1877 -
Leipzig
: Teubner
- Autor: Lübker, Friedrich
- Hrsg.: Erler, Max
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gymnasium
- Inhalt Raum/Thema: Griechische Antike, Römische Antike
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688 Maia —
lief) darin bestanden, daß ein Becher ohne Absetzen (unvsvgzi) getrunken werden mußte. Zn den Unterhaltungen gehörten z. B. scherzhafte Fragen und Räthsel (cilvlyfiazcc, yptqoot), Spiele, besonders der sehr beliebte xo'rrarßos, der, obgleich es verschiedene Arten gab, im Wesentlichen darin bestand, daß man aus seinem Becher den Rest des Weines, lära^ Xcctciyri (daher Icctaysiv), in kleine Wagschaaleu (niolatiyyis), die an einem Wagebalken (ßvyöv) über kleine Figuren von Erz lzn-weilen über eine Figur, Maues genannt) befestigt waren, spritzen mußte, so daß die Schale sich aus die eine Figur senkte und durch den Gegenstoß aus die andere Figur geworfen wurde, und so abwechselnd; oder daß man den Wein in kleine schwimmende Schalen spritzte, so daß diese durch die hineinfallende Flüssigkeit versenkt wurden. Wer eine gestellte Aufgabe nicht löste, mußte in der Regel zur Strafe trinken, und oft, wenn es auf starkes Trinken (tilvsiv ngog ßiav) abgesehen war, ein nicht geringes Maß. Auch durch gegenseitiges Zutrinken, zur Rechten herum (eni Ss^ä), wurden die Gäste zum Trinken genöthigt. — Häufig wurde das Vergnügen noch durch das Erscheinen von Flötenfpielerinnen (avxrjtqlötg) und mimische Darstellungen erhöht. Vgl. Becker,
7 Charikles Ii, 231 ff. — Ii) der Römer. Hier müssen vor allen Dingen die verschiedenen Zeiten aus einander gehalten werden, da die Gewohnheit von der genügsamsten Einfachheit allmählich, besonders gegen das Ende der Republik, wo durch die Kriege in Griechenland und Asien größere Ueppigkeit aufgekommen war, und von wo an man auch besondere Köche und Bäcker hielt (f. Pistor und Coquus), zu der raffinirtesten Ver-schwendnng stieg. In ältester Zeit erscheint als allgemeine Speise ein Brei, puls, aus Dinkel, far, ador (vgl. Juv. 14, 170 ff.), und blieb es auch wol in späterer Zeit für den gemeinen Manu. Nebenher aß mau auch wol grüne Gemüse, olera, und Hülsenfrüchte, leguinina, aber wol wenig Fleisch. Für die spätere Zeit müssen die verschiedenen Mahlzeiten im Lause eines Tages unter-
. schieden werden. Ientaculurn war das am Morgen eingenommene erste Frühstück, wofür wol die Stunde nicht feststand, sondern nach Bedürfniß oder Wahl verschieden war; es war wol in der Siegel Brod, mit Salz oder Anderem gewürzt, dazn getrocknete Weintrauben, Oliven. Käse u. dgl., oder auch Milch und Eier. Das Prandium war das zweite Frühstück oder genau Mittagsmahl, das nur durch die Aussicht auf die spätere coena beschränkt ward; in der Regel wol um die 6te Stunde, d. h. um Mittag, und bald in warmen: Speisen, bald in kalter Küche bestehend, wozu oft die Üeberrefte der letzten coena dienen mochten. Als man schwelgerischer wurde, kamen olera, : Schalthiere, Fische, Eier u. a. dazu. Getrunken wurde dabei Mulsum, Wein und besonders die
8 beliebte calda (s. d.). Uebrigens scheint der seltenere Ausdruck merenda dasselbe zu bedeuten wie; prandium. Die Hauptmahlzeit nach vollendeter Tagesarbeit war die Coena, die letzte am Tage, i zwischen Mittag und Sonnenuntergang, nach der verschiedenen Jahreszeit also verschieden, im Sommer etwa in der 9., im Winter in der 10. Stunde, nach unserer Zeitbestimmung zwischen 2 und 3 Uhr Nachmittags. Die früher veranstalteten oder J
aiandros.
bis in die Nacht ausgedehnten hießen tempesti-vae. Im Winter verschob man sie wol etwas weiter, um vorher alle Geschäfte erledigen zu können. Sie war von ziemlich langer Dauer, da man sie zugleich zur Erholung und mannigfaltigsten Unterhaltung benutzte; selbst bei frugaleren Leuten ging sie wol oft über 3 Stunden hinaus. Sie bestand immer ans 3 Theilen: gustus oder gustatio, auch promulsis genannt, fercula, in verschiedenen Gängen bestehend, und Nachtisch, mensae secundae oder tertiae. Das Voresftn, gustus, sollte den Appetit reizen und die Verdauung fördern, weshalb besonders laetuca genossen ward, Schalthiere, leicht verdauliche Fische mit pikanten Saucen, zuerst gewöhnlich Eier, daher die sprichwörtlich gewordene Redensart ab ovo usque ad mala (Cic. ad fam. 9, 20. Schol. zu Hör. sät. 1, 3, 6.). Hierzu trauk man mul-sum, eine Art Meth, aus Most oder Wein und Honig bereitet, woher auch das ganze Voressen promulsis hieß. Die Gänge der eigentlichen Coena wurden als prima, altera, tertia coena unterschieden, früher meist nur zwei. Der nie fehlende Nachtisch bestand in Backwerk (bellaria), frischem und getrocknetem Obste und künstlich bereiteten Schaugerichten (epideipnides). Ursprünglich saß man, später lag man bei Tische, s. Lectus und Triclinium. — Küchenzettel findet mau unter andern bei Mart. 5, 78 ff. 10, 48 ff. Macrob. sät. 2, 9. Vgl. Becker, Gallus Iii, 220 ff.
Maia, Maicc ober Maiug, Maja, Tochter des Atlas und der Pleione, älteste der Pleiaden, Mutter des Hermes (s. d.), im Sternbilde der Pleiaden. Cic. Arat. 270. Verg. G. 1, 225. — Mit dieser griechischen Göttin ward eine altitalische Naturgöttiu Maja oder Majesta (ein Deus Mains zu Tn-sculuni) ibentificirt, deren Verehrung mit dem Monat Mai zusammenhing. Am 1. Mai opferte ihr der flamen Vulcanalis ein trächtiges Schwein. Sie wurde für die Gemahlin des Bulcanus erklärt und ward außer der obengenannten Maia mit der Tellus, Bona Dea, Fauna, Ops ibentificirt.
Maiandrios, Maiuvöqiog, 1) Geheimschreiber des Polykrates von Samos. Nach Ermorbnng des P. bemächtigte er sich der Tyrannis von Samos, unterlag aber nach wenigen Jahren dem mit persischer Unterstützung zurückkehrenden Bruder desselben, dem Syloson, und steh mit den Schätzen des Polykrates nach Sparta, wurde aber von Kleomenes I. bald wieder entfernt. Hdt. 3, 142 f. — 2) ein Historiker, wahrscheinlich ans Milet; sonst nicht näher bekannt. Müller, fragm. bist, graec. Ii, 334 ff.
