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Spanien über; am Felsen „Gibralta r“, d. H. „Berg des Tarik", stiegen sie ans Land. Die Westgoten waren durch innere Streitigkeiten längst geschwächt und konnten sich der tapferen Feinde nicht er-71 1 wehren; sie erlagen in einer mehrtägigen Schlacht bei der weinberühmten Stadt X 6 r e § , ihr König Roderich fiel selbst im Kampfe. Nur ein Rest der Goten rettete sich in die Berge Asturiens und behauptete dort seine Freiheit.
Bald überschritten die Maurenscharen auch die Pyrenäen und fielen verheerend in das Frankenland ein.1) Aber in einer großen Schlacht in der Gegend zwifchen Tours und P 0 11iers 709 schlug der starke Hausmeier Karl Martell (der „Ham-mer") die maurifchen Reitergeschwader mit seinem Heerbanne wuchtig zurück; die abendländische Kultur war gerettet.
Zweimal sind also die Germanen mit dem Islam zusammengestoßen: 711 (bei Xeres) erlagen die Goten, 732 (bei Tours und Poitiers) siegten die Franken.
§ 23. Das Ende der Merowinger. Das Scheinkönigtum des Geschlechts der Merowinger hatte sich inzwischen längst überlebt, und des „Hammers" Sohn, Pippin der Kleine, beschloß, ihm gänzlich ein Ende zu machen. Er ließ dem letzten, Childerich Iii., die langen Königslocken scheren und verwies ihn in ein Kloster. Eine Reichs-wr-j Versammlung erhob dann den mächtigen Hausmeier als neuen * U1 König auf den Schild, und fränkische Bischöfe salbten und krönten ihn?) Der Papst selbst wiederholte die Salbung in Paris, als er bald darauf bei Pippin persönlich Hilfe gegen die Langobarden suchte, und ernannte ihn zum Schutzherrn von Rom. Pippin zog zweimal mit seinen Frankenkriegern über die Alpen und demütigte die Bedränger des päpstlichen Stuhles. Er schenkte ihm ein Landgebiet, das er den Langobarden entrissen hatte, und legte so den Grund zum Kirchenstaate. —
Das Hervortreten der Kirche lenkt jetzt unsern Blick auf das Christentum bei den Germanen.
Das Christentum bei den Germanen.
§ 24. Die früheste Verbreitung. Vereinzelt fand das Christentum schon im zweiten Jahrhundert an der Donau und am Rhein durch römische Händler, Soldaten und Sklaven Verbreitung?) Am Ende
*) Gedicht: Heyse, „Das Tal des Espingo."
2) Gedichte: Baur, „Pippin der Kleine." Streckfuß, „König Pippin."
3) Gedicht: Pfarrius, „Die Gründung Kreuznachs."
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zusammenwohnenden Stämme der Germanen zu V ö l k e r n. In der heutigen Rheinprovinz, am Mittel- und Niederrhein, treten die Franken, d. H. die Freien, auf; in den Gegenden der Ems, Weser und Elbe erscheinen die nach ihrem kurzen Schwerte „Sachs" benannten Sachsen, und am Oberrhein stoßen wir auf die Alemannen, d. H. alle Männer, nach denen die Franzosen uns noch Allemands nennen. An der Donau endlich tritt später das nach seinen Vorfahren in Bojohemum (Böhmen) benannte Volk der Bajuwaren oder Bayern kraftbewußt hervor. Jenseits der Elbe hausten germanische Reitervölker; die bedeutendsten von ihnen waren die Goten, deren Wohn- und Weidegebiet südlich bis an das Schwarze Meer reichte.
Das Wachstum der seßhaften Bevölkerung rief bei den Germanen im Laufe der Zeit einen steigenden Mangel an Ackerland hervor. Diese „Landnot" trieb sie in immer größeren Massen von der heimischen Scholle, und immer neue Scharen brachen mit Weib und Kind, mit Karren und Vieh, Sippe an Sippe, über die Grenzen des römischen Reiches: die Zeit war gekommen, daß die H e r r s ch a f t ganz an die Germanen überging?)
