Peloponnesischer Krieg. 55
Übung wird durch die immer mehr blühenden, bildenden Künste, auf's v.c.g.
Höchste gesteigert.
In den Wissenschaften erreicht die lyrische Poesie vorzüglich durch
Pin daros, die tragische durch Ae sch y los, durch Sophokles und
Euripides ihre höchste Blüthe (am Tage der Salaminischen Schlacht:
Aeschylos Mitkämpfer, Sophokles Siegestänzer, Euripides geboren).
Herodotos beginnt die eigentliche Geschichte; und in den Künsten
führt Pheidias die Bildhauerkunst zu ihrer Vollendung (sein olym-
pischer Zeus re.).
Iv. Vom pelopon ne fischen Kriege bis zu den dreißig
Tyrannen in Athen, von 431 bis 404 v. Ch. G.
Ol. 87,2 — 94,i:
* Kampf der aristokratischen Verfassungen gegen die
demokratischen, — Sparta's gegen Athen. Beide Th eile
werden in ihren Principien zur moralischen Entartung
geführt. Lange Zeit schwankt die Entscheidung, bis
Athen, alles Maas der Mäßigung überschreitend, schmach-
voll der Oligarchie unterliegt.
1. Von Platää'6 Gefahr bis zum Frieden des
Nikias, von 431. bis 422 v. Ch. G.
* Wechselndes Glück der Krieg führenden Parteien.
Athen siegreich durch seine Flotte, Sparta durch sein
L a n d h e e r. G e g e n se i t i g e L a n d e r v e r w ü st u n g e n.
Platää übt Rache an den in seine Mauern eingedrnn- 431,
genen Thebäern.
Sparta's d orisch-pelop onnesi sch e Symmachte
umfaßt: alle Peloponnesier (ausgenommen Argos-, die Achäer
und Eleier, weiche schwanken), die Megareer, Thebaer,
Phokcer, Leukadier, opuntischen Lokrcr rc. unter einem sparta-
nischen Oberfeldherrn (König); die Flotte unter einem Nau-
archen. Oligarchie Hauptbedingung der Verbündeten.
Athen's ionisch-attische Symmachie: ») zins-
pflichtige Bundesgenossen thcils auf den Inseln: Lemnos,
Skyros, Naros, Thasos, Euböa, Samos, den Kykladen,
Sporaden, Aegina rc., theils auf dem Festlande: an den
Westküsten Vorder-Asiens, am Pontos, dem thrakischen Cher-
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48
Die kunstmüßige St)vif, ebenfalls in den ionischen Kolonien
entsprungen, beginnt mit der Elegie, deren Blüthezeit das 7.
und 6. Jahrhundert ist. Sie bildete sich nach Form und Inhalt
aus dem Epos heraus. Hauptelegiker: Kallinos, Tyrtäos
(s. S. 38), Mimnermos, Solon, Theognis u. a. — Alle
meist in Distichen dichtend und nur in Fragmenten (die größten
von dem Megarer Theognis) erhalten.
Andre metrische Formen, der iambische Trimeter, der tro-
chüische Tetrameter u. a. werden von Archilochos von Paros
(um 700), dem Haupt der meist in bitterer Satire dichtenden
la/ußoyqcicpoi erfunden.
Einen größeren Formenreichthum erhielt die Lyrik durch ihre
Verbindung mit Musik und Orchestik (Festchöre); Strophen-
bildung. Hauptträger dieser melischen Poesie, die gleichzeitig
mit der Elegie blühte: Alkman, Arion (von ihm nur ein
Fragment übrig), Alka io s von Mytilene, Sappho, Stesi-
choros aus Himera in Sicilien (der zur Strophe und Gegen-
strophe die enwdhj fügte, Anakreon aus Teos (s. S. 45).