Maiaiulros, Maiarsgog, Maeander, j. Bojuk Menber d. i. großer M., oft genannter berühmter Flnß Kleinasiens, entspringt bei Kelainai in Phrygien (eigentlich aus einem See in der Nähe, welchem auch der Marsyas entströmt; beide kommen aber unterhalb des Sees an verschiedenen Seiten des Berges Aulokrene zum Vorschein). Xen. Anab. 1, 2, 7. Strab. 12, 577 ff. In einem schlangenartig gewundenen, sprichwörtlich gewordenen (Cic. Pis. 22. Ov. met. 8, 162. Liv. 38, 13.) Laufe strömt er westwärts und tritt, nachdem er unterhalb Saodifeia den Lykos aufgenommen hat, in Karten ein, welches er, an der Südseite des Mesogisgebirges hinfließend, durchströmt, vou liuks her durch den Harpaso.s und beit
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96 Apamea
scheidet. Während bei der gewöhnlichen Schrift-klage der Einleitung des Processes eine Vorladung des Beklagten von Seiten des Klägers (Trpog-Kliqoig) vorangehen mußte, der Angeklagte aber auf freiem Fuße blieb und sich den Folgcu einer zu erwartenden Vernrtheiluug durch freiwilliges Exil entziehen konnte, war das Eigenthümliche der (inccyay/i, daß der Angeklagte sogleich von dem Ankläger vor die proeeßeinleitende Behörde (in vielen hierher gehörigen Fällen die Eilsmänner) und, wenn die Anklage angenommen wurde, sofort nach aufgenommenem Protokoll ins Gefängniß geführt wurde, wenn er nicht drei Bürgen stellte. Daneben mußte der Kläger in einer Klageschrift, die gleichfalls unuycoyiq heißt, den Gegenstand feiner Klage angeben. Angewandt konnte diese Form der Klage meist nur daun werden, wenn Jemand in flagranti (sn avzgcpaiqw) ertappt wurde. Der häufigste Fall ist die anccy. zmv Kccxovqywvi wozu Diebe, Beutelschueider, Räuber aller Art, auch Mörder gehören, gegen letztere, wenn sie nach der ersten Vertheidigung sich selbst verbannt hatten und unbefugt zurückkehrten oder wenn Raubmord vorlag. Dann ist das Verfahren weiter ausgedehnt gegen Zauberei, äosßslix, gvho-cpavxlu, gegen Schutzgenossen, die ihr Schutzgeld nicht erlegt hatten, gegen Kuucogig ogcpavcov u. a. Sie ist oft mit der tvd'n&g verwechselt. Verwandt ist die icpijyrjoig, welche darin bestand, daß der Kläger den Vorstand des Gerichts mit seinen Dienern zu dem Orte hinführte, an welchem das Verbrechen ausgeübt war, um den Beklagten zu ergreifen. Es geschah dies, weitn der Kläger sich körperlich zu schwach fühlte, beit Angeklagten vor die Behörbe zu führen.
Apamea, ’Akoc[i£lu, Name mehrerer Stabte in Asien, zum Theil nach Apame, der Gemahlin des Selenkos Nikator benannt: 1) in der südlichsten; Spitze der Insel Mesene am Zusammenfluß des Euphrat und Tigris, jetzt Koma. Plin. n. h. G, 27, 31. — 2) westlich von Edessa am Euphrat, jetzt Rom-kala. Plin. n. h. 5, 24, 21. — 3) A. ad Orontem s. Axinm, von Seleukos vergrößerte Hauptstadt der Lanbschaft Apamene in Syrien, iu der Nähe eines Sees (Ana^shig ilfivrj), mit großen Stutereien und Elephantengehegen. Strab. 16, 753. — 4) A. Rhagiane (A. r] Ttqog^Payalg), Hanptstabt der Landschaft Ehoarene an der Grenze von Parthien und Mcbieit, süblich von den kaspi-schen Pässen, von Griechen angelegt. Strab, 11, 514. — 5) A. Kibötos (Iüßcozog), auch ad Mae-andrum, jetzt Dineir, am Zusammenfluß des Mai-anbros und Marsyas, die bedeutendste Stadt Phry-giens mit lebhaftem Handel und in römischer Zeit Sitz eines conventus iuridicus. Liv. 38, 13. Cic. ad fayn. 15, 4. — 6) A. Myrllon (Mvqisigiv) in Bithynien, V4 St. von der Südküste des kiani-schen Meerbusens, mit einem Hasen. Strab. 12,561.
Apatlu’ia, zu ’Akuzovqloc (v. ä — an■cc und Ttcczöglk, Zusammenkunft der Phratrien), ein athenisches Fest, an welchem die Bürger ihre Kinder in ihre Phratrien einschreiben und aufnehmen ließen, dem ionischen Stamme gemeinsam (Hdt. 1, 147.); boch gab es ähnliche Feste auch über die Grenzen bieses Stammes hinaus. In Athen warb es im Monat Pyauepsion (October — November) drei Tage lang gefeiert, zu einer Zeit, wo die Schifffahrt aufhörte; der erste Tag Hieß Soqixla
— Aper.
von doqnov, Abendmahlzeit, weil sich die Phra-toren in dem Hause eines reicheren Genossen zu einer Abendmahlzeit einfaudeu; der zweite von dem dem Zeits Phratrios und der Athene auf Staatskosten bargebrachten Opfer ctvuqqvoig (von (zvccqqvctv = ccvsqvslv) opfern). Der brüte Tag Hieß norgscotig, weil au ihm der Jugeub das Haar geschoren und Göttern geweiht wurde. Wahrscheinlich an den drei Tagen, nicht bloß ant brüten, würden die in dem Jahre geborenen, sowie auch bic srither geborenen, aber auch noch nicht eingeführten Kinder den versammelten Phratoren vorgestellt und, nachdem die rechtmäßige Geburt derselben von dein Vater eidlich erhärtet worben war, in die Phratrie aufgenommen und der Name in das Verzeichniß der Phratoren (cpquzoqiv.öv yqocnfacczslov) eingeschrieben. Für jedes der vorgestellten Kiitber wurde ein Schaf ober eilte Ziege zum Opfer [hovqslov ober iiblov) bargebracht und nach der Einzcichnung der Opferfchmaus gehalten. Wenn Jemand gegen die Aufnahme protestirte, so führte er das Opferthier von dem Altar weg, und die Anwesenden entschieden dann über Ausschluß oder Zulassung durch Abstimmung. Auch ließen am dritten Tage die Väter ihre noch die Schule besuchenden Söhne austreten, um Proben ihrer Fortschritte zu geben, wobei namentlich Stücke ans den in der Schule gelesenen Autoren beclamirt und beitett, die ihre Sache am besten machten, Prämien ertheilt wurden (Plat. Tim. p. 21, B ). Irrtümlich ist noch als vierter Tag des Festes snißdu angenommen, aber dieses Wort bezeichnet jeden Tag, der auf ein Fest folgt.