§ 2. Die Hunnen. Einen mächtigen Anstoß erhielt die Bewegung der germanischen Völker durch den Einbruch der Hunnen in Europa. Sie waren ein wildes Reitervolk und kamen aus dem Innern Asiens. Ihr Auftreten brachte Entsetzen über die Menschen. „Mit ihrem gedrungenen, festen Gliederbau und starken Nacken", so schildert sie ein Zeitgenosse, „gleichen sie roh behauenen Holzfiguren, wie man sie an Brückengeländern sieht, und bei ihrem ungeheuerlichen Aussehen möchte man sie für wilde Tiere halten. Ihre Lebensart ist wild und rauh. Bei der Zubereitung ihrer Speisen gebrauchen sie weder Feuer noch Gewürz. Sie leben von den Wurzeln wildwachsender Pflanzen und von dem halbrohen Fleische aller möglichen Tiere, das sie auf dem Rücken der Pferde mürbe reiten. An ihre häßlichen, aber ausdauernden Pferde sind sie wie angewachsen; Tag und Nacht leben sie auf ihnen. Dort kaufen und verkaufen sie, dort essen und trinken, dort schlafen und träumen sie, indem sie sich vornüber auf den Hals des Rosses beugen. Ohne feste Wohnsitze, ohne Obdach, ohne Gesetz und Recht schweifen sie mit ihren Karren, die mit Fellen überzogen sind, umher. Die Karren sind die Wohnungen ihrer schmutzigen Weiber; dort weben die Weiber die groben Kleider, dort ziehen sie die Kinder auf, bis sie erwachsen find.“2)
1) Gedichte: Lingg, „Die Einwanderung der Germanen" und „Heerbannlied."
2) Gedichte: Weber, „Die Hunnen." Börries von Münchhausen, „Hunnenzug."
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Extrahierte Personennamen: Lingg Weber
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Ruhestätte?) Dann zogen sie trauernd nach dem südlichen Gallien weiter und gründeten in dem entvölkerten Gebiete den e r st e n Germanen st aat auf römischem Boden. Die Hauptstadt des neuen Reiches, das sich bald auch über Spanien ausdehnte, wurde Toulouse an der Garonne.
§ 5. Ättila. Über die Hunnen, die sich in der weiten Grasebene der Theiß gelagert hatten, herrschte um die Mitte des fünften Jahrhunderts ein gewaltiger Heerkönig. Die Goten nannten ihn Attila, d.h. Väterchen. Alle Völker von der Wolga bis zum Rhein mußten ihm Zins und Heeresfolge leisten. In seiner hölzernen Hofburg lebte er schlicht und rauh gleich dem geringsten Kriegsmann; er aß und trank aus Geschirren von Holz und blickte gleichgültig auf den Prunk seiner Umgebung. Alle, selbst die eigenen Söhne, zitterten vor dem schweigsamen Manne, der nie eine Miene verzog?)
An der Spitze seiner Scharen brach Attila verderbendrohend gegen Westen auf, und wie ein Bergstrom riß der gewaltige Heerzug alles mit sich fort. In Gallien widerstanden jedoch die Mauern von Paris seinen Stürmen. Die Hunnen strömten zurück nach der Ebene der Marne, und hier, auf den K a t a l a u n i s ch e n , d. h. gotischen Feldern, trat der kaiserliche Feldherr A6tius, der „letzte Römer", im Verein mit Westgoten und Franken den wilden Scharen entgegen. Es kam zur l e tz t e n großen Schlacht des Altertums. Von Morgen bis Abend dauerte das schreckliche Ringen der Völker; selbst in den Lüften läßt die Sage die Geister der Erschlagenen den wilden Kampf fortsetzen?) In der Nacht zog Attila, der dem Kriegsgotte mißtraute, eilig davon, und die Hunnen fluteten nach Ungarn zurück. Das christlich-germanische Wesen des Abendlandes war gerettet.
Im Jahre darauf brach die „Gottesgeißel", wie man Attila später genannt hat, in Oberitalien ein.4) Viele Bewohner flüchteten vor ihm auf die Laguneninseln am Adriatischen Meere; so entstand Venedig. Auch Rom wollte der Hunnenkönig heimsuchen; aber in seinem Heere brach eine Seuche aus, so daß er wieder nach Ungarn umkehren mußte. Kurze Zeit darauf starb Attila, und die Hunnen zerstreuten sich in den Steppen am Schwarzen Meere.
§ 6. Geiserich. Aus dem heutigen Schlesien war das germanische Reitervolk der Vandalen südwärts gezogen und auf langen Wanberzügen nach dem fernen Spanien verschlagen worben. Als aber auch die Westgoten über die Pyrenäen stiegen, entwichen
1) Gedichte: Platen, „Das Grab im Busento." Pfizer, „ Alarichs Grab."
2) Gedicht: Lingg, „Attilas Schwert."
3) Gedicht: Lin g g, „Die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern."
