161
Verfall des Ritterwesens und Entartung der Kirche.
mißbrauchten. Da schlossen die drei Urkantone unter der Leitung von W a lth er
Fürst, Werner Stausfacher und Arnold von Melchthal auf dem
Rütli einen Freiheitsbund, in dessen Folge die Burgen erstürmt und die
Vögte verjagt wurden, nachdem Wilhelm Tell (wie die Sage geht) den
grausamsten derselben, G eßler, mit dem Pfeil getödtet hatte, weil er ihm zur
Strafe eines kleinen Ungehorsams angemuthet, von dem Haupte seines Kindes
einen Apfel zu schießen. Albrechts Ermordung bewahrte sie vor dessen Zorn;
aber sein Sohn Leopold nahm des Vaters Plan wieder auf. Er zog mit
Heeresmacht gegen die Waldstätte, erlitt jedoch in dem engen Passe bei Mor-
garten eine große Niederlage. Von dem an sank die Macht der Habsburger in
den Schweizerlanden. Durch den Beitrittder östreichischen Stadt Lucern (1332)
kamen alle Ufer des Vierwaldstättersees in die Gewalt der E i d g e n o s s e n s ch a ft,
der sich bald auch Bern (1339), Zürich (1351), Zug u. a. O. anschlosfen.
In der S ch l a ch t v o n S e m p a ch (§. 261.) bestanden die Eidgenossen (wie einst
die athenischen Demokraten bei Marathon) die Feuerprobe wider den östrei-
chischen und deutschen Ritteradel und bewiesen, daß sie der Freiheit würdig seien.
3. Philipp der Schöne von Frankreich und Kaiser Ludwig der Sapcr.
tz. 255. Der herrschsüchtige B onifaeius Viii., in dem das Papst-
thum seinen höchsten Glanz erreichte, führte zugleich dessen Verfall herbei. Er
warf sich in einem Kriege Philipps (Iv.) des Schönen von Frankreich gegen
Evuard I. von England zum Schiedsrichter auf und verbot, als Philipp seine
Einmischung ablehnte, und dem Klerus Abgaben auflegte, die Besteuerung Der
französischen Geistlichkeit. Da untersagte Philipp jede Ausfuhr von Silber und
Gold aus seinem Reich und hinderte so den Bezug der päpstlichen Einkünfte.
Der dadurch herbeigeführte Streit, in dem Bonisacius jeden für einen Ketzer-
erklärte, der nicht glaube, daß der König in geistlichen wie weltlichen Dingen
dem Papste unterthan sei, Philipp aber durch seine Stände die Unabhängig-
keit der Königsmacht feierlich aussprechen ließ, endigte mit dem Bann flu che,
worauf sich der französische Kanzler Nogaret nach Italien begab und mit ge-
worbenen Truppen den Papst in seinem Geburtsort Anagni überfiel und ge-
fangen hielt. Zwar wurde Bonisacius durch das herbeiströmende Landvolk
befreit und eilte nach Rom, aber der Eindruck, den die Schmach auf den stolzen,
leidenschaftlichen Mann machte, war so gewaltig, daß er in Raserei verfiel und
starb. Nun wußte es die französische Partei dahin zu bringen, daß nicht nur
der Bannfluch gegen Philipp zurückgenommen wurde, sondern sogar der neue
Papst Clemens V. (bisher Bischof zu Bordeaux) seinen Sitz zu Avignon im
südlichen Frankreich nahm und dadurch das Papstthum unter den Ein-
fluß des französischen Hofs stellte. Gegen 70 Jahre dauerte diese als
zweite babylonische Gefangenschaft beklagte Entfernung der obersten Kir-
chengewalt von Rom.
§* 256. Die Aufhebung des Templerordens (§. 227, b.) war die
nächste Folge des Bundes zwischen dem Papst und dem französischen König.
Dunkle Gerüchte von gotteslästerlichen Gebräuchen, von geheimen Verbrechen
und Lastern, von Unglauben und Wollust, deren sich der Orden schuldig ge-
macht, gaben Philipp dem Schönen den Vorwand, die Tempelherren plötzlich
verhaften zu lassen und ihre reichen Güter mit Beschlag zu belegen. Durch ein
sechsjähriges ungerechtes Gerichtsverfahren und durch furchtbare Folterqualen
wurden alsdann die Gefangenen zu Geständnissen gebracht, die ihre Schuld zu
beweisen schienen; und als 54 derselben ihre durch die Folter erpreßten Aussagen
Weber, Weltqeschichte. 5. Aufl. 11
1308.
1313.
(1386.)
1302.
1303.
1303.
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Extrahierte Personennamen: Werner_Stausfacher Arnold_von_Melchthal Wilhelm Albrechts Albrechts Leopold Leopold Philipp_der_Schöne Philipp Ludwig_der_Sapcr Ludwig Philipps Evuard_I._von_England Philipp Philipp Philipp Philipp Philipp Philipp Philipp Philipp Clemens_V. Philipp_dem_Schönen Philipp
Extrahierte Ortsnamen: Mor- Lucern Frankreich Frankreich Bonisacius Italien Anagni Rom Avignon Frankreich Rom
163
Verfall des Ritterwesens und Entartung der Kirche.