Apclles f. Maler, 5.
Apennlnus, auch Appeimiims mons, o ’Aniwi-vog, das Hauptgebirge der italischen Halbinsel, ei t Fortsetzung der Alpes maritimae, in einer Länge von 90 geogr. Meilen. Das meist kahle, schluchten-reiche Kalksteingebirge fällt an der Westseite ziemlich steil ab und enthält die Quellen sämmtlicher Flüsse Italiens. Die Alten betrachten es als Wasserscheide zwischen den Flüssen des adriatischen und des tyrrhenischen Meeres (Cic. de or. 3,19. Lucan. Phars. 4, 404.). Es erreicht seine größte Höhe (über 9000 F.) in Samninm; dann theilt es sich iit zwei Aeste, bereu einer westlich beim Vorgebirge Leukopetra (C. bell' Strati) enbigt, der anbere östlich in das Prom. Salentimun ob. Iapygium (C. Maria bi Leuca) aus läuft. Befonbers zu bemerken sinb der Mons Argentarius (M. Argentaro) an der etrnrifcheit Küste bei Cosa; M. Cimmus ober I Ciminius (M. Cimiuo) ant See gl. N. in Etrurien; M. Soracte (M. bi S. Oreste), Bergspitze 5 g. M. nördlich von Rom; M. Algidus (Ariano), M. Alba-nus (Monte Cavo), M. Massicus (M. Dragone) an' der catnpanischen Grenze, bekannt durch seinen trefflichen Wein; M. sacer, ein ifolirter Hügel am Anio, drei Mill. uordöstl. von Rom, bekannt durch die 86668810 plebis,- 494 v. E. (Liv. 2, 32.); M. Gaurus, iu der Nähe von Pnteoli, M. Vesuvius (s. d.), M. Garganus und M. Voltur in Apulien lt. a.
Aper, Marius, aus Gallieu gebürtig, wirkte in Rom als Sachwalter und als Lehrer der Rhetorik unter Vespasian, gelangte auch bis zur Prätur. In dem dialogus seines Schülers Tacitus wirb er unter die celebemma tum Ingenia fori gezählt und omni eruditione imbutus genannt (c. 2.) und sührt die Vertheibigung der modernen Art
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208 Bulis -
Attalis (nach Attalos I. von Pergamos benannt) hinzukam, und unter Hadrian sogar eine 13. Phyle, Hadriauis, errichtet wurde. Die Zahl der Mitglieder, welche seit dem Hinzutritt der Ptole-ma'is und Attalis jedenfalls 600 war, wird jetzt wieder 500. Vor dem Amtsantritt mußten die Mitglieder schwören, für das Beste des Staats sorgen und ihre Befugnisse nicht überschreiten zu wollen. Persönliche Vorrechte der Buleuteu für die Dauer ihres Amtes waren Freiheit vom Kriegsdieuste, ein besonderer Platz im Theater und das Recht einen Myrthenkranz zu tragen. Außerdem erhielt jeder der Buleuten für jeden Sitzungstag einen Sold von einer Drachme, ju-t-a&os ßovlevzikög. Nach Ablauf des Jahres wurde der ganze Rath nach der Rechnungsablage, wenn er sein Amt befriedigend verwaltet hatte, durch eineu goldenen Kranz vom Volke geehrt. Die Opfer beim Antritt ihres Amts hießen big-iztjqicc, nach Vollendung des Amtes b^lzt]qlu. — Die Geschäfte des Raths bestanden nun zunächst darin, daß er alles vorher berieth, was vor das Volk gebracht wurde [Flut. Sol. 19.), eine Schranke der Demokratie, die später wol zuweilen überschritten wurde. Dieser Stellung entsprach es auch, daß er die Berichte der Feldherrn empfing und sremde Gesandte in die Volksversammlung einführte. Außerdem Übte der Rath noch eine sehr ausgedehnte verwaltende Thätigkeit. Xen. rep. Ath. 3, 2. Er hatte die Aufsicht Über die gesammte Verwaltung, namentlich über die Finanzen: er hatte die Staatsgefälle, nämlich den Ertrag der Staatsgüter, Zölle und Personen- und Gewerbe-Steuer der Nichtbürger zu verpachten und die Pachtsummen einzutreiben, wobei er sogar die säumigeu Pächter und deren Bürgen fesseln konnte {Demostli. Timocr. 146.); ebenso kam es ihm zu, die Zölle jährlich zu verpachten. Ferner sand die Dokimasie der Archonten und vielleicht aller übrigen Beamten vor ihm statt. Auch hatte er Gerichtsbarkeit, aber eine beschränkte, denn er konnte nur Geldstrafen bis zu 500 Drachmen auflegen, während er schwerere Vergehen, die bei ihm angezeigt waren, an die Gerichte zu bringen hatte. — Beschlüsse, die er saßt (natürlich nur in Sachen, die zu seinem Wirkungskreise gehören), haben für sein Amtsjahr Gültigkeit. Demostli. Aristocr. 92. Selbständige Gewalt hatte er nur, wenn das Volk ihn zum uvzoxquzojq machte. Anäoc. viyst. 15. Demosth. fals. leg. 154. — Die Versammlungen des Raths fanden außer an Festtagen täglich statt, und zwar im Bovibvzyiqlov. Zur Erleichterung des Geschäftsganges und zur Leitung des Gauzeu, auch um den Staat zu keiner Zeit ohne berathende Behörde zu lassen, war der ganze Rath in 10 Theile nach den 10 Stämmen, jede Abtheilung also aus 50 Mitgliedern bestehend, getheilt. Jede Abtheilung hatte die Verpflichtung, den 10. Theil des Jahres hindurch, je 35 oder 36 Tage (das attische Mondjahr hatte 354, das Schaltjahr 384 Tage), im Schaltjahr 38 oder 39 Tage, nach einer durch das Loos bestimmten Ordnung, den ganzen Tag über beisammen zu sein, in der Qolog nahe ant Bovlsvzrjqlov, in alten Zeiten im Uqvzuvblov ; hier speisten sie früher mit den Ehrengästen des Staates (f. ’A s lg izoi und Ulzt/g ig), später in der Qolog, während die Staatstafel im Pryta-
- Bulla.
