162. Die Vögel im Winter.
353
Nacken. Mit Worten lenkt ihn der
Führer, sagt ihm die Tritte vor, mit
dem Stachel straft er, mit einer Flasche
Wein belohnt er ihn. Er legt sich nie-
der auf Befehl seines Herrn, erhebt sich
auf Befehl, grüßt und biegt das Knie.
Auf Geberden, Winke, Worte achtet er.
Er geht sichern Schrittes, legt den Stein
zur Seite, der im Wege liegt und weicht
dem Kinde aus, das ihm begegnet. Be-
hutsam verrichtet er und getreu jede
Arbeit, welche man ihm anweist. Er
ladet sich selber die Lasten auf und wie-
der ab, bringt die Ballen zum Strande
und schleppt die Balken dem Bauplatze
zu. Ueberladet man ihn, so bläht er
sich auf und zerreißt die Stricke. Gibt
man ihm seinen Lohn nicht, so weiß er
sich zu rächen.
So ist der Elephant ein verständiger
Arbeiter; aber auch ein furchtbarer Krie-
ger ist er. Hunderte jagt er vor sich
hin, zerschmettert sie mit seinen Waf-
fen, zertritt sie mit den Füßen und
von seinem Rücken senden die Strei-
ter das Geschoß unter die Feinde. Aber
in Wuth versetzt kennt er auch die Freunde
nicht mehr und kann nimmer gebändigt
und geleitet werden.
Mit seinem Herrn geht der Elephant
auf die Jagd, dem Tiger entgegen, wie
162. Die Vö
1. Während wir unsere Pelze und
Winterkleider hervorsuchen, ziehen sich die
Bäume und Blumen aus und geben sich
kaltblütig dem beißenden Winter preis.
Die entkleideten Zweige, Stengel und
Aeste aber überlassen sich dem Schlaf,
hüllen sich wohl auch zeitweise in Reif-
röcke und Schneepelze. Da können sie's
wohl aushalten, bis der Frühling wieder
neues Leben bringt und auf's Neue Blät-
ter und Blumen hervorruft. Aber was
fangen die beschwingten Blumen, die
Vögel, während des Winters an? Wie
jubilirte und zwitscherte und flattete es
im Wald und Garten an sonnigen, war-
men, duftigen Junimorgen! Und wie
traurig schweigsam ist es jetzt zwischen
den öden Zweigen, aus denen hie und da
Marschäll, Lcsebuch.
zu einem Feste. Mit dem Purpurteppich
und in bunter Malerei, mit spiegelnden
Blechen Rüssel und Stirn verziert; seine
Zähne in Gold- und Silberspangen ge-
faßt, mit funkelnden Steinen, mit hell-
tönenden Glocken behängen. Auf dem
Rücken trägt er die glänzende Sänfte
mit dem Nabob. Der Elephant scheint
stolz auf seine Last und seinen Schmuck,
als sei er selber der Herr.
Aber er wird als Herr geehrt, wenn
ihn die Natur in weißes Gewand ge-
kleidet hat. Dem Jäger, welcher ihm
zuerst begegnet, wird eine silberne Krone
zu Theil. An den Hof von Siam wird
der Elephant geführt, dort wohnt er,
frei von jeder Arbeit, in prachtvollen
Palästen, in prunkenden Gemächern. Er
wird mit blitzenden Juwelen und Gold
überdeckt; Blumenteppiche werden zu sei-
nen Füßen ausgebreitet. Ihm nahen
unterthänig die Großen des Reiches,
reichen ihm köstliche Früchte in goldenen
Gefäßen dar und feurige Weine. Sie
besprengen ihn mit Rosenöl und er-
heitern ihn durch klingende Musik. Vor
ihm, dem Gebieter, kniet Alles nieder
und sieht mit dem Angesicht gegen die
Erde; denn eine königliche Seele wohnt
in ihm.
kl im Winter.
ein enthülltes Nest schutzlos im Wind
und Wetter schwankt! Wo sind nun die
kleinen und munteren Vögelein hinge-
kommen? Wir wissen wohl, viele Vögel
ziehen davon und sehen niemals den
Winter mit seinen entlaubten Bäumen
und seinem Barte von Eiszapfen. Aber
die meisten müssen doch zu Hause bleiben,
da sie keine Mittel zum Reisen haben.
Wie bringen diese den Winter hinter
sich, ohne Winterkleider, ohne Vorraths-
keller, ohne Holz und Torf und Ofen?
Aber so schlimm ist's gar nicht, daß sie
ohne Schutz vor Kälte, ohne Speisekam-
mer sich durchhelfen müßten, wie man oft
meint. Sie haben gar manchfaltige Fut-
termagazine und gehen wärmer angezogen
als mancher Herr in seinem Winterpelz.
23
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh], T168: [Holz Tisch Messer Stück Honig Stuhl Griffel Hand Narbe Papier], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff]]
150. Jean Paul Friedrich Richter.
327
aus Büchern zu verschaffen und legte
dadurch schon damals den Grund zu jener
staunenswürdigen Belesenheit, welche wir
in all seinen Schriften bewundern. Bald
fühlte er auch das Bedürfniß, aus den
Schriften, welche er las, Auszüge zu fer-
tigen, und diese Arbeit fetzte er in steigen-
dem Maße während seines ganzen Lebens
fort.
