46 Zweiter Teil. Das Mittelalter.
der Anführung des Gottfried von Bouillon auf. Über Kleinasien, wo die Seldschukken bei Dorylänm geschlagen wurden, ging der Zug nach Antiochia, welches unter furchtbarem Blutvergießen erobert wurde (Auffindung der heiligen Lanze). Nur nach einer langen und überaus mühevollen Belagerung gelang es 1099 endlich den Kreuzfahrern, Jerusalem zu erobern (1099). Die durch den Widerstand erbitterten Kreuzfahrer ermordeten fämt-liche Einwohner mit unbarmherziger Grausamkeit. „Über die Treppe der Moschee rieselte das Blut von zehntausend erschlagenen Sarazenen; die Juden wurdeu in ihrer Synagoge verbrannt; die Straßen füllten sich mit Leichen, Blut und den Gliedmaßen der Verstümmelten." Man glaubte damit ein Gott wohlgefälliges Werk zu thun. Unmittelbar von dieser Blutarbeit begaben sich die Christen unter Lobgesängen in die Kirche des heiligen Grabes; so nahe lagen in den Gemütern zu jener Zeit Religiosität und Fanatismus. — Um nun Jerusalem und die anderen eroberten Orte möglichst dauernd der Christenheit zu erhalten, errichtete man das Königreich Jerusalem. Gottfried von Bouillon wurde der erste König; er wußte das Erworbene mit starker Hand zu verteidigen. Zu dem Königreich standen im Lehnsverband Edessa im Euphratgebiet, sowie Tripolis und Antiochia.
An diesem ersten Kreuzzug hatte sich die deutsche Natiou nicht beteiligt. Als aber die Kunde kam, daß Edessa von den Mohammedanern erobert sei, da wußte der begeisterte Kreuzzugsprediger Bernhard von Clairvaux auch den deutschen König Konrad Iii. zu bewegen, das Kreuz zu nehmen. Derselbe unternahm gemeinschaftlich mit Ludwig Vii. vou Frankreich den 1147 zweiten Kreuwg (1147—1149). Aber an der Tücke der Griechen bis und der orientalischen Priester selbst scheiterte dieser Zug voll-kommen; die Teilnehmer wurden zum größten Teil durch Seuchen, Entbehrungen und das Schwert aufgerieben. Die Könige kehrten vollkommen unverrichteter Sache zurück. Die Folge davon war, daß die Sarazenen immer eifriger auf die Wiedereroberung Jerusalems bedacht waren. Dieselbe bewerkstelligte der edle, großherzige Sultan von Ägypten Saladin, nachdem er die Christen in der Schlacht bei Hittin geschlagen. Dieser Fall Jerusalems wurde der 11 cq Anlaß zum
6i§" Dritten Kreuzzug (1189—1192). An die Spitze desselben 1192 stellte sich Friedrich I. Barbarossa, der mit diesem Unternehmen
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Extrahierte Personennamen: Gottfried_von_Bouillon Gottfried_von_Bouillon Bernhard_von_Clairvaux Konrad_Iii Konrad Ludwig_Vii Ludwig Saladin Jerusalems Friedrich_I. Barbarossa Barbarossa
140
das erste christliche Fürstentum und die östliche Vormauer
des heiligen Landes. Das Hauptheer belagerte neun
Monate das prächtige und feste Antiochien. Kaum
war nach entsetzlichen Opfern die ausgehungerte Stadt
durch Verrat genommen, als ein mächtiges Sarazenenheer
herbeieilte und die Sieger einschloß. Die Not in der
Stadt erreichte eine entsetzliche Höhe. Viele aus dem
Volke, ja selbst Ritter ließen sich an Stricken von den
Mauern und flohen zu den Griechen. Manche dieser
„Strickläufer" gingen sogar zu den Feinden über und
schwuren ihren Glauben ab. Da wurde plötzlich der
gesunkene Mut der Belagerten durch Auffinden der
heiligen Lanze, mit der angeblich Jesu Seite durchbohrt
worden war, derart gehoben, daß die halb verhungerten
Kreuzfahrer unter Gesang und mit Todesverachtung sich
auf die Feinde stürzten und sie in die Flucht schlugen.