Uebergewicht erhielt Ludwig jedoch erst durch die Schlacht bei Mühldorf (oder
Amsing), wo Friedrich durch die Kriegskunst des Nürnberger Feldhauptmanns
Seyfried Schweppermann besiegt und gefangen ward. Dennoch beugte Leo-
pold seinen Sinn nicht zum Frieden. Unterstützt von dempapstejohannxxii.
in Avignon, der über Ludwig Bann und Interdikt aussprach, Weiler
die Ghibellinen in Mailand unterstützt hatte, und von verschiedenen Reichs-
fürsten, führte Leopold den Kampf fort und suchte eine neue Kaiserwahl zu
veranstalten. Da setzte Ludwig seinen gefangenen Gegner auf Schloß Trausnitz
in Freiheit, unter der Bedingung, daß er der Kaiserwürde entsage und seine
Partei zum Frieden bewege. Als aber weder der Papst noch Leopold den Ver-
trag eingingen, kehrte Friedrich, treu seinem Wort, in die Gefangenschaft zu-
rück und rührte durch dieses biedere Betragen seinen ritterlichen Gegner so, daß
dieser fortan in der innigsten Freundschaft mit ihm lebte und sogar die Regie-
rung mit ihm getheilt haben würde, wenn die Kurfürsten nicht wiver-
sprochen hätten. Leopold starb bald nachher; aber der heftige Papst beharrte
bei seinem Groll gegen Ludwig, was diesen bewog, Friedrich zum Reichs-
verweser einzusetzen und einen Zug nach Italien zu unternehmen.
§. 259. In Italien war Ludwig anfangs glücklich. Unterstützt von den
Ghibellinen und den Mino ritenm ö nchen, die gerade mit dem kirchlichen
Oberhaupte im Streite lagen, machte er glänzende Fortschritte und bewirkte die
Wahl eines Gegenpapstes; als er aber zur Befriedigung seiner Söldnerschaa-
ren drückende Geldforderungen an die italienischen Städte stellte, änderte sich
bald die Stimmung. Seine Rückkehr nach Deutschland, wo unterdessen Frie-
drich gestorben war, machte den Sieg der päpstlichen Partei in Italien voll-
ställdig. Die Ghibellinischen Großen suchten sich mit Johann auszusöhnen und
der Gegenpapst verzichtete aus seine Würde und nahm in Avignon das Gna-
denbrod an. Dagegen erbittertediehartnäckigkeit, womitsowohljoh annxxii.
als seinnachfolger Benediktxik. auf dem gegen Ludwig ausgesprochenen Bann
beharrten, und alle Versöhnungsversuche desselbeu zurückwiesen, die deutschen
Fürsten dergestalt, daß sie auf dem Kurverein zu Reuse die Erklärung abga-
den: daß fortanjedevondenkurfürstenvollzogenekaiserwahl
auch ohne päpstliche Bestätigung Gültigkeit hätte. Die Geistli-
chen, die dem Interdikt Folge leisteten, wurden als Ruhestörer behandelt und
abgesetzt. Der offenkundige Einfluß des französischen Hofs auf alle Schritte
des Papstes und die Habgier und Genußsucht des kirchlichen Oberhaupts und
der Kardinäle in Avignon minderte das Ansehen des päpstlichen Stuhls. Aber
auch Ludwig verlor das Vertrauen und die Zuneigung der deutschen Fürsten
sehr bald, als er aus Habsucht und Ländergier sich ungerechte und gewaltthätige
Maßregeln erlaubte, Tyrol und Brandenburg an sein Haus zu bringen
suchte und geistliches und weltliches Recht unter seinen Vortheil beugte. Daher
gelang es der päpstlich-französischen Partei, einen Theil der Kurfürsten zu ge-
winnen und die Mahl eines Gegenkaisers aus dem luxemburgischen
Hause^durchzusetzen. Die Mehrzahl des deutschen Volks, besonders die
Reichsstädte, hielten jedoch zu Ludwig, daher der neue Kaiser Karl Iv. (Sohn
des Böhmenkönigs Johann §. 257.) erst allgemeine Anerkennung fand, als
der rüstige Ludwig auf einer Bärenjagd bei München gestorben und auch sein
von der bayerischen Partei erwählter Nachfolger Günther von Schwarzburg
zu Frankfurt in ein frühes Grab gesunken war. Während dieser Kämpfe herrschte
in Deutschland Gesetzlosigkeit und ein wildes Raub - und Fehdewesen in Stadt
und Land, so daß Jedermann zur Selbsthülfe schreiten mußte. Zugleich wurde
das Reich von Erdbeben, Heuschreckenzügen, Hungersnoth und einer surchtba-
11*
1322.
1325.
1326.
1330.
1338.
1346.
1348.
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Extrahierte Ortsnamen: Avignon Mailand Italien Italien Deutschland Italien Avignon Avignon Tyrol Brandenburg Frankfurt Deutschland
174
Das Mittelalter.
Johann Tapferkeit und ritterlichen Helvenmuth auszeichnete, für England war seine
oh^Landregierung nicht heilbringend; und was den letztem betrifft, so ist er in allen
i2i6. Kämpfen unterlegen. Er verlor zuerst an den klugen und unternehmenden
P h i l i p p A u g u st von Frankreich die N o r m a nd i e und alle Erbländer sei-
nes Hauses an der Loire und Garonne; und als er mit dem Papste wegen
Besetzung des erzbischöflichen Stuhls von Canterbury in einen Streit gerieth,
in Folge dessen der heilige Vater Bann und Interdikt über England aussprach,
die Unterthanen ihres Eides entband und den König von Frankreich zur Er-
oberung des Landes aufforderte — da demüthigte sich Johanu, indem er durch
einen feierlichen Akt die Krone von England dem Papste schenkte und sie gegen
einen jährlichen Tribut von 1000 Mark aus den Händen des Legaten als
päpstliches Lehn wieder anuahm. Nun wurde Johann von dem Banne
losgesprochen und dem französischen König der Kriegszug wider ihn untersagt.
Empört über diese entehrende Handlung eines Königs, der ohnedies durch
seine Härte, Willkür und Grausamkeit alle Stände gegen sich erbittert hatte,
griff das englische Volk nunmehr zu den Waffen und zwang Johann, durch
1215. Ertheilung des großen Freibriefs (Magna Charta) auf einer Wiese bei
Windsor, die Grundlage zur freien Verfassung Englands zu le-
gen. Dieser Freibrief sicherte dem Klerus das Wahlrecht seiner Bischöfe,
dem Adel Befreiung von lästigen Lehusverhältnissen und dem Bürgerstand
freien Handel und Schutz gegen drückende und ungerechte Zölle. — Die lange
iu"i2?6 Regierung von Johanns Sohn Heinrich Hi. war der Erstarkung der Freiheit
-1272. förderlich, so traurig auch im Ganzen der Zustand des Landes unter ihm war.