Mit dem 16. Jahre bezog er das
Gymnasium zu Hof; kurz darauf starb
fein Vater, und da dieser kein Vermögen,
sondern noch Schulden hinterließ, so hatte
der strebsame Jüngling zehn Jahre lang
mit der bittersten Noth zu kämpfen. Doch
fühlte er diese zuerst weniger, weil seine
leiblichen Bedürftrisse nur gering und
also leicht zu befriedigen waren. Schon
in Hof, welches er nach zwei Jahren
verließ, um die Universität in Leipzig
zu besuchen, hatte sich die Lust in ihm
geregt, als Schriftsteller aufzutreten,
und zu Ende des Jahres 1781, da die
Armuth seiner Familie immer höher ge-
stiegen war und schwere Nahrungssorgen
über ihn kamen, entschloß er sich, durch
literarische Arbeiten seine Lage zu ver-
bessern. Doch währte es über ein Jahr,
bis er sein erstes Werk, „die grönlän-
dischen Prozesse," fertig hatte. Mit
dem Honorar dieser Erstlingsschrift,
15 Louisd'or, bezahlte er seine Schul-
den und miethete sich ein Gartenhäus-
chen , um da ungestört arbeiten zu kön-
nen. Bald aber wurde er aus seinem
Asyl vertrieben. Jean Paul hatte näm-
lich, den Gesetzen der damaligen Mode
Hohn sprechend, Zopf, Puder und Hals-
binde abgelegt, trug langes Haar und
offene Brust, was einen in demselben
Garten wohnenden Magister so empörte,
daß er beim Gartenbesitzer Klage erhob,
und da letzterer von Jean Paul ver-
langte, entweder sich der Mode zu fügen,
oder des Spazierengehens im Garten
zu enthalten, so bezog der angehende
Schriftsteller sein kleines Zimmer in der
Stadt wieder. Seine Mißachtung der
Allherrscherin Mode brachte ihm aber
noch manche Unannehmlichkeiten. In
Hof, wohin er sich nun wieder begab,
trug man noch allgemein den Zopf;
Jean Pauls Zopflosigkeit erregte dort
solches Aergerniß, daß er überall, wo
er sich blicken ließ, Verhöhnung erfuhr.
Die Erträgnisse der Schriftstellerei waren
nur karg, Jean Paul gerieth in solche
Noth, daß er zu seiner Mutter zog,
welche mit noch einigen Kindern selbst
in bitterster Armuth zu Hof lebte. Salat
und Brod waren die Hauptspeise der
Familie. „Wenn uns," so erzählt Jean
Paul später, „zuweilen ein Gulden in's
Haus kam, so war das ein solcher Jubel,
daß wir hätten die Fenster einschlagen
können." An einer anderen Stelle klagt
er, „daß es ihm in seinem Gefängnisse
zu Hof schlimmer gegangen sei, als
einem Baugefangenen bei Wasser und
Brod, da er nur das erstere gehabt
habe." Trotzdem dachte er nicht daran,
seine Talente und Kenntnisse zu irgend
einem Erwerb zu benutzen, sondern ar-
beitete rastlos an seinen Excerpten und
an neuen Aufsätzen; und obwohl sich zu
diesen kein Verleger fand, so ließ er sich
doch in seiner Hoffnung, daß er noch durch-
dringen werde, nicht irre machen. Und
seine Zuversicht täuschte ihn nicht; er
brach sich Bahn. Rasch folgten die Werke,
welche ihm unsterblichen Ruhm erwarben:
„Die Auswahl aus den Papieren des
Teufels, Leben des vergnügten Schul-
meisterleins Wuz, die unsichtbare Loge,
Hcsperus, Quintns Fixlein, der Armen-
advokat Sicbenkäs u. a. Erwähnung
verdient auch das zur Zeit seiner „Ge-
fangenschaft in Hof" entstandene „Mit-
wörterbuch," in welchem er verschiedene
Wörter und Redensarten zusammenstellte,
wie sie zum Ausdrucke irgend eines Be-
griffes gebraucht werden können. So
stellte er z. B. für den Begriff „Verschlim-
merung" 184, für „Sterben" gar 200
Ausdrücke zusammen.
Pfingsten 1796 hatte ihn in Bayreuth
die geistreiche Generalin Kalb kennen ge-
lernt, und durch sie ward er an den Hof
zu Weimar empfohlen. Auf's herzlichste
allda empfangen, fand er in dem Um-
gänge mit den gelehrten und geistreichen
Männern, welche Carl August damals
um sich geschaart, hohe Anregung, die
nicht ohne fördernden Einfluß auf ihn
blieb. Ein harter Schlag traf ihn, als
am 25. Juli 1797 seine von ihm zärt-
lich geliebte Mutter starb. „Wenn ich
alle Bücher der Erde wegwerfe, so lese
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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TM Hauptwörter (200): [T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh]]
Extrahierte Personennamen: Jean_Paul_Friedrich_Richter Friedrich Jean_Paul Jean_Paul Jean_Pauls_Zopflosigkeit Jean_Paul Jean
Paul Quintns_Fixlein Sicbenkäs Carl_August August
97. Der Schneiderjunge von Krippstedt. 98. Das Pferd und das Füllen.
445
9. Nimm, kleiner Knirps, dein Geld nur hin,
Du bist ein wahrer Teufel!
Kein and'rer mochte den Gewinn,
Du hegtest keinen Zweifel;
Es kam das Zittern dich nicht an,
Und wenn ein Tröpflein Blutes rann,
So stach ich dich doch nieder! —
10. Ei! guter Herr, so stand es nicht;
Ich hielt Euch an der Kehle;
Vergucktet Ihr nur das Gesicht,
Und ging der Schnitt mir fehle.
So ließ ich Euch dazu nicht Zeit,
Entschlossen war ich und bereit.
Die Kehl' Euch abzuschneiden.
11. So so! Ein ganz verwünschter Spaß!
Dem Herrn ward's unbehaglich;
Er würd' auf einmal leichenblaß,
Und zitterte nachträglich.
So so! das hätt' ich nicht bedacht;
Doch hat es Gott noch gut gemacht;
Ich will's mir aber merken.
97. Der Schneider junge von Krippstedt.
Von August Konisch.
