Ihm konnte er das Ordnen des ehelichen Güter-
rechts ruhig anvertrauen. Einem E h e v e r t r a g e , der in
das Güterrechtsregister des Amtsgerichts eingetragen
und im Amtsblatt veröffentlicht worden wäre, hatte er wider-
strebt. So galt denn für die beiden Eheleute der gesetzliche
Güter st and der Verwaltungsgemeinschaft.
wieder dachte der junge Vater an den schönen Zrühlingstag,
an dem die Sonne so warm durch die blühenden Gbstbäume in die
Bauernstube geschienen, wo der Schwiegervater selbst das Protokoll
in das Heiratsregister eingetragen und die Tochter ermahnt hatte,
sich nicht zu verschreiben, da sie nun ja Marie Bindewald heiße.
Unter Glockenklang hatte sich der lange Brautzug ins efeu-
umrankte Rirchlein bewegt. Ver Rantor hatte alle Register
gezogen, von den Rindern der ersten Schulklasse war frisch und hell
„Jesu, geh voran, auf der Lebensbahn" gesungen worden. Der
Pfarrer, ein alter Freund des Hauses, hatte als Trauspruch die
Worte gewählt: „Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal,
haltet an am Gebet" und dem neuen Bunde den kirchlichen
Segen gegeben. — —
Das paar war vorwärts gekommen. Die junge Krau verstand
nicht bloß zu wirtschaften. Sie hatte dem Vater draußen die Bücher
führen helfen und übertrug nun die neue Methode, die ihr Vater
von seinem Freunde, dem Raufmann Zopf, gelernt hatte, auf das
Geschäft ihres Mannes. Sie führte nur e i n Buch, aus dem man
aber mit einem Blicke das Ganze übersehen konnte?)
Stolz und dankbar war der Meister, wenn zwei so zusammen
stehen, da ists, als könnte man den Segen Gottes mit Augen sehen. —
„Herr Bindewald, bitte!" sagte der Standesbeamte.
„Ein Sohn, nicht wahr?" „Za, Zranz Wilhelm."
„So, so," lächelte der Beamte. „Sie heißen doch nicht so."
„Wilhelm heißt der Großvater und Zranz mein Bruder."
Die kostenfreie Urschrift der Geburtsurkunde, die ein Mensch
braucht, um getauft, geimpft, unterrichtet, konfirmiert zu werden,
um unter die Soldaten, ins Ausland zu gehen, um sich zu verhei-
raten — sie ward vollendet. Bindewald konnte gehen.
) Ziehe Anhang.
1*
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Extrahierte Personennamen: Marie_Bindewald Raufmann_Zopf Wilhelm Bindewald
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Nun kam das Brautpaar an die Neihe. „Endlich einmal ein
Bräutigam, der alle Papiere bei der Hand hat. Das ist Ihre
Geburtsurkunde, hier die der Braut, hier Ihr Einwohner-
meldeschein, aber —"
„hier ist der des Schwiegervaters," ergänzte Engelbert, „wozu
ist man Beamter!"
Ein junger Mann schrieb sofort das Aufgebot. —
Schließlich konnte sich der Standesbeamte mit teilnehmenden
Fragen an Frau Uramer wenden.
Eine Nachbarin hatte ihr gesagt, daß sie den Todesfall am
näch st folgenden Wochentage auf dem Ztandesamte
zum Eintrag ins Sterberegister anzeigen müsse. Oie
Arme wußte nämlich in solchen Dingen Bescheid, denn ihr ein-
ziger Sohn, der schon 10 Iahre in Amerika verschollen war, konnte
erst öffentlich für tot erklärt werden am Schlüsse des Iahres,
in dem er 31 Iahre alt geworden wäre, hätte der verschollene
in Südwestafrika den Feldzug mitgemacht, so hätte sie schon nach
drei Iahren die Todeserklärung erhalten (Rriegs-, See-,
Unfallverschollene).
Bindewald war längst auf dem Heimwege. „Das muß man
sagen," murmelte er, „Ordnung ist in unserm deutschen vaterlande,
wie viel Unklarheit, Sorge und Streit um Person und Gut wird
durch diese gewissenhafte Beurkundung des Personen-
standes verhindert! wie genau kann dadurch die Bewegung
der Bevölkerung festgestellt werden!
Mein Sohn soll ein tüchtiger deutscher Mann und brauch-
barer Bürger werden." — „hm, ich bin ja aber selbst noch
keiner." Und er wurde ein recht emsiger Bürger, der an der
Entwicklung der Gemeinde und des Staates
von nun an äußerst lebhaften Anteil nahm. Er fehlte mit seinem
Stimmzettel bei keiner Wahl der Stadtverordneten, Uirchen-
vorstands- und Handwerkskammermitglieder, Land- und Neichstags-
abgeordneten. Alle diese Einrichtungen erschienen ihm, je mehr
er sie kennen lernte, als das Ergebnis jahrhundertelanger Be-
strebungen, dazu bestimmt, dem Wöhle aller Volksklassen zu
dienen, das Recht, die Freiheit und das Eigentum des einzelnen
zu schützen.
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2. die Wertzuwachs st euer, gleichsam eine Besitzwechselabgabe,'
sie wird erhoben, wenn die beim verkauf erzielte Verkaufssumme im Ver-
gleich zum Erwerbspreise eine Wertsteigerung von mehr als 10 % bedeutet.