Ii. Die Künste. Die Baukunst, Plastik und Malerei, vor
allem auch im Dienste der Religion thätig, ergänzen sich in
Griechenland, greifen in einander und wirken in der Regel zu
einer Kunstschöpsung zusammen. Die Malerei entwickelt sich
erst in der folgenden Periode. Der Hauptfortschritt zur archi-
tektonischen Kunstform lag hauptsächlich darin, daß man den ein-
fach-glatten Wänden des Gotteshauses Säulen (freistehende Stützen
zum Tragen der Decke und des Daches) hinzufügte — aus der
Verbindung dieser Säulen (im Aeußeren und Innern) mit dem
Tempelhause giengen alle späteren Formen des griechischen Tempels
hervor. Die einfach-ernste dorische und leichte und schlanke
ionische Säule; die korinthische Süulenordnung erst späteren
Ursprungs.
Die Plastik schritt von rohen Holzschnitzereien zu künst-
lerischer Gestaltung in Erz, Stein, Gold und Elfenbein fort.
Die Samische und Aeginetische Schule im 6. Jahrhundert
hervorragend.
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77
bulos: ein Angriff der .30 abgeschlagen: Thrasybulos marschiert
nach den: Piräus, besetzt Munychia, Kampf, Kritias fällt: Zwie-
spalt unter den 30, sie senden nach Sparta: Lysander kommt nach
Eleusis. Allein die Eifersucht der spartanischen Behörden gegen
diesen übermächtigen Parteiführer kommt den Athenern zu gut:
König Pausanias vermittelt einen Frieden, nach welchem Athen
seinen Bürgern zurückgegeben, Eleusis dagegen als autonomer
Staat den 30 eingeräumt wird. Diese Einrichtung ohne Dauer;
Überwältigung der 30 bei einem Versuch, die Gewalt in Athen
zurückzugewinnen; Eleusis mit Athen wieder vereinigt, die solo-
nische Verfassung hergestellt, eine Anlnestie (¿trj /uvrjaixaxfjattv)
beschlossen und gewissenhaft gehalten (403).
2. Wirken uitb Tod des Sokrates (469—399).
Die philosophische Forschung, welche mit Thales von
Milet begonnen, ist seit jener Zeit ununterbrochen weiter gegangen
und hat mehr und mehr zur Kritik, zum Zweifel an dem Ueber-
lieferten, besonders in: Gebiete der Religion geführt. In dieser
Beziehung wirkt auch der Krieg (ßlaioc ötdaonaloq Thuk.) zer-
störend und der Zwiespalt zwischen d em Ueb e rli eferten
und der neuen kritischen Erkenntniß tritt deutlich hervor
in den Komödien des Aristophanes (428 bis c. 388) und den
Tragödien des von ihm bekämpften Euripides (480—406).
Jener, obwohl Anhänger und Verfechter altathenischer Sitte,
macht doch die ganze Götterwelt seinem zügellosen Witze dienstbar;
dieser, Euripides, zeigt sich überall vom Geiste der Kritik, des
Zweifels, der Aufklärung, mit Einem Worte der Sophistik,
ergriffen. Unter den Vertretern dieser neuen sophistischen Richtung
Pr otagoras von Addern, Gorgias von Leontinoi, Prodikos
von Keos, Hipp ins: sehr ernste neben sehr frivolen Geistern:
ihr Gemeinsames ist ihre subjektive Richtung («Vdqwnog^¿tqov
änuvtcov), ihre kritische Stellung zum Ueb erli eferten („von den
Göttern kann ich nicht wissen, ob sie sind oder nicht sind" Prota-
goras), ihre praktische Tendenz, wornach sie Tugend, d. h.
in ihren: Sinn allseitige praktische Tüchtigkeit (und zwar
gegen hohen Lohn) zu lehren bemüht sind. Im Gegensatz zu
ihnen Sokrates, Sophroniskos Sohn, von einer inneren Stimme
(sein öai/.ioviov) zum Philosophieren d. h. zum Suchen der Wahr-
heit getrieben, von: delphischen Gott als der Weiseste der Hellenen
erklärt, wendet sich vom Geschäftsleben (Bildhauer), weiterhin
auch vom Staatsleben gänzlich ab der Philosophie zu: von dem
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12
ß. aus Nacht und Dunkel, nach Hesiods Lehre vom Chaos
und dem Eros; — aus dem Chaos Erde und Tartaros. —
Die Menschen nach dem gangbarsten Volksglauben erd-
geboren, Autochthonen. Sage von zwei Geschlechtern, einem
pelasgischen und hellenischen. Die letztere, die Denk a lions-
sage in Dodona (Epiros), Thessalien und am Parnaß heimisch.