Jn Krippstedt wies ein Schneiderjunge
Dem Bürgermeister einst die Zunge:
Es war im Jahr Eintausend siebenhundert.
Der Bürgermeister sehr sich wundert
Und find’t es wider den Respect,
Wesshalb er in den Thurm ihn steckt.
Es war nach der Nachmittagpredigt,
Die Kirche noch nicht ganz erledigt,
Am heil’gen Trinitatis-Tag:
Da geschah auf einmal ein grosser Schlag!
Es schlug mit Gedonner im Wettersturm
Der Blitz in denselben Sanct Niclasthurm.
Der Schreck durchfährt die ganze Stadt,
Die kaum sich vom Brand erhoben hat.
Was innen ist im Gotteshaus,
Das dringt mit aller Gewalt heraus :
Was aussen ist, das will hinein ! —
Da sieht man auf einmal Flammenschein
Von aussen an des Thurmes Spitze:
Da rief man: „Feuer! Wasser! Wo ist die
Spritze?“ —
— Die Spritze, ja, die ist dicht dabei;
Doch Kasten und Röhren sind entzwei! —
Wie saure Milch läuft Alles zusammen:
Man schreit und blickt ans die Feuerflammen.
Dazwischen, es war ein böser Tag, —
Hallt mancher Donner- und Wetterschlag ! —
Nun sammelt sich der Magistrat
Und Jeder weiss etwas, nur Keiner weiss Rath!
Der Bürgermeister, ein weiser Mann,
Sieht sich das Ding bedenklich an
Und spricht: Hört mich, wir zwingen’s nicht!
Der Thurm brennt nieder wie ein Licht.
Es kommt, wer hätte das gedacht sich,
Wie anno sechzehnhundertachtzig !
Erst brennt der Thurm, die Kirche, die Stadt
sodann;
D’rum ist mein Rath: rett’ Jeder, was er kann! —
Da laufen die Bürger; mit aller Kraft
Ein Jeder das Seine zusammenrafft.
Das ist ein Gerenn, wie fliegen die Zöpfe,
Wie stossen zusammen die Puderköpfe!
Auf einmal — was krappelt dort aus dem Loch
Am Thurm?— Der Junge!— Nein! — und
doch!
Er ist’s, er klettert zu Thurmes Spitze —
Der Schlingel! — Er nimmt vom Kopf die
Mütze,
Er schlägt auf das Feuer und — dass dich
der Daus!
Er löscht es mit seiner Mütze aus!
Er tupft am ganzen Thurm umher,
Man sieht nicht eine Flamme mehr!
Und während Alle jubelnd schrei’n,
Schlüpft er von Neuem in’s Loch hinein.
Er scheut des Magistrates Wesen
Und sitzt als wär’ gar nichts gewesen. —
Das mehrt den Jubel, die Bürger alle
Rufen ihm „Vivat!“ mit grossem Schalle;
Der Bürgermeister aber spricht,
Jndem sein grosser Zorn sich bricht:
Holt ihn heraus, ich erzeig’ ihm Ehr’,
Und thu’ für ihn zeitlebens mehr! —
„Da kommt er ganz russig der Knirps, der
Zwerg!
Hoch lebe der kleine Liewenberg!“ —
Der Bürgermeister sprach : „Komm’ Junge,
Streck’ noch einmal heraus die Zunge!
Jch leg’ dir lauter Dukaten d’rauf!
So, sperr’ den Mund recht angelweit auf!
Nur immer mehr heraus gereckt! —
Wir haben Alle vor dir Respect,
Und morgen wird, dass nichts manquirt,
Die grosse Spritze hier probirt
Und, was entzwei ist, reparirt!“
98. Das Pferd
Ein Füllen, das den ganzen Tag
Auf fetter Weide müssig lag,
Beschnaubte nur den Klee mit stolzer Nase,
Fand Ekel an dem besten Grase.
und das Füllen.
Ei. Nicolay.
j Zu einem ältern Pferd, das mit zur Weide ging,
Sprach es: Weisst du nicht eine Wiese,
! Die bess’re Kräuter hat, als diese ?
■ „Ja wohl, doch weit ist sie.“ — Die Sonne hing
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TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau]]
TM Hauptwörter (200): [T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr]]
101. Aus dem deutschen Volksepos: „das Nibelungenlied".
447
Auszüge aus größeren epischen Dichtungen.
101. Aus dem deutschen Volksepos: „das Nibelungenlied".
Neudeutschurig von Karl Simrock.
Xiv. Abenteuer.
1. Do sprach von Tronje Hagne: „ir edelen
riter halt,
ich weiz hie vil nähen einen brunnen kalt
(daz ihr niht enzürnet): da sul wirhinegän.“
Der rät wart manegem degne ze grözen sor-
gen getan.
2. Sifriden den recken twanc des durstes not:
den tisch er dester ziter ruken dan gebot:
er wolde für die berge zuo dem brunnen gän.
Do was der rät mit meine von den recken
getän.
3. Diu tier hiez man üf w'dgnen und füeren
in daz laut,
diu dä hete verhouwen Sifrides liant.
Man jach im grozer Ören, swer ez ie gesach.
Sagne sine triuwe sere an Sifride brach.
4. Do si wolden dannen zuo der linden breit,
dö sprach von Troneje Hagne: „mir ist des
vil geseit,
daz niht gevolgenkunnte demkriemhilde man,
swenner welle gäben : wold er uns daz sehen
län !u
5. Do sprach von Niderlande der küene
Sifrit:
,daz muget ir wol versuochen, weit ir mir
volgen mit
ze wette zuo dem brunnen; so daz ist getän,
man jehe dem gewinnes, den man siht ge-
wannen hän.‘
6. „Nu welle ouch wirz versuochen,“ —
sprach Hagne der degen.