Beträgt der Wertzuwachs weniger als 10 %, dann findet keine Besteuerung
statt;
3. ziemlich allgemein ist die B i e r st e u e r ; der Steuersatz wird
auf das Hektoliter berechnet,-
4. auf Tanzmusiken, Musik- und Theateraufführungen, sonstigen Schau-
stellungen, soweit sie öffentlich sind oder von Vereinen oder Gesellschaften
im öffentlichen Räumen abgehalten werden, ruht die Lustbarkeits-
st e u e r.
5. weitere indirekte Steuern sind bei Städten mit Schwemmkanalisation
die Ranalgebühr, und wohl fast durchweg erheben alle Gemeinden
die Hunde st euer. Oie Hundesteuer unterscheidet zwischen notwendigen
wach- und Zughunden und den entbehrlichen Luxushunden. Den zweiten
Hund trifft eine höhere Steuer als den ersten.
6. Wilhelm verläßt die schule.
„<£in Ende nahm das leichte Spiel,
es naht der Ernst des Lebens."
wie alle Zähre im herbst ging Pastor Zeller von Straße zu
Straße, von Haus zu Haus, um die Eltern seiner Ronfirmanden
zu besuchen. Er traf bei Lindewalds nur die Mutter, deren drei
Rinder er ja getauft hatte. Sie erzählte dankbar vom fröhlichen
Gedeihen derselben.
Oa trat der Vater herein. Bald waren beide Männer in
ernster Unterredung über ihre Kirchengemeinde.
„wie groß ist sie denn nun?" „Sie zählt gegen 20 000 Seelen.
Ruf jeden der vier Geistlichen kommen 5000. hat eine kleine
Stadt soviel Einwohner, so sind gewiß zwei Seelsorger tätig."
„Za," meinte Bindewald, „das ist das Unglück unserer Zeit,
daß wir einander so wenig kennen. Oie große
Stadt weiß um ein köstliches Oing sehr wenig: Nachbar-
schaf t."
„Oie Nachbarskinder müssen zusammenhalten. Zch will
haben, daß sich die Altersgenossen besuchen, damit sich arm
und reich, gebildet und ungebildet, vornehm und gering, als Glieder
einer Gemeinde, einer Stadt, eines Stammes, eines
Volkes fühlen. Oie Armen sehen dann, daß bei den Reichen nicht
alles eitel Glück ist wie manchem dünkt. Oie Reichen wieder mögen
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Ernst Zeller Bindewald
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(Er mietete ein Boot und liefe sich durch die vielen Häsen
rudern. Staunend und immer mehr erstaunend, hatte er erst an
den hafenkundigen Mann viele Zragen gerichtet. Aber als immer
mehr Riesenschiffe und schier unendliche 7 Stock hohe Speicher vor
ihm standen, als er hörte, wie viel eins der vielen Schiffe tragen
konnte, als er an alle die Summen dachte, die das kostete — da
wurde er stumm------so reich, so groß hatte er sich sein deutsches
Vaterland nicht gedacht.
Am nächsten Tage sah er sich nach Arbeit um. wer kann
seine Zreude beschreiben, als er gleich am zweiten Tage Gelegen-
heit fand, an der Innenausstattung eines der großen Passagier-
dampfer mitschaffen zu dürfen, bei der es eine für den Laien kaum
begreifliche Menge Tischlerarbeiten gibt.
Anders war die Arbeit, anders der Betrieb, anders waren die
meist ernsten, meist unzufriedenen Arbeiter. Es dauerte doch einige
Monate, ehe er das Neue, was von ihm verlangt wurde, mit größerer
Gewandtheit fertig brachte. Dann aber erkannte ein Werkmeister
seine Geschicklichkeit und verwandte ihn für die feineren Arbeiten.
Sein Lohn war viel höher, als er ihn je früher gehabt hatte. Es blieb
etwas übrig, trotzdem alles, wohnen, Essen, Trinken usw. teurer war.
Nur langsam erschlossen sich ihm die norddeutschen Genossen.
Da sah Wilhelm zum ersten Male so recht, was Großstadtswohnungs-
elend bedeutet. Er besuchte auf dem Heimweg den einen, der ihm
von seinen Rindern erzählt hatte.
„Oas ist das Traurige unserer Lage," meinte der ernste Mann,
„daß wir in jungen Jahren schon das höchste Maß von Lohn haben,
wir gründen eine Zamilie. Mit jedem Jahre wachsen die Anforde-
rungen — unser Lohn aber bleibt derselbe. Bei jedem noch so kleinen
Beamten steigt das Gehalt, bei uns bleibt es sich immer gleich.
Oie verwünschte Gleichmacherei ist doch der T o d des eigent-
lichen Lebens."
wer jetzt Wilhelms sonst so fröhliches Gesicht gesehen hätte,
wäre erschrocken vor dem Ernst, den die tiefe senkrechte Zalte auf
seiner Stirn verriet.
hier in der beschränkten Großstadtwohnung mit der leidenden
Zrau und den blassen Rindern sah er e i n Bild des Handwerker-
daseins — und in seinem Geiste sah er ein a n d e r e s : ein eigenes
kleines Haus mit einen: Gärtchen hinter der Werkstatt, in dem der
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung]]
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