Die Fluth: D eu k a li o n und P y r r h a, feilen und seine Söhne.
— Die vier Geschlechter oder Zeitalter. Ein andrer tief-
sinniger Mythus von der Entstehung und Belebung des Menschen-
geschlechtes die P r o m e t h e u s s a g e. H^o^d-ivg nvqcpóqog. Feuer
und Licht, Symbol des Geistes, ein Raub an der Gottheit.
Seine Strafe.
B. Die Götterwett.
Die ursprüngliche Naturreligion entwickelt sich durch Ueber-
tragung des Natürlichen auf das geistige Gebiet, und durch die
dichtende und bildende Phantasie des Volkes allmählich zum
Polytheismus. Das Maß der Göttergestalten ist die phan-
tastisch erhöhte menschliche Persönlichkeit (urdptonorpvetg). Weiter-
bildung und Umbildung durch die Poesie (über Homer und Hesiod
s. Herod. Ii, 53), die Kunst, endlich auch durch die Philosophie.
Nirgends sind sie zu reinen sittlichen Gestalten, zu wahrhafter
Göttlichkeit. Allmacht, Allwissenheit u. s. w. durchgebildet worden;
nur von Alter und Tod frei.
Mitten in diesen polytheistischen Vorstellungen ein dunkler
Trieb und Zug zur Wahrheit des Monotheismus, ein un-
bewußtes Suchen des aynoorog 9tog (Act. 17, 23): 1) in der
centralen Stellung des Zeus, des höchsten Gottes, des
nurrjq dvd'qwv re Ohov tí. ■— 2) Fn der Schicksalsidee
(j-iotqu, cu a a bei Homer), die indeß mehr bei Autoren (z. B.
Herodot und den Tragikern) als ün Volksbewußtsein lebendig ist;
3) in denk Begriff 6 d-tóg, wie er sich in der classischen Literatur-
periode oft neben ol dtol findet. Später suchte man in pan-
theistischen Lehren und in mystischen Instituten den Frieden
und Trost, den der Volksglaube nicht gewährte.
Die Wirkungskreise der einzelnen Götter sind nicht
überall streng geschieden; im Wesentlichen theilt sich die Götter-
welt nach den Elementen in Götter
a. des Himmels (ovquviot-j <Xl\d)ovo\v[.imoi, ol urto, vnuroi,
superi),
b. des Wassers, (A«A«W<o¿),
c. der Erde (/dovioi).
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47
Vii. Cultur.
Eine lebendige Phantasie und ein edler Formensinn bilden
vor allem die geistige Mitgift der Hellenen. Daher zeigt sich
schon in dieser ersten Periode ihr Beruf, durch die allseitige Dar-
stellung des Schönen das bevorzugte Kunstvolk für alle Zeiten
zu werden. Der Ausgangspunkt für die verschiedenen Kunstzweige
ist auch hier die Volksreligion, die Mutter alles höheren
geistigen Lebens.
I. Literatur. Wie jede Volksliteratur beginnt auch die
griechische mit der Poesie. Die Entwicklung der Prosa in
Philosophie, Geschichtschreibung, Redekunst gehört, wenn auch die
frühesten Anfänge der beiden ersten Gebiete schon vor die Per-
jerkriege fallen, der zweiten Periode an. Von den Grund-
formen der Poesie ist die epische die am frühesten kunstmäßig
ausgebildete, nach ihr folgt die Lyrik, zuletzt (erst in der fol-
genden Periode) die aus beiden sich entwickelnde dramatische.
Die epische ist vor allem die Dichtung des ionischen, die lyrische
als die universellste die des dorisch-äolischen wie ionischen, die
dramatische die des attischen Stammes, der zuletzt, wie im
Staat, so in der gesammten Literatur an die Spitze Griechenlands
tritt. Die altepische Poesie hat zum Stoff und Inhalt die Götter-
und Heroenwelt.