neion verblieb. Die Function eines der Fünfzig und die Zeitdauer der Function heißt Prytaneia (tcqvzu-vcld)^ die Fünfzig, die an der Reihe waren, heißen Ttqvzüvsig (über die andern Bedeutungen s. Tlqv-zavig)] cpvlr] tiqvzuvbvovgu heißt der Stamm, der den Vorsitz hat. Die Prytanen erbosen für jeden einzelnen Tag einen inlazuzrig aus ihrer Mitte, welcher den Vorsitz im Rathe und in der Volksversammlung hat und die Schlüssel zur Burg und zum Archiv, sowie das Staatssiegel aufbewahrt. Später jedoch, bald nach dem Archontat des Naufiuikos (378 v. C.), erboste jener Epistates, wenn er bett Rath berufen hatte, 9 tcqobsqol , einen aus jeder Phyle außer der ngv-zavsvovgd, und an einen dieser 9 „und seine gv^i7iq6ssqolu: wie es in den Inschriften heißt, gibt der Epistates den Vorsitz im Rath und Volksversammlung ab. Dieser heißt dann ebenfalls inigzccztjg. Der Epistates der cpvxrj tiqvzuvbvovgu hat nur noch den Vorsitz unter den Pry-tanen, die Aufbewahrung der Schlüssel und des Siegels sowie die Wahl jener tzqobsqol, die cpvlr; ■Kqvzuvivovgu nichts weiter mehr zu thun, als in der ■froxog versammelt zu bleiben und jeden Tag einen Bmczuzrig zu wählen. — Zum Rathe gehörten ferner noch der ygu^ifiuzbvg o nazu tiqv-ruvbluv nlr]Qco&£Lg, der für jede Prytauie, gewöhnlich nicht ans den Prytauen, erlooft wurde (nach dem Secretär der ersten Prytanie, og nprä-zog syqufiaüzsvs, wird zuweilen das Jahr bezeichnet), er hatte die Aufbewahrung der Beschlüsse zu veranlassen; ferner ein vom Rath erwählter ygufi^uxsvg zäv ßovxsvzäv • drittens ein von der Volksversammlung eingesetzter, welcher die Erkenntnisse in Rath und Volksversammlungen vorlas. Alle drei waren Buleuten. Dazu kam ein Controleur (uvzlygucpbvg zfjg ßovxfjg) und eine Anzahl subalterner yguunuzbig, vno-
yqu[i[iuz8ig lt. s. w.
Bulis, Bovug, 1) rj B., Hafenstadt int südl. Phokis, unfern der Bai von Antikyra, an der Grenze von Boiotien ant Fuße des Helikon, ursprünglich wol eine phoinikische Ansiedlung, dann von Korinth aus dorisirt. Die Bewohner lebten vorzugsweise von der Fischerei der Purpurschnecken. Strab. 9, 423. Paus. 2, 37, 2. — 2) ö B., ein Spartaner, erbot sich neben dem Sper-thias freiwillig für feilt Vaterland durch den Tod den Zorn des alten Heros Thalthybios zu sühnen, welchen die Spartaner durch Ermordung der persischen Gesandten (Hdt. 6, 48.) auf sich geladen hatten. Der König Terxes aber, zu dem sie sich begaben, um sich feiner Rache preiszugeben, entsandte sie wieder in ihre Heimat, weil er die Spartaner nicht von ihrer Schuld lösen wollte. Der Zorn des Talthybios gegen die Spartaner war nuu gesühnt, ruhte aber noch auf dem Geschlechte der beiden Gesandten, die selbst davon verschont blieben, deren Söhne aber, Mblaos und Anaristos, geraume Zeit später (430) auf einer Gesandtschaft nach Asien vom Thrakier-könige Sitalkes an die Athener verrathen und von diesen gebbtet wurden. Hdt. 1, 134—137. Thue. 2, 67. Luc. Dem. enc. 32.
Bulla, eine platte, goldene Kapsel, welche nach altetruskischer Sitte von den vornehmen Kindern an einem Bande um den Hals getragen wurde. Plin. 28, 4, 7. Cic. Verr. 1, 44. 58. Die
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tiypsäeus — Jahf.
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Pfand (pignus) dem Gläubiger übergeben wird, sondern denselben nur insosern sicher stellt, als es, wenn der Schuldner nicht zahlt, zur Befriedigung des Gläubigers verkauft wird. Cie. ad fam. 13, 56.
Hypsaeus s. Plautii, 8.
Hypsipyle, Hypsipyleia, 'Tipinvlr], 'Ttyt-ttvxzlu, Königin auf Lemnos zur Zeit, als die Argonauten dort landeten, Tochter des Königs Thoas. Die lemnischen Frauen hatten damals ihre Männer, weil sie ihnen untreu geworden waren, sämmtlich ermordet; nur Hypsipyle hatte ihren Vater heimlich erhalten, indem sie ihn entfliehen ließ. Als dies die lemnischen Frauen erfuhren, mußte Hypsipyle fliehen; sie ward von Seeräubern gefangen und an den König Lykos in Theben, oder an Lykurgos verkauft, den König in Nemea, wo sie die Wärterin des Opheltes (s. Adrastos) ward. Da Opheltes durch ihre Schuld von einer Schlange getödtet ward, wurde sie eingekerkert, aber von ihren Söhnen Thoas und Euueos, die sie von Jason {Horn. Ii. 7, 469.) geboren hatte, befreit.
Hyria, ’Tqlu, l) See in Aitolien, später Av-oinuxficc genannt (Strab. 10, 460. Ov. met. 7, 371 ff.), j. See von Angeld kastro. — 2) kleine Stadt am Enripos in Boiotien, nahe bei Anlis. Honi. Ii. 2, 496. — 3) Stadt in Japygia (Italien) zwischen Brnndisium und Tarent. Hdt. 1, 170.
Hyrieus s. Agamedes und Amphion.
Hyrkania, 'Tqy.uvlu, Landschaft in Asien, gegen N. und W. vom kaspischen Meere und Medien, gegen O. von Margiana, gegen S. von Parthien begrenzt — altpersisch Vehrkana, d. i. Wolfsland, j. Gorgan (Dfchordschan) —, von rauher Beschaffenheit, mit vielen Waldungen, in
denen wilde, reißende Thiere. Unter den Städteü werden genannt Zadrakarta, Hyrkania, Tape. Der barbarischen Sitte, die Leichen der Todten zerfleischen zu lassen, gedenkt Cicero [tusc. 1, 45.). Das kaspische Meer wurde auch hyrkanif ches Meer genannt. Strab. 11, 508 ff. Plin. 6, 23, 27.
Hynnlue, Tpfuv??, Stadt in der hohlen Elis, daneben das Vorgebirge gleiches Namens oder "Öqfjuva (j. Cap Chiarerza) (Hom. Ii. 2, 616.), zu Strabons Zeit verschwunden. Strab. 8, 341.
Hyrnethia f. $vlrj> 9.
Hyrtakos, "'Tpraxog, 1) ein Troer, welchem Priamos, als er die Hekabe heirathete, feine erste Gemahlin Arifbe überließ, Vater des Afios und des Nifos. Hom. Ii. 2, 837. 13, 759. 771. Verg. A. 9, 177. 406. — 2) Vater des Hippokoon. Verg. A. 5, 492.
Hysiai, 'Tgicü, 1) Stadt in Argolis (f. Ar-golis, 5.) an der Grenze der Landschaft Kynu-ria, wo die Argeier von den Lakoniern geschlagen wurden. Im peloponnesischen Kriege wurde die Stadt 417 v. C. von den Spartanern zerstört {Thue. 5, 83.). Von den Argeiern wieder hergestellt, lag sie zur Zeit des Pausanias in Trümmern. Paus. 2, 24, 7. Strab. 8, 376. Noch jetzt sind Trümmer der Akropolis erhalten. — 2) Flecken in Boiotien, dicht am Schlachtfelde von Plataiai. Hdt. 9, 15. 25. Thue. 3, 24. Schon Pausauias fand den Ort in Trümmern.