Seine verschwenderische Freigebigkeit gegen Günstlinge und die Erpressungen
der päpstlichen Legaten und italienischen Geistlichen schlugen dem Wohlstand
des Landes tiefe Wunden und trieben zuletzt das Volk zur Empörung und Ge-
fangennehmung des Königs und seiner Familie, bis die Mißstände etwas ge-
hoben und neue Freiheiten gewährt wurden. Heinrichs Hl. Liebe für die schö-
nen Künste, die sich besonders in dem Bau der W e ft m i n st e r a b t e i bewährte,
und sein Hang zu Pracht und Glanz war der Entwickelung der Gewerbthätig-
keit und Kunst sehr förderlich.
Eduard I. §• 277. Auf Heinrich Iii. folgte sein ritterlicher Sohn Eduard I., dessen
1272-' Regierung durch eine Reihe blutiger Kriege denkwürdig ist. Er fügte das bis-
1307' her unabhängige Wales seinem Reiche bei, führte Englands Verfassung und
Gerichtswesen daselbst ein und legte zuerst dem Thronerben den Titel eines
1283. Prinzen von Wales zu. — Als bald darauf in Schottland ein Thron-
streit zwischen Robert Brure und John Baliol ausbrach, wobei er zum
Schiedsrichter gewählt ward, benutzte er die Gelegenheit, um die viel bestrit-
tene Lehnsherrlichkeit der englischen Könige über Schottland fest zu begründen,
und entschied sich für Baliol, der die Huldigung zu leisten bereit war. Dies
empörte die auf ihre Unabhängigkeit stolzen Schotten. Sie griffen zum
Schwert und fochten unter der Leitung heldenmüthiger Ritter, wie William
Wallace, die in der Sage wie im Lied viel gefeierten Freiheitskämpfe wider
die Engländer. Heiße Schlachten tränkten die Ebenen des südlichen Schott-
lands mit dem Blute der Helden; Wallace starb als Gefangener durch das
Beil des Henkers; der Krönungsstein der schottischen Könige zu Scone wurde
nach London gebracht, wo er noch jetzt die Westmin ster-Abtei ziert; ganz
Schottland bis in die Berge der Hochlande wurde von Eduards siegreichen
Heeren durchschritten, und dennoch behaupteten die Schotten ihre Unabhängig-
keit. Robertbruce, der Enkel des erwähnten Thronbewerbers, erlangte
nach mancherlei Wechselfällen die schottische Krone, die in seinem Hause erb-
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Extrahierte Personennamen: Johann Canterbury Johanu Johann Johann Johanns Johanns Heinrich_Hi Heinrich Heinrichs Heinrichs Eduard_I. Heinrich_Iii Heinrich Eduard_I. Eduard_I. Robert_Brure John_Baliol William
Wallace Wallace Eduards Eduards
Extrahierte Ortsnamen: England Frankreich England Frankreich England Englands Englands Wales Schottland Schottland London Schottland
Das sächsische und fränkische Kaiserhaus.
135
der Rhone und am Jura ans Reich. Dies verwickelte ihn in viele Fehden,
theils mit den burgundischen Edelleuten und Bischöfen, die sich als unabhän-
gige Landessürsten betrachteten und den Gehorsam weigerten, theils mit seinem
Stiefsohn Ernst von Schwaben, der nähere Anrechte auf das Königreich
geltend machte, und in Verbindung mit seinem Freunde Welf in Süddeutsch-
land die Fahne der Empörung aufpflanzte. Beide erlagen nach langem Kampfe
und die Thaten und Schicksale des ritterlichen Herzogs Ernst gingen in die
Dichtung und Volkssage über. Konrad und sein Nachfolger liegen im Spey-
er er Dom begraben, dessen majestätischen Bau er begonnen. — Konrads
Sohn Heinrich 111., „der Schwarze", war ein Mann von hoher Kraft, un-
ter welchem Deutschland seine größte Ausdehnung hatte; erkannten ja Böh-
men, Polen und Ungarn die Oberhoheit des deutsch-römischen Kaisers
an! Um den Trotz der unruhigen Großen des Reichs zu brechen, ging er mit
dem Plane um, eine unumschränkte kaiserliche Erb monarchie zu
gründen und die Herzogswürde in den deutschen Landen wo nicht abzu-
schaffen, doch gänzlich vom Kaiser abhängig zu machen. Auf gleiche Weise be-
nutzte er eine Spaltung in der Kirche, um die drei hadernden Päpste absetzen
zu lassen und den päpstlichen Stuhl nach einander an deutsche Bischöfe
zu vergeben. Sein Streben ging also dahin, die kaiserliche Macht über die
deutschen Fürsten wie über das kirchliche Oberhaupt in Rom zu erheben. Eine
gewaltige Herrschernatur, hielt er mit starker Hand die unruhigen Großen im
Gehorsam und setzte die Päpste ein wie die Bischöfe und Aebte des Reichs.
Dem Gottesfrieden, wornach von Mittwochabend bis Montag Morgens
alle Waffen ruhen mußten, eine Einrichtung, die in jener eisernen Zeit allein
noch einige Ordnung erhielt, verschaffte er im ganzen Reiche Geltung; auch
hielt er sich unbefleckt von dem Lasier der Simonie d. h. der Vergebung geist-
licher Güter und Würden um Gelv oder aus weltlichen Beweggründen.