Homers in den ionischen Kolonien Kleinasiens um 900
v. Ehr. entstandenen Volksepen wurden zu allen Zeiten als die
erste Dichtung der Hellenen betrachtet, besonders in Athen, wo
man sie bei der gottesdienstlichen Feier der Panathenäen benutzte,
zur Anerkennung gebracht. Ihr großer Einffuß auf die Gesammt-
bildung des Volks wie auf die späteren Dichter.
Hesiodos, wahrscheinlich bald nach Homer dichtend, aus
Askra in Böotien (sein Vater aus Kyme Phrikonis), die Ueber-
lieferung über sein Leber: unsicher und sagenhaft. Nur das
Lehrgedicht'^/« y.ul rjfxsqui schon nach der Ansicht der Alten
unzweifelhaft sein Werk, doch vielfach interpoliert. Unter seinem
Namen gehen noch die Qioyovia und 1donig ‘Hqcmleovg (scutum
Herculis), andre seiner Werke sind verloren. —
An die homerischen Epen schließen sich 1) die s. g. homerischen
Götter-Hymnen, 2) die Kykliker an, welche die Sagenkreise
der Ilias und Odyssee weiter behandelten.
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68
der Vorläufer des Herodotos von Halikarnassos, der das
erste wirkliche Geschichtswerk auf hellenischem Boden schafft: Dar-
stellung des Kampfs der Hellenen und Barbaren, der in den
Perserkriegen gipfelt: geboren um 480, starb zu Thurioi in
Italien um 428. Außerordentliches Wissen verbunden mit ge-
sundem Blick und feiner Beobachtung, deren Richtigkeit in vielen
Fällen durch neuere Reisende bestätigt, einfache gefällige Dar-
stellung des auf vielen Reisen Selbstgeschauten oder sorgfältig
Erkundeten, poetischer und religiöser Sinn und verständiger
Patriotismus machen das Werk zu einer der wohlthuendsten Pro-
duktionen aller Zeiten. Die lyrische Dichtung zeigt den
großen Namen des Thebaners Piudaros (geb. 5^2, Ver-
herrlichung der Sieger in den nationalen Spielen, den olympischen,
nemeischen, isthmischen, pythischen): die dem perikleischen Zeitalter
charakteristische Form das Drama. Seine Entstehung; Zusam-
menhang mit der nationalen Großthat der Perserkriege: Aeschy-
los (525—456) kämpft bei Salamis mit; Sophokles (497—
406) unter dem Jünglingschor bei der Siegesfeier; Euri-
pides am Tag von Salamis geboren. Die Aufführungen au
den Dionysossesteu in dein großen Theater (erbaut 500) an
der Südostseite der Burg bilde:: einen Theil des Kultus; Preis-
bewerbung mit je einer Trilogie von 3 Tragödien, denen
ein Satyrspiel heiteren Charakters folgt. Ausstattung des Chors
Ehrenpflicht reicher Bürger. Den Stoff für die Tragödie:: bietet
der unerschöpfliche Schatz der Götter- und Heroensagen, mit
seltenem Hinübergreifen in die unmittelbare Vergangenheit (Aeschy-
los Perser, wo Beschreibung der Schlacht bei Salamis). Die
noch erhaltenen Stücke des Aeschylvs: der gefesselte Pronietheus,
Sieben gegen Theben, Perser, die Trilogie Agamemnon, Choe-
phoren, Enmeniden (Orestie), die Schutzslehenden; des Sophokles:
Antigone, Elektra, Oidipus Tyrannos, Oidipus auf Kolonos,
Aias, Philoktetes, Trachinierinnen. Mit den übrigen Künsten
in: Verein dienen sie, der Religion und ihrer mythologischen
Grundlage durch edle Form und tiefen sittlichen Gehalt Stütze
und Halt im Vvlksbewußtsein zu geben.