Hystaspes, 'Tozccanrjg, altpers. Vashtaspa, ein angesehener Perser und Vater des Dareios I., war ein Mann von großer Klugheit und Bildung, welche er sich auf Reifen nach Indien bei den dortigen Braminen erworben und den Magiern mitgetheilt haben soll. Amm. Marc. 23, 6.
I(J).
Jahr, Eintheilnng des Jahres bei den Grie- j in den einzelnen griechischen Staaten ebenso wenig chen und Römern. I. Bei den Griechen, die überein, wie die religiösen Feste. Das attische gleich den Römern ursprünglich Mondmonate Jahr begann mit dem ersten Neumond nach der hatten-, hieß der erste Tag des Monats, der, an Sommersonnenwende (während das spartanische dessen Abend der Neumond ausging, vovfirjvi'a, mit dem Herbstäquiuoctium, das der Aiolier mit dem Apollon geheiligt; Vollmond war folglich der Wintersonnenwende anfing); dadurch entsteht Mitte des Monats. Der Monat bestand also folgende Reihenfolge der attischen Monate: 1) ans 29 Tagen und ungefähr 13 Stunden, man 'Ehazonßcclcöv, 2 te Hälfte des Juli und lte des wechselte mithin zwischen 30tägigen (nltj^sig) August. 2) Mezayeizvicov, 2 te Hälfte des Aug. und 29tägigen (xotloi) Monaten. Um nun das und lte des September. 3) Boi)öqoiii<x>v, 2te H. Mondjahr mit dem Sonnenjahr auszugleichen, des Sept. und lte des October. 4) nvarsipicov, schob man feit Solon innerhalb eines „großen 2te H. des Oct. und 1 te des November. 5) Mai-Jahres ([leyccg sviavrss)" von 99 Monaten in , 2te H. dcs Nov. und lte des Decem-
jebem 3., 6. und 8. Jahre einen Schaltmonat der. 6) Tloosidicov, 2te H. des Decbr. und lte ifißofofiaiog) von 29 ober 30 Tagen ein, des Januar. 7) ra^rjhcov, 2 te H. des Jan. und so daß das gewöhnliche Jahr aus 354, das lte des Februar. 8) ’Av&sgtiiqlcöv, 2te H. des Schaltjahr aus 383 ober 384 Tagen beftanb. Febr. und lte des März. 9) ’Elaqprjßohcor, 2te Aber and) das Schaltjahr (jqisxrjglg) war 7% H. des März und lte des April. 10) Movw-Tage zu lang, und so mußte bettn, um bies wie- 2te H. des April uttb lte des Mai. 11)
der zu heben, ab und zu der Schaltmonat aus- &oiqytjucöv, 2te H. des Mai uttb lte des Juni, gelassen werben. Der Astronom Meton stellte zur 12) 2y.lqocpoqiu>v, 2te H. des Inn. und lte des Zeit des Perikies einen 19 jährigen Cyklus (iv- j Juti. Der Schaltmonat war ein zweiter Posei-vtakaid'fxafrryptff) ans, der auch später benutzt beoit, der in die Mitte des Jahres eingefchoben wurde. Das Kalenberwefen stimmte übrigens würde. Jeben Monat theilte man wieber in brei
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und gab sich, da Vertheidigung unmöglich war, den Tod, zu Cäsars Betrübniß, der ihm viel lieber durch Verzeihung seine Achtung bewiesen hätte. Numidien wurde römische Provinz, und Juba's gleichnamiger Sohn nahm seinen Auseitt-halt in Rom, mit wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt. — C. genoß bei seiner damaligen Rückkehr nach Rom die ersten Früchte seiner Siege; er feierte den viertägigen Triumph über Gallien, Aegypten, die Könige Pharnakes und Juba; der Name der besiegten Römer wurde vermieden. Durch nie gesehene Festlichkeiten, Spiele, Volksspeisungen, Geld- und Getreidespenden wurde die Menge über die unbeschränkte Herrschaft des Einzigen geblendet und betäubt. Zu eiuem bleibenderen Andenken weihte er damals sein neu gegründetes Forum Julii und den Tempel der Venns Genetrix und ließ den durch Willkür und Fahrlässigkeit der Pontifices in große Verwirruug geratheuen Kalender mit Hülfe des alexandrini-fchen Mathematikers Sosigenes in Ordnung bringen und sür die Zukunft feststellen (annus con-fusionis). — Abermals zum Dictator für das I. 45 und zum alleinigen Consnl erwählt, brach er, nachdem er mit Beseitigung der gewöhnlichen cnrulischen Aemter nur ihm völlig ergebene Männer, wie Lepidns, Balbns und Oppins, zu Stadtpräfecten eingefetzt, im December 46 nach Hispanien auf, der letzten Burg der Pompejaner. Die Verzweiflung gab den Söhnen des Pompejus, Cu. und S., und den Männern, die bei ihnen das letzte Heil sich suchten, u. A. dem La-bienns, für diesen letzten Kampf größere Ent-fchloffenheit und Ausdauer, als C. in einem der früheren gefunden hatte. Nachdem er Monate lang gegen sie im südlichen Hispanien vergebens sein Feldherrntalent und seine Kräfte aufgeboten hatte, brachte er es endlich den 17. März 45 bei Mnnda, nördlich von Granada, zur entscheidenden Schlacht. Sie ist die einzige in diesem Bürgerkriege, die hart und lange gestritten worden ist. C. selbst gerieth in Lebensgesahr und mußte die größten persönlichen Anstrengungen machen, um das Feld zu behalten und seine Truppen zum Siege zu führen, endlich behauptete er ihn. Cn. Pompe jus, Attius Varus, T. Labienns fielen; S. Pompejus faud Zuflucht bei den Celti-beriern und hat nach C s Tode noch eine be-dentende Rolle gespielt. Die völlige Unterwerfung Hifpauieus erforderte noch Monate; erst im September kehrte C. nach Rom zurück. — Das Uebermaß von abgöttischer Verehrung, welches ihn hier empfing, war nicht geeignet seine geringe Achtung vor den noch bestehenden Staatsformen zu vergrößern. Um so auffallender ist es, daß wir ihn nicht in der noch übrigen Zeit seines Wirkens von bestimmten Gedanken einer Neubildung erfüllt sehen. Das damalige Rom hätte vielleicht eine kühne und rasche Umwandlung der Verfassung, in der sein entschiedener Wille nach Alleinherrschaft offenen Ausdruck gefunden hätte, besser ertragen, als das fortgesetzte Spiel mit Formen, die keine Wahrheit hatten. Die Macht zu den eingreifendsten Aenderungen wurde in feine Hände gelegt, die Dictatnr auf Lebenszeit, das Confnlat ans zehn Jahre, die beständige praefectura rnoruni, d. H. alle Be- j fugitiffe der alten Censur, und in dem ihm als