§. 214. Heinrichs Iii. Sohn war der hochbegabte, aber mißleitete Kaiser
Heinrich Iv., über den Anfangs, da er erst fünf Jahre zählte, seine verstän-
vige Mutter Ag nes die Vormundschaft führte, bis es dem herrschsüchtigen
Erzbischof Hanno von Köln glückte, den jungen Kaiser in seine Gewalt zu
bringen. Die strenge Erziehungsweise dieses Prälaten mißsiel Heinrich; desto
größeres Gefallen fand er an dem prachtliebenden Bischof Adalbert von
Bremen, der ihn den Händen Hanno's entriß und durch Schmeichelei und
Befriedigung seiner sinnlichen Neigungen sich ihm angenehm machte. Um die
Sachsen, die auf die fränkischen Herrscher stets mit Mißtrauen und Neid
blickten und unter denen Heinrichs Gegner Otto von Nordheim viele An-
hänger hatte, zu strafen, nahm der Kaiser seinen Wohnsitz in Goslar. Hier
hielt er eine schwelgerische Hofhaltung, drückte und mißhandelte Adel und Volk
und machte mit seinen Genossen im jugendlichen Uebermuth die ganze Gegend
unsicher. Da griff zuletzt die sächsische Ritterschaft unter Otto's Leitung zum
Schwert; die Burgen wurden gebrochen, die fest e H arzburg zerstört und
der Kaiser zur Flucht genöthigt. Dies war der Anfang eines verheerenden
Kriegs, der durch Heinrichs überlegenes Talent und seinen Sieg an der Un-
strut zum Nachtheil der Sachsen ausfiel, was diese endlich bewog, den Papst
als Schiedsrichter anzurufen.
§• 215. Damals saß auf dem päpstlichen Stuhl der willenskräftige, cha-
rakterfeste Gregor Vii., dessen Streben dahin ging, unter dem Klerus
strengere Sittlichkeit und Religiosität zu begründen, die
Heinrich
Iii.
1039—
1056.
Heinrich
Iv.
1056—
1106.
1075.
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Extrahierte Personennamen: Ernst_von_Schwaben Ernst Welf Ernst Konrad Konrads Heinrich_111. Heinrich Heinrichs Heinrichs Heinrich_Iv. Heinrich_Iv. Hanno_von_Köln Heinrich Heinrich Heinrichs_Gegner_Otto_von_Nordheim Heinrichs Otto Heinrichs Heinrichs Gregor_Vii Gregor Heinrich
Iii Heinrich Heinrich
Iv Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Ungarn Rom Bremen Sachsen Goslar Sachsen
136
Geschichte des Mittelalters.
Fürstenmacht zu erheben. Darum hatte er schon bei seinem Vorgänger be-
wirkt, daß die Papstwahl dem römischen Volk entzogen und dem neuerrichte-
ten Kardinalcollegium übertragen wurde. Nach seiner Erhebung war er zu-
nächst auf Reinig ung derkirche bedacht; er erließ daher eine strenge Ver-
ordnung gegen alle Simonie, entsetzte und bannte die Bischöfe, die ihre Aem-
ter durch Kauf erlangt hatten und verbot die Laien-Jnvestitur (Besetzung der
Kirchenämter durch die Landesfürsten); dann machte er den Cölibat (Ehelo-
sigkeit) zum strengen Gesetz für alle Glieder des geistlichen Standes, um diese
enger an die Kirche zu knüpfen. Nach solchen Einrichtungen kam dem kühnen
Papst die Berufung der Sachsen an sein Schiedsgericht sehr gelegen, um den
Grundsatz geltend zu machen, daß derpapst alsstatthalterchristi
über alle weltliche Machthaber gesetzt sei, und folglich Kaiser,
Könige und Fürsten seine Leh ensträger (Vasallen) wären. Er
lud Heinrich Iv. vor seinen Richterstuhl. Statt jedoch dieser Forderung Folge
zu leisten, ließ der Kaiser auf einer nach Worms entbotenen Kirchenver-
sammlung den Papst für abgesetzt erklären und kündigte demselben den Be-
schluß in einem höhnischen Schreiben an. Darauf belegte Gregor den Kaiser
und seine Anhänger mit dem Bann und entsetzte ihn seiner Würde. Dies ge-
schah in einem Augenblick, wo Heinrichs Verfahren gegen die Sachsen und
sein Ehezwist mit seiner tugendhaften Gemahlin, von der er sich durch den Erz-
bischof von Mainz wollte scheiden lassen, allgemeine Unzufriedenheit erzeugt
hatte. Bald sah er sich daher vom Volke verlassen und die in Tribur versam-
melten Fürsten kündigten ihm die Absetzung an, wenn er nicht binnen Jahres-
frist von dem Bannflüche gelöst sei. Da eilte Heinrich, begleitet von seiner
treuen Gattin und einem einzigen Diener, im strengsten Winter über die Alpen
io77. zu dem im Schlosse Canossa weilenden Papste, erlangte aber erst Zutritt,
nachdem er drei Tage barfuß und im Büßergewand im Schloßhof auf Erhö-
rung geharrt. Nach solcher Demüthigung wurde er vom Banne gelöst.
§. 216. Während Heinrichs Abwesenheit hatten seine Feinde den Herzog
Rudolf von Schwaben als Gegenkaiser ausgestellt. Darüber entbrannte
ein Bürgerkrieg, in welchem Heinrich durch sein überlegenes Talent und durch
iv80. km Beistand der deutschen Städte siegreich blieb. Als nun Rudolf in der
Schlacht an der Elster seine Hand verlor und bald nachher zu Merseburg
starb, konnte der Kaiser einen Rachezug gegen Gregor unternehmen, der unter-
dessen, durch falsche Siegesbotschaft getäuscht, den Bannfluch erneuert hatte.