Die persönliche Stellung des Perikles in diesen: Staate be-
zeichnet Thukydides vollkommen mit den Worten: syiyvevo Xoyw
¡uh- 3rji-ioy-Qutiu., £(jytp c)x vno rov tcowtqv avdoog aq/rj.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T14: [Athen Stadt Athener Sparta Spartaner Griechenland Krieg Perser Flotte König]]
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206
«
4. Literatur.
Wie die Kunst, so ist auch die Literatur der Römer nicht
selbständig und originell, sie lehnt sich vielmehr an die der
Griechen als ihr Vorbild an. Rom wurde eher durch Thaten
als durch Schriften berühmt; oder wie Sallust sich ausdrückt, die
besten Römer wollten lieber Thaten verrichten, als sie beschreiben*).
Bis zu dem Ende des ersten punischen Krieges verlegten sich die
Römer auf Krieg, Ackerbau und praktischen Staatsdienst und
suchten und fanden darin die höchste Ehre. Ja noch lange nach-
her galt die Ansicht, daß die Beschäftigung mit den Wissenschaften
dem Staate keinen Nutzen bringe, und selbst noch Cicero glaubte
sich wegen seines Studiums der griechischen Sprache rechtfertigen
zu müssen.
a. Poesie.
Wenn in irgend einem Zweige der Literatur, so war in der
Poesie der praktische Römer am allerwenigsten schöpferisch. In
der Auffassung des Schöllen blieb überdies ein gewisses sinnliches
Element vorherrschend; der Römer liebte besonders diejenige
Poesie, welche Vergnügen und Unterhaltung gewährte. So war
es das Schauspiel, welches zuerst Eiugang bei ihm fand.
Das Drama. Die bucolische Poesie.
Das erste Drama führte in Rom nach einem griechischen
Muster ein Grieche auf, Namens Andrónikus. Er wurde nach
der Einnahme seiner Vaterstadt Tarent (im Jahre 272) noch
sehr jung als Sklave nach Rom gebracht, wo er von seinem
Herrn Livius Salinator freigelassen wurde und den Namen
Livius Andronikus annahm. Er schrieb Tragödien und Comödien
und eröffnete damit die sich schnell entwickelnde römische dramatische
Literatilr.
Sein Nachfolger war Nävius (nimmt Theil am ersten
punischen Krieg), aus Campanien gebürtig. Seine Hauptthätig-
keit war dramatischen Gedichten zugewendet, die er nach griechi-
schen Mustern schrieb; bemerkenswerth ist es, daß er schon
römische Stoffe seinen Stücken zu Grunde legte**). Als Ple-
*) Sallust. bell, catilin. Viii.: optumus quisque facere quam die ere,
sua ab aliis benefacta laudari quam ipse aliorum narrare malebat.
**) Stücke, deren Gegenstand dem römischen Nationalleben entnommen
war, nannte man fabulae togatae oder praetextatae.
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213
französische Hof wurde für viele deutsche Höfe tonangebendes Muster mit
seiner Etikette und Pracht, seinen kostspieligen Bauten, von denen Versailles
{Baumeister Le Vau und dann Mansart) allein, ohne die von fronenden
Bauern oder Soldaten geleistete Arbeit, etwa 500 Millionen Mark heutigen
Geldwertes kostete, und mit seiner offen zur Schau getragenen Unsittlichkeit
neben der peinlichsten Kirchlichkeit (Maitressen Ludwigs zuerst Fräulein de la
Vallière, dann zwei Jahre noch neben dieser seit 1667 die nicht verwitwete
Madame de Montespan, die bis 1690 am Hofe blieb; nach dem Tode seiner
Gemahlin [1688] heiratete Ludwig 1684 die Erzieherin seiner und der Montespan
Kinder, die seit 1660 verwitwete Mme. Scarron [geh. d’Aubigné, f 1719], die
er zur Marquise von Maintenon erhob). Im Dienste des Königs, seines Ruhms
und seiner alles bedeutenden Hoheit kam die akademisch-klassicistische (römisch-
italienische) Richtung der bildenden Künste vollends zur Herrschaft (in
der Architektur der Barockstil s. S. 186). Zentralisierend und uniformierend
wirkte die Schaffung der Académie royale de peinture et sculpture 1664,
deren erster Leiter der Maler L ehrun (1619—1690) die Säle von Versailles
schmückte und die Vorlagen für die königliche Gohelinsfabrik schuf. Die 1666
geschaffene Académie de France à Rome lieferte die malerische und plastische
Dekoration der königlichen Gärten und Gebäude. Der glänzendste Vertreter
der klassicistisch-römischen Richtung der Malerei war Nicolas Poussin
(1594—1665), der Meister der heroischen Landschaft Claude Gelée, genannt
Lorrain (1600—82). Original-national blieb nur die Porträtmalerei. Den
Park von Versailles schuf der geniale Gartenkünstler Le Nôtre
(1618-1700).