Vornamen verliehenen Jmperatortitel auch der Inbegriff der höchsten militärischen Gewalt. Allein an eine Umgestaltung der Verfassung hat er nicht Hand gelegt, sondern sich theils vor, theils nach dem hispanischen Kriege mit denjenigen legislatorischen Maßregeln begnügt, die die Ruhe und Sicherung des augenblicklichen Zustandes bezweckten. Er verschärfte die Gerichte durch Aufhebung der Richterdecurie der tribuni aerarii und neue Gesetze über die Processe wegen Gewalt und Majestätsverbrechen; er reinigte die Stadt von einer ungeheuren Masse brot- und ge-schäftslosen Gesindels und sorgte sür Beschäftigung der Zurückbleibenden; er suchte den übermäßigen Aufwand der Reichen in Bauten, Kleiderpracht und Tafelluxus zu beschräncken. Es war ein plötzlicher Uebergang von der leidenschaftlichen Aufregung zu einer thatenlosen Stille eingetreten, in welcher die Menge sich nicht mehr von Demagogen umworben, die Vornehmen sich ohne Einfluß und Bedeutung sahen. Zwar gedachte C. keineswegs lange müssig zu rasten: die gewaltigsten Pläne von einem Rachekriege gegen die Parther und Eroberungen in Asien erfüllten feine Seele. Aber er ließ doch während der fünf Monate seines Verweilens in Rom, wo er deutlich genug feine Gelüste nach der Krone verrieth, ohne doch den kühnen Griff zu wagen sie sich auszusetzen, den trüben Elementen, die sich aus ganz verschiedenen Gründen gegen ihn regten, Zeit genug, sich zum gemeinsamen Ausbntch zu vereinigen. Unter den mehr als sechzig Verschworenen, welche meistens entweder alte und oft begünstigte Anhänger C.s oder von ihm mit Schonung und Auszeichnung behandelte Pompejaner waren, sind M. Junius Brutus und C. Cassins Longinus die hervortretendsten. Jener war von C., der ihn von früh auf kannte und liebte, gleich uach der pharsalischen Schlacht wieder ausgenommen und für das I. 44 mit der einflußreichen städtischen Prätur betraut. Er hing ehrlich an der identischen Hoffnung, die alten Zeiten der Republik wiederhergestellt zu sehen, und hielt dafür die Hinwegräumung feines Wohlthäters für fein zu großes Opfer. Easfius aber, der im parthifchen Kriege mit Verdienst gefochten und unter Pompejus eine ansehnliche Stellung eingenommen hatte, sah seinen Ehrgeiz durch Cäsars Großmuth nicht hinlänglich befriedigt und fühlte sich noch zuletzt durch die niedere Prätnr, die jener ihm übertragen hatte, zurückgesetzt; er stillte durch C.s Mord die Rachsucht seines finstern Gemüths. Beide Männer bezeichnen die äußersten Puncte der Gesinnungen, welche sich bei den Andern unter verschiedenartigem Einfluß persönlicher Verhältnisse mischten und sie zu der unseligen That trieben. Das Gerücht, daß in der Versammlung des Senats, die ans den 15. März 44 in das Theater des Pompejus aus dem Marsfelde berufen war, ein neuer Antrag auf Übertragung der Königswürde gemacht werden sollte, bestimmte die Verschworenen, diesen Tag und Ort zur Ausführung zu wählen. Im Senate konnte E. am wenigsten einen Anschlag fürchten, das Erscheinen der Verschworenen, die alle Senatoren waren, am wenigsten ausfallen. Aber gewarnt durch drohende Anzeichen und durch ängstliche Vorstellungen seiner Gemah-
1867 -
Frankfurt a.M.
: Jaeger
- Autor: Lüben, August, Cassian, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt, Gymnasium
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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215
in den Händen der Engländer. Ausgeführt werden besonders Seidenzeuge,
Baumwollenstoffe, Shawls, Teppiche, Diamanten und Edelsteine, Gewürze,
Apothekerwaaren, Elfenbein, Perlen und Vogelnester. Dampfboote befahren
bereits den Indus und Ganges, und die Auffindung von Steinkohlen hat
die Anlegung von Eisenbahnen nicht nur ermöglicht, sondern bereits ins
Leben gerufen.
Seiner geographischen Lage nach gehört Hindostan dem tropischen und
subtropischen Klima an; Winde, zahlreicbe Flüsse und Sumpfflächen, das
Himalayagebirge wirken mäßigend aus die Hitze ein. Die Monsune (vergl.
§ 126) mit den sie begleitenden Regen sind eine Eigenthümlichkeit des
indischen Oceans, werden durch die eigenthümliche Vertheilung der Länder-
massen in der tropischen Zone hervorgerufen und üben aus Pflanzen- und
Thierleben einen großen Einfluß aus. Der S.-W.-Monsun ist regnerisch,
der N.-O.-Monsun trocken. Sobald der erstere Ende Juni zu wehen an-
fängt, entladen sich unter fürchterlichen Donnerschlägen gewaltige Regengüsse,
welche die versengten Gefilde in lachendes Grün umschaffen. Bäche werden
zu reißenden Strömen und verbreiten Schrecken und Untergang allenthalben.
Fast überall folgen auf die Regenzeit ansteckende Krankheiten, besonders
Fieber, Cholera, Aussatz, Elephantiasis, Augenleiden und Blattern. Ins-
besondere wirkt das tropische Klima sehr nachthcilig auf die Europäer ein,
und hat Manchen zur Rückkehr gezwungen. In neuester Zeit hat man Ge-
sundheitsstationen in einigen hochgelegenen, gesunden Gegenden angelegt, wo
sich Kranke in kurzer Zeit wieder erholen können. Eine solche Gesundheits-
station befindet sich für Madras auf dem Rilgherriberg in einer Höhe von
7700) wo eine mittlere Temperatur von 16° 0. herrscht; eine andere liegt
nördlich von Kalkutta in den Bergen von Sikkim zu Dargiling (7000')
und eine dritte zu Landur im Lande Gherwal (8000'), wo ein angenehmes
Klima und die hier angebauten europäischen Obst- und Gemüsearten die
Gesundheit oft wieder schenken.
Das britische Indien zerfällt in mittelbare und unmittelbare Besitzungen;
jene bilden eine Art von Schutz- und Bundesstaaten, diese dagegen voll-
ständige Unterthanenlande. Die Letzteren werden in vier Präsidentschaften
eingetheilt.
1) Die Präsident sch äst Bengalen oder Kalkutta, die volkreichste, um-
faßt das untere Tiefland des Ganges und sämmtliche Besitzungen der Eng-
länder in Hinterindien, im Ganzen mit einer Bevölkerung von 40 Mill.
Die Hauptstadt Kalkutta mit Fort William besteht aus drei Municipali-
täten: dem eigentlichen Kalkutta, der „Stadt"; den vielen Vorstädten, welche
mit ihr auf derselben Seite des Flusses Hughly liegen und in denen die
Europäer und die Mehrzahl der Muhamcdaner wohnen, und drittens dem
Stadttheil Haurah. Die Bevölkerung ist im höchsten Grade buntscheckig,
beläuft sich aber wenigstens auf 1 Mill., darunter etwa 20,000 Europäer.