Do sprach der starke Sifrit: ,sö wil ich mich
legen
für iuwer füeze nider an daz gras.1
Do er daz gehörte, wie liep daz Gunthere was !
7. Dö sprach der degen küene: ,ich wil
iu mere sahen,
allez min gewaete wil ich mit mir tragen,
den ger zuo dem Schilde und min pirsgewant.1
Den kodier zuo dem swerte schier er umbe
gebaut.
8. Dö zugen si diu kleider von dem libe dan :
in zwein wizen hemden sach man si beide
stän.
Sam zvei wildiu pantel si liefen durch den kle:
doch sach man hi dem brunnen den küenen
Sifriden e.
9. Den bris von allen dingen truoc er vor
manegem man.
Daz swert löst er schiere, den kodier leit
er dan,
den starken ger er leinde an der linden äst:
bi des brunnen fluzze stuont der herliche gast.
1. Da sprach von Tronje Hagen: „Ihr edlen
Ritter schnell,
Ich weiß hier in der Nähe einen kühlen Quell:
Daß ihr mir nicht zürnet, da rath' ich hinzugeh'n.
Der Rath war manchem Degen zu großer Sorge
gescheh'n.
2. Siegfried den Necken zwang des Durstes Noth;
Den Tisch er wegzurücken so zeitiger gebot;
Er wollte vor die Berge zu dem Brunnen geh'n.
Da war der Rath aus Arglist von den Recken
gescheh'n.
3. Man hieß das Wild aufsäumen und führen
in das Land,
Das da verhauen hatte Siegfriedens Hand.
Wer es auch sehen mochte, sprach Ehr' und
Ruhm ihm nach;
! Hagen seine Treue sehr au Siegfrieden brach.
4. Als sie von dannen wollten zu der Linde
breit,
Da sprach von Tronje Hagen: „Ich hörte jederzeit,
Es könne Niemand folgen Kriemhrld's Gemahl,
Wenn er rennen wolle: hei! schauten wir das
einmal!"
5. Da sprach von Niederlanden Siegfried der
Degen kühn:
„Das mögt ihr wohl versuchen, wollt ihr zur
Wette hin
Mit mir an denbrunnen? Wenn der Laufgeschieht,
Soll der gewonnen haben, welchen man gewinnen
sieht."
6. „Wohl, laßt es uns versuchen," sprach
Hagen der Degen.
„Da sprach der starke Siegfried: „So will ich
mich legen
Hier zu euren Füßen nieder in das Gras."
Als erdas hörte, wie lieb warkönigguntherndas!
7. Da sprach der kühne Degen: „Ich will
euch mehr noch sagen:
All' mein Geräthe will ich mit mir tragen,
Den Speer sammt dem Schilde, dazu mein
Birschgewand."
Das Schwert und den Köcher er um die Glie-
der schnell sich band.
8. Abzogen sie die Kleider von dem Leibe da;
In zwei weißen Hemden man beide stehen
Wie zwei wilde Panther liefen sie durch den Klee ;
Man sah bei dem Brunnen den kühnen Sieg-
fried doch eh.
9. Den Preis in allen Dingen vor Man-
chem man ihm gab.
Da löst' er schnell die Waffe, den Köcher legt
er ab,
Den starken Wurfspieß lehnt' er an den Lindenast:
Bei des Brunnens Flusse stand der herrliche Gast.
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T32: [Vgl Stadt Aufl Frankreich fig Maas Sch. Einw. Vergl Festung]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau]]
TM Hauptwörter (200): [T41: [König Siegfried Held Hagen Mann Günther Frau Gudrun Kriemhild Tod], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T92: [Vgl Aufl fig Vergl Sch. Liv Sept Aug Iii Geb], T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh]]
103. Die Theilung der fränkischen Monarchie.
223
als müßte der große Geist auch eine
Form haben, die über das gewöhnliche
Maß hinausragt. Hochgewachsen, breit
und kräftig, hatte er auch eine männ-
liche Haltung, einen festen Gang und
dabei war sein Gesicht stets heiter,
freundlich und milde. Seine Gesund-
heit war eine feste und durch regel-
mäßiges Leben, steißige Leibesübungen,
besonders Fechten, Reiten, Schwimmen
und Jagen, worin er es allen Alters-
genossen zuvorthat, suchte er sich die-
selbe zu erhalten. Wie die Mehrzahl
großer Männer liebte er nicht äußeren
Prunk und war seinen Unterthanen
ein Vorbild bürgerlicher Einfachheit und
Mäßigung. Er ging gewöhnlich in
schlichter, vaterländischer Tracht, in
einem wollenen Wamms mit seidenen
Streifen, die Beine umwunden mit
Binden, die Füße bedeckt mit Schuhen.
Im Winter schützte ein Seehundspelz
Brust und Schultern, im Sommer um-
wallte ihn ein meergrüner Mantel.
Nur sein Schwert, das Sinnbild seines
kriegerischen Ruhmes, hatte Griff und
Gehenk von Gold. Wenn es aber galt,
bei festlichen Gelegenheiten seine Würde
zu zeigen, dann prangte er im gold-
durchwirkten Kleide, im Purpurmantel,
von goldenen Spangen zusammenge-
halten und im reich mit Edelsteinen
besetzten Diadem.
Seine große Seele war rastlos
thätig und immer dem Edlen zugewandt.
Wie hätte er auch sonst so Vieles und
Großes vollbringen können! Die Zeit
war ihm kostbar, sie durfte nicht mit
alltäglichen Geschäften vergeudet werden.
Die wissenschaftlichen Lücken füllte er
noch in vorgerückten Jahren aus; mit
Ausdauer übte er sich im Schreiben,
lernte er rechnen, unterrichtete er sich
in Rhetorik, Grammatik, Astronomie.
Lateinisch sprach er so fertig wie deutsch.