4) Gedicht: Bo gl, „Attila am Meer."
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Zweiter Abschnitt.
Die fränkische Zeit.
Staatliches Wesen und Christentum durchdringen die germanischen Völker im Frankenreiche. Im Morgenlande erhebt sich drohend der Islam.
Tiehöhe der fränkischen Zeit bildet die Regierung Karls des Großen.
Die Merowinger.
§ 16* Die Franken. Während die östlichen Germanen den Boden ihrer Väter jenseits der Elbe für immer verließen und im Strudel der Völkerwanderung untergingen, hielten die West-germanen ganz, wie die Sachsen, oder doch größtenteils an ihrer Heimat fest und behaupteten daher ihre Selbständigkeit. Ihre Grenzen schoben sie meist in das benachbarte Römerland vor. So machten es besonders die kraftvollen Franken am Niederrhein. Sie drängten sich westwärts in Gallien hinein, nahmen das r ö m i -s ch e und christliche Wesen in sich auf und vollzogen eine bedeutsame, dauerhafte Staatenbildung.
§ 17. Chlodwig. Der Begründer des großen Frankenreiches wurde der dem Geschlechte der Merowinger entstammende Chlodwig (= Ludwig). Als fünfzehnjähriger Jüngling bestieg er fünf Jahre nach dem Sturze Westroms den Thron der s a l i s ch e n Franken, die ihre Wohnsitze im heutigen Holland hatten. Durch einen Sieg bei S o i s s o n s eroberte der junge Fürst 486 den l e tz -ten Rest der römischen Reiches, der sich unter einem Statthalter nördlich des Loireflusses noch erhalten hatte.
Chlodwig war noch Heide, und seine christliche Gemahlin Klothilde, eine bnrgnndische Prinzessin, bemühte sich lange vergeblich, ihn für den Christenglauben zu gewinnen. Da kämpfte der König in einer blutigen Schlacht gegen die Alemannen im Elsaß, das diesem Volke seinen Namen (Elendsaß, d. h. Sitz in der Fremde) verdankt. Als die fränkischen Reihen zu wanken schienen, gedachte Chlodwig seiner Gemahlin und gelobte, Christ zu werden, wenn er siege.1) Cr siegte und ließ sich darauf mit seiner Schwester 4-Qß unk fielen Edlen am Weihnachtsfeste zu Reims von dem dortigen Bischöfe taufen. Als Chlodwig an das Taufbecken trat, sprach der Bischof zu ihm: „Verehre, was du verbrannt, verbrenne, was du verehrt hast!" Reims ist seitdem die
1) Gedicht: Sirnro ck, „Die Schlacht bei Zülpich."
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Das Mmklaller.
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Das Mittelalter, das mittlere Weltalter zwischen A l t e r * tum und Neuzeit, umfaßt etwa tausend Jahre. Man rechnet es von dem Untergange des weströmischen Reiches, 476, bis zu den großen Umwälzungen, die in der Zeit um 1500 sich in der Welt ereignet haben.
Das morsch gewordene Römerreich wird abgelöst von der Herrschaft der jugendkräftigen Germanen, und an die Stelle des verkommenen Heidentums tritt allmählich das welterneuernde Christentum: germanisch-deutsches Wesen und christliche Kirche in ihrer Wechselwirkung geben dem Mittelalter sein Gepräge.
Erster Abschnitt.
Die germanische Zeit.
Die Völkerwanderung.
Von Mangel an Ackerland getrieben, brechen die Germanenvölker in das Römerreich ein und gründen auf seinem Boden neue Staaten.
§ 1. Die Anfänge der Völkerwanderung. Wie war es doch mit der Zeit anders geworden im römischen Reiche ! Seine Kraft schwand dahin, und seine Grundfesten zitterten, denn der Staat war innerlich morsch. Nur das Germanentum stützte noch den wankenden Bau. Schon bestanden im dritten Jahrhundert die Legionen zum größten Teil aus germanischen Söldnern. Die Nachkommen der Sieger in der Varusschlacht umgaben die Person des Kaisers, schirmten als Keulenträger das Kapitül und trugen als Senatoren die purpurgestreifte Toga um ihre breiten Schultern. Das Römerreich wurde von den Söhnen des Nordens gleichsam schon beherrscht, ehe sie es erobert hatten. Daheim aber verschmolzen inzwischen die kleinen, nachbarlich
Voos-Zurbonsen, Geschichte für Mädchen-Mittelschulen, Teil Iii. 1
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dieses Jahrhunderts war bereits Trier der Sitz eines Bistums, bald darauf C ö l n. Als das weströmische Reich in Trümmer ging, wirkte der aus Italien stammende Severin erfolgreich als Apostel in den Donauländern.