Er überließ die Beendigung des deutschen Kriegs seinem Schwiegersohn
Friedrich von Hohenstaufen, den er zum Herzog von Schwaben
io8i. eingesetzt, und zog dann mit Heereömacht über die Alpen. Eine von ihm nach
Briren einberufene Kirchenversammlung sprach Gregors Absetzung aus und
wählte Clemens Iii., von welchem Heinrich sofort diekrönung empfing. Zwar
hielt sich Gregor unter dem Schutze Robert Guiscards (§. 268.), mit dem
er einen Vertrag geschlossen, noch einige Zeit in der Engelsburg; aber die
schrecklichen Verheerungen der Normannen erzeugten unter den Römern eine
1084. solche Erbitterung, daß derpapst es für rathsam erachtete, sich nach Salerno
zu flüchten, wo er im folgenden Jahre starb. Ehrgeiz und Herrschsucht waren
die Haupttriebfedern seiner Handlungen, seiner Worte, seiner Gedanken; die
Welt beherrschen durch das Wort das Ziel seines Lebens. Aber noch waren
Heinrichs Leiden nicht zu Ende. In Deutschland standen zwei Gegenkaiser auf
und in Italien bereiteten ihm Gregors Nachfolger eine Menge Feinde und
bannten ihn aufs Neue. Zuletzt traten seine eigenen verführten Söhne gegen
ihn auf. Konrav wurde zwar von ihm verstoßen und starb in Unehren; aber
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Extrahierte Personennamen: Reinig Heinrich_Iv Heinrich Gregor Gregor Heinrichs Heinrichs Heinrich Heinrich Heinrichs Heinrichs Rudolf_von_Schwaben Rudolf Heinrich Rudolf Rudolf Gregor Gregor Friedrich_von_Hohenstaufen Friedrich Gregors Gregors Clemens_Iii Heinrich Heinrich Gregor Gregor Robert_Guiscards Heinrichs Heinrichs Gregors
152
Das Mittelalter.
Ritter- h. 242. Hinsichtlich ihres Berufes schied sich die mittelalterliche Menschheit in
thum. Stände: in Wehrstand, Lehrftand und Nährstand. 1) Der
Wehr- oder Kriegerstand umfaßte den Adel und die Ritterschaft mit
ihren Vasallen und Kriegsknechten. Das Ritterthum beruhte sowohl auf der
Geburt aus einem ritterbürtigen Geschlechte, als auf der rittermäßigen
Erziehung als Page oder Knappe, wobei man sich durch eine Waffenthat die
Sporen verdienen mußte, ehe man durch den Ritterschlag in die Genossenschaft
ausgenommen werden konnte. Der Hauptzweck des Ritterthums war Kampf, bald
um die eigene Kraft zu beweisen oder die persönliche Ehre zu verfechten; bald
um die Religion und deren Träger, die K i r ch e und Geistlichkeit, zu verthei-
digen, bald um die Frauen als das schwächere Geschlecht zu beschützen. Die dem
germanischen Charakter eigenthümliche Hochachtung gegen das Weib führte die
Frauenverchrung und den Minncdienst, die Seele des Ritterwesens und
der mittelalterlichen Dichtkunst, herbei. Ritterspiele oder Turniere, wobei
ein Edelfräulein dem Sieger den Preis (Dank) reichte, dienten zur Erhaltung und
Belebung des ritterlichen Sinnes; und damit kein Unberechtigter unter der Hülle
der Rüstung, des Helms und Panzers sich einschleiche, wurden die Wappen
als sinnbildliche Andeutung der Namen und Geschlechter eingeführt.
§. 243. 2) Der Lehrstand umfaßte die ganze Geistlichkeit (Klerus),
Hicrar- sowohl die P r i e st e r sch a ft in ihrer mannichfachen Abstufung als die Kl oster-
&ie- geistlichkeit. Im Alleinbesitz der Bildung und mit der Macht ausgerüstet, des
Menschen Seelenheil zu bestimmen, erlangte der Klerus über die unwissenden, von
religiöser Andacht und gläubiger Hingebung erfüllten Volker des Mittelalters eine
große Herrschaft. Das kirchliche Oberhaupt, der Papst, gebot über alle weltliche
Fürsten und Reiche, und betrachtete die Kaiserkrone als sein Lehn; die höhere
Geistlichkeit bekleidete nicht selten neben ihren kirchlichen Würden auch die ein-
flußreichsten Staatsämter, und die meisten Erzbisthümer, Bisthümer und Abteien
erlangten allmählich große Besitzungen, so daß sie Fürstenthümern gleich kamen.
Stolze Domkirchen (Kathedralen), geschmückt mit den Erzeugnissen aller
Künste, gaben Zeugnis von der Größe der bischöflichen Hauptsitze. Ein genußrei-
ches Leben im reichgeschmückten Hause schien ein Vorrecht der höhern Geistlichkeit.
Die bischöfliche Macht, die ursprünglich sehr groß war, wurde von dem römi-
schen Oberkirchenamt (Curie) immer mehr verkürzt. Die Einsetzung der Bi-
schöfe, welche anfangs von den Landesherren ausging, wurde allmählich als aus-
schließliches Recht von dem päpstlichen Hof in Anspruch genommen; die geistliche
Gerichtsbarkeit der Landesbischöfe wurde mehr und mehr beschränkt, indem
der päpstliche Gerichtshof in Rom alle wichtigen Fragen vor sein Forum nahm und
viele Klöster und Abteien dem Bereiche der Bischofsgewalt entzog und unmittelbar-
unter die römische Gerichtsbarkeit stellte. Für alle Ernennungen, Gerichtsurtel und
Dispensationen mußten große Summen bezahlt werden, wodurch sehr viel Geld nach
Rom floß. Um das ganze Kirchenwesen fortwährend überwachen und von Rom aus
Alles leiten zu können, zogen beständig Legaten (Stellvertreter des Papstes) in
den Ländern umher. So wurde die päpstliche Gewalt eine unumschränkte, und
je höher sie stieg, desto weniger wagte Jemand dagegen aufzutreten; jeder Gegner
der bestehenden geistlichen Einrichtungen galt als Feind der Kirche und die furcht-
barste Kirchen strafe in ihrer dreifachen Abstufung, als Bann (der den Einzel-
nen traf), als Int er di kt (das, über ganze Landschaften ausgesprochen, alle kirchli-
chen und gottesdienstlichen Handlungen untersagte) und als Kreuzzug mit dem
Glaubensgericht (Inquisition), wodurch ganze Völkerschaften der Vernichtung
preisgegeben wurden, bedrohte die Vermessenen. Diese Macht des Papstthums wurde
besonders befördert 1) durch die (p se ud o-) i sid o ri sch en Dekretalen, eine
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England. 173
kluger Fürst, der durch List, Gewaltthätigkeit und unerhörte Tyrannei dem
Throne unumschränkte Macht verlieh und das Reich erweiterte und abrundete.