Antiochien wurde ein christliches Fürsten-
t u m. Durch den Libanon zog nun der Rest des Kreuz-
heeres, bestehend aus 20 000 Mann zu Fuß und 1500
zu Roß, südwärts nach Jerusalem. Endlich erblickten
sie von Emmaus' Höhen die heilige Stadt. „Jerusalem,
Jerusalem!" riefen die erschöpften Krieger mit Entzücken, sanken weinend
nieder und küßten die Erde, alle Mühsale vergessend.
1099 5. Die heldenmütige Eroberung Jerusalems am 15. Juli 1099.
Doch die heilige Stadt war stark befestigt und von 60000 Mann ver-
teidigt. Dem Kreuzheere fehlte alles zu einer Belagerung. Endlich
brachten Schiffe aus Genua Verstärkung, Werkzeuge und Lebensmittel.
Unter den ungeheuersten Anstrengungen wurden nun Belagerungsmaschinen
angefertigt, insonderheit hohe Türme, die man samt ihren Insassen auf
Rädern bis an die Mauer schob. Viele davon wurden aber von
dem unlöschbaren griechischen Feuer zerstört. Nach 39 Tagen kam es
endlich zum Hauptsturm. Es wurde mit beispielloser Tapferkeit, aber
erfolglos gekämpft. Am zweiten Tage begann der Sturm mit vermehrter
Heftigkeit, aber auch die Belagerten verdoppelten ihre Anstrengungen.
Da glaubten die Kreuzfahrer plötzlich auf dem Ölberge einen Ritter in
leuchtender Rüstung zu sehen. „Gott sendet den Erzengel Michael zur
Hilfe!" rief man sich zu, und die Begeisterung ward unwiderstehlich.
Die erste Ringmauer wurde niedergeworfen und der Wallgraben da-
hinter ausgefüllt. Gottfried und sein Bruder Eustach erstiegen von
ihrem Turme zuerst die Mauer; gleichzeitig ward ein Thor nieder-
geranut, und hinein stürmten die rachedurstigen Scharen mit dem Ruse:
„Gott will es!" In grauenvollem Gemetzel fielen Tausende von Türken.
Die Juden wurden samt ihrer Synagoge verbrannt. Die Kämpfer
wateten bis an die Knöchel im Blute. Gottfried aber ging barfuß im
Büßergewande zum heiligen Grabe und dankte Gott knieend für den Sieg.
Auch das Kriegsvolk hörte auf zu morden und zog barfuß und entblößten
Hauptes unter Bußgesängen nach der Grabeskirche, um inbrünstig zu beten.
\07. Lin Kreuz-
fahrer. (Robert v.
d. Normandie.)
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Extrahierte Personennamen: Michael Gottfried Gottfried Gott Robert_v
;08. Kirche des heil. Grabes zu Jerusalem.
(Nach Kugler, Geschichte der Kreuzzüge.)
6. Das schwache Königreich Jerusalem. Man bot dem edlen
Gottfried die Krone des neuen Reiches an, aber er wollte an der Stelle
keine goldene Krone tragen, wo sein Heiland unter einer Dornenkrone
geblutet hatte, und nannte sich nur „Beschützer des heiligen Grabes".
Nachdem er noch ein siebenmal stärkeres Heer des Sultans von Ägypten
besiegt und dem Reiche neue Gesetze gegeben hatte, starb er infolge der 1100
unsäglichen Anstrengungen. Sein Bruder Balduin folgte ihm als König
von Jerusalem und erweiterte und befestigte sein Reich durch Eroberung
der Küstenstädte und durch ein Bündnis mit den Handelsstädten Venedig,
Genua und Pisa, die unablässig Verstärkungen brachten.
Aber durch die Uneinigkeit der Christen und die Tapferkeit der
Türken ging später ein Ort nach dem andern verloren. Und obgleich
das Abendland in sieben Kreuzzügen seine beste Kraft im Orient ver-
schwendete und an 6 Millionen Menschen opferte, so fiel doch nach
200 Jahren die letzte christliche Besitzung in Palästina, die Festung 1291
Akkon, den Türken wieder in die Hände.