Während der Völkerwanderung hatten die Oftgermanen und die Franken das Christentum angenommen. Die ersten Bekehrungsversuche bei den seßhaften Germanen des inneren Deutschlands gingen von dem frühchristlichen Irland aus; im sechsten Jahrhundert kamen von dort Kolumban und Gallus als Apostel an den Oberrhein. Um das Jahr 600 wurden die germanischen Angelsachsen in Britannien durch Glaubensboten des Papstes Gregor des Großen für das Christentum gewonnen.
§ 25, Bonifatius. Der eigentliche „Apostel der Deutschen" wurde der Angelsachse W i n f r i e d , mit seinem kirchlichen Namen Bonifatius (= von guter Bestimmung) genannt. Er stammte aus einer vornehmen Familie im südlichen England. Früh Mönch und Priester, predigte er zuerst mit seinem Landsmanne Willibrord in Friesland; aber beide wurden vertrieben. Jetzt reiste Bonifatius nach Rom. Mit der Vollmacht und dem Segen des Papstes für fein Missionswerk kehrte er zurück und durchzog predigend Thüringen und Hessen. Bei Geismar fällte er eine dem Donar geheiligte Eiche. Nun ließen sich viele taufen. Überall baute er hölzerne Kirchen. Sie wurden bald die Mittelpunkte von Anfiedlungen. Die kirchlichen Verhältnisse des Frankenreiches ordnete Bonifatius im Einvernehmen mit dem päpstlichen Stuhl; dieser erhob ihn zum Erzbischof über die von ihm gegründeten Bistümer, z. B. Würzburg, Regensburg, Salzburg. Sein Sitz wurde M a i n z , das seitdem die vornehmste deutsche Bischofsstadt blieb. Als Greis unternahm Bonifatius noch eine Missionsreise nach Friesland. Hier (int heutigen Holland) w r ^ wurde er von einer Schar Heiden überfallen. Freudig ging * ^ der Gottesmann dem Märtyrertode entgegen. Seine Gebeine ruhen im Dome zu F u l d a , wo ihm auch ein Denkmal errichtet worden ist.
Seit den Tagen der Jünger Christi hat kein Glaubensbote segensreicher gewirkt als Bonifatius. Der Götterglaube erblaßte vor dem Lichte des Christentums und entwich, wo diefes erschien, immer mehr in die Abgeschiedenheit entlegener Heiden: er wurde zum Heiden tum. Spuren davon, z. B. der Glaube an Zauberei, blieben aber noch lange im Volke bemerkbar; nicht mit einem Male konnte die Religion des Geistes und der Wahrheit Jahrhunderte alte heidnische Vorstellungen überwinden.
§ 26. Die Klöster. Die Glaubensboten in Deutschland waren sämtlich Mönche, d. H. Einsiedler. Seinen Ursprung nahm das Mönch-
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sie vor diesen aufs Meer und setzten im Jahre 429 nach der kornreichen Provinz Afrika über. Heerkönig der Vandalen war damals der junge Geiferich, d. h. Speerfürst. Wortkarg und mäßig, aber habgierig und grausam gegen feine Feinde, war der hinkende Kriegsmann einer der gewaltigsten Häuptlinge feiner Zeit. Er eroberte mit leichter Mühe das reich entwickelte Land und gründete dann ein neues Reich mit der Hauptstadt Karthago. Seine Vandalen bauten eine Flotte und hausten bald als gefürchtete Seeräuber auf dem Mittelmeere bis nach Kreta.
§ 7. Die zweite Plünderung Roms. Es war kurz nach dem Tode Attilas, als Geiferich mit feinen Raubfcharen vor den verfallenen Mauern Roms erschien. Vierzehn Tage lang wurde die wehrlose Stadt geplündert; was die Goten verschont hatten, fiel den r r Vandalen anheim. Reiche Beute an Gold, Silber und Kunst-werken, darunter der Tempelschatz von Jerusalem aus den Tagen des Titus, wanderte auf die Schiffe. Doch hat man den Vandalen ungerechterweife eine sinnlose Zerstörungswut zugeschrieben, die noch heute als „Vandalismus" bezeichnet wird?)