Murschedabad (150,000 E.). Patna am Ganges (300,000 E.). Kuttak
am Mahanaddy. Südlich von Kuttak liegt der berühmte Wallfahrtsort
Dschaggernat mit einer ungeheuren Pagode, welche nach der Sage 10,000
Jahre alt sein soll, und jährlich 1 Mill. Wallfahrer herbeizog. Die Pa-
gode besteht auö vielen Tempeln und geräumigen Wohnungen für mehrere
Tausend Braminen und Tempeldiener sammt Familien. Die hinterindischen
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15. Welches sind die wichtigsten in Australien? 16. Was haben Bontany
Bai und Sibirien mit einander gemein? 17. Wie unterscheiden sie sich?
18. Welche Inseln haben die Franzosen besetzt? 19. Was ist von den
Sandwichsinseln zu wiederholen? 20. Unter welchen Breitengraden liegen
dieselben? 21. Welche Inseln nehmen die Papuas ein? 22. Was sür
ein Interesse erregen die Marianen? 23. Warum heißen dieselben auch
Ladronen ? 24. Unter welcher Breite liegen die Ostern-Inseln? 25. Zu
welchem Archipel gehört Nukahiwa? 26. Was ist von den Gesellschasts-
inseln bemerkt worden? 27. Wie bestimmt man die Lage der Basses-,
Torres- und Cooks-Straße? 28. Mit welcher amerikanischen Stadt hat
Sidney gleiche Breite? 29. Wenn es in Sidney Mittags 12 Uhr schlägt,
wie viel Uhr ist es dann in Angra auf den Azoren? 30. Wenn in Neu-
Pork am 21. December der Winter beginnt, welche Jahreszeit beginnt dann
für die Bewohner der Stadt Hobbartown auf Van-Diemens-Land?
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Zusammensetzung schließen läßt. Sie sind zu allen Jahreszeiten wahr-
zunehmen, am häufigsten jedoch um den 10. August und 11. bis 15. No-
vember. Die November-Periode erreicht wieder alle 33 Jahr nhr Maxi-
mum, was die Jahre 1799, 1833 und 1866 unwidersprechlich erwiesen
haben. In diesen Jahren war am 12. bis 14. November in den ver-
schiedensten Gegenden der Erde der Steruschnuppenfall so außerordentlich
groß, daß man den Anblick eines himmlischen Feuerwerkes genoß. Alle
bewegten sich in der Richtung von Osten nach Westen, in der Richtung
zum Sternbilde des Löwen, nach welchem in dieser Zeit die Erde gerichtet
ist. Für die August-Periode liegt der Hauptansgaugspunkt im Algol des
Perseus, was mit der Stellung der Erde um diese Zeit zusammenhängt.
Im Novenlber 1866 ist auch der außerordentliche Fall des Aufeinander-
treffens zweier Sternschnuppen vorgekommen. Beide Sternschnuppen zer-
platzten beim Zusammenstoß und ließen einen ringförmigen Kranz von
Funken zurück.
Es ist jetzt keinem Zweifel mehr unterworfen, daß die Sternschnuppen
dem Kosmos, dem Welträume, angehören, kleine Asteroiden, Meteor-
Asteroiden find, die in einem Strome von großer Mächtigkeit, vielleicht auch
in zwei Strömen, die Sonne umkreisen. Diese Ströme liegen uicht in der
Ebene der Erdbahn, sondern schneiden dieselbe in zwei Punkten (Knoten).
Im August kommt die Erde dem einen, im November dem andern nahe,
zieht dann eine Anzahl Sternschnuppen an, läßt sie uns als feurige Raketen
erscheinen und darauf für immer verschwinden. Schwierig bleibt dabei die
Entzündung dieser Körper zu erklären.
Im August und November befindet sich die Erde auf der untern
Seite der Sternschnuppenströme, d. h. sie ist näher bei der Soune als die
Sternschnuppen, diesen ist also der Theil der Erdoberfläche zugekehrt, wel-
cher Nacht hat, und die Sternschnuppen können gesehen werden. Zu an-
derer Zeit aber befindet sich die Erde auf der äußeren Seite der beiden
Ströme, ihnen ist die Erdseite, welche Tag hat, zugekehrt; wir können
dann zwar die Sternschnuppen nicht sehen, aber dennoch verkünden sie ihre
Nähe. Ein halbes Jahr nämlich nach der Novemberperiode, nämlich am
11. bis 13. Mai, geht die Erde durch den zweiten Knoten der Bahn des
Novemberstroms, die Sternschnuppen werden nicht gesehen, weil sie der
Sonne näher sind, sie gehen bei Tage vor der Sonne vorbei; man kann
sie nicht sehen, weil sie zu klein sind und das Sonnenlicht zu sehr blendet,
aber ihre Zahl ist doch so groß, daß sie der Erde einen Theil der Sonnen-
strahlen entzieht, dadurch den wärmenden Einfluß der Sonne auf die Erde
schwächen, die Verminderung der Wärme und die Kalte verursachen, welche
nicht selten in jenen berüchtigten Maitagen (Mamertus, Pancratius und
Servatius) den Frühlingsgewächsen so nachtheilig wird. Diese Hypothese
bedarf natürlich noch der weiteren Bestätigung.
Große, mit Rauch und Flamme erscheinende Sternschnuppen nennt
man Feuerkugeln, von denen man zuweilen auch welche am Tage wahr-
genommen hat. Ihre Erscheinung ist mitunter mit dem Herabfallen von
Steinmassen, die man Meteorsteine nennt, verbunden gewesen. Sie haben
eine Schwere von einigen Loth bis zu mehreren Centnern, und bestehen
aus Eisen (Meteoreisen), Nickel, Kobalt, Kieselerde, Talkerde u. s. w.,
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tritt die Sonne ins Zeichen der Fische, und weiter — am 21. März ins
Zeichen des Widders, am 20. April in das des Stiers, am 21. Mai in
das der Zwillinge, am 22. Juni in das des Krebses, am 23. Juli in
das des Löwen, am 23. Aug. in das der Jnngfrau, am 23. Sept. in
das der Waage, am 23. Okt. in das des Skorpions, am 22. Nov. in
das des Schützen, am 22. Dec. in das des Steinbocks. Diese 12 Zeichen
sind dem Thierkreis (Zodiakus) am Himmel, einer 20° breiten Zone zu
beiden Seiten der Ekliptik, entlehnt.