7. Die wichtigen Folgen der Kreuzzüge. Der Zweck der Kreuz-
züge, die dauernde Besitzergreifung des heiligen Landes, wurde nicht
erreicht; aber sie haben einen gewaltigen Einfluß auf das öffentliche
Leben und die Kulturentwicklung im Abendlande ausgeübt. Die Kirche
gewann durch die große religiöse Begeisterung an geistiger, durch die
vielen Schenkungen an weltlicher Macht. Auch manche Herzöge und
Grafen erhielten einen Zuwachs an Besitz, indem sie erledigte Lehen
einzogen. Vor allem aber brachten die Kreuzzüge den größeren Städten
Vorteil. Ihr Handel und Verkehr hob sich, und mit ihrem Reichtum
erkauften sie leicht von den geldbedürftigen Fürsten größere Vorrechte.
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Extrahierte Personennamen: Kugler Gottfried Balduin
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gegen „Entschädigungen" die Krone einem englischen und einem spanischen
Fürsten übertragen. Beide bekümmerten sich ebensowenig um Deutschland
wie die deutschen Fürsten um diese Namenkaiser. Die deutschen Fürsten
waren völlig selbständig geworden. Handel, Gewerbe und Acker-
bau lagen gänzlich darnieder. Niemand war seines Lebens und Gutes
sicher. Die Fürsten und Herren rauften miteinander in endlosen Fehden,
und nur der Stärkste hatte Recht (Faustrecht). Von ihren sicheren
Burgen aus, die an den Landstraßen auf geschützten Orten sich zahlreich
erhoben, raubten die Ritter, was zu rauben war. Sie schwangen sich
in den Steigbügel, sobald der Knecht auf dem Wartturm das Zeichen
gab, daß Reifende oder Warenzüge nahten, um die reichen Warenzüge
der Kaufleute zu plündern und von den Gefangenen oft ein sehr hohes
Lösegeld zu erpressen. Gegen diese Raubritter oder Ritter vom Steg-
reif (d. i. Steigbügel) schloffen die Städte, welche unter diesem Unwesen
am meisten litten, Bündnisse zu Schutz und Trutz.
Unteritalien gab der Papst als päpstliches Lehn dem finsteren Karl
von Anjou, einem Bruder Ludwigs des Heiligen von Frankreich.
Karl unterdrückte mit grausamer Härte Adel, Bürger und Geistlichkeit,
und das ganze Land seufzte unter den Händen dieses Henkers.
2. Der unglückliche Zug Konradins nach Italien. In Bayern
am Hofe seines Oheims wuchs der letzte Sproß der Staufer, Konrads
Sohn Konradin, auf. Zwei Minnelieder in der Manesseschen Samm-
lung bezeugen feine dichterische Begabung. Der Ruf der Italiener, das
Drängen seiner Freunde und der Zug seines eigenen Herzens veranlaßten
ihn zu einem Heerzuge nach Italien, um sein väterliches Erbe von den
Franzosen zurückzufordern. Vergeblich hatte seine Mutter Elisabeth
von dem Zuge abgemahnt, mit Thränen und trüben Ahnungen in Hohen-
schwangau von ihm Abschied genommen. In Italien wurde der herr-
liche Jüngling überall mit Jubel ausgenommen. Doch der Papst sprach
den Bann über ihn aus. Bei Tagliacozzo siegte Konradin anfänglich
über Karl von Anjou. Als aber seine Soldaten sich zu früh zerstreuten
und zu plündern anfingen, fiel ein Hinterhalt über sie her und brachte
ihnen eine gänzliche Niederlage bei. Konradin wurde auf der Flucht
mit seinem Freunde Friedrich von Baden gefangen und an Karl von
Anjou ausgeliesert. Dieser stellte ihn als einen Räuber und Empörer
vor ein Gericht, das ihn aber freisprach. Nur der knechtisch gesinnte
Robert von Bari erklärte ihn des Todes schuldig. Daraufhin befahl
Karl seine und seiner Begleiter Hinrichtung.
3. Sein rührendes Ende. Das Todesurteil wurde Konradin
vorgelesen, als er mit seinem Freunde Friedrich beim Schachspiel saß.