Er beraubte den Adel seiner schönsten Vorrechte und vereinigte allmählich alle
großen Lehen mit der Krone, dann stürzte er mit Hülfe der Schweizer (deren
abgehärtete Jünglinge er und seine Nachfolger als Miethtruppen in Sold
nahmen) Karl den Kühnen und bemächtigte sich des Herzogthums Bur-
gundien. Gewissensbisse und Menschenfurcht peinigten ihn auf seinem ein-^^,
samen Schlosse, wo er die letzten Jahre seines Lebens zubrachte. Seine beiden1483—'
Nachsolgerkarlvill. undludwigxii. erwarben noch Bretagne, vergeudeten
aber die Kräfte des Landes durch ihre Kriegszüge nach I t a l i e n. Denn das schönexn.i»»»
Apenninenland war nicht minder „ein Grab der Franzosen", wie es früher ein -1515
Grab der Deutschen gewesen. Dagegen erstarkten unter dem leutseligen volks-
frenndlichen König Ludwig Xii. bürgerliche Freiheit. Ordnung und Rechtssinn.
2. England.
§. 275. Mit Heinrich Ii. von Anjou, dem Urenkel Wilhelms des Er-
oberers (§. 207.), gelangte das ruhmreiche Geschlecht der Plantagenets auf -nse.
den englischen Thron. Diese besaßen viel Land an der Loire und Garonne 11(1
und da auch noch die Normandie zu England gehörte, so war der ganze
Westen von Frankreich in der Gewalt der englischen Könige. Daraus gingen
viele Streitigkeiten und Kämpfe hervor, indem die Könige von Frankreich über
diese westlichen Länder Lehnsrechte ansprachen, welche die englischen Könige
nicht leisten wollten. Heinrich Ii., ein Zeitgenosse Friedrich Barbarossa's, war
ein kräftiger und aufgeklärter Regent, der sich namentlich um Verbesserung des
Gerichtswesens hohe Verdienste erwarb. Zu dem Behuse wollte er durch
die Constitutionen (Artikel) von Clarendon die geistliche Gerichts-
barkeit dahin beschränken, daß Geistliche in weltlichen Sachen den kö-
niglichen Gerichten, ohne Berufung an den Papst, unterworfen sein
sollten. Darüber gerieth Heinrich mit dem Erzbischof von Canterbury, Tho-
mas Becket, in einen heftigen Streit. Thomas verwarf die Artikel von Cla-
rendon und entsetzte alle Geistlichen, die sich denselben fügten; und als er mit
einer gerichtlichen Untersuchung bedroht wurde, verließ er England und sprach
den Bannfluch über Heinrich auö. Durch Vermittelung des Papstes kam je-
doch nach einiger Zeit ein Vergleich zu Stande. Kaum war aber Thomas nach
Canterbury zurückgekehrt, so verfuhr er mit der alten Strenge gegen die Geist-
lichen, welche die Artikel von Clarendon angenommen. Da entfuhr dem Kö-
nig, der gerade wider Frankreich im Felde stand, ein Ausruf des Unwillens
gegen Thomas. Er beschwerte sich über feine Ritter und Getreuen, daß sie ihn
von dem ränkevollen Priester zu erlösen vermöchten. Diese rasche Rede hörten
vier seiner Dienstmannen. Sie stahlen sich heimlich aus dem Lager, eilten auf
verschiedenen Wegen nach England und ermordeten den Erzbischof auf den
Stufen des Hochaltars. Diese kirchenschänderische That erregte allgemeines mo.
Entsetzen und verschaffte dem Papstthum einen vollständigen Sieg in England.
Die Thäter wurden bestraft, die Constitutionen von Clarendon abgeschafft und
Thomas Becket zum Heiligen erhoben. Tausende von Wallfahrern pilgerten
zu seinem Altäre, und der König selbst gab einige Jahre später ein merkwürdi-
ges Beispiel seiner Reue, indem er sich auf dem Grabe des Märtyrers von den
Mönchen den entblößten Rücken geißeln ließ. Richard
§. 276. Von Heinrichs Söhnen überlebten den Vater zwei: Richard Jinsg
Löwenherz (§. 223.) und Johann ohne Land. So sehr der erstere sich durch -i\99.
TM Hauptwörter (50): [T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Ludwig_Xii Ludwig Heinrich_Ii Heinrich Anjou Wilhelms Wilhelms Heinrich_Ii Heinrich Friedrich_Barbarossa's Friedrich Clarendon Heinrich Heinrich von_Canterbury Becket Thomas Heinrich Thomas_nach
Canterbury Thomas Thomas_Becket Richard
§ Heinrichs Heinrichs Richard_Jinsg
Löwenherz Johann
Extrahierte Ortsnamen: England England England Frankreich Frankreich England Frankreich England England
220
Die neue Zeit.
schützer des Glaubens verlieh. Aber Heinrichs Anhänglichkeit anden
Papst wurde in Haß verwandelt, als Clemens Vii. sich weigerte, ihn von sei-
ner spanischen Gemahlin Catharina, einer Tante Kaiser Karls V., zu
scheiden. Theils innere Bedenken über die Gültigkeit seiner Ehe mit Catharina,
die seines verstorbenen Bruders Weib gewesen, theils das Verlangen, sich mit
der liebenswürdigen Anna Boleyn zu vermählen, erzeugten endlich in Hein-
rich den Vorsatz, durch eine Trennung von Rom zu der gewünschten Scheidung
zu gelangen. Gestützt auf eine Reihe von Gutachten einheimischer und aus-
wärtiger Universitäten und gelehrter Körperschaften über die Unzulässigkeit sei-
rs33. ner Ehe, ließ er sich durch Thomas Cranmer, den neuen Erzbischof von Can-
terbury, eigenmächtig scheiden und mit Anna trauen, nöthigte dann den Kle-
rus, ihn als Oberhaupt der englischen Kirche anzuerkennen, und
brachte das Parlament zu einer Reihe von Beschlüssen, durch welche des Pap-
1334 stes Macht und Ansehen über England abgeschafft wurde. Mit unerhörter
Härte und Willkür traf dann der König kirchliche Aenderungen, wie sie ihm
nützlich schienen oder seinen Launen zusagten. Die zahlreichen Klöster wurden
gewaltsam aufgelöst, die Mönche und Nonnen kaum vor Hunger geschützt und
das Klostergut theils der Krone verliehen, theils an Höflinge verschenkt.