Auch die französische Litteratur, insbesondere das Drama,
erlebte unter Ludwig Xiv. ihr goldenes Zeitalter. Auf die
formelle Seite übte die 1635 gegründete Académie française immer
grösseren Einfluss. Die klassische französische Tragödie mit ihrer Beob-
achtung der drei aristotelischen Einheiten, ihrem Alexandriner, ihren aus
fremden Völkern und fernen Zeiten, vor allem dem Altertum entnommenen
Stoffen begründete schon Pierre Corneille (1606—81), dessen vom Hof
nicht beeinflusste Wirksamkeit vor die Epoche Ludwigs fällt. Höfischer
Dramatiker der Glanzperiode Ludwigs war Jean Racine (1639—99), der
sich vor Corneille durch grössere psychologische Vertiefung auszeichnete. Er
schuf 1667—77 Dramen antiken, und 1690, von Frau von Maintenon veran-
lasst, biblischen Stoffes. Er war bei seiner Thätigkeit vielfach beraten von
dem Meister des französischen (Sitten- und Charakter-) Lustspiels
Jean Baptiste Molière (ursprünglich Poquelin, 1622—73). Noch mehr als
Molière war ein echter Vertreter französischen Geistes der nicht in der Hof-
luft lebende Jean de la Fontaine (1621—95), dessen bedeutendstes Werk
seine Fabeln sind. Als Kritiker und Theoretiker wurde für die Kunst-
dichtung massgebend Boileau-Despréaux (1636—1711), der jedoch inseinén
Satires und Epitres, noch mehr in seinen Oden hinter seinem Vorbild Horaz zu-
rückblieb. In den letzten Jahrzehnden seines Lebens begünstigte Ludwig die
Oper. — Die rhetorische Richtung und Begabung des französischen Wesens
verkörperte sich auch in bedeutenden Kanzelrednern u. a. Bossuet
(1627—1704), 1669—1681 Erzieher des Dauphin, der 1711 starb (Verfasser
einer Uebersicht der Weltgeschichte und einer Politik, sowie Veranstalter
von Klassikerausgaben „in usum Delphini“), der seine kirchengeschichtlichen
Kenntnisse zu der Bekämpfung des Protestantismus verwandte. François
Fénelon, 1651—1715 Erzieher des hoffnungsvollen „petit Dauphin“ Louis
von Bourgogne, der 1712 starb, schrieb u. a. für seinen Zögling die aventures
de Télémaque, welche über die Aufgaben der Regierung wesentlich andere
Anschauungen enthalten als die des Sonnenkönigs. Der bedeutendste
der Prosaiker war aber Blaise Pascal, 1623—52, einerseits Bekämpfer
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TM Hauptwörter (200): [T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T79: [Ludwig Xiv Frankreich König Ludwigs Xvi Napoleon Xviii Xv. Philipp]]
Extrahierte Personennamen: Ludwigs Ludwig Ludwig Scarron Nicolas Claude_Gelée Lorrain Le_Nôtre Ludwig_Xiv Ludwig Pierre_Corneille Ludwigs Ludwigs Ludwigs Jean_Racine von_Maintenon Jean_Baptiste_Molière Jean_de_la_Fontaine Ludwig Ludwig François
Fénelon Louis
von_Bourgogne Blaise_Pascal
265
Sprache und Litteratur und huldigte teils schöngeistigen und philosophischen
Neigungen teils einem durch Musik und Theater verfeinerten Lebensgenuss.