Gefaßt bereitete er sich zum Tode vor. Am 29. Oktober 1268 bestieg
er mit seinen Gefährten das Blutgerüst. Robert von Bari verlas das
Todesurteil und zerbrach den weißen Stab. Da sprang, so wird erzählt,
Graf Robert von Flandern auf und rief ihm mit drohend ge-
schwungenem Schwerte zu: „Wie kannst du, feiger Schurke, einen so
herrlichen Ritter zum Tode verurteilen!" Und das geschwungene Schwert
traf den bösen Mann. Konradin aber umarmte seinen Freund, befahl
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Extrahierte Personennamen: Karl
von_Anjou Karl Ludwigs Karl Konradins Konrads Konradin Konradin Konradin Konradin Karl_von_Anjou Karl Konradin Konradin Friedrich_von_Baden Friedrich Karl_von
Anjou Karl Robert_von_Bari Karl Karl Konradin Friedrich Friedrich Robert_von_Bari Robert_von_Flandern Konradin Konradin
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Unteritalien Frankreich Italien Bayern Manesseschen_Samm- Italien Hohen- Italien
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300 000 beutelustige Krieger schnitten die Stadt von jeder Landverbindung
ab, und 70 Schiffe wurden auf Brettern, die durch Fett schlüpfrig ge-
macht waren, in den weiten Hafen
geschoben, den eine mächtige Kette
sperrte. Ungeheure Belagerungs-
türme wurden immer näher an die
Stadt geschoben, und Kanonenkugeln
von gewaltigem Gewicht erschütterten
die Grundmauern der Stadt. Bei
Nacht umzog das türkische Lager wie
ein feuriger Halbmond die Stadt.
Bei Tage erscholl das Schlachtgeheul
der Belagerer, der Lärm von Trom-
peten und Pauken, der Donner der
Riesenkanone und das „Kyrie eleison"
(Herr, erbarme dich unser!) der Be-
*3*. Mohammed Ii. lagerten schaurig durcheinander. In
Kupfermedaille im Kgl. Münzkabinett in Berlin. Stadt machten sich in dieser
höchsten Not Feigheit und Habsucht geltend. Nur 9000 Streiter folgten
dem Rufe des Kaisers. Die Reichen vergruben ihre Schätze.
4. Der mutige, aber unglückliche Verteidiger. Konstantin Xii.,
ein redlicher Fürst, verteidigt^ seine Hauptstadt mit großer Tapferkeit.
Die türkische Flotte wurde geschlagen, der höchste Belagerungsturm durch
das flüssige griechische Feuer entzündet, aber trotzdem zog sich die er-
würgende Umstricknng immer enger zusammen. Zuletzt stellten sich Mangel
und Verzweiflung ein. Konstantin verweigerte indes noch immer die
Übergabe. Da begann Mohammed nach fast fünfzigtägiger Belagerung
einen allgemeinen Sturm. Die Janitscharen drangen ein. Ihnen stürzte
sich der Kaiser, der mit den Seinen das Abendmahl genossen und unter
Thränen Abschied genommen hatte, entgegen zum Todeskampfe. Während
er das Hauptthor verteidigte, drangen die Türken durch ein anderes, lange
verrammelt gewesenes ein. Der Ruf: „Die Türken sind in der Stadt!"
raubte den Verteidigern den letzten Rest von Mut und Besonnenheit.
Der Kaiser rief verzweifelt: „Ist denn kein Christ da, der mir mein
Haupt nehme?" Da trafen ihn die Todesstreiche zweier Türken. Andere
Getreue stürzten mit ihm. Des Kaisers Haupt ließ Mohammed auf
einer Säule zum Hohne ausstellen und dann ausgestopft durch die Städte
Kleinasiens senden.
5. Die traurigen Folgen der Eroberung. Das in die Sophien-
kirche geflüchtete Volk verkaufte man in die Sklaverei wie Schlachtschafe.
Das Kreuz wurde von der Sophienkirche geworfen und durch den Halb-
mond ersetzt. Dieser war bis dahin Stadtzeichen von Byzanz ge-
wesen und wurde nun das Wahrzeichen des Islam und des türkischen
Reiches. Die Schätze der Bibliothek wurden vernichtet oder zerstreut,
die Häuser geplündert, die Kirchen entweiht und die Stadt zur türkischen
Residenz gemacht. Entsetzen packte die Christenheit des Abendlandes.
Durch das „Mittagsläuten der Türkenglocken" sollte die Christenheit zu
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Extrahierte Personennamen: Mohammed Konstantin_Xii Konstantin Mohammed Mohammed
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Hohne Kleinasiens Byzanz