§ 8. „Hengist und Horsa." In der Zeit, als die Drachenfchiffe der Vandalen das Mittelmeer befuhren, zogen andere Germanenstämme auf schwanken Boten über die Fluten der Nordsee nach Britannien. Längst hatten die römischen Legionen das Insel-land verlassen, und die Einfälle der wilden Skoten aus den schottischen Bergen suchten die schutzlosen Bewohner heim. Da riefen diese die germanischen Angeln und Sachsen aus Jütland zu Hilfe, und nach kühner Meerfahrt landeten die Nordlandföhne an der britannischen Küste. Es war um das Jahr 450.
Anführer waren, wie die Sage berichtet, die beiben Brüber Heng ist (Hengst) und Horfa (Roß); die Namen, die vielleicht auch nur ihre Schiffe bezeichneten, deuten auf die Schätzung des Pferdes. Die Ankömmlinge setzten sich im Lande selber fest, und immer mehr Volksgenossen von den Mündungen der Weser und Elbe rückten ihnen nach. Ein Teil der Einwohner Britanniens entwich nach der gegenüberliegenden Halbinsel von Gallien, die nach ihnen noch den Namen Bretagne führt. Die Angeln und Sachsen aber gründeten in Britannien im Laufe der Zeit sieben kleine Reiche, die später zu dem Königreiche England, d. h. Angelland, verschmolzen. Ihre Nachkommen, die heutigen Engländer, haben in der Ab-gefchloffenheit vom Festlande germanische Einrichtungen noch vielfach bewahrt.
x) Gedicht: Kaufmann, „Der Vandalen Auszug."
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§ 9. Das Ende des weströmischen Reiches. Wie ein großes Trauerspiel der Geschichte vollzog sich immer schneller die Zertrümmerung des römischen Reiches. Um die Mitte des fünften Jahrhunderts gehörten zu ihm nur noch Italien und ein geringer Teil von Gallien. Gerade ein Bierteljahrhundert nach der Hunnenschlacht auf den Katalaunischen Feldern stürzte es völlig zusammen. Germanische Söldner hatten den morschen Kaiserthron bislang gestützt. Als der junge Kaiser R6mulus,zubenanntaugüstulus, d.h. das Kaiserlein, ihnen das geforderte Ackerland in Italien verweigerte, empörten sie sich und erhoben ihren Befehlshaber O d o L k a r auf den Schild. Als gemeiner Söldner, mit Tierfellen bekleidet, war der reckenhafte Mann einst aus seiner Heimat im Donaulande geschieden: als „König von Italien" begrüßten ihn jetzt seine Germanen. Er verwies den J_7fi siebzehnjährigen Romulus auf ein Landgut und siedelte seine Soldtruppen über ganz Italien an.
Das war das Ende der tausendjährigen Römerherrschaft in statten: eine neue Zeit, das Mittelalter, hatte begonnen.
§ 10- Theoderich. Schon nach einem halben Menschenalter stürzte Odoakars Söldnermacht wieder zusammen.
Unter den O st g o t e n, die nach dem Ende der Hunnenherrschaft an der mittleren Donau saßen, lebte damals ein vornehmer Jüngling, namens Theoderich oder Dietrich, d. h. Volksfürst?) Zehn Jahre hatte er als Geisel in Konstantinopel verbracht. Ihn hoben die Gotenkrieger auf den Schild. Er führte sein Volk durch die Alpentäler nach dem begehrten Italien2) und schlug den Odoakar entscheidend bei Verona; in der Sage heißt er daher Dietrich von Bern (= Verona). Odoakar ergab sich in dem belagerten Ravenna; bei einem Gastmahle tötete Theoderich ihn treulos mit eigener Hand, 493. Diese Blutschuld hat das Herrscherleben des Gotenkönigs schwer belastet.
Ein ganzes Menschenalter regierte Theoderich als „König der Goten und der Römer". Seine Stammesgenossen, denen er ein Drittel des italischen Ackerlandes überwies, bildeten das Heer; die Römer dagegen, die ihr eigenes Recht behielten, saßen in der Verwaltung, trieben Handel und pflegten die Künste des bürgerlichen Lebens. Fremd standen sich beide Bevölkerungsteile gegenüber. Ihre Verschmelzung wollte dem Könige, dem sie sehr am Herzen lag, nicht gelingen, denn beide waren durch Religion, Sprache und Sitte scharf voneinander geschieden. Unter den germanischen Fürsten erfreute sich Theoderich eines großen Ansehens; wie ihr Oberhaupt
*) Gedicht: Dahn, „Gotentreue."
2) Gedicht: Dahn, „Gotenzug."
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