So zerfiel er mit dem einseitigen Vater, der durch seine zuweilen
barbarische, feineres Empfinden und Selbstbewusstsein des Jünglings (auch
mit dem Stock) schwer verletzende, Strenge das Gegenteil dessen, was er
wollte, erzielte, immer mehr, zumal da Friedrich im Widerspruch mit dem
Vater an dem Gedanken, eine Tochter Georgs Ii. von England zu heiraten,
festhielt. Der gescheiterte Fluchtversuch (1730) hatte zur Folge, dass
Friedrichs Vertrauter Lieutenant Katte hingerichtet, er selbst der Kriegs- und
Domänenkammer in Küstrin zugeteilt wurde, wo er arbeiten und die Ver-
waltungsgeschäfte gründlich kennen lernte. Durch Einwilligung in die Ver-
heiratung mit der Prinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern,
einer Nichte der Kaiserin (1788), erkaufte er die Aussöhnung mit dem
Vater, dessen Zufriedenheit und Vertrauen er sich in wachsendem Mass,
namentlich als Oberst in Ruppin durch Bethätigung militärischen Interesses
und Verständnisses, erwarb. Die Teilnahme an dem Rheinfeldzug des Jahres
1734 lehrte ihn die militärische Schwäche des Reichs und Oesterreichs kennen.
In Rheinsberg (bei Ruppin), wo er, von geistesverwandten Freunden, z. T.
Franzosen, umgeben, seit 1736 Hof hielt, studierte er den Philosophen der
„Aufklärung“ Wolff, stand mit deren geistreichstem Vertreter Voltaire in
Briefwechsel und verfasste zwei für seine Auffassung von den Aufgaben der
preussischen Politik und des Herrschers bezeichnende Schriften, die „Betrach-
tungen über den gegenwärtigen Zustand des europäischen Staatensystems“ und
den „Antimachiavell“ (Widerlegung der Anschauungen einer durchaus bedenken-
losen Gewalt- und Machtpolitik, die der Florentiner Nicolo Machiavelli [1469
bis 1527] in seinem Buch „vom Fürsten“ dargelegt hatte, beeinflusst von der
politischen Praxis seiner Zeit und eigener pessimistischer Beurteilung der
Menschen und geleitet von dem sehnsüchtigen Verlangen nach einem italieni-
schen Nationalstaat, zu dessen Schaffung er jede zweckdienliche Verletzung
von Treue, Recht und Humanität für zulässig hielt).
Friedrich Ii. (1740—86) übernahm am 31. Mai 1740
die Regierung, die er als „erster Diener des Staates“,
aber absoluterherrscher führte. Seine ersten Regierungs-
handlungen waren Abschaffung der Folter, Sorge für eine freie
Presse und die Erklärung „die Religionen müssen alle toleriert
werden; hier muss ein jeder nach seiner Facon selig werden.“
Der Versuch zur Geltendmachung der Ansprüche seines Hauses
auf Jülich-Berg, an deren Unterstützung Preussen seine An-
erkennung der pragmatischen Sanktion geknüpft hatte, begegnete
der ablehnenden Haltung des Kaisers, sowie Frankreichs und
Englands. Da bestimmte ihn der Tod Kaiser Karls Vi. (Ok-
tober 1740), die alten Ansprüche seines Hauses auf Teile
Schlesiens (s. S. 220) a u f z u n e h m e n. Karls Erbin war seine
23jährige Tochter, Maria Theresia, Gemahlin des Grossherzogs
von Toskana, Franz Stephan von Lothringen (s. S. 249), kraft der
pragmatischen Sanktion, die aber der von Ferdinands I. ältester
Tochter abstammende Kurfürst Karl Älbrecht von Bayern, Schwieger-
sohn Josephs Ii., unter, thatsächlich nicht zutreffender, Berufung
auf Ferdinands I. Testament (s. S. 71) nie anerkannt hatte; auch
Kurfürst Friedrich August Ii. von Sachsen (1733—63, seit 1734 als
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Friedrichs_Vertrauter_Lieutenant_Katte Friedrichs Elisabeth_Christine_von_Braunschweig-Bevern Wolff Nicolo_Machiavelli Friedrich_Ii Friedrich Karls Karls Maria_Theresia Maria Theresia Franz_Stephan_von_Lothringen Franz Ferdinands_I. Karl_Älbrecht_von_Bayern Karl Ferdinands_I. Friedrich Friedrich August
Extrahierte Ortsnamen: Georgs England Ruppin Oesterreichs Rheinsberg Ruppin Jülich-Berg Preussen Frankreichs Englands Karls Schlesiens Karls Toskana Josephs Ferdinands Sachsen
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Zweiter Abschnitt.