Beckets Grab mit dem reichen Altar wurde geschändet und beraubt und das
Andenken des alten Heiligen (§.275.)durch eine lächerliche Proeedur gehöhnt;
mit hölzernen G n a d e n b i l d e r n zündete man die Flammen an, die P a p i ft e n
wie Lutheraner verzehrten. Alle übrigen Einrichtungen der katholischen
Kirche ließ dagegen Heinrich unangetastet bestehen und gebot durch das Sta-
i.=»3!>. tut der sechs „B lut"-Artikel bei Todesstrafe die Beobachtung des Cö -
libats, der Ohren beichte, der Mönchsgelübde, der S ti l lmessen,
der Substanzverwandlung und der Kelch entzieh ung. Der ehrwür-
dige Bischof Fisher und der geistreiche Kanzler Thom. Morus, der Verfas-
ser der „Utop ia" (Nirgendheim), starben auf dem Blutgerüste, weil sie die
kirchlichen Neuerungen nicht begünstigten. Ergrimmt darüber, schleuderte end-
lich der Papst einen heftigen Bannfluch gegen den König und seine Anhänger
in dem Augenblick, als die Unzufriedenheit über die Auflösung der Klöster im
Norden des Reichs eine Empörung unter dem Landvolk erregte, wobei Mönche
den Schaaren voranzogen. Da ließ Heinrich die Freunde und Verwandten des
englischen Cardinals Pole, der den Bannfluch verbreitet hatte, auf dem Blut-
gerüste oder am Galgen sterben und Aebte und Klosterbrüder in ihrer Ordens-
tracht dem Henker überliefern.
§. 344. Vor Allem gab sich die mit Sinnlichkeit gepaarte Despotenlaune
des Königs in der Behandlung seiner Frauen kund. Kaum war die verstoßene
Catharina fern vom Hofe den Kränkungen und Leiden erlegen, so wurde ihre
Gegnerin Anna Boleyn auf Befehl ihres eifersüchtigen Gatten enthauptet,
à. Die dritte Gemahlin, die junge, sanfte Johanna Seymour, starb wenige
Tage nach der Geburt ihres schwächlichen Sohnes Eduard, worauf sich
Heinrich durch das Zureden seines Kanzlers und durch ein Portrait des Malers
Holbein verleiten ließ, um eine deutsche Fürstentochter, Anna von Cleve,
zu werben. Aber weder ihre Gestalt, noch ihr Wesen gefielen dem weibersüch-
tigen König, daher er auf einen ganz nichtigen Vorwand hin abermals eine
Scheidung vornehmen ließ. Catharina Howard, Heinrichs fünfte Gat-
tin, blieb einem frühem Geliebten auch nach ihrer Erhebung gewogen und
1542. büßte ihre Untreue auf dem Schaffet ; und daß die letztekönigin, Catharina
P ar r, nicht ein Opfer ihres Reformationseifers wurde, verdankte sie nur ihrer
großen Klugheit. Seit Nero und Domitian hat kaum ein Monarch so den Ein-
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Extrahierte Personennamen: Heinrichs_Anhänglichkeit Heinrichs Clemens_Vii Catharina Karls_V. Karls_V. Catharina Anna_Boleyn Thomas_Cranmer Anna Heinrich Heinrich Fisher Morus Heinrich Heinrich Catharina Anna_Boleyn Johanna_Seymour Eduard Eduard Heinrich Heinrich Anna_von_Cleve Catharina_Howard Heinrichs Heinrichs Catharina Domitian
Extrahierte Ortsnamen: Hein- Rom England Nirgendheim
172
xvii. Die absolute Monarchie des Papstthums, wie sie
geworden ist.
1. Um den Spaltungen durch Irrlehren zu begegnen, bildet sich eine
katholische (allgemeine) Kirche, deren Häupter die Bischöfe sind. Erz-
bischöfe. Patriarchen.
2. Als durch Constantin d. Gr. das Christenthum zur herrschenden
Religion im Staate erhoben war, wurde die Kirche auch sogleich mit welt-
lichen Gütern ausgestattet.
3. Mit dem Zusammenstürzen des weströmischen Kaiserthums gewinnt
der Bischof zu Rom an weltlicher Macht und hebt sich über die andern
Patriarchen empor.
4. Die Heidenbekehrer (Bonifacius) bei den Germanen und die frän-
kischen Herrscher betrachten den römischen Bischof oder Papst als das
Haupt der katholischen Christenheit.
5. Pipin und Karl d. Gr. machen den Papst, indem sie den Kir-
chenstaat schaffen, auch zu einem weltlichen Fürsten. Völlige Verwelt-
lichung und Sittcnlosigkett des Papstthums unter den Karolingern, Besserung
desselben durch die Ottouen.
6. Die sächsischen Kaiser suchen immer mehr weltlichen Besitz in
die Hände der Geistlichen zu bringen, um an diesen eine Stütze und ein
Gegengewicht gegen die weltlichen Großen zu haben.
7. Nachdem aber die Bischöfe und Aebte so reich geworden sind, wer-
den sie auf die Seite der Päpste hinübergezogen (Jnvestiturstreit), und da-
mit das Uebergewicht des Papstthums über das Kaiserthum entschieden.