Der glückliche Gedanke, das unermeßliche Sternenheer in Bilder zu
gruppiren, rührt von orientalischen Völkern her, insbesondere den Chal-
däern in Babylon, welche anfangs tüchtige Astronomen, späterhin als Astro-
logen berüchtigt waren. Sie hatten wahrgenommen, daß die Sonne bald
diese Sterngruppe, bald eine andere bedecke, d. h. mit ihr auf- und unter-
gehe. Dies brachte sie auf den Gedanken, die Bahn der Sonne dadurch
zu bestimmen, daß sie den Thierkreis ersannen und die einzelnen Sterne
zu Bildern vereinigten. Wer auch nur zwei oder drei Sternbilder anr
Himmel kennt, muß die feurige Phantasie der Orientalen bewundern,
welche aus den einzelnen Sternen so kühne Figuren und Bilder construi-
ren konnte.
Die Bilder des Thierkreises paßten genau auf den Stand der Sonne
vor denselben in den damaligen Jahresverhältnissen. Die 3 Frühlings-
sternbilder Widder, Stier, Zwillinge bezeichneten den Stand der Sonne,
wenn im März die Heerde wieder auf die Weide getrieben, im April der
Acker geflügt und im Mai junge Ziegen geworfen wurden, die 3 Sommer-
sternbilder Krebs, Löwe, Jungfrau, wenn die Sonne im Juni den höchsten
Stand erreicht hatte und den Rückweg antrat, die große Hitze des Juli
dem feurigen Temperamente des Löwen vergleichbar war, und die Jungfrau
mit der Sichel an die Ernte im August mahnte; Waage, Skorpion und
Schütze stimmten mit den Merkzeichen des Herbstes überein; die Waage
weiset aus die Herbst-Nachtgleiche im September, der Skorpion mit giftigem
Stachel auf die im Oktober grassirenden Krankheiten, der Schütze auf die
einbrechende, fröhliche Jagdzeit im November. Die Wiuterzeichen endlich,
Steinbock, Wassermann, Fische, verdanken ähnlichen Verhältnissen ihre An-
wendung. Der Steinbock, halb als Gemse, halb als Fisch dargestellt,
deutet aus das Ende der Jagd und den Ansang der Ueberschwemmungen,
sowie auf das beginnende Eniporsteigen der Sonne, welche mit dem 21. Dec.
den tiefsten Stand für die Bewohner der nördlichen Halbkugel erreicht hat;
der Wassermann und die Fische auf die Ueberschwemmungen und die gün-
stige Zeit des Fischfangs im Januar und Februar bis nach der Mitte
des März.
Als man aber fand, daß die Tag- und Nachtgleichen jährlich um 50"
vorrückten, d. h. daß die Sonne nicht an der gleichen Stelle den Himmels-
äqnator alljährlich durchschnitt, da paßte nach Verlauf von mehreren Jahr-
hunderten auch die alte Ausdrucksweise nicht mehr. Wenn wir z. B. jetzt
noch sagen wollten, die Sonne trete am 21. März ins Sternbild des
Widders, so könnten wir uns leicht von dieser Unrichtigkeit überzeugen,
indem die Sonne am genaunten Tage erst im Sternbild der Fische an-
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man 15 Tage ein und übertrug die Sorge hierfür beit Priestern. Aber
diese schalteten nach Privatrücksichten bald zu wenig, bald zu viel ein, und
führten dadurch eine solche Unordnung herbei, daß C. Julius Cäsar mit
Hülfe des Mathematikers Sosigenes und des Schreibers M. Fabius die
Zeitrechnung, wie er sie während seines Aufenthaltes in Aegypten kennen
gelernt, einführte. Die Grundzüge des julianischen Kalenders sind folgende.
1) Das gemeine Sonnenjahr wird zu 365 Tagen 6 Stunden gerech-
net; die 6 Stunden werden alle 4 Jahre zu einem Schalttage zusammen-
gefaßt, welcher zwischen den 23. und 24. Febr. gestellt werden soll. Denn
am 23. Febr., dem letzten Monate des römischen Jahres, wurde das letzte
Fest des Jahres, die Terminalia, zu Ehren des Grenzgottes Terminus ge-
feiert; er hätte übrigens auch jeden andern beliebigen Tag zum Schalttag
nehmen können. 2) Cäsar brachte die Frühlingsnachtgleiche auf den März
zurück, welche im Jahr 47 v. Chr. in den Juni fiel, schaltete zu dem Ende
im Februar 23 Tage und zwischen Nov. und Dec. zwei Monate ein, so
daß dies unnu3 perturbationis 14 Monate oder 445 Tage zählte. 3) Das
erste Jahr der julianischen Zeitrechnung (45 v. Chr.) ward ein Schaltjahr.
4) Der erste Monat sollte der Januar sein, aber die Kirche beachtete es nicht.
Da Cäsar das Jahr um 11 */5 Min. zu hoch angesetzt hatte, so merkte
man 325 n. Chr. auf der Kirchenversammlung zu Nicäa (45 -j- 325 —
370 x llj/5 — 3 Tagen weniger 56 Minuten), daß die Frühlingsnacht-
gleiche nicht auf den richtigen Tag falle, und versetzte sie daher vom 18. auf
den 21. März. Da man sonst die julianische Rechnung beibehielt, so fiel
1577 die Frühlingsnachtgleiche auf den 11. März (1577 - 325 = 1252
X ll1^ = 9 T. 197/i0 St.); deshalb schlug Dr. Aloys Lilius zu Verona
dem Papste Gregor einen verbesserten Kalender vor, der nach seinem Adop-
tivvater der gregorianische heißt. Außer der verbesserten Epaktenrechnung
bestimmt er Folgendes:
1) Um die Frühlingsnachtgleiche auf den 21. März zurückzuführen,
sielen 10 Tage aus. Vom 4. Okt. 1582 ging man alsbald zum 15. Okt.
über. Welche Rechnung beweist die Richtigkeit der ausgemerzten Tage?
2) Alle 4 Jahre soll ein Schaltjahr stattfinden, auch bei den Säcularjahren
soll immer nur das vierte ein Schaltjahr sein, z. B. 1600 und 2000;
aber 1700, 1800 und 1900 sind gemeine Jahre. Wie genau ist diese
Verbesserung? In welcher Zeit wird auch die gregorianische Zeitrechnung um
10 Tage hinter der Wirklichkeit zurück sein? Da die russisch-griechische
Kirche den gregorianischen Kalender nicht annahm, so fragt es sich, wie viel
Tage ist jetzt der julianische Kalender hinter dem gregorianischen zurück?
Der gregorianische Kalender wurde in Italien, Spanien und Portugal
am 15. Okt., in Frankreich am 20. Dec. 1582 eingeführt; in der katholi-
schen Schweiz 1583, in Polen 1586 und in Ungarn 1587. In Deutsch-
land ward er 1583 vom Kaiser und von den katholischen Ständen an-
genommen; die protestantischen Fürsten widersetzten sich aber der Annahme,
weil der gelehrte Landgraf Wilhelm von Hessen bewies, daß auch die
gregorianische Rechuung an Irrthümern leide. So geschah es, daß bei
öffentlichen Verhandlungen in der Regel das alte und neue Datum gebraucht
wurde. 1613, 1648 und 1654 suchte man vergeblich eine Vereinigung.
Endlich als nach dem Friedensschlüsse zu Ryswick (1697) neue Unruhen in