der Straße fand er da Reisende, die mit der
Nachtpost von Hamburg angekommen waren und nun schon lange
Zeit vergeblich dem schlafenden Postmeister klopften. Des Königs
Rohrstock brachte ihn aber bald aus den Federn, und seines Dienstes
war der Saumselige entlassen. Bei den Reisenden aber bat der König
um Entschuldigung, das preußische Beamte so pflichtvergessen seien.
2. Bei aller Strenge und Härte, mit der Friedrich Wilhelm sein
Regiment leitete, sah er es doch als seine besondere Aufgabe an,
sich der bedrängten und unterdrückten Stände seiner Untertanen
anzunehmen. So verordnete er, daß fortan kein Pächter oder
Schreiber sich unterstehen solle, die Leute im Hofdienst mit Peitschen
und Stockschlägen übel zu traktieren oder zur Arbeit anzutreiben.
Wenn solches dennoch geschehe, so sollten dergleichen Schreiber,
auch wenn sie es auf Befehl des Pächters getan hatten, das erste
Mal in einer Festung sechs Wochen karren, das zweite Mal aber
am Leben gestraft und aufgehangen werden. Ebenso trat der König
dem Mißbrauch entgegen, den manche Beamte mit dem Vorspann-
dienst der Bauern trieben. „Ich will nicht,“ schrieb er an die
Behörden, „daß die Herren Räte in den Provinzen mit meiner
Bauern Pferden spazieren fahren.“ Auch an die Regimenter erging
ein ähnlicher Erlaß. Kein Offizier sollte sich unterstehen, einen
Bauern, der Vorspann leisten muß, zu zwingen, daß er schneller als
anderthalb Meilen in zwei Stunden führe. Wer den Bauern zu
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
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23. Hochzeitlied.
1. Wir singen und sagen vom Grasen so gern,
der hier in dem Schlosse gehauset,
da, wo ihr den Enkel des seligen Herrn,
den heute vermählten, beschmauset.
Nun hatte sich jener im heiligen Krieg
zu Ehren gestritten durch mannigen Sieg,
und als er zu Hause vom Rösselein stieg,
da sand er sein Schlösselein oben, —
doch Diener und Habe zerstoben.
2. Da bist du nun, Gräflein, da bist du zu Haus,
das Heimische sindest du schlimmer!
Zum Fenster da ziehen die Winde hinaus,
sie kommen durch alle die Zimmer.
Was wäre zu tun in der herbstlichen Nacht?
So hab' ich doch manche noch schlimmer vollbracht,
der Morgen hat alles wohl besser gemacht.
Drum rasch bei der mondlichen Helle
ins Bett, in das Stroh, ins Gestelle!
3. Und als er im willigen Schlummer so lag,
bewegt es sich unter dem Bette.
Die Ratte, die raschle, so lange sie mag!
Ja, wenn sie ein Bröselein hätte!
Doch siehe! Da stehet ein winziger Wicht,
ein Zwerglein so zierlich mit Ampelenlicht,
mit Rednergebärden und Sprechergewicht,
zum Fuß des ermüdeten Grafen,
der, schläft er nicht, möcht' er doch schlafen.
4. Wir haben uns Feste hier oben erlaubt,
seitdem du die Zimmer verlassen,
und weil wir dich weit in der Ferne geglaubt,
so dachten wir eben zu prassen.
Und wenn du vergönnest, und wenn dir nicht graut,
so schmausen die Zwerge behaglich und laut,
zu Ehren der reichen, der niedlichen Braut.
Der Graf im Behagen des Traumes:
Bedienet euch immer des Raumes!
Kappey u. Koch, Deutsches Lesebuch sur Mittelschulen. V.
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