Auch das Griechische verstand er. Er
war vollkommen Herr der Rede. Was er
sprach, war klar und lebendig, reich und
sicher, ein Beweis der innern Klarheit,
Sicherheit und des innern Reichthums.
Der Fülle seines Geistes kam die
Fülle seines Gemüthes gleich. Den
Namen seines Vaters sprach er stets
mit der größten Hochachtung aus und
tastete dessen Gesetze und Verordnungen
nicht an. Seine Mutter ward bei ihm
in Ehren alt; mit gleicher Liebe hing
er an seiner frommen Schwester Gisla,
mit größerer noch an seinen Kindern.
Selbst bei der Jagd ritten seine Söhne
ihm zur Seite und auch seine Töchter
durften dabei nicht fehlen. Wie ein
guter Hausvater hielt er streng darauf,
daß seine Kinder wissenschaftlich erzogen
wurden; Müßiggang war allen abhold.
Karl, eben so groß als Held und
Herrscher, wie verehrungswürdig als
Privatmann, starb endlich nach 47jähriger
Regierung, als Siebziger, am 28. Januar
814 und sein Leichnam ward in der
von ihm erbauten Marienkirche zu
Aachen beigesetzt. Vor der Beisetzung
ward sein Leib einbalsamirt, mit dem
kaiserlichen Schmucke und dem Diadem
angethan und auf einen goldenen Thron
gesetzt.
Unermeßlich war das Klagen und
Trauern des Volkes, und mit Recht;
denn es verlor seinen weisen und gerech-
ten Vater und Karl lebt heute noch in
der Sage des Volkes fort. Im Unters-
berg hat er seine Residenz ausgeschlagen;
dort schläft er verborgen mit seinen
Kriegern und wartet der Zeit, bis er
wiederkehren darf zur Herstellung seines
altehrwürdigen Reiches. Das Volk
sehnt sich, ihn aus dem Grabe mit altem
Glanze aufsteigen zu sehen, um sein
deutsches Volk zu beglücken und zur
Einheit zurückzuführen.
103. Die Theilung der fränkischen Monarchie.
Kaum hatte Lothar die Kunde
von seines Vaters Tode vernommen,
als er durchs ganze fränkische Reich
die Botschaft ergehen ließ, er trete nun
die ihm schon früher verliehene Kai-
serwürde an, belasse Jeden in Amt
und Ehren und fordere von Allen den
Treueschwur. Sein Ziel war die Allein-
herrschafl. Um dieses zu erreichen,
suchte er sich Zuerst des Beistandes Karls
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T83: [Karl Heinrich König Otto Sohn Reich Kaiser Sachsen Ludwig Herzog]]
TM Hauptwörter (200): [T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk]]
Extrahierte Personennamen: Gisla Karl Karl Karl Lothar
158. Der Fuchs.
345
wenig. Indessen kommt ihm doch auch
der Appetit; es wirft sich unter die
Mutter auf die Kniee und saugt. Sie
wendet den Blick zurück und leckt dem
Kleinen das Fell glatt. Der Bock sieht
zu. — Man kann eine Bewegung der
Freude nicht unterdrücken und richtet sich
auf, um die halb vom Gras verborgene
Gruppe ganz zu sehen. Aber das Ge-
räusch ist dem Walde fremd, die Thiere
spitzen die Ohren, der Bock stampft
zornig auf den Boden — das Pfeifen
ertönt---------die friedliche Gruppe löst
sich auf, die Rieke tritt eilig den Rückzug
in's Gebüsch an, das Kitzchen trippelt
hinter ihr her und der Bock, der sich vor
seinem blitzschnellen Verschwinden noch
einmal schnaufend umwendet, deckt die
Flucht.
158. Der Fuchs.
1. Der Regen verzieht, der Wald schüt-
telt die lauen Tropfen aus dem Haupt
und von der Heide steigt's erfrischend
und würzig in die Abendluft. In allen
Schlupfwinkeln regen sich Füße und
Flügel. Die Mücken beginnen ihre
Tänze, die Ameisen kriechen hervor,
ihre verschwemmten Straßen wieder her-
zustellen, der Fink schmettert aus dem
Buchenwipfel herab, der Hase schießt
Kapriolen und auch der Fuchs verspürt
ein heimliches Rühren. Dort lauscht
er zwischen den Wurzeln einer alten
Eiche; er „windet". Alles ist sicher.
Mit einem Sprunge ist er vor der
Thüre. Jetzt können wir ihn deutlich
sehen. Wie er da steht, so vornehm-
läßig, so voll Bewußtsein! Es verlohnt
sich schon, ihn etwas genauer zu be-
trachten, denn nichts an ihm ist unbe-
deutend.
Der Fuchsschädel kann für einen
Musterschädel gelten: Die Stirne hori-
zontal mit straffangezogener, listig glatter
Stirnhaut; das Ohr scharf herausgespitzt,
schiebt sich unten weiter vor, um jeden
Laut zu fassen. Und die Rase! Wie
viel Feinheit und Bosheit liegt in die-
ser langgestreckten, geschmeidigen Spitze!
Das Auge zeigt sogleich das nächtliche
Ranbthier; es spielt aus Grau in Grün,
liegt schief, halb in der Höhle versteckt,
hat weder die Klarheit, die uns aus
dem Auge des Rehes so gewinnend an-
spricht, noch auch das rollende Funkeln,
welches dem Katzenauge einen so eigen-
thümlichen Reiz verleiht; und doch liegt
unendlich viel in diesem Auge. Jetzt
senkt es sich in demüthiger Ergebung
oder es blickt unschuldig umher; jetzt
spielt ein spöttisches Lächeln um die
Lider, und jetzt wieder zuckt ein Blitz
daraus hervor, spitz und giftig, als träfe
uns der Stich einer Viper. Der Mund
spaltet sich weit, denn der Fuchs ist ein
Raubthier; die Lippen sind fein ge-
schnitten und geschlossen und deuten auf
Festigkeit und Selbstbeherrschung. Oeff-
nen sie sich aber, dann blecken scharf und
grimm die Zacken des Gebisses, die
nichts Lebendes entrinnen lassen, oder
es knurrt ein heiseres, hustenartiges
Bellen hervor. Den schlanken Leib tra-
gen schnelle Füße fast spurlos über den
Boden, und stattlich schmückt ihn die
buschige Schleppe. Sein Kleid schimmert
roth und goldig und auf der Brust
trägt er ein weißes Chemisett.