Die Zeit der Kämpfe um Verfassung und National-
staat in Mittel-, Süd- und Westeuropa (1815—1871).
Kapitel Xxxi.
Europa 1816—1847.
§117. Das geistige Leben Deutschlands im Zeitalter der Romantik.
Die Aufklärung war durch die Entwickelung der Philosophie und schönen
Litteratur in der zweiten Hälfte des Xviii. Jahrhunderts überwunden, ihr
rationalistisches Ideal durch das der „Humanität“ ersetzt worden: die
Aufgabe des geistigen Lehens wurde jetzt in einer der Eigenart jeder Er-
scheinung gerecht werdenden Würdigung und innerlichen Aneignung aller in
der Menschheitsgeschichte wirksamen Kräfte gefunden. Ihren Ausdruck fand
diese Richtung in der Begründung einer Weltlitteratur durch
Herder und Goethe, in dem ästhetischen Idealismus Schillers
und Goethes, in der „spekulativen“ Philosophie J. G. Eichtes
(1762—1814), Schellings (1775—1854) und Hegels (1770—1831), die
das gemeinsam haben, dass sie die begriffliche Grundlage, die Kant für die
Bewältigung des Ideenstoffs geschaffen hatte, benützten, um die Welt als ein
mit immanenter Notwendigkeit sich entwickelndes System der Vernunft zu
begreifen, und in der Religionsphilosophie Schleiermachers (1768
bis 1834), der in seinen „Reden über die Religion“ (1799) diese als „unbe-
dingtes Abhängigkeitsgefühl“ fasste und in ihr selbständiges Recht neben den
andern Grundrichtungen menschlichen Geisteslebens einsetzte. Der schöpfe-
rischen Richtung ging eine kritische, teilweise auflösende, der spekulativen
eine empfindsame zur Seite. In der Philosophie wiesen Schleiermacher und
Herbart (1776—1841), der Begründer einer auf philosophischen, bzw. psycho-
logischen Grundannahmen ruhenden ivissenschaftlichen Pädagogik, auf die
Grenzen des menschlichen Erkennens hin, und dem optimistischen Panlogismus
Hegels („alles Wirkliche ist vernünftig“) trat Schopenhauers (1788 bis
1838) Pessimismus entgegen, der den nie zu wahrer Befriedigung ge-
langenden Willen als schöpferisches Prinzip betrachtet. In der schönen
Litteratur übertrieb die „ältere Romantik“ der Brüder Schlegel
(August 1767—1845 und Friedrich 1772—1829) und Tiecks (1773—1853)
den Grundsatz, dass jede Erscheinung aus ihren eigenen Bedingungen be-
urteilt werden müsse, in ungesunder Weise bis zum Verzicht auf jede objektiv
gültige Norm, was sich auf ethischem Gebiet in der'unterscheidung zwischen
bürgerlicher und „genialer“ Sittlichkeit, auf ästhetischem Gebiet in einem bei
Jean Paul (Friedrich Richter 1763—1825) humoristisch-sentimentalen, bei den
eigentlichen Romantikern gegen alles und alle ironischen, vermeintlich über-
legenen Spielen mit geistreichen Einfällen aussprach.
Die schweren Zeiten der Napoleonischen Herrschaft brachten eine V e r-
tiefung und Erstarkung der sittlich -religiösen Motive; diese
fand einen unmittelbaren Ausdruck in der patriotischen Erhebung der Frei-
heitskriege und übte eine dauernde Nachwirkung durch den viel grösseren
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