8. Diese Neuerung macht Gregor Vii. sammt dem Cölibat und der
Wahl der Geistlichen durch Geistliche (der Päpste durch Cardinäle). Der
Papst steht über den Coneilien, und die absolute Monarchie des Papst-
thums ist entschieden.
9. Innocenz Iii. ein absoluter und unfehlbarer Herrscher gleich
Ludwig Xiv., mit welchem er auch die Eroberungskriege (Kreuzzüge) und
die Ketzer-Verfölgen gemein hat. Die Mönchs-Orden und die unverhei-
ratheten Geistlichen als stehende Heere der päpstlichen Macht. Dominikaner
und Inquisition als Polizei.
10. Sobald die Richtung auf den Gipfel getrieben ist, beginnen auch
sogleich die freien Regungen in den Waldensern und Albingensern, und das
Papstthum geht wieder unaufhaltsam abwärts
11. Abermalige Verweltlichung des Papstthums mit dem Emporkom-
men der Künste und der classischen Bildung (Alexander Vii. Julius Ii.)
und Brechung seiner Macht durch die Reformation.
xviil. Gegenseitiges Verhalten des Papstthums und Kaisertums.
1. Anfangs heben und tragen sich Papstthum und Kaiserthum gegen-
seitig. Pipin und Karl b. Gr. schaffen den Kirchenstaat.
2. Mit der Entartung der Karolinger entarten auch die von den
römischen Adels - Parteien abhängigen Päpste, und sinken so tief und noch
tiefer, als nur jemals weltliche Regenten unter Maitressen-Wirthschaft
u. s. w. gesunken sind. Theodora mit ihren Töchtern.
TM Hauptwörter (50): [T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche]]
TM Hauptwörter (200): [T148: [Kirche Macht Staat Deutschland Kampf Frankreich Reich Reformation Zeit Gewalt], T77: [Papst Bischof Kaiser Rom Kirche König Heinrich Erzbischof Gregor Papste], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß]]
Extrahierte Personennamen: Constantin Karl_d Karl Gregor_Vii Gregor Innocenz_Iii Innocenz Ludwig_Xiv. Ludwig_Xiv. Alexander_Vii Alexander Julius_Ii Karl_b Karl Theodora
173
3. Als das deutsche Kaiserthum unter den Ottonen neu ersteht, wird
von diesen auch das Papstthum wieder gereinigt.
4. Gregor Vii. erhebt das Papstthum über das Kaiserthum und er-
klärt letzteres für Unterthan dem ersteren.
5. Das Papstthum ist so mächtig, daß es einen Eroberungskrieg gegen
die Heiden führen und dabei die Kaiser und Könige wie seine Vasallen ver-
wenden kann. Innocenz Iii.
6. Im Kampfe der Hohenstaufen mit den Päpsten geht das Kaiser-
thum in die Brüche, und die Zersplitterung Deutschlands ist bereits ent-
schieden. Die Hohenstaufen erliegen dem tragischen Geschick, zu welchem
dieses Kaiserthum von Anfang geboren war.
7. Aber das Papstthum sinkt sogleich auch mit dem Kaiserthum, und
statt beider beginnt die Hausmacht der Fürsten emporzusteigen. Rudolph
von Habsburg, der Gründer des Oesterreichischen Kaiserthums. Philipp
der Schöne und Bonifacius Viii. sammt Clemens V. Curverein zu Reuse.
Goldne Bulle.
xix. Die Vrrdienste der ersten sächsischen Kaiser.
1. Stand der Dinge zur Zeit Konrads des Franken.
2. Heinrich I. Gründer des eigentlich deutschen Reiches.
Scheidung von den Romanen einestheils und von den germanischen Nor-
mannen und Angelsachsen anderntheils, und Vereinigung der deutschen
Stämme zu einem gewaltigen Kriegeroolke im Herzen Europa's.
3. Beschützung gegen außen, Besiegung der Ungarn, Wenden,
Dänen, Franzosen und Burgunder.
4. Erhebung des deutschen Königthums zum römischen Kaiser-
thum und zu der Oberherrlichkeit über die ganze römische Christenheit.
5. Kräftige Aufrechthaltung der kaiserlichen Macht gegen die zwei
anderen Weltmächte, die byzantinische (in Unteritalien) und die
p ä p st l i ch e.
6. Ausbreitung des Christenthums und der Cultur im öst-
lichen und nördlichen Europa.
7. Herstellung der p ä p st l i ch e n W ü r d e durch Absetzung sitten-
loser Päpste (Theodora und ihre Töchter). Der Papst Johann Xii.
Besserung durch den deutschen Gregor V. und Sylvester Ii. (Gerbert).
8. Roch hat weder das Kaiserthum durch undeutsches Streben (Ab-
lenkung Heinrichs Ii. von Otto's Iii. Ideen eines Römerreiches), noch das
Papstthum durch weltliche Herrschaft ausgeschweift, so daß beide neben
einander noch eine Zeit lang richtig fortwandeln können unter den frän-
kischen Kaisern.
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien]]
TM Hauptwörter (100): [T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken]]
TM Hauptwörter (200): [T148: [Kirche Macht Staat Deutschland Kampf Frankreich Reich Reformation Zeit Gewalt], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T158: [Papst Kaiser Iii Vii Gregor Heinrich Rom Friedrich Italien Jahr], T10: [Sachsen Karl Franken König Land Jahr Chlodwig Reich Krieg Volk], T77: [Papst Bischof Kaiser Rom Kirche König Heinrich Erzbischof Gregor Papste]]
Extrahierte Personennamen: Gregor_Vii Gregor Innocenz_Iii Innocenz Rudolph
von_Habsburg Philipp Clemens_V._Curverein Konrads Heinrich_I. Theodora Johann Johann Gregor_V. Gregor_V. Heinrichs Heinrichs
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Oesterreichischen_Kaiserthums Ungarn Unteritalien Christenthums Europa