So schleicht und streicht der Schlaue
dahin, er schmiegt und biegt sich, ist
vorsichtig, geduldig, ausdauernd, be-
hende, allzeit entschlossen, ein Meister
über hundert Künste, in der That werth,
der Held einer Dichtung zu sein, wie
sie aus dem grauen Alterthume uns
überliefert und durch Meister Göthe
auf's Neue in kunstmäßige Verse ge-
bracht wurde.
2. Doch schauen wir uns wieder nach
unserm Fuchse um. Noch immer lehnt
er an seiner Thüre und scheint den
Abend in süßem Nichtsthun verträumen
zu wollen. Inzwischen kommen ein
paar junge Füchslein neben ihm zum
Vorschein. Klugforschend äugeln sie um-
her, legen sich in die Sonne und trei-
den allerhand Kurzweil. Das Jüngste
ist noch etwas täppisch. Es fängt Gras-
hüpfer und Käfer, zerzaus't ihnen die
Flügel, läßt sie zappeln, schnäufelt daran
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
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61. Schweizer Industrie.
131
Dorfbewohner Theil nehmen an dieser
Industrie, welche ihre Waare weithin
„über's Meer" sendet, wie die Stickerin-
nen mit einem gewissen Stolz dem Frem-
den berichten, wenn er sie wegen des
Absatzes befragt.
Der Anfang war wie überall unbe-
deutend; zuerst war es die Leinwand-
weberei, die von St. Gallen aus un-
terstützt und angeregt, dann aber durch
die Baumwoll-Jndustrie verdrängt
ward.
Mit der Musselinweberei allein
beschäftigen sich gegenwärtig in Außer-
Rhoden gegen 11,000 Personen; das
feinste weiße Baumwollengarn wird wie
Seide in die Vorhänge und Halstücher,
Hauben und Schleier hineingestickt, die
gefärbte Baumwolle aber zu Schürzen,
Turbanen, Tapeten, Chorhemden, Man-
chetten, Bettdecken, Tauftüchern, Shawls
u. s. w. verarbeitet.
In St. Gallen sind die reichsten
2) Uhrenfabrikation ti
Wenn man in Gedanken ein paar
Jahrhundert zurückgeht in jene Zeit, wo
die Taschenuhren weder Spiralfeder
noch Unruhe und Schnecke hatten, und
statt der Kette eine Darmseite gebraucht
wurde, oder wo die „Nürnberger Eier"
sehr zierliche Uhren waren und zwei
bis drei Gehäuse die Schwere der klei-
nen Maschine noch vermehrten, und wenn
man nun unsere neuen Uhren betrachtet,
in denen durch sorgfältig eingerichtete
Hemmung von Cylindern bereits die
Schnecken wieder entbehrlich geworden,
die Hauptzapfenlöcher in Rubin gebohrt
sind, und durch den sinnreichsten Mecha-
nismus es möglich geworden ist, die
Uhren so flach und klein zu machen,
daß man sie in einen Fingerring oder
auf ein Armband einfügen kann: so er-
staunt man billig über die rastlose Ar-
beit und den staunenswerthen Fortschritt
des Menschengeistes. Wer auf der In-
dustrie-Ausstellung in Bern (1857) war,
konnte dort silberne Cylinder-Uhren mit
4 Steinen für den geringen Preis von
30 Franken ausgestellt finden, aber auch
die schönsten goldenen Repetiruhren für
220 Franken; für 1000 Fr. war eine
Läden, wo man die feinsten Taschentücher,
es gibt deren das Stück zu 150 Frcs.,
mit den feinsten Weißstickereien, die
prachtvollen auf Tüll gestickten, mit
farbiger Seide und erhabener Arbeit
gezierten Vorhänge, die luftigsten Schleier
und Spitzenkleider bewundern kann.
Die Paläste von Petersburg und
Paris finden da ebenso den Schmuck für
ihre Prachtzimmer, wie die Damen, welche
mit ihrer Toilette in diesen Zimmern
glänzen. Aber auch die farbigen Stoffe,
aus denen der Muselmann seinen Tur-
ban zusammenwickelt, und die mit Gold-
und Silberstreifen prangenden Rideaux,
bestimmt, in den Staatszimmern des
Orients zu glänzen, sind da zu sehen
neben abenteuerlich aufgeputzten Roben,
in denen Mulattin und Negerin einher-
stolziren. So ein Laden in St. Gallen
ist nicht minder sehenswerth als die
Appenzeller Häuser und ihre rührigen
Insassen.
Genf und Ncuenburg.
Uhr zu haben von nur 8 Linien im
Durchmeffer mit einem funkelnden Bril-
lantenbesatz. Und während ein Chrono-
meter (der genaueste Zeitmesser für wissen-
schaftliche Zwecke) schon für einen Preis
von 140 Franken feil war, sah man die
winzigsten Luxusuhren in Brochen, Bra-
celets eingefügt zu Preisen von 2000
bis 3000 Franken! Ein Sachverstän-
diger würde aber nicht minder die aus-
gezeichneten, höchst feinen Instrumente
und Maschinen bewundern, mit denen
man jene Uhren hergestellt hatte, und
auch darin den Gewerbfleiß, die Erfin-
dungsgabe und Geschicklichkeit der fran-
zösischen Schweizer erkennen. Denn
Uhren und Uhren - Instrumente
werden namentlich in den kleinen Kan-
tonen Genf und Neuenburg erzeugt.
Genf ist das schweizerische Paris,
das mit seinem Urbilde den Geschmack,
die Feinheit und Beweglichkeit theilt,
aber den ausdauernden Fleiß und die
Solidität vor ihm voraus hat. Nicht
bloß die Uhren, sondern die meisten
Gold- und Silberwaaren und viele an-
dere feinen Luxusarbeiten in den präch-
tigen Pariser Läden sind Genfer Arbeit.
9 *
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Extrahierte Ortsnamen: Bern Petersburg Paris Ncuenburg Genf Neuenburg Paris
204
Iii. Geschichtsbilder.
machie, verließ man die bessere Sitte.
Erst in reifen Lebensjahren ward die
Ehe geschlossen, sie galt für heilig, und
selten wurde sie verletzt. Es gab Völ-
kerschaften, bei denen eine Wiederver-
heirathung der Wittwe nicht erlaubt
war, eine Ehe sollte das ganze Leben
füllen, die Frau mit dem Manne für
Glück, Unglück und Tod verbunden sein.
Doch hatte die Ehe noch die ursprüng-
liche Form des Kaufes. Mit Waffen
erkaufte der Mann das Weib von den
Angehörigen, und aus dem Schutz des
Vaters trat es in den seinen hinüber.
Ein gezäumtes Roß, Schild, Lanze und
Schwert, dazu ein Joch Ochsen waren
seine Morgengabe. Heilig wurden die
Waffen bewahrt, denn aus der Hand
der Mutter empfing sie dereinst der
Sohn, um damit sein Weib zu gewin-
nen, und so gingen sie als Erbgut von
Geschlecht zu Geschlecht hinab.
Ueber die Kinder hatte der Vater
volle Gewalt. Das neugeborene Kind
konnte er aussetzen, den heranwachsen-
den Sohn tödten, aber nicht verkaufen;
doch war die Sitte milder als das
Recht. Wie Zur Probe der Lebens-
fähigkeit ward das Kind in kaltes Wasser
getaucht und nach Verlauf der ersten
acht Tage legte ihm der Vater den
Namen bei. Die Kinder des Herrn
und des Knechtes theilten Spiel und
Kost; — in unbefangenem Verkehr mit
den Hausthieren, in Sand und Schmutz,
in Feld und Wald, in Sonne und Regen
wuchsen sie mit einander auf. Man
vertraute, die angeborene Kraft des
Freien werde ihn zur rechten Zeit vom
Knechte unterscheiden. So wurden die
Germanen zu mächtigen Gestalten; sechs
und ein halber Fuß Größe waren nichts
seltenes. Der Germane war schlank,
hoch, von breiter Brust und breiten
Schultern, von weißer Hautfarbe, blauen
Augen, röthlich blonden Haares, das
lebendige Abbild körperlicher Gesundheit
und natürlicher Kraftfülle.
Wohnung und Nahrung waren so
einfach wie Kleidung; das Haus ge-
räumig, für Viele berechnet, aus roh
behauenen Stämmen erbaut und mit
Stroh bedeckt. Nur Schutz gegen Wind
und Wetter suchte man darin. Zum
dürftigen Schmuck bestrichen manche die
Wände mit hellen Erdarten, um ihnen
eine bunte und glänzende Farbe zu
geben. Daneben diente der unterirdische
Keller, dessen Oeffnung man mit Mist
bedeckte, als Vorrathskammer und Zu-
fluchtsort gegen Winterkälte und ein-
dringende Feinde. Der Mittelpunkt des
Hauses war der Herd. Jedes Mitglied
der Familie hatte seinen bestimmten
Sitz; da saß der Mann an demselben
Tisch und Platze, wo vor ihm der Ahn
gesessen, gegessen und getrunken hatte, oder
er verträumte müssige Stunden, wenn
Kampf und Jagd ihn nicht hinausriefen.
Man lebte von dem, was die Natur
ungesucht oder bei geringer Mühe her-
gab. Roggenbrod, Haferbrei, Hirse, Boh-
nen, Buchweizen, Fleisch des frisch er-
legten Wildes oder des zahmen Haus-
viehes, das gekocht, eingesalzen oder
geräuchert ward, waren die gewöhnlichen
Nahrungsmittel; dazu geronnene Milch,
Butter, Käse, wilde Obstarten, Rettige
und anderes Wurzelwerk, berauschendes
Bier von Gerste und Weizen, mit Honig
gemischt. Auch Pferdefleisch wurde ge-
gessen. Wein war nur in der Nähe
der römischen Grenze bekannt; man war
ihm leicht unmäßig ergeben, wenn man
ihn einmal kennen gelernt hatte.
Das Kleid war ein anliegender Rock,
ohne Aermel, mit einer stark ausge-
schnittenen Oeffnung für den Hals, die
auch zugleich den oberen Theil der
Brust frei ließ; die Hose, welche die
Beine vollständig deckte, wurde erst
später allgemeiner getragen. Leinen
oder grobes Wollenzeug war der ge-
wöhnliche Stoff; die Frau mit ihren
Mägden webte für alle Genossen des
Hauses. Ueber dem leinenen Rock be-
festigte man kunstlos einen viereckigen
Mantel von grober Wolle, der im Kampfe
abgeworfen wurde; die Füße waren
durch Sohlen von ungegerbtem Leder
oder durch Knöchelschuhe geschützt. Die
Kleidung dcr Frauen war nur wenig
zierlicher, desselben Schnitts, etwa nur
noch mit einem Purpurstreifen umsäumt.
Iii.
Das Bestellen des Ackers, das sorg-
same Abwarten der Frucht, die man
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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85
4. Magazingenossenschaften werden errichtet zur Beschaf-
fung gemeinsamer Verkaufs- und Lagerräume für die innerhalb der Einzel-
werkstätten hergestellten waren.
Aufgaben: a) Die Verfassung der deutschen Gerichte, d) Zu-
ständigkeit der Gerichte beim Strafverfahren und beim Zivilverfahren,
c) wie wird das Mahnverfahren richtig ausgeführt? d) wie die Zwangs-
vollstreckung? e) Die Wahl der Beisitzer eines Gewerbegerichts, t) l. welche
Innungen, 2. welche gewerbliche Genossenschaften bestehen in deiner Ge-
meinde? g) welche Aufgaben erfüllen sie? h) Die Tätigkeit der Ge-
werbekammer.
y. stuf der Wanderschaft.
„wem Gott will rechte Gunst erweisen.
Den schickt er in die weite Welt."
Nachdem auch Gskar die Gesellenprüfung mit gutem Erfolg
bestanden hatte, verließen beide ihre Meister und Meisterinnen.
Wilhelm konnte vor innerer Bewegung wenig sagen, was dankte
er aber alles dem Manne! Auch Gskar kam und nahm ebenfalls
Abschied von Kalkes. Oie Meisterin steckte jedem ein kleines Tannen-
reis an den Hut. „vergeht uns nicht. Glück auf die Reise. Grüßt
Vater und Mutter!" Es war ein frohes wiedersehen, als Wil-
helm und Gskar zu Hause eintrafen.
Acht Tage hatten verschiedene Handwerker allerhand Be-
stellungen für Bindewalds Löhne zu besorgen: zwei richtige „Ber-
liner", genau so praktisch, wie sie der Vater getragen hatte, das
zweite paar Stiefel, Schuhe usw. Mutter suchte die besten Stücke
aus dem Wäscheschatze. Vater brachte zwei lederne Geldtäschchen
an Riemen, um den hals zu tragen. In jedes steckte er einige
Goldstücke, wie hatte er sich auf diesen Augenblick gefreut!
„Ihr sollt nun nach fleißiger Lehrzeit als Iung-Gefellen euer
Vaterland durchwandern, sollt es kennen und lieben lernen, wie
mirs beschieden war. Kreilich hatte ich kein Goldstück, aber es
ist auch so gegangen! Zu meiner Kreude sehe ich jetzt Studenten,
Gymnasiasten u. a. Schüler wieder zu Kuß reisen. So sollt auch
Ihr Euer liebes Schlesierland wandernd kennen lernen. Tun die
Küße gar zu weh, so fahrt ein Stück, habt Ihr die Reisepässe,
die Eisenbahnkarte und die andere Rarte mit Berg und Tal da-
rauf? Auch das Nähzeug, die Tropfen, das Pflaster, Bindfaden,
Nnäpfe, das Waschzeug?" — Er sah nach allem, war er doch Soldat
und vordem ein Wanderbursche gewesen.
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100
gelernt?" — Da sah Wilhelm den Armen an, ja er war es, es war
kein Zweifel — „Robert!" Line lange pause. —
„Komm mit!" „Wohin?" „Nach Nürnberg." „Ich so-----------------
mit Luch?"----------
Wilhelms Augen wurden feucht — er hörte eine leise Stimme
im herzen: „wer zwei Röcke hat, gebe dem einen, der keinen hat."
Lr schnallte den Berliner ab, zog die andere Zacke heraus
und reichte sie ihm. „Vielleicht paßt sie dir?"
Wahrscheinlich hätte die Mutter gescholten, hätte sie gesehen,
daß Gskar ein Hemd gab, weil Roberts Hemd zu schmutzig, zu
zerrissen — zu sehr voll Ungeziefer war.
Der Arme wusch sich lange und gründlich mit Seife am Bache,
ehe er das reine Hemd anzog. —
„Lr ist auch Tischler", sagte Wilhelm, wie um sich zu ent-
schuldigen.
„Lr ist ein Landsmann", meinte Oskar.
„Lr ist ein Mensch", entschied der Bäcker, indem er sagte:
„Die Sohlen sind schon dünn, aber sieh zu, ob du reinkommst."
Robert war es wie im Traum, als er jetzt mit ordentlichen
Stiefeln, in einer ganzen Zacke, wie er sie seit Zähren nicht gehabt,-
ach was war das alles gegen das Schönste — mit gutenmen-
schen dahinschritt.
Mit einem Male schien ihm der Boden unter den Zützen zu
schwinden,- hinter der Waldecke stand mit Seitengewehr und
Karabiner am Lederriemen — der Gendarm.
Sein Auge funkelte. Zm stillen wiederholte er sich den Steck-
brief: schwarzes haar und schwarzer Schnurrbart, ganz zerlumpt,
grüner Rock, zerrissene Stiefel------unter den vieren, die grüßend
vorüberzogen, war der Gesuchte nicht! Sie schritten weiter.--------
„Du siehst so blaß aus, Robert —"
„Laßt nur, das gibt sich bald, nur weiter, weiter." — Bald
ward die Grenze überschritten. Über Hof ging die Wanderschaft,
übers tannengrüne Zichtelgebirge, über Vagreuth in die malerische
fränkische Schweiz.
Bei Erlangen fing aber ein Landregen an. Da zogen sie doch
vor, mit der Bahn nach Nürnberg zu fahren.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
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TM Hauptwörter (200): [T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch], T125: [Haus Stein Fenster Dach Holz Stroh Winter Erde Wand Wohnung], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
Extrahierte Personennamen: Wilhelm Wilhelms Wilhelms Roberts Wilhelm Wilhelm Oskar